Geschäftsführerhaftung (Glückspielautomatenabgabe)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Bürgerstraße 41, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Geschäftsführerhaftung für Glückspielautomatenabgabe zur Steuernummer ***Str.Nr.*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Vorhalt
Mit Schreiben vom setzte der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) den Beschwerdeführer davon in Kenntnis, dass die ***AB*** (Primärschuldnerin), deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, Abgabenbeträge in Höhe von € 44.484,20 für das Halten von mehreren Glückspielautomaten an zwei Standorten in Wien schulde und es beabsichtigt sei, den Beschwerdeführer hiefür zur Haftung heranzuziehen.
Bescheid
Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 2.614,67 wie folgt heran:
In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bereits seit dem Jahr 2013 als Geschäftsführer im Firmenbuch eigetragen war.
Beschwerde
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde.
In der Beschwerde wird zunächst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (unstrittig) der Geschäftsführer der Primärschuldnerin war, die wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde. Allerdings wurde die belangte Behörde vom Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers informiert, womit ihr § 197 IO entgegenzuhalten sei. Daher werde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung hat die belangte Behörde ausgeführt, dass das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers bereits im Jahr 2023 eröffnet wurde; die Heranziehung zur Haftung erfolgte jedoch erst im Jahr 2024. Damit handle es sich um keine Insolvenzforderung, sondern um eine Neuforderung.
Vorlageantrag
Mit Vorlageantrag vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht beantragt.
Vorlagebericht
Im Vorlagebericht vom verwies die belangte Behörde darauf, dass unter Berücksichtigung des abgeschlossenen Schuldenregulierungsverfahrens der Beschwerdeführer nur im Ausmaß der Quote, nämlich zu 5,88% in Anspruch genommen wurde.
Beschlüsse
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an die belangte Behörde mit diversen Frage. Im Antwortschreiben vom hat die belangte Behörde dazu bekannt gegeben:
-) Der haftungsrelevante Abgabenanspruch in Höhe von € 8.400 zuzüglich Nebengebühren basiere auf einem Bemessungsbescheid zur Zahl ***Str.Nr.2***, wobei das Verfahren beim BFG anhängig sei. Vorgelegt wurde unter anderem eine Buchungsmitteilung für zu bezahlende Glückspielautomatenabgabe, die an die ***AB*** gerichtet ist.
-) Der haftungsgegenständliche Abgabenanspruch in Höhe von € 35.000 zuzüglich Nebengebühren basiere auf einem Bemessungsbescheid vom und wurde mit Beschwerdevorentscheidung erledigt. Der Bescheid ist an die Primärschuldnerin gerichtet.
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht erneut an die belangte Behörde mit der Frage, ob dem Beschwerdeführer im Haftungsverfahren mitgeteilt wurde, dass Festsetzungsbescheide gegenüber der Primärschuldnerin erlassen wurden.
Dazu gab die belangte Behörde mit E-Mail vom bekannt, dass der Abgabenanspruch des Haftungsbescheides aus zwei Festsetzungsbescheiden stamme. Sowohl im Vorhalt als auch im Haftungsbescheid wären die diesbezüglichen Rückstände und Kontonummern angeführt worden. Ein konkreter Hinweis auf die bereits rechtsgültigen Bemessungsbescheide sei jedoch nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer habe in der Beschwerde vom keinen Antrag hinsichtlich der Bemessungsverfahren eingebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Primärschuldnerin hat in Wien Glückspielapparate betrieben und die Glückspielautomatenabgabe nicht entrichtet. Der Primärschuldnerin wurden für den Zeitraum Jänner 2020 insgesamt € 8.400,00 und für den Zeitraum November / Dezember 2020 insgesamt € 35.000,00 an Glückspielautomatenabgabe vorgeschrieben. Die Einhebung der € 8.400,00 wurde gegenüber der Primärschuldnerin ausgesetzt. Hinsichtlich der € 35.000 wurde mit Beschwerdevorentscheidung abgesprochen.
Über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde im Jahr 2022 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, das jedoch mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde. Am TT.6.2023 ist die Löschung wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch eingetragen worden.
Über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss vom TT.6.2023, der am TT.6.2023 bekannt gemacht wurde, das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Im Dezember 2023 wurde der Zahlungsplan, der eine Quote von 5,88 % vorsieht, rechtskräftig und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben. Die belangte Behörde hat im Schuldenregulierungsverfahren Forderungen in Höhe von insgesamt € 130.726,26 angemeldet.
Mit Haftungsbescheid vom hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung für Glückspielautomatenabgabe der Primärschuldnerin für das Halten von Spielapparaten in ***Ort1*** und ***Ort2*** für die Monate Jänner, November und Dezember in Höhe von € 2.615,67 (das sind 5,88 % von 44.484,20) vorgeschrieben.
Dem Beschwerdeführer wurde im Haftungsverfahren nicht bekannt gegeben, dass gegenüber der Primärschuldnerin bereits Abgabenbescheide ergangen sind.
Beweiswürdigung
Die Feststellung, dass die Primärschuldnerin in Wien Glückspielautomaten betrieben hatte, ergibt sich aus den Angaben der belangten Behörde im Vorhalt vom . Darin wird geschildert, dass am von der Finanzpolizei dreizehn Glückspielautomaten in ***Ort1*** beschlagnahmt wurden, nachdem durch die ***CD*** im November 2020 eine Lokalbegehung durchgeführt wurde und Glückspielautomaten vorgefunden wurden. Auch im Haftungsbescheid vom ist angeführt, dass die Haftung für das Halten von Glückspielautomaten durch die Primärschuldnerin geltend gemacht werde. Darüber hinaus sind die beiden Standorte, an denen Glückspielautomaten betrieben wurden, auch im Haftungsbescheid genannt. Weder in der Beschwerde vom noch im Vorlageantrag wurde dem Vorbingen der belangten Behörde entgegengetreten.
Aus dem Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Glückspielautomatenabgabe, der an die Primärschuldnerin gerichtet ist, ergibt sich, dass der Primärschuldnerin für November und Dezember 2020 insgesamt € 35.000,00 an Glückspielautomatenabgabe vorgeschrieben wurde. Hinsichtlich des haftungsgegenständlichen Betrages von € 8.400 an Glückspielautomatenabgabe für den Zeitraum Jänner 2020 hat die belangte Behörde einen Bescheid über die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung vorgelegt. Auf Grund dieses Bescheides hat die belangte Behörde auf Grund eines Antrages vom die Aussetzung der Einhebung der € 8.400,00 bewilligt. Erläuternd hat die belangte Behörde dazu ausgeführt, dass es einen Bemessungsbescheid gibt, wobei im Zusammenhang mit der Vorschreibung dieser € 8.400,00 noch ein Verfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig sei.
Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin, in den Einsicht genommen wurde.
Die Feststellungen zum Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers gründen sich einerseits aus dessen Angaben in der Beschwerde und andererseits aus den Eintragungen in der Ediktsdatei zum Aktenzeichen ***GZ***. Zum Zahlungsplan ist darin angeführt, dass die Gläubiger eine Quote von 5,88 % erhalten. Aus dem Anmeldeverzeichnis vom November 2023 ist ersichtlich, dass die belangte Behörde insgesamt Forderungen in Höhe von € 130.726,26 angemeldet hatte, wobei € 65.000,-- bestritten wurden, "zumal das Haftungsverfahren noch anhängig ist". Aus dem vorgelegten Akteninhalt der belangten Behörde geht hervor, dass ein Betrag in Höhe von € 65.726,26 Forderungen für Abgabenschulden aus zwei anderen Geschäftslokalen betrifft.
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Haftungsverfahren nicht mitgeteilt wurde, dass gegenüber der Primärschuldnerin die Glückspielautomatenabgabe bereits bescheidmäßig festgesetzt wurde, gründet sich auf die Beantwortung des Beschlusses vom durch die belangte Behörde mit E-Mail vom . Darin führt die belangte Behörde aus: "Der Abgabenanspruch des Haftungsbescheides stammt aus zwei Bemessungsbescheiden (Festsetzungsbescheiden).
Im Vorhalt und im Haftungsbescheid wurden die diesbezüglichen Rückstände und Kontonummern angeführt. Ein konkreter Hinweis auf die bereits rechtsgültigen Bemessungsbescheide ist nicht erfolgt."
Rechtslage
§ 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz lautet:
Steuergegenstand
§ 1. Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, erteilt wurde, ist eine Steuer zu entrichten. Die Steuer beträgt je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1.400 €. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.
§ 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz lautet:
Steuerpflicht und Haftung
§ 2. (1) Steuerpflichtig ist die Unternehmerin oder der Unternehmer. Unternehmerin oder Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes ist jede bzw. jeder, in deren bzw. dessen Namen oder auf deren bzw. dessen Rechnung der Spielapparat gehalten wird oder die Entgelte gefordert werden. Sind zwei oder mehrere Unternehmerinnen bzw. Unternehmer (Mitunternehmerinnen bzw. Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldnerinnen bzw. Gesamtschuldner steuerpflichtig. Die Inhaberin oder der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und die Eigentümerin oder der Eigentümer des Apparates gelten als Gesamtschuldnerinnen bzw. Gesamtschuldner.
(2) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.
(3) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(4) Die in Abs. 3 bezeichneten Personen haften für die Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Flexiblen Kapitalgesellschaft nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 197 Insolvenzordnung lautet:
Berücksichtigung nicht angemeldeter Forderungen
§ 197. (1) Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, haben nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt wurden, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote, jedoch nur für die Restlaufzeit des Zahlungsplans, mindestens aber bis zum Ablauf von drei Jahren ab der Annahme des Zahlungsplans, selbst wenn die Laufzeit früher endet, und nur insoweit, als diese Quote der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. § 156 Abs. 4 bleibt unberührt.
(2) Ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, hat das Insolvenzgericht auf Antrag vorläufig zu entscheiden (§ 156b).
(3) Zu Gunsten eines Insolvenzgläubigers, der seine Forderung nicht angemeldet hat, kann die Exekution nur so weit stattfinden, als ein Beschluss nach Abs. 2 ergangen ist. Der Gläubiger hat dem Exekutionsantrag auch eine Ausfertigung des Beschlusses nach Abs. 2 samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen oder darzulegen, dass er die Forderung angemeldet hat. Eine entgegen dem ersten Satz bewilligte Exekution ist von Amts wegen oder auf Antrag ohne Vernehmung der Parteien einzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Ein Haftungsbescheid wirkt insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird (zB ; ). Der Haftungsbescheid ist ein nicht vom Willen des Insolvenzschuldners abhängiges Element, das die Forderung endgültig zum Entstehen bringt. Das Vorliegen eines Haftungsbescheids ist insolvenzrechtlich (nur) als aufschiebende Bedingung für das Bestehen des Anspruchs zu werten (). Das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde am TT.6.2023 eröffnet; das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers lag zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Insofern war die Haftungsschuld in diesem Insolvenzverfahren als bedingte Forderung anzumelden, selbst wenn die Haftung noch nicht mittels Haftungsbescheides geltend gemacht wurde.
Die Wirkungen des Sanierungsplans bzw. Zahlungsplans erstrecken sich nur auf jene Ansprüche gegen den Schuldner, die der Anmeldung im Insolvenzverfahren unterliegen. Nicht erfasst sind daher Masseforderungen bzw. Forderungen, die überhaupt erst nach Konkursaufhebung entstanden sind (vgl. Lovrek in Konecny/Schubert [Hrsg], Insolvenzgesetze § 156 KO Rz 6). Dem folgend bezieht sich auch § 197 Abs. 1 IO auf Insolvenzforderungen nach § 51 IO, also auf Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden waren (vgl. - vgl ).
Kommt hinsichtlich des Haftenden ein Zahlungsplan zustande und werden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches (Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Abgabenschuldner und eine schuldhafte, für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzung des Vertreters) vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es grundsätzlich der nach § 20 BAO im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, dass sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der im Zahlungsplan festgelegten Quote (Ausgleichsquote) orientiert, wenn es auch der Behörde unbenommen ist, im Rahmen der Ermessensübung ergänzend noch auf andere Umstände Bedacht zu nehmen. Dies folgt daraus, dass im Falle früherer Geltendmachung der Haftung durch die Abgabenbehörde die Haftungsforderung von der Wirkung des Zahlungsplanes erfasst worden wäre (). Im angefochtenen Haftungsbescheid hat die belangte Behörde die Haftung nur im Ausmaß der im Zahlungsplan festgelegten Quote ausgesprochen.
Die Haftung nach § 2 Abs 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz ist eine Gefährdungshaftung. Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung. Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, dass nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist.
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Dem beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid gingen zwei Abgabenbescheide voran, wobei nach Angaben der belangten Behörde einer dieser Bescheide bereits in Rechtskraft erwachsen ist und die Beschwerde gegen den anderen Bescheid noch unerledigt ist.
Aussetzung
Die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers zur Haftung wird oft nicht in Betracht kommen, wenn die Einhebung der Abgabe gegenüber der Gesellschaft gem § 212a BAO ausgesetzt wurde. Wenn allerdings die Gesellschaft nicht mehr existent ist, führt dies dazu, dass der Haftende von vornherein und alleine zur Haftung herangezogen werden kann ().
Abgabenbescheid - Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Beschwerde erheben. Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (; ). Diese Beschwerden müssen nicht in gesonderten Schriftsätzen eingebracht werden ().
Werden dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Abgabenanspruches unvollständig zur Kenntnis gebracht, ist dadurch eine Behinderung seiner Verteidigungsrechte auch im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid zu sehen ().
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2005/13/0145, ausgesprochen, dass dann, wenn der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Berufung (Beschwerde) gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (). In diesem Sinn erging auch die Judikatur des Bundesfinanzgerichtes , oder ; . Der Verwaltungsgerichtshof vertritt den Standpunkt, dass eine Bekanntmachung von Abgabenbescheiden (bzw. Haftungsbescheiden im Zusammenhang mit Lohnsteuer) bzw. dessen Inhalt dem Haftungspflichtigen anlässlich des Haftungsbescheides auch dann zu machen ist, wenn dieser zB als gemäß § 9 BAO haftender Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt wurden und er daher sogar nachweislich davon Kenntnis hatte (siehe ; Ritz/Koran7, BAO § 248 Rz 9; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 248 Anm 12; Ryda/Langheinrich, FJ 2015, 214).
Sachverhaltsmäßig ist erwiesen, dass dem Beschwerdeführer keine Kenntnis von Abgabenfestsetzungs- bzw Haftungsbescheiden, die an den Masseverwalter der Primärschuldnerin gerichtet sind, anlässlich der Inanspruchnahme zur Haftung verschafft wurde. Eine Sanierung dieses Mangels tritt selbst dann nicht ein, wenn es dem Beschwerdeführer (bzw. seinem Vertreter) gelang, sich von solchen Erledigungen initiativ Kenntnis zu verschaffen.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Revisionszulassung
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005 § 197 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7400004.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
FAAAF-79711