Kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung bei Änderung der Vermietungsabsicht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***BF1***, ***AdrBF11***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung von Säumniszuschlägen für Umsatzsteuer 2021 und 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurden Säumniszuschläge betreffend Umsatzsteuer 2021 und 2022 festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Umsatzsteuer 2021 iHv 70.476,47 € und die Umsatzsteuer 2022 iHv 13.174,86 € nicht bis bzw. entrichtet worden sei.
Gegen diesen Bescheid wurde durch die ausgewiesene steuerliche Vertretung fristgerecht mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht. Betreffend Zahlung der Umsatzsteuer sei es zu keiner Säumnis gekommen. Die Abgabenschuld sei durch die Änderung der Verhältnisse entstanden. Es sei ursprünglich Vermietungsabsicht gegeben gewesen, diese sei jedoch aufgrund der Scheidung verworfen worden.
Mit als Beschwerdevorentscheidung intendierter Erledigung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Zustellung erfolgte an die Beschwerdeführerin ***BFfalsch***.
Dagegen wurde mit Eingabe vom Vorlageantrag eingebracht.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Zahl RV/5100668/2024, wurde der Vorlageantrag vom mangels Wirksamkeit der Beschwerdevor-entscheidung als nicht zulässig zurückgewiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
Im Vorlageantrag vom wurde dargelegt, dass die beschwerdeführende Partei kein Verschulden an der Versäumnis treffen würde (§ 217 Abs. 7 BAO). Die Abgabenschuld sei durch Vorsteuerguthaben entstanden, die im Zuge der Bauphase des Hauses gutgeschrieben worden seien. Es sei ursprünglich geplant gewesen, das Objekt zu vermieten. Aufgrund der Scheidung sei es zur Änderung der Verhältnisse gekommen, die beschwerdeführende Partei habe beschlossen das Haus zu verkaufen. Die Abgabenschuld aufgrund der nachträglich korrigierten Vorsteuerbeträge sei innerhalb der Frist beglichen worden.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Die Umsatzsteuer 2021 und 2022 seien am bzw. am fällig gewesen. Die Beträge seien erst mit Überweisungen auf das Abgabenkonto am und am erfolgt. Die Festsetzung der Säumniszuschläge sei daher gemäß den Bestimmungen des § 217 BAO und nach Ansicht der Abgabenbehörde zu Recht erfolgt, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt werde.
Mit Schriftsatz des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das Finanzamt eingeladen darzulegen, worin das grobe Verschulden an der Selbstberechnung gelegen sei.
Mit Schreiben vom führte das Finanzamt aus, dass gegenständlich zwar laufend Umsatzsteuervoranmeldungen mit entsprechenden Vorsteuerbeträge abgegeben worden seien, die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2021 und 2022, die bis zum 30.06. des Folgejahres eingereicht hätten werden müssen, seien jedoch erst am eingegangen. Somit für beide Jahre zu spät. Es werde im Vorlageantrag nicht ausgeführt, aufgrund welcher vertretbaren Rechtsansicht eine solch verspätete Abgabe (und somit Selbstberechnung) nicht als grobes Verschulden anzusehen sei.
Laut Schreiben der beschwerdeführenden Partei sei es zur Änderung der Verhältnisse aufgrund der Scheidung von Herrn und Frau ***Bf*** gekommen. Die ab diesem Zeitpunkt fehlende Vermietungsabsicht der Liegenschaft sei der Abgabenbehörde erstmalig im Zuge der Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung am mitgeteilt worden. Warum die Änderung der Verhältnisse, die auch zu einer Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung der beschwerdeführenden Partei geführt hätte, erst so spät bekannt gegeben worden sei, könne von der Abgabenbehörde nicht nachvollzogen werden.
In Bezug auf das grobe Verschulden verweise die Abgabenbehörde darauf, dass die Festsetzung der Säumniszuschläge jedenfalls bei zeitgerechter Abgabe der entsprechenden Erklärungen, deren Entrichtung und rechtzeitiger Mitteilung der Änderung in den Verhältnissen jedenfalls hätte vermieden werden können.
Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der beschwerdeführenden Partei die Stellungnahme des Finanzamtes vom übermittelt. Nach Darlegung der Rechtslage und Judikatur wurde die beschwerdeführenden Partei eingeladen bekanntzugeben, warum sie an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung der Umsatzsteuer 2021 und 2022 kein grobes Verschulden treffen würde.
Mit Schreiben vom legte die steuerliche Vertretung der beschwerde-führenden Partei dar, dass es sich in den Jahren 2021 und 2022 um Quotenfälle gehandelt habe. Die Mitteilung über die Änderung der Verhältnisse sei am erfolgt, auch mit der Bekanntgabe, dass es noch nicht feststehen würde, ob das Objekt umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerbefreit verkauft werden würde. Aus diesem Grund liege kein grobes Verschulden vor und es werde nochmals ersucht, die Säumniszuschläge 2021 und 2022 zu stornieren.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Partei hat in ***Adr1***, ein Haus errichtet und geplant, dieses zu vermieten.
Während der Bauphase wurden Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht und Vorsteuerguthaben lukriert.
Aufgrund der Scheidung des Ehepaares ***Bf*** am ***Datum***2022 beschloss die beschwerdeführende Partei, das Objekt nicht zu vermieten sondern zu verkaufen.
Am wurden die Umsatzsteuererklärungen 2021 und 2022 eingereicht. Die Veranlagung erfolgte mit den Bescheiden vom , welche die säumniszuschlagsauslösenden Umsatzsteuerzahllasten von 70.476,47 € (2021) und von 13.174,86 € (2022) ergaben, deren Tilgung am bzw. am erfolgte.
2. Beweiswürdigung
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten und Parteienvorbringen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2 Prozent des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).
Es ist unbestritten, dass die Umsatzsteuer 2021 und 2022 nicht bis zum Fälligkeitstag bzw. entrichtet wurde. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung der beschwerdegegenständlichen Säumniszuschläge lagen daher unbestritten vor.
Auf Antrag des Abgabenpflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).
Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. ()
Fragen des Vorliegens eines groben Verschuldens der Partei sind der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zuzuordnen (), wobei es sich bei der Frage, ob grobes Verschulden vorliegt (oder nicht), nicht um eine Frage handelt, die zu beweisen wäre; es handelt sich vielmehr um eine Rechtsfrage ().
Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().
Nimmt ein zur Selbstberechnung verpflichteter Eigenschuldner (zB Arbeitgeber für Dienstgeberbeiträge) oder Abfuhrpflichtiger (zB Arbeitgeber für Lohnsteuer) die Selbstberechnung vor und entrichtet er (zeitgerecht) den selbst berechneten Betrag, so ist für § 217 Abs 7 BAO ausschlaggebend, ob ihn an einer Fehlberechnung (gemeint ist eine zu niedrige Berechnung) ein grobes Verschulden trifft. Dies wird beispielsweise nicht der Fall sein, wenn der Selbstberechnung eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 48; ). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein zur Selbstberechnung verpflichteter Eigenschuldner (z. B. Unternehmer für Umsatzsteuervorauszahlungen) von einer vertretbaren Rechtsansicht ausgehend die Selbstberechnung der Abgabe vornimmt und den selbst berechneten Betrag zeitgerecht entrichtet. Allerdings ist die Qualität des Verschuldens lediglich anhand des Parteienvorbringens zu beurteilen, da § 217 Abs 7 BAO einen Begünstigungstatbestand normiert, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt (vgl. ; ). Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO wurde im gegenständlichen Fall damit begründet, dass sich die Verhältnisse insofern geändert hätten, als die ursprüngliche Vermietungsabsicht im Rahmen des Scheidungsverfahrens verworfen worden sei.
Es ist daher im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob die beschwerdeführende Partei der Selbstberechnung der Umsatzsteuervorauszahlungen eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde gelegt hat. Aus der Judikatur von VwGH und EuGH folgt, dass der Vorsteuerabzug bereits vor Beginn der Vermietung immer dann zusteht, wenn zum einen die Absicht der Vermietung besteht und diese Absicht zum anderen auch anhand objektiver Merkmale nachgewiesen werden kann. Die ursprüngliche Vermietungsabsicht wurde von der beschwerdeführenden Partei behauptet. Seitens des Finanzamtes wurde dem nichts entgegengehalten. Es liegen keine Hinweise vor, die darauf schließen lassen würden, dass von vorn herein keine Vermietungsabsicht bestanden hätte und der Vorsteuerabzug nicht zugestanden wäre. Die beschwerdeführende Partei hat also zunächst den Vermietungsabsichten entsprechend in den Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsatzsteuer richtig berechnet. Erst als sich herausstellte, dass sich das Ehepaar scheiden lassen und das Gebäude veräußern würde, erwies sich der Vorsteuerabzug als nicht richtig.
Unter diesen Umständen kann der beschwerdeführenden Partei an der Fehlberechnung kein grobes Verschulden treffen, zumal die Berechnung ursprünglich ja richtig war und erst durch den Umstand, dass das Objekt nicht vermietet würde, unrichtig wurde.
Gemäß § 217 Abs. BAO ist gegenständlich daher kein Säumniszuschlag festzusetzen.
Wenn das Finanzamt meint, das grobe Verschulden sei in der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuererklärung zu erblicken, ist dem entgegenzuhalten, dass § 217 BAO eine verspätete Abgabenentrichtung sanktionieren soll und nicht eine verspätete Einreichung einer Abgabenerklärung. Das Instrumentarium dafür wäre ein Verspätungszuschlag iSd § 135 BAO.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie Fragen der Beweiswürdigung ab. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100088.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-79687