Wiederaufnahme des Verfahrens Vorteil aus dem Dienstverhältnis aus der Nutzung einer Naturalwohnung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Alter Platz 24/I, 9020 Klagenfurt am Wörthersee,
a. über die Beschwerde vom gegen
den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 sowie
b. über die Beschwerde vom gegen
b.1. den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 sowie Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 und
b.2. die Bescheide des Finanzamtes X vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014,
alle zu Steuernummer ***BF1StNr1***, nach der am im Beisein des Schriftführers ***SF*** durchgeführten mündlichen Verhandlung
A. zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 sowie Einkommensteuer 2013 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer2014 und 2015 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
B. beschlossen:
I. Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014und 2015 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.
II. Dem Antrag gemäß § 271 BAO wird nicht Folge geleistet.
C. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ein schon seit Jahren im Ruhestand befindlicher Dienstnehmer des Bundesministerium X ("Bundesministerium X"). Er erzielte im Beschwerdezeitraum Pensionsbezüge.
Er bewohnt seit 2001 als "Hauptwohnsitz" (Abfrage Zentrales Melderegister) eine Naturalwohnung seiner ehemaligen Dienstgeberin.
Im Zuge des hier strittigen Wiederaufnahme- und Einkommensteuerverfahrens wurde dem Bf. aus der Benützung der Naturalwohnung ein bis dato nicht erfasster Vorteil aus dem Dienstverhältnis hinzugerechnet.
Die maßgeblichen Abläufe für 2013 bis 2015 sind folgende:
Einkommensteuer 2013
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E-Bescheid 2013 | |
a. Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2013 und b. neuer E-Bescheid 2013 | |
Beschwerde gegen den a. Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2013 und b. neuer E-Bescheid 2013 | |
Abweisende BVE betr. E 2013 + Begründung zur abweisenden BVE betr. E 2013 vom | |
Vorlageantrag betr. E 2013 | |
Abweisende BVE betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2013 | |
Vorlageantrag betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2013 |
Einkommensteuer 2014
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E-Bescheid 2014 | |
a. Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und b. neuer E-Bescheid 2014 | |
Beschwerde gegen den a. Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und b. neuer E-Bescheid 2014 | |
Abweisende BVE betr. E 2014 | |
Vorlageantrag betr. E 2014 | |
Abweisende BVE betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2014 | |
Vorlageantrag betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2014 |
Einkommensteuer 2015
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E-Bescheid 2015 | |
a. Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2015 und b. neuer E-Bescheid 2015 | |
a. Beschwerde gegen den neuen E-Bescheid 2015 b. Beschwerde gegen den Bescheid betr. Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2015 | |
Abweisende BVE betr. E 2015 | |
Vorlageantrag betr. E 2015 | |
Abweisende BVE betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer E 2015 | |
Vorlageantrag betr. Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2015 |
A. Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 sowie Einkommensteuer 2013
Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2013
In der Begründung des Bescheides betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer2013 heißt es wie folgt:
"Das Verfahren war gemäß § 303 (1) BAO wiederaufzunehmen, weil dem Finanzamt auf Grund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels oder einer (geänderten) Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc.) erst nachträglich Umstände bekannt wurden, die im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt. Zur näheren Begründung wird auf die Begründung des im wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheides verwiesen."
Neuer Einkommensteuerbescheid 2013 vom
Im "neuen" Einkommensteuerbescheid 2013 erfasste das Finanzamt neben den bisherigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit des Bundesministeriums X in Höhe von Betrag 4.
Die "Bezugsauszahlende Stelle" (hier Bundesministerium X) sowie der Jahresbetrag werden am Ende des Einkommensteuerbescheides angeführt.
Im "Hinweis" und in der "Begründung" heißt es:
"Hinweis:
Sie haben während des Jahres gleichzeitig von mehreren auszahlenden Stellen Bezüge erhalten. Die Lohnsteuer wurde von jedem Arbeitgeber getrennt ermittelt. Bei der Veranlagung werden Ihre Bezüge zusammengerechnet und so besteuert, als wären sie von einer Stelle ausgezahlt worden. Sie zahlen damit genau so viel Steuer wie jeder andere Steuerpflichtige, der dasselbe Einkommen nur von einer auszahlenden Stelle bezogen hat."
"Begründung:
Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, konnten nicht berücksichtigt werden, da sie den Selbstbehalt in Höhe von Betrag 4 € nicht übersteigen."
B. Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie Einkommensteuer 2014 und 2015
Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hs. Einkommensteuer 2014 und 2015 vom
In der Begründung der Bescheide betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014und 2015 heißt es wie folgt:
"Wir haben das Verfahren nach § 303 (1) Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:
• Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt
• Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt. Die nähere Begründung finden Sie im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid."
Neue Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 vom
In den "neuen" Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 erfasste das Finanzamt neben den bisherigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit des Bundesministeriums X in Höhe von Betrag 4 (2014) sowie Betrag 5 (2015).
Die "Bezugsauszahlende Stelle" (hier Bundesministerium X) sowie die jeweiligen Jahresbeträge werden am Ende der Einkommensteuerbescheide angeführt.
Diese Bescheide enthielten keine "Begründung" und keinen "Hinweis" wie im Einkommensteuerbescheid 2013. Es wird nur allgemein zu Beachtendes für die Abzugsfähigkeit von Spenden als Sonderausgaben festgehalten.
C. Beschwerden
Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2013 bis 2015
In den Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2013 bis 2015 begehrte der Bf. die ersatzlose Aufhebung. Die Wiederaufnahme sei nicht berechtigt, weil Voraussetzungen aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht erfüllt seien.
Er habe entgegen der Bescheidbegründung nie einen berichtigten oder neuen Lohnzettel für die in den neuen Einkommensteuerbescheiden erfassten Bezüge erhalten. Er habe einen solchen auch dem Finanzamt nicht übermittelt.
Eine nähere Begründung gehe aus den Bescheiden betreffend die Wiederaufnahme nicht hervor. Es seien keine Gründe ersichtlich, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 erlauben.
Beschwerden gegen die neuen Einkommensteuerbescheide
In den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 begehrte er die Aufhebung. Er sprach sich gegen die Erfassung eines geldwerten Vorteils aus. Er sei dem Beschwerdeverfahren seiner Dienstgeberin beigetreten. In der Sache selbst sei er auf Informationen der Dienstgeberin angewiesen.
Er beantragte, die Entscheidung über die gegenständlichen Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung der Beschwerden betreffend das Lohnsteuerverfahren der Dienstgeberin auszusetzen.
D. Beschwerdevorentscheidungen (BVE)
BVE betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013
In der Begründung zur abweisenden BVE zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 heißt es wie folgt:
"Aufgrund einer durchgeführten GPLA-Prüfung, hat das Bundesministerium X dem Finanzamt X einen nachträglichen Lohnzettel für das Jahr 2013 übermittelt. Dem Finanzamt wurde erstmals bekannt, dass dem Abgabepflichtigen Einnahmen in Form vongeldwerten Vorteilen zugeflossen sind. Diese bisher nicht berücksichtigten geldwerten Vorteile (Sachbezug) betrifft die begünstigte Überlassung von Wohnraum durch das Bundesministerium X.
Die Höhe des bis dato nicht bekannten Sachbezugs war im zugleich ergangenen Einkommensteuerbescheid 2013 unter Punkt "Lohnzettel und Meldungen" zu ersehen. Die Berücksichtigung dieser Umstände ergab einen anderslautenden neuen Einkommensteuerbescheid. Auch im Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 vom wird in der Begründung verwiesen, dass nachträglich ein Lohnzettel berichtigt und dem Finanzamt neu übermittelt wurde. Das Finanzamt nahm das Verfahren betreffend der Einkommensteuer 2013 (Bescheid vom ) wieder auf und veranlagte den Bf. mit den in den nachträglich übermittelten Lohnzetteln ausgewiesenen Beträgen.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 Abs. 1 BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt haben.
Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Daher ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben. Auch erweist sich die steuerliche Auswirkung in diesem Fall nicht als gering, weshalb die zu treffende Ermessensübung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ausfällt.
Im Anlassfall wurde Wohnraum begünstigt an viele Dienstnehmer zur Verfügung gestellt, weshalb zu untersuchen war, ob dies einen geldwerten Vorteil darstellt.
Der Arbeitgeber hat Wohnungsdatenbanken zur Verfügung gestellt, welche die Grundlage für die Ermittlung der Sachbezugswerte bildete. Die Höhe des Sachbezuges wurde nach § 2 der Sachbezugswerte-Verordnung in der jeweils anzuwendenden Fassung durch eine Gegenüberstellung zwischen den Berechnungen nach der Richtwertmethode und derVergleichswertmethode ermittelt. Der sich daraus ergebende günstigere Wert wurde alsSachbezug herangezogen.
Die vom Bf. an den Arbeitgeber bezahlte Grundvergütung (Miete) wurde dem ermittelten Sachbezugswert als Kostenbeitrag gegengerechnet. Ferner führten die selbst bezahltenBetriebskosten ebenfalls zu einer Verminderung des Sachbezugswertes. Der sich daraus ergebende geldwerte Vorteil für die verbilligte Nutzung der Wohnung (Sachbezug) unterliegt im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer.
Berechnungsansatz 2013
Der Richtwert für den Preis von Mietwohnungen im Bundesland Kärnten betrug im Jahr 2013 € Betrag 1/m2 ("Betrag 1"). Dieser ist auf die Wohnung des Bf. im Ausmaß von xxx m2 anzuwenden und ergibt einen Wert von Betrag 2 ("Betrag 2"). Dieser Wert ist - da der Bf. die Betriebskosten bezahlt - um 25% zu kürzen. Damit verbleibt ein Wert von Betrag 3 p.m ("Betrag 3". Stellt man diesen Wert den geleisteten Kostenbeiträgen des Bf. von Betrag 6 p.m. gegenüber, verbleibt ein Mehrbetrag von Betrag 4 - Monatsbetrag p.m.("Betrag 4/Monat") oder Betrag 4 ("Betrag 4/Jahr")für das Jahr 2013. Dies entspricht dem vom Finanzamt auf Grund des vom Bundesministerium X erstellten Lohnzettels angesetzten Sachbezug von Betrag 4 für das Jahr 2013. Der Ansatz desLohnzettels für die Überlassung der Wohnung erfolgte daher auch der Höhe nach zu Recht.Eine Exceltabelle mit den jeweiligen Daten zum Berechnungsansatz 2013 bis 2015 wird übermittelt.
Anhang:
Exceltabelle 2013-2015"
BVE betreffend Einkommensteuer 2013
Das Finanzamt erließ eine abweisende BVE betreffend Einkommensteuer 2013. In der Begründung führte es die Rechtsgrundlagen für den Sachbezug sowie die Grundlagen seiner Berechnungen und die gewählten Wertansätze an.
BVE betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015
Die abweisenden BVE betreffend die Wiederaufnahme hs. Einkommensteuer 2014 und 2015 enthielt die wesentlichen Ausführungen der diesbezüglichen BVE des Vorjahres mit jeweils adaptierten Zahlen bzw. Daten.
BVE betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015
Die abweisenden BVE betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 sind gleich begründet wie die abweisende BVE betreffend Einkommensteuer 2013. Es sind die für das jeweilige Jahr maßgeblichen Zahlen enthalten.
E. Vorlageanträge
Vorlageanträge betreffend Wiederaufnahme 2013 bis 2015
In den Vorlageanträgen betreffend Wiederaufnahme hs. Einkommensteuer 2013 bis 2015 führte der Bf. aus, dass ein zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenter, sondern später ausgefertigter Lohnzettel kein neu hervorgekommenes Beweismittel darstelle, welches eine Wiederaufnahme begründen würde.
Er kenne keinen "berichtigten Lohnzettel", der angeblich nachträglich ausgestellt und dem Finanzamt übermittelt worden sei. Dem Bf. sei ein solcher auch nie zur Einsicht vorgelegt worden. Er sei jedenfalls dadurch in seinen Rechten als Partei nach AVG beeinträchtigt.
Er verweise auf die geltende Rechtsprechung des BFG und des VwGH:
Die Übermittlung eines neuen Lohnzettels stelle keine Tatsache im Sinne des § 303 BAO dar. Er berufe sich auf den geltenden Grundsatz der Rechtsbeständigkeit. Die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 würden keine weitere Nachforderung einer Abgabe vorsehen.
Die Ermessensentscheidung des Finanzamtes sei zu seinem Nachteil ausgefallen. Die steuerlichen Auswirkungen seien in diesem Fall als gering anzusehen.
Da zwischen dem Veranlagungsjahr 2013 und dem angefochtenen Bescheid mehr als 8 Jahre vergangen seien, mache er bezüglich 2013 die Einrede der Verjährung geltend. Das Finanzamt sei zur Abgabenfestsetzung nicht mehr berechtigt.
Vorlageanträge betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015
In den Vorlageanträgen betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 bemängelte er, dass er die Grundlagen der Ermittlung durch das Finanzamt nicht nachprüfen konnte. Ihm seien die Datenbanken nicht bekannt.
Er bemängelte die Zustellung. Sie habe an den Parteienvertreter zu erfolgen. Die Vorlageanträge wurden vom Parteienvertreter eingebracht.
Verfahren vor dem BFG
Laut Mitteilung des Bf. wurde mit Erkenntnis des RV/7104131/2020, der Beschwerde der Haftungspflichtigen bzw. der dem Verfahren Beigetretenen - auch der Bf war beigetreten - gegen die Wiederaufnahme hinsichtlich Haftung für Lohnsteuer 2012 bis 2015 stattgegeben (Schreiben des Vertreters vom ).
Das Finanzamt teilte mit, gegen das zuvor angeführte Erkenntnis des BFG Revision erhoben zu haben und hielt die maßgeblichen Ausführungen fest (Stellungnahme vom ).
In der mündlichen Verhandlung blieben die Parteien bei ihren bisherigen Vorbringen.
Der Vertreter des Bf. führte zur Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 aus, die Höhe der festgesetzten Einkünfte aus dem Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht mehr zu bekämpfen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist ein in Ruhestand befindlicher Dienstnehmer des Bundesministeriums X. Er bezog 2013 bis 2015 Pensionsbezüge. Die ehemalige Dienstgeberin stellte dem Bf. auch im Beschwerdezeitraum eine Naturalwohnung im Ausmaß vom xxx m2 zur Nutzung zur Verfügung. Diese Wohnung wird vom Bf. ständig benützt und ist sein Hauptwohnsitz.
In den Bescheiden betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 vor Erlassung der hier strittigen Bescheide wurden steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Nutzung der Naturalwohnung durch den Bf. nicht erfasst, auch hatte er solche nicht erklärt.
Nach Ergehen der "ersten" Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 fand bei der ehemaligen Dienstgeberin eine Lohnsteuerprüfung statt, deren Ergebnisse in den Bescheiden vom ihren Niederschlag fanden. Gegenstand der Prüfung war u. a. die Überlassung von Naturalwohnungen an ehemalige Dienstnehmer. so auch den Bf. Es wurde der - hier relevante - Vorteil aus dem Dienstverhältnis für den Bf. festgestellt.
Das für die Einkommensteuerveranlagung zuständige Finanzamt wurde über die Ergebnisse der Lohnsteuerprüfung - soweit diese den Bf. betrifft - mittels Übermittlung von dem Prüfergebnis entsprechenden Lohnzetteln in Kenntnis gesetzt. Diese Lohnzettel haben den in den Jahren 2013 bis 2015 steuerpflichtigen Vorteil aus der Nutzung der Naturalwohnung durch den Bf. betroffen.
In den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015 wurde der Vorteil aus dem Dienstverhältnis in Höhe von je Betrag 4 (2013 und 2014) bzw. Betrag 5 (2015) erfasst.
Der eingangs festgehaltene Ablauf bezüglich der Erlassung der hier angefochtenen Bescheide wird dem Erkenntnis zugrunde gelegt.
Als Grund der Wiederaufnahme werden - bereits in Verbindung mit der Begründung der Einkommensteuer - genannt:
2013, dass aufgrund des Lohnzettels nachträglich Umstände hervorgekommen sind, die im Veranlagungszeitraum bereits existent waren und zu einer geänderten Festsetzung der Einkommensteuer geführt haben,
2014 und 2015 wurde festgehalten, dass ein Lohnzettel bzw. eine Mitteilung über Transferleistungen berichtigt oder neu übermittelt wurden. Eine weitere Begründung gibt es zur Wiederaufnahme nicht.
In allen drei Einkommensteuerbescheiden sind die Bezüge aus dem Vorteil aus dem Dienstverhältnis als steuerpflichtige Bezüge erfasst und werden sie nochmals unter den bezugsauszahlenden Stellen angeführt.
Die Lohnzettel aufgrund der Lohnsteuerprüfung der ehemaligen Dienstgeberin wurden erst nach Ergehen der "Erstbescheide" betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 erstellt.
In den Wiederaufnahmebescheiden 2013 bis 2015 fehlt eine Begründung des Ermessens.
In den BVEs betreffend die Wiederaufnahme 2013 bis 2015 werden die für das Finanzamt maßgeblichen Gründe der Wiederaufnahme festgehalten, eben auch die "neuen Tatsachen".
In den abweisenden BVE betreffend die Wiederaufnahme- und Sachbescheiden des Beschwerdezeitraumes schildert das Finanzamt den Weg von der Lohnsteuerprüfung zu den gegenständlichen Bescheiden, weiters die im Zuge der Lohnsteuerprüfung getroffenen Feststellungen und begründet es seine Ermessensentscheidung. Es sind auch die rechtlichen Grundlagen und die konkrete Berechnung des Vorteils aus dem Dienstverhältnis samt Wertansätzen enthalten.
2. Beweiswürdigung
Die Entscheidung fußt auf dem vorgelegten Akteninhalt sowie den Vorbringen der Parteien im Beschwerdeverfahren.
Dass der Bf. Pensionist ist und ihm seine ehemalige Dienstgeberin eine Naturalwohnung zur Verfügung stellte, die er im Beschwerdezeitraum für seine privaten Wohnbedürfnisse nutzte, ist unstrittig. Der "Hauptwohnsitz" (seit xx.xx.2001) ist dem Melderegister entnommen.
Die Feststellungen der Gründe für die Wiederaufnahme bzw. des Fehlens von Gründen ergeben sich aus den Wiederaufnahme- und Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015.
Die Feststellungen zur Ermessensbegründung bezüglich der Wiederaufnahme ergeben sich aus den Wiederaufnahmebescheiden sowie BVEs 2013 bis 2015.
Aus der Erklärung des Vertreters in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die ermittelte Höhe des Vorteils aus dem Dienstverhältnis seitens des Bf. nicht mehr bestritten wird. Die bezahlten Grundvergütungen gemäß § 24a GehG 1956 sind in der Darstellung des Finanzamtes in den BVE angeführt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens
Vorweg darf zum Problemkreis "BVE über Wiederaufnahme vor BVE über die Einkommensteuer" festgehalten werden:
Im Beschluss des Ra 2019/13/0091, heißt es wie folgt:
"… Prüfungsgegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Insoweit ist im hier gegebenen Zusammenhang -bei zunächst gleichzeitiger Entscheidung des Finanzamts über Wiederaufnahme und Einkommensteuer - entscheidend, dass das Verwaltungsgericht in der zutreffenden Reihenfolge (gleichzeitig) entschieden hat. Dass das Finanzamt hingegen zunächst betreffend Sachbescheid und erst in der Folge betreffend Wiederaufnahme mittels Beschwerdevorentscheidung entschieden hat, bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses. (Hier: Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 als unbegründet ab. Mit einer späteren Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid (Einkommensteuer 2006) als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte (jeweils) die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab.)."
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
Den zuvor genannten Ausführungen steht trotz des Vorgehens des Finanzamtes bezüglich der Beschwerdevorentscheidungen im gegenständlichen Fall der Erlassung eines Erkenntnisses über die im Spruch genannten Bescheide bei Einhaltung der richtigen Reihenfolge nichts entgegen.
Demzufolge entscheidet das BFG vorerst über die Wiederaufnahme und sodann über die Einkommensteuer.
Nun zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 (zu Spruchpunkt A. I. und II.):
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a)der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b)Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c)der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
Der Bescheid hat ferner eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird.
Es ist nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf die eines anderen, der Partei bekannten Bescheides zu verweisen (zB ; , 2006/13/0172; , 2006/13/0122), dies auch dann, wenn dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (; , 97/13/0123). Die Zulässigkeit des Verweises auf die Begründung eines anderen Bescheides setzt allerdings voraus, dass die Begründung dieses anderen Bescheides seinerseits die Anforderungen an eine Bescheidbegründung erfüllt (, 2013/15/0160).
Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Parteien als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (Ritz/Koran, BAO7, Rz. 15 zu § 93 BAO, und die dort zitierte Judikatur).
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften, siehe Ritz/Koran, BAO7, Rz. 21 zu § 303 BAO, und die dort zitierte Judikatur.
Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (zB ; , 96/15/0221).
Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach hA aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (siehe Ritz/Koran, BAO7, Rz. 30 f. zu § 303 BAO und die dort zitierte Judikatur und Literatur).
Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar".
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.
Weiters hat die Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen zu enthalten (vgl zB BMF, AÖF 1986/155; ; , 96/13/0185). Nur "formelhaft" auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit zu verweisen, verstößt gegen die Begründungspflicht (vgl zB Wiedermann, Wiederaufnahme, 66; Tanzer/Unger, BAO 2020/2021, 320); allerdings wird, wenn keine gegen die Wiederaufnahme sprechende Umstände vorliegen, ein solcher Begründungsmangel idR kein "wesentlicher" Verfahrensmangel sein (Ritz/Koran, BAO7, Rz. 3 zu § 307 BAO, sowie die dort zitierte Judikatur und Literatur).
In dem dem Erkenntnis des Ra 2021/15/0050, zugrunde liegenden Erkenntnis des RV/5100184/2021, ging das BFG davon aus, dass der Tatsachenkomplex im Wiederaufnahmebescheid in Verbindung mit der Begründung des Einkommensteuerbescheides festgelegt war. Es kam zu dem Schluss, dass hier "neue Tatsachen und Beweismittel" den Wiederaufnahmegrund bildeten.
In diesem Verfahren wurde die Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da - aus den genannten Möglichkeiten für den Fall zutreffend - ein Lohnzettel neu übermittelt wurde. In der Begründung des Einkommensteuerbescheides, auf die verwiesen wurde, hieß es:
"Am ***17***2019 wurden steuerpflichtige Bezüge seitens des Bundesministeriums für ***2*** mittels Lohnzettelübermittlung bekanntgegeben. Die Bekanntgabe dieser steuerpflichtigen Bezüge (Einkünfte) stellen neue Tatsachen für das Finanzamt dar."
Der VwGH bestätigte die Ansicht des BFG, dass aus den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden im Zusammenhang mit der Begründung der neuen Sachbescheide (Einkommensteuer 2010 bis 2015) mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, dass das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund das Hervorkommen von bis dato nicht berücksichtigter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dieser vom ***4*** bezogen hat, als neue Tatsache bezeichnet hat.
In diesem Erkenntnis des VwGH sind weitere grundsätzliche Aussagen festgehalten:
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ). Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals ).
Die Berufungsbehörde hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von dem genannten Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0003).
Die Ergänzung einer mangelhaften Begründungder auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. das Erkenntnis vom , 2008/15/0005, mwN).
In dem dem Erkenntnis des Ra 2021/15/0066, zugrunde liegenden Erkenntnis des RV/4100091/2021, hatte das BFG sich auf "ne bis in idem" berufen. Das Finanzamt hatte vorerst die Wiederaufnahme nur auf die Übermittlung eines Lohnzettels gestützt und der Beschwerde Folge gegeben. In dem neuerlichen Wiederaufnahmeverfahren, gestützt jedoch auf Sachverhaltselemente, die für das Finanzamt neu hervorgekommen sind, hat das BFG im angeführten Erkenntnis die Wiederaufnahmebescheide wegen "ne bis in idem" aufgehoben. Die Entscheidung des BFG hob der VwGH wiederum auf.
Er führt - auszugsweise festgehalten - aus:
"Das Finanzamt hat die ersten Wiederaufnahmebescheide darauf gestützt, dass Lohnzettel neu übermittelt worden seien. Den gegen die ersten Wiederaufnahmebescheide gerichteten Beschwerden - in denen ausdrücklich gerügt worden ist, dass den Wiederaufnahmebescheiden und den neu erlassenen Einkommensteuerbescheide keine Gründe zu entnehmen seien, die eine Änderung der Erstbescheide rechtfertigten - hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen stattgegeben, in denen zur Begründung ausgeführt wird, Lohnzettel, die nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens erstellt werden, stellten per se keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 BAO dar.
Damit hat das Finanzamt klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die ersten Wiederaufnahmebescheide auf die neu übermittelten Lohnzettel und nicht etwa auf die in diesen Lohnzetteln ausgewiesenen, bisher nicht berücksichtigten geldwerten Vorteile gestützt hat.
Die streitgegenständlichen Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2013 bis 2015 wurden auf den Zufluss von Einnahmen in Form geldwerter Vorteile gestützt. Die in den Jahren 2013 bis 2015 realisierten Einnahmen, deren Existenz dem Finanzamt erst durch die nachträglich übermittelten Lohnzettel bekannt geworden ist, stellen neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 BAO dar. Indem das Finanzamt neue Wiederaufnahmebescheide erlassen und diese (erstmalig) mit dem Zufluss von ihm bisher nicht bekannten Einnahmen begründet hat, hat es nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen."
Im Lichte der obigen Ausführungen ist der gegenständliche Fall wie folgt zu beurteilen:
a. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013(zu Spruchpunkt A. I.)
Angesichts der Begründung im Wiederaufnahmebescheid 2013 - "aufgrund des Lohnzettels nachträglich Umstände bekannt … im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent …" -und des Umstandes, dass im Einkommensteuerbescheid 2013 auf die zwei Lohnzettel hingewiesen wurde sowie die Einkünfte der ehemaligen Dienstgeberin erfasst sind, ist nach Ansicht des BFG im Lichte der Ausführungen im Erkenntnis des , sowie im Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0050, mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund das Hervorkommen von bis dato nicht berücksichtigten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als neue Tatsache angesehen hat.
Auch wenn das Finanzamt im Wiederaufnahmebescheid 2013 nicht dezidiert den Begriff "neue Tatsachen" verwendete, geht aus der Formulierung "…nachträglich Umstände bekannt wurden …" hervor, dass es sich um faktische Umstände handelte, die dem Finanzamt mit der Übermittlung des Lohnzettels aus der Lohnsteuerprüfung bekannt wurden. Auch sagt es, dass "die Umstände im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren".
Damit hat es im Wiederaufnahmebescheid 2013 in Verbindung mit dem Einkommensteuerbescheid 2013 den Tatsachenkomplex bestimmt.
Wenn das Finanzamt in der BVE zur Wiederaufnahme und zur Einkommensteuer 2013 die im Wiederaufnahmebescheid 2013 zweifelllos nicht alle Elemente umfassende Begründung mit allen seinen relevanten Facetten darstellte, so handelte es sich um eine Ergänzung der Begründung des Wiederaufnahmebescheides 2013. Es erfolgte in diesem Fall in der BVE nicht eine erstmalige Nennung des Wiederaufnahmegrundes der "neuen Tatsache", sondern ergänzte das Finanzamt die Begründung des auf neue Tatsachen gestützten Wiederaufnahmebescheides.
Wenn auch das Ermessen im Wiederaufnahmebescheid 2013 nicht begründet war, so folgte die entsprechende Begründung in der BVE betreffend die Wiederaufnahme. Dieser Vorgang ist im Lichte der Judikatur des VwGH ein zulässiger. Das BFG teilt die Auffassung des Finanzamtes, dass die Auswirkungen keine geringen sind (€ 893,00 Abgabennachforderung gegenüber der bisherigen Veranlagung) und hier dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit Folge zu geben war.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 erfolgte zu Recht. Die diesbezügliche Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
b. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 (zu Spruchpunkt A. II.)
Das BFG hat wiederholt ausgesprochen, dass es sich bei einem zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenten (sondern erst später ausgefertigten) Lohnzettel um kein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 BAO (nova reperta), sondern um ein nachträglich entstandenes Beweismittel (nova producta) handelt, das für sich allein eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigt (vgl. beispielhaft , und ).
Die Übermittlung der Lohnzettel dient zu Kontrollzwecken und soll bewirken, dass bei einer Veranlagung die lohnsteuerpflichtigen Einkünfte in zutreffender Höhe erfasst werden (Jakom/Ebner, EStG, 2024, § 84 Rz 1).
Nicht die Übermittlung neuer Lohnzettel als solche, sondern gegebenenfalls erst eine diesen Lohnzetteln zugrundeliegende Tatsache könnte eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen.
Daher beurteilt das BFG die Beschwerden betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 wie folgt:
Das Finanzamt hat seine Wiederaufnahme auf neu erlassene oder berichtigte Lohnzettel bzw. neu oder berichtigte Mitteilungen über Transferleistungen gestützt. Weitere Konkretisierungen sind weder dem Verfahrens- noch dem Sachbescheid zu entnehmen.
Weitere Ausführungen zur Wiederaufnahme enthalten weder die Wiederaufnahmebescheide noch die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015, auf deren Begründung verwiesen wurde.
Aus den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 lässt sich nur erschließen, dass Bezüge aus nichtselbstständiger Arbeit von der ehemaligen Dienstgeberin übermittelt und erfasst wurden.
Es ist aus der Sicht des hier zu beurteilenden Verfahrens weder in den Wiederaufnahme- noch in den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 zu ersehen oder zu erschließen, dass und welche tatsächlichen Umstände den neuen Lohnzetteln bzw. den in den Lohnzetteln abgebildeten Zahlen zugrunde lagen.
Die "neuen" Lohnzettel der ehemaligen Dienstgeberin wurden erst nach Erlassung der Erstbescheide betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 im Zuge des Lohnsteuerverfahrens der ehemaligen Dienstgeberin erstellt.
Beim vorliegenden Sachverhalt vertritt das BFG die Ansicht, dass die Wiederaufnahme 2014 und 2015 nur auf einen jeweils nachträglich erstellten Lohnzettel gestützt ist und daher dieser als nova producta kein die Wiederaufnahme rechtfertigendes Beweismittel darstellt.
Als neue Tatsachen wären im Wiederaufnahmebescheid bereits jene Umstände anzugeben gewesen, die zur Neuausstellung/Berichtigung der Lohnzettel/Mitteilungen geführt haben. Welche neu hervorgekommenen Tatsachen (Umstände) den neuen/berichtigten Lohnzettel und/oder Mitteilungen zugrunde liegen, lässt sich aber dem Wiederaufnahmebescheid - selbst in Zusammenschau mit dem neu erlassenen Sachbescheid, auf den darin verwiesen wird - nicht entnehmen. Für den Bf. als Bescheidadressaten war aus dem Bescheid nicht erkennbar, welche konkreten Tatsachen zu einer Änderung des Einkommens und der Einkommensteuer im betroffenen Zeitraum geführt haben.
Aus dem alleinigen Verweis auf einen neuen/berichtigten Lohnzettel oder eine neue/berichtigte Mitteilung über Transferleistungen fehlt es hier - auch in Zusammenschau mit den (hier nicht begründeten) Einkommensteuerbescheiden an einem tauglichen Wiederaufnahmegrund.
Da im gegenständlichen Fall mit den Lohnzetteln keine neu hervor gekommenen Beweismittel vorliegen und in den maßgeblichen Bescheiden auch keine neu hervorgekommenen Tatsachen angegeben sind, sind die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide mit einem Mangel behaftet, der die ersatzlose Aufhebung zur Folge hat (vgl. zB oder ).
Diese Ansicht findet auch im Erkenntnis des , Deckung.
Nach all dem Gesagten war der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 Folge zu geben und sind die Bescheide ersatzlos aufzuheben.
3.2. Zur Einkommensteuer 2013 bis 2015
a. Zur Einkommensteuer 2013 (zu Spruchpunkt A. I.)
§ 15 Abs. 1 erster Satz EStG 1988
Einnahmen liegen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 zufließen.
Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) sind mit den um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreisen des Abgabeortes anzusetzen.
§ 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a erster Satz EStG 1988
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.
Der Bf. bestreitet nicht, dass er eine Naturalwohnung seiner ehemaligen Dienstgeberin für seine privaten Wohnzwecke (als Hauptwohnsitz) nutzt.
Nunmehr wird auch die Höhe der erfassten Einkünfte nicht mehr bestritten.
Das maßgebliche Beschwerdebegehren, dass die Festsetzung dieser Einkünfte mangels rechtmäßiger Wiederaufnahme nicht hätte erfolgen dürfen, vermag dem Bf. angesichts der Entscheidung in diesem Erkenntnis über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Auch aus Sicht des BFG ist der Vorteil dem Grunde und der Höhe nach berechtigt.
Zum Einwand der Verjährung darf festgehalten werden:
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. ….
Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Der Abgabenanspruch entsteht insbesondere
a)bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer
1.. …
2.für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;
Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
Das Recht, die Einkommensteuer 2013 festzusetzen, verjährte mit Ablauf des Jahres 2018. Mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2013 am wurde eine Unterbrechungshandlung gesetzt, sodass das Recht, die Abgabe festzusetzen, mit Ablauf des Jahres 2019 endete.
Im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahme- sowie des Einkommensteuerbescheides 2013 am war das Recht, die Einkommensteuer festzusetzen, noch nicht verjährt.
Die Einrede der Verjährung war daher unberechtigt.
Nach all dem Gesagten ist daher die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 als unbegründet abzuweisen.
b. Zur Einkommensteuer 2014 und 2015 (zu Spruchpunkt B. I)
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Wird der Wiederaufnahmsbescheid aufgehoben (insbesondere im Bescheidbeschwerdeverfahren oder gem § 299 Abs 1), so tritt nach § 307 Abs 3 das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmsbescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus (; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (zB , 0017; , 2009/15/0170) [Ritz/Koran, BAO7, Rz. 8 zu § 307 BAO].
Da durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide 2014 und 2015 die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind, ist die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 entsprechend § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos zu erklären.
3.3. Zum Antrag auf Aussetzung gemäß § 271 Abs. 1 BAO (Zu Spruchpunkt B. II.)
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.
In einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, für Meßbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, werden diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Dem Vorbringen des Bf., mit der Erledigung des gegenständlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Lohnsteuerverfahren zuzuwarten, konnte aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden sein:
Da im Einkommensteuerverfahren keine Bindung an die Feststellungen im Lohnsteuerverfahren besteht (siehe hiezu Ritz/Koran, BAO7, Rz. 4 zu § 192 BAO und die dort angeführte Judikatur ((; , 2002/13/0241; , 2002/13/0214; ; )), besteht im gegenständlichen Fall kein Grund für eine Aussetzung des Verfahrens.
Die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme- und Sachbescheide ist im gegenständlichen Verfahren eigenständig zu beurteilen.
Das Vorbringen des Vertreters, dass mit Erkenntnis des , der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme im Lohnsteuerverfahren Folge gegeben wurde, hat auf das gegenständliche Verfahren mangels Bindungswirkung keinen unmittelbaren Einfluss.
Aus den angeführten Gründen konnte dem Antrag des Bf. nicht gefolgt werden.
3.4. Zur (Un-)Zulässigkeit der Revision (Spruchpunkt C.)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Zulässigkeit der Entscheidung im gegenständlichen Fall in der Sache, obwohl die BVE zur Einkommensteuer vor jener zur Wiederaufnahme erlassen wurde, ist durch höchstgerichtliche Judikatur gedeckt ().
Die vorliegende Entscheidung bezüglich der Wiederaufnahme findet seine Deckung im Gesetz sowie der höchstgerichtlichen Judikatur (siehe die im Erkenntnis zitierte Judikatur, insbesondere , sowie ).
Die Nutzung der Naturalwohnung für eigene private Wohnzwecke und die Höhe des vom Bf. aus der Nutzung erzielten geldwerten Vorteils stehen außer Streit. Die Ermittlung der Höhe erfolgte entsprechend den Vorschriften im EStG bzw. der Sachbezugsverordnung.
Die Gegenstandsloserklärung der Beschwerden über die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 ist die im Gesetz normierte Rechtsfolge nach Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide.
Die Entscheidung betreffend die begehrte Aussetzung fußt auf dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der o.a. Judikatur des VwGH.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
In den Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2013 bis 2015 begehrte der Bf. die ersatzlose Aufhebung. Die Wiederaufnahme sei nicht berechtigt, weil Voraussetzungen aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht erfüllt seien.
Er habe entgegen der Bescheidbegründung nie einen berichtigten oder neuen Lohnzettel für die in den neuen Einkommensteuerbescheiden erfassten Bezüge erhalten. Er habe einen solchen auch dem Finanzamt nicht übermittelt.
Eine nähere Begründung gehe aus den Bescheiden betreffend die Wiederaufnahme nicht hervor. Es seien keine Gründe ersichtlich, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 erlauben.
Beschwerden gegen die neuen Einkommensteuerbescheide
In den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 begehrte er die Aufhebung. Er sprach sich gegen die Erfassung eines geldwerten Vorteils aus. Er sei dem Beschwerdeverfahren seiner Dienstgeberin beigetreten. In der Sache selbst sei er auf Informationen der Dienstgeberin angewiesen.
Er beantragte, die Entscheidung über die gegenständlichen Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung der Beschwerden betreffend das Lohnsteuerverfahren der Dienstgeberin auszusetzen.
D. Beschwerdevorentscheidungen (BVE)
BVE betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013
In der Begründung zur abweisenden BVE zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 heißt es wie folgt:
"Aufgrund einer durchgeführten GPLA-Prüfung, hat das Bundesministerium X dem Finanzamt X einen nachträglichen Lohnzettel für das Jahr 2013 übermittelt. Dem Finanzamt wurde erstmals bekannt, dass dem Abgabepflichtigen Einnahmen in Form vongeldwerten Vorteilen zugeflossen sind. Diese bisher nicht berücksichtigten geldwerten Vorteile (Sachbezug) betrifft die begünstigte Überlassung von Wohnraum durch das Bundesministerium X.
Die Höhe des bis dato nicht bekannten Sachbezugs war im zugleich ergangenen Einkommensteuerbescheid 2013 unter Punkt "Lohnzettel und Meldungen" zu ersehen. Die Berücksichtigung dieser Umstände ergab einen anderslautenden neuen Einkommensteuerbescheid. Auch im Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 vom wird in der Begründung verwiesen, dass nachträglich ein Lohnzettel berichtigt und dem Finanzamt neu übermittelt wurde. Das Finanzamt nahm das Verfahren betreffend der Einkommensteuer 2013 (Bescheid vom ) wieder auf und veranlagte den Bf. mit den in den nachträglich übermittelten Lohnzetteln ausgewiesenen Beträgen.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 Abs. 1 BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt haben.
Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Daher ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben. Auch erweist sich die steuerliche Auswirkung in diesem Fall nicht als gering, weshalb die zu treffende Ermessensübung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ausfällt.
Im Anlassfall wurde Wohnraum begünstigt an viele Dienstnehmer zur Verfügung gestellt, weshalb zu untersuchen war, ob dies einen geldwerten Vorteil darstellt.
Der Arbeitgeber hat Wohnungsdatenbanken zur Verfügung gestellt, welche die Grundlage für die Ermittlung der Sachbezugswerte bildete. Die Höhe des Sachbezuges wurde nach § 2 der Sachbezugswerte-Verordnung in der jeweils anzuwendenden Fassung durch eine Gegenüberstellung zwischen den Berechnungen nach der Richtwertmethode und derVergleichswertmethode ermittelt. Der sich daraus ergebende günstigere Wert wurde alsSachbezug herangezogen.
Die vom Bf. an den Arbeitgeber bezahlte Grundvergütung (Miete) wurde dem ermittelten Sachbezugswert als Kostenbeitrag gegengerechnet. Ferner führten die selbst bezahltenBetriebskosten ebenfalls zu einer Verminderung des Sachbezugswertes. Der sich daraus ergebende geldwerte Vorteil für die verbilligte Nutzung der Wohnung (Sachbezug) unterliegt im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer.
Berechnungsansatz 2013
Der Richtwert für den Preis von Mietwohnungen im Bundesland Kärnten betrug im Jahr 2013 € Betrag 1/m2 ("Betrag 1"). Dieser ist auf die Wohnung des Bf. im Ausmaß von xxx m2 anzuwenden und ergibt einen Wert von Betrag 2 ("Betrag 2"). Dieser Wert ist - da der Bf. die Betriebskosten bezahlt - um 25% zu kürzen. Damit verbleibt ein Wert von Betrag 3 p.m ("Betrag 3". Stellt man diesen Wert den geleisteten Kostenbeiträgen des Bf. von Betrag 6 p.m. gegenüber, verbleibt ein Mehrbetrag von Betrag 4 - Monatsbetrag p.m.("Betrag 4/Monat") oder Betrag 4 ("Betrag 4/Jahr")für das Jahr 2013. Dies entspricht dem vom Finanzamt auf Grund des vom Bundesministerium X erstellten Lohnzettels angesetzten Sachbezug von Betrag 4 für das Jahr 2013. Der Ansatz desLohnzettels für die Überlassung der Wohnung erfolgte daher auch der Höhe nach zu Recht.Eine Exceltabelle mit den jeweiligen Daten zum Berechnungsansatz 2013 bis 2015 wird übermittelt.
Anhang:
Exceltabelle 2013-2015"
BVE betreffend Einkommensteuer 2013
Das Finanzamt erließ eine abweisende BVE betreffend Einkommensteuer 2013. In der Begründung führte es die Rechtsgrundlagen für den Sachbezug sowie die Grundlagen seiner Berechnungen und die gewählten Wertansätze an.
BVE betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015
Die abweisenden BVE betreffend die Wiederaufnahme hs. Einkommensteuer 2014 und 2015 enthielt die wesentlichen Ausführungen der diesbezüglichen BVE des Vorjahres mit jeweils adaptierten Zahlen bzw. Daten.
BVE betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015
Die abweisenden BVE betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 sind gleich begründet wie die abweisende BVE betreffend Einkommensteuer 2013. Es sind die für das jeweilige Jahr maßgeblichen Zahlen enthalten.
E. Vorlageanträge
Vorlageanträge betreffend Wiederaufnahme 2013 bis 2015
In den Vorlageanträgen betreffend Wiederaufnahme hs. Einkommensteuer 2013 bis 2015 führte der Bf. aus, dass ein zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenter, sondern später ausgefertigter Lohnzettel kein neu hervorgekommenes Beweismittel darstelle, welches eine Wiederaufnahme begründen würde.
Er kenne keinen "berichtigten Lohnzettel", der angeblich nachträglich ausgestellt und dem Finanzamt übermittelt worden sei. Dem Bf. sei ein solcher auch nie zur Einsicht vorgelegt worden. Er sei jedenfalls dadurch in seinen Rechten als Partei nach AVG beeinträchtigt.
Er verweise auf die geltende Rechtsprechung des BFG und des VwGH:
Die Übermittlung eines neuen Lohnzettels stelle keine Tatsache im Sinne des § 303 BAO dar. Er berufe sich auf den geltenden Grundsatz der Rechtsbeständigkeit. Die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 würden keine weitere Nachforderung einer Abgabe vorsehen.
Die Ermessensentscheidung des Finanzamtes sei zu seinem Nachteil ausgefallen. Die steuerlichen Auswirkungen seien in diesem Fall als gering anzusehen.
Da zwischen dem Veranlagungsjahr 2013 und dem angefochtenen Bescheid mehr als 8 Jahre vergangen seien, mache er bezüglich 2013 die Einrede der Verjährung geltend. Das Finanzamt sei zur Abgabenfestsetzung nicht mehr berechtigt.
Vorlageanträge betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015
In den Vorlageanträgen betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 bemängelte er, dass er die Grundlagen der Ermittlung durch das Finanzamt nicht nachprüfen konnte. Ihm seien die Datenbanken nicht bekannt.
Er bemängelte die Zustellung. Sie habe an den Parteienvertreter zu erfolgen. Die Vorlageanträge wurden vom Parteienvertreter eingebracht.
Verfahren vor dem BFG
Laut Mitteilung des Bf. wurde mit Erkenntnis des RV/7104131/2020, der Beschwerde der Haftungspflichtigen bzw. der dem Verfahren Beigetretenen - auch der Bf war beigetreten - gegen die Wiederaufnahme hinsichtlich Haftung für Lohnsteuer 2012 bis 2015 stattgegeben (Schreiben des Vertreters vom ).
Das Finanzamt teilte mit, gegen das zuvor angeführte Erkenntnis des BFG Revision erhoben zu haben und hielt die maßgeblichen Ausführungen fest (Stellungnahme vom ).
In der mündlichen Verhandlung blieben die Parteien bei ihren bisherigen Vorbringen.
Der Vertreter des Bf. führte zur Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 aus, die Höhe der festgesetzten Einkünfte aus dem Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht mehr zu bekämpfen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist ein in Ruhestand befindlicher Dienstnehmer des Bundesministeriums X. Er bezog 2013 bis 2015 Pensionsbezüge. Die ehemalige Dienstgeberin stellte dem Bf. auch im Beschwerdezeitraum eine Naturalwohnung im Ausmaß vom xxx m2 zur Nutzung zur Verfügung. Diese Wohnung wird vom Bf. ständig benützt und ist sein Hauptwohnsitz.
In den Bescheiden betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 vor Erlassung der hier strittigen Bescheide wurden steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Nutzung der Naturalwohnung durch den Bf. nicht erfasst, auch hatte er solche nicht erklärt.
Nach Ergehen der "ersten" Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 fand bei der ehemaligen Dienstgeberin eine Lohnsteuerprüfung statt, deren Ergebnisse in den Bescheiden vom ihren Niederschlag fanden. Gegenstand der Prüfung war u. a. die Überlassung von Naturalwohnungen an ehemalige Dienstnehmer. so auch den Bf. Es wurde der - hier relevante - Vorteil aus dem Dienstverhältnis für den Bf. festgestellt.
Das für die Einkommensteuerveranlagung zuständige Finanzamt wurde über die Ergebnisse der Lohnsteuerprüfung - soweit diese den Bf. betrifft - mittels Übermittlung von dem Prüfergebnis entsprechenden Lohnzetteln in Kenntnis gesetzt. Diese Lohnzettel haben den in den Jahren 2013 bis 2015 steuerpflichtigen Vorteil aus der Nutzung der Naturalwohnung durch den Bf. betroffen.
In den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015 wurde der Vorteil aus dem Dienstverhältnis in Höhe von je Betrag 4 (2013 und 2014) bzw. Betrag 5 (2015) erfasst.
Der eingangs festgehaltene Ablauf bezüglich der Erlassung der hier angefochtenen Bescheide wird dem Erkenntnis zugrunde gelegt.
Als Grund der Wiederaufnahme werden - bereits in Verbindung mit der Begründung der Einkommensteuer - genannt:
2013, dass aufgrund des Lohnzettels nachträglich Umstände hervorgekommen sind, die im Veranlagungszeitraum bereits existent waren und zu einer geänderten Festsetzung der Einkommensteuer geführt haben,
2014 und 2015 wurde festgehalten, dass ein Lohnzettel bzw. eine Mitteilung über Transferleistungen berichtigt oder neu übermittelt wurden. Eine weitere Begründung gibt es zur Wiederaufnahme nicht.
In allen drei Einkommensteuerbescheiden sind die Bezüge aus dem Vorteil aus dem Dienstverhältnis als steuerpflichtige Bezüge erfasst und werden sie nochmals unter den bezugsauszahlenden Stellen angeführt.
Die Lohnzettel aufgrund der Lohnsteuerprüfung der ehemaligen Dienstgeberin wurden erst nach Ergehen der "Erstbescheide" betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 erstellt.
In den Wiederaufnahmebescheiden 2013 bis 2015 fehlt eine Begründung des Ermessens.
In den BVEs betreffend die Wiederaufnahme 2013 bis 2015 werden die für das Finanzamt maßgeblichen Gründe der Wiederaufnahme festgehalten, eben auch die "neuen Tatsachen".
In den abweisenden BVE betreffend die Wiederaufnahme- und Sachbescheiden des Beschwerdezeitraumes schildert das Finanzamt den Weg von der Lohnsteuerprüfung zu den gegenständlichen Bescheiden, weiters die im Zuge der Lohnsteuerprüfung getroffenen Feststellungen und begründet es seine Ermessensentscheidung. Es sind auch die rechtlichen Grundlagen und die konkrete Berechnung des Vorteils aus dem Dienstverhältnis samt Wertansätzen enthalten.
2. Beweiswürdigung
Die Entscheidung fußt auf dem vorgelegten Akteninhalt sowie den Vorbringen der Parteien im Beschwerdeverfahren.
Dass der Bf. Pensionist ist und ihm seine ehemalige Dienstgeberin eine Naturalwohnung zur Verfügung stellte, die er im Beschwerdezeitraum für seine privaten Wohnbedürfnisse nutzte, ist unstrittig. Der "Hauptwohnsitz" (seit xx.xx.2001) ist dem Melderegister entnommen.
Die Feststellungen der Gründe für die Wiederaufnahme bzw. des Fehlens von Gründen ergeben sich aus den Wiederaufnahme- und Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015.
Die Feststellungen zur Ermessensbegründung bezüglich der Wiederaufnahme ergeben sich aus den Wiederaufnahmebescheiden sowie BVEs 2013 bis 2015.
Aus der Erklärung des Vertreters in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die ermittelte Höhe des Vorteils aus dem Dienstverhältnis seitens des Bf. nicht mehr bestritten wird. Die bezahlten Grundvergütungen gemäß § 24a GehG 1956 sind in der Darstellung des Finanzamtes in den BVE angeführt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens
Vorweg darf zum Problemkreis "BVE über Wiederaufnahme vor BVE über die Einkommensteuer" festgehalten werden:
Im Beschluss des Ra 2019/13/0091, heißt es wie folgt:
"… Prüfungsgegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Insoweit ist im hier gegebenen Zusammenhang -bei zunächst gleichzeitiger Entscheidung des Finanzamts über Wiederaufnahme und Einkommensteuer - entscheidend, dass das Verwaltungsgericht in der zutreffenden Reihenfolge (gleichzeitig) entschieden hat. Dass das Finanzamt hingegen zunächst betreffend Sachbescheid und erst in der Folge betreffend Wiederaufnahme mittels Beschwerdevorentscheidung entschieden hat, bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses. (Hier: Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 als unbegründet ab. Mit einer späteren Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid (Einkommensteuer 2006) als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte (jeweils) die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab.)."
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
Den zuvor genannten Ausführungen steht trotz des Vorgehens des Finanzamtes bezüglich der Beschwerdevorentscheidungen im gegenständlichen Fall der Erlassung eines Erkenntnisses über die im Spruch genannten Bescheide bei Einhaltung der richtigen Reihenfolge nichts entgegen.
Demzufolge entscheidet das BFG vorerst über die Wiederaufnahme und sodann über die Einkommensteuer.
Nun zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 (zu Spruchpunkt A. I. und II.):
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a)der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b)Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c)der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
Der Bescheid hat ferner eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird.
Es ist nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf die eines anderen, der Partei bekannten Bescheides zu verweisen (zB ; , 2006/13/0172; , 2006/13/0122), dies auch dann, wenn dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (; , 97/13/0123). Die Zulässigkeit des Verweises auf die Begründung eines anderen Bescheides setzt allerdings voraus, dass die Begründung dieses anderen Bescheides seinerseits die Anforderungen an eine Bescheidbegründung erfüllt (, 2013/15/0160).
Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Parteien als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (Ritz/Koran, BAO7, Rz. 15 zu § 93 BAO, und die dort zitierte Judikatur).
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften, siehe Ritz/Koran, BAO7, Rz. 21 zu § 303 BAO, und die dort zitierte Judikatur.
Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (zB ; , 96/15/0221).
Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach hA aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (siehe Ritz/Koran, BAO7, Rz. 30 f. zu § 303 BAO und die dort zitierte Judikatur und Literatur).
Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar".
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.
Weiters hat die Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen zu enthalten (vgl zB BMF, AÖF 1986/155; ; , 96/13/0185). Nur "formelhaft" auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit zu verweisen, verstößt gegen die Begründungspflicht (vgl zB Wiedermann, Wiederaufnahme, 66; Tanzer/Unger, BAO 2020/2021, 320); allerdings wird, wenn keine gegen die Wiederaufnahme sprechende Umstände vorliegen, ein solcher Begründungsmangel idR kein "wesentlicher" Verfahrensmangel sein (Ritz/Koran, BAO7, Rz. 3 zu § 307 BAO, sowie die dort zitierte Judikatur und Literatur).
In dem dem Erkenntnis des Ra 2021/15/0050, zugrunde liegenden Erkenntnis des RV/5100184/2021, ging das BFG davon aus, dass der Tatsachenkomplex im Wiederaufnahmebescheid in Verbindung mit der Begründung des Einkommensteuerbescheides festgelegt war. Es kam zu dem Schluss, dass hier "neue Tatsachen und Beweismittel" den Wiederaufnahmegrund bildeten.
In diesem Verfahren wurde die Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da - aus den genannten Möglichkeiten für den Fall zutreffend - ein Lohnzettel neu übermittelt wurde. In der Begründung des Einkommensteuerbescheides, auf die verwiesen wurde, hieß es:
"Am ***17***2019 wurden steuerpflichtige Bezüge seitens des Bundesministeriums für ***2*** mittels Lohnzettelübermittlung bekanntgegeben. Die Bekanntgabe dieser steuerpflichtigen Bezüge (Einkünfte) stellen neue Tatsachen für das Finanzamt dar."
Der VwGH bestätigte die Ansicht des BFG, dass aus den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden im Zusammenhang mit der Begründung der neuen Sachbescheide (Einkommensteuer 2010 bis 2015) mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, dass das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund das Hervorkommen von bis dato nicht berücksichtigter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dieser vom ***4*** bezogen hat, als neue Tatsache bezeichnet hat.
In diesem Erkenntnis des VwGH sind weitere grundsätzliche Aussagen festgehalten:
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ). Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals ).
Die Berufungsbehörde hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von dem genannten Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0003).
Die Ergänzung einer mangelhaften Begründungder auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. das Erkenntnis vom , 2008/15/0005, mwN).
In dem dem Erkenntnis des Ra 2021/15/0066, zugrunde liegenden Erkenntnis des RV/4100091/2021, hatte das BFG sich auf "ne bis in idem" berufen. Das Finanzamt hatte vorerst die Wiederaufnahme nur auf die Übermittlung eines Lohnzettels gestützt und der Beschwerde Folge gegeben. In dem neuerlichen Wiederaufnahmeverfahren, gestützt jedoch auf Sachverhaltselemente, die für das Finanzamt neu hervorgekommen sind, hat das BFG im angeführten Erkenntnis die Wiederaufnahmebescheide wegen "ne bis in idem" aufgehoben. Die Entscheidung des BFG hob der VwGH wiederum auf.
Er führt - auszugsweise festgehalten - aus:
"Das Finanzamt hat die ersten Wiederaufnahmebescheide darauf gestützt, dass Lohnzettel neu übermittelt worden seien. Den gegen die ersten Wiederaufnahmebescheide gerichteten Beschwerden - in denen ausdrücklich gerügt worden ist, dass den Wiederaufnahmebescheiden und den neu erlassenen Einkommensteuerbescheide keine Gründe zu entnehmen seien, die eine Änderung der Erstbescheide rechtfertigten - hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen stattgegeben, in denen zur Begründung ausgeführt wird, Lohnzettel, die nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens erstellt werden, stellten per se keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 BAO dar.
Damit hat das Finanzamt klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die ersten Wiederaufnahmebescheide auf die neu übermittelten Lohnzettel und nicht etwa auf die in diesen Lohnzetteln ausgewiesenen, bisher nicht berücksichtigten geldwerten Vorteile gestützt hat.
Die streitgegenständlichen Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2013 bis 2015 wurden auf den Zufluss von Einnahmen in Form geldwerter Vorteile gestützt. Die in den Jahren 2013 bis 2015 realisierten Einnahmen, deren Existenz dem Finanzamt erst durch die nachträglich übermittelten Lohnzettel bekannt geworden ist, stellen neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 BAO dar. Indem das Finanzamt neue Wiederaufnahmebescheide erlassen und diese (erstmalig) mit dem Zufluss von ihm bisher nicht bekannten Einnahmen begründet hat, hat es nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen."
Im Lichte der obigen Ausführungen ist der gegenständliche Fall wie folgt zu beurteilen:
a. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013(zu Spruchpunkt A. I.)
Angesichts der Begründung im Wiederaufnahmebescheid 2013 - "aufgrund des Lohnzettels nachträglich Umstände bekannt … im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent …" -und des Umstandes, dass im Einkommensteuerbescheid 2013 auf die zwei Lohnzettel hingewiesen wurde sowie die Einkünfte der ehemaligen Dienstgeberin erfasst sind, ist nach Ansicht des BFG im Lichte der Ausführungen im Erkenntnis des , sowie im Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0050, mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund das Hervorkommen von bis dato nicht berücksichtigten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als neue Tatsache angesehen hat.
Auch wenn das Finanzamt im Wiederaufnahmebescheid 2013 nicht dezidiert den Begriff "neue Tatsachen" verwendete, geht aus der Formulierung "…nachträglich Umstände bekannt wurden …" hervor, dass es sich um faktische Umstände handelte, die dem Finanzamt mit der Übermittlung des Lohnzettels aus der Lohnsteuerprüfung bekannt wurden. Auch sagt es, dass "die Umstände im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits existent waren".
Damit hat es im Wiederaufnahmebescheid 2013 in Verbindung mit dem Einkommensteuerbescheid 2013 den Tatsachenkomplex bestimmt.
Wenn das Finanzamt in der BVE zur Wiederaufnahme und zur Einkommensteuer 2013 die im Wiederaufnahmebescheid 2013 zweifelllos nicht alle Elemente umfassende Begründung mit allen seinen relevanten Facetten darstellte, so handelte es sich um eine Ergänzung der Begründung des Wiederaufnahmebescheides 2013. Es erfolgte in diesem Fall in der BVE nicht eine erstmalige Nennung des Wiederaufnahmegrundes der "neuen Tatsache", sondern ergänzte das Finanzamt die Begründung des auf neue Tatsachen gestützten Wiederaufnahmebescheides.
Wenn auch das Ermessen im Wiederaufnahmebescheid 2013 nicht begründet war, so folgte die entsprechende Begründung in der BVE betreffend die Wiederaufnahme. Dieser Vorgang ist im Lichte der Judikatur des VwGH ein zulässiger. Das BFG teilt die Auffassung des Finanzamtes, dass die Auswirkungen keine geringen sind (€ 893,00 Abgabennachforderung gegenüber der bisherigen Veranlagung) und hier dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit Folge zu geben war.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 erfolgte zu Recht. Die diesbezügliche Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
b. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 (zu Spruchpunkt A. II.)
Das BFG hat wiederholt ausgesprochen, dass es sich bei einem zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenten (sondern erst später ausgefertigten) Lohnzettel um kein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 BAO (nova reperta), sondern um ein nachträglich entstandenes Beweismittel (nova producta) handelt, das für sich allein eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigt (vgl. beispielhaft , und ).
Die Übermittlung der Lohnzettel dient zu Kontrollzwecken und soll bewirken, dass bei einer Veranlagung die lohnsteuerpflichtigen Einkünfte in zutreffender Höhe erfasst werden (Jakom/Ebner, EStG, 2024, § 84 Rz 1).
Nicht die Übermittlung neuer Lohnzettel als solche, sondern gegebenenfalls erst eine diesen Lohnzetteln zugrundeliegende Tatsache könnte eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen.
Daher beurteilt das BFG die Beschwerden betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 wie folgt:
Das Finanzamt hat seine Wiederaufnahme auf neu erlassene oder berichtigte Lohnzettel bzw. neu oder berichtigte Mitteilungen über Transferleistungen gestützt. Weitere Konkretisierungen sind weder dem Verfahrens- noch dem Sachbescheid zu entnehmen.
Weitere Ausführungen zur Wiederaufnahme enthalten weder die Wiederaufnahmebescheide noch die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015, auf deren Begründung verwiesen wurde.
Aus den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 lässt sich nur erschließen, dass Bezüge aus nichtselbstständiger Arbeit von der ehemaligen Dienstgeberin übermittelt und erfasst wurden.
Es ist aus der Sicht des hier zu beurteilenden Verfahrens weder in den Wiederaufnahme- noch in den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 zu ersehen oder zu erschließen, dass und welche tatsächlichen Umstände den neuen Lohnzetteln bzw. den in den Lohnzetteln abgebildeten Zahlen zugrunde lagen.
Die "neuen" Lohnzettel der ehemaligen Dienstgeberin wurden erst nach Erlassung der Erstbescheide betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 im Zuge des Lohnsteuerverfahrens der ehemaligen Dienstgeberin erstellt.
Beim vorliegenden Sachverhalt vertritt das BFG die Ansicht, dass die Wiederaufnahme 2014 und 2015 nur auf einen jeweils nachträglich erstellten Lohnzettel gestützt ist und daher dieser als nova producta kein die Wiederaufnahme rechtfertigendes Beweismittel darstellt.
Als neue Tatsachen wären im Wiederaufnahmebescheid bereits jene Umstände anzugeben gewesen, die zur Neuausstellung/Berichtigung der Lohnzettel/Mitteilungen geführt haben. Welche neu hervorgekommenen Tatsachen (Umstände) den neuen/berichtigten Lohnzettel und/oder Mitteilungen zugrunde liegen, lässt sich aber dem Wiederaufnahmebescheid - selbst in Zusammenschau mit dem neu erlassenen Sachbescheid, auf den darin verwiesen wird - nicht entnehmen. Für den Bf. als Bescheidadressaten war aus dem Bescheid nicht erkennbar, welche konkreten Tatsachen zu einer Änderung des Einkommens und der Einkommensteuer im betroffenen Zeitraum geführt haben.
Aus dem alleinigen Verweis auf einen neuen/berichtigten Lohnzettel oder eine neue/berichtigte Mitteilung über Transferleistungen fehlt es hier - auch in Zusammenschau mit den (hier nicht begründeten) Einkommensteuerbescheiden an einem tauglichen Wiederaufnahmegrund.
Da im gegenständlichen Fall mit den Lohnzetteln keine neu hervor gekommenen Beweismittel vorliegen und in den maßgeblichen Bescheiden auch keine neu hervorgekommenen Tatsachen angegeben sind, sind die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide mit einem Mangel behaftet, der die ersatzlose Aufhebung zur Folge hat (vgl. zB oder ).
Diese Ansicht findet auch im Erkenntnis des , Deckung.
Nach all dem Gesagten war der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 Folge zu geben und sind die Bescheide ersatzlos aufzuheben.
3.2. Zur Einkommensteuer 2013 bis 2015
a. Zur Einkommensteuer 2013 (zu Spruchpunkt A. I.)
§ 15 Abs. 1 erster Satz EStG 1988
Einnahmen liegen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 zufließen.
Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) sind mit den um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreisen des Abgabeortes anzusetzen.
§ 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a erster Satz EStG 1988
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.
Der Bf. bestreitet nicht, dass er eine Naturalwohnung seiner ehemaligen Dienstgeberin für seine privaten Wohnzwecke (als Hauptwohnsitz) nutzt.
Nunmehr wird auch die Höhe der erfassten Einkünfte nicht mehr bestritten.
Das maßgebliche Beschwerdebegehren, dass die Festsetzung dieser Einkünfte mangels rechtmäßiger Wiederaufnahme nicht hätte erfolgen dürfen, vermag dem Bf. angesichts der Entscheidung in diesem Erkenntnis über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Auch aus Sicht des BFG ist der Vorteil dem Grunde und der Höhe nach berechtigt.
Zum Einwand der Verjährung darf festgehalten werden:
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. ….
Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Der Abgabenanspruch entsteht insbesondere
a)bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer
1.. …
2.für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;
Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
Das Recht, die Einkommensteuer 2013 festzusetzen, verjährte mit Ablauf des Jahres 2018. Mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2013 am wurde eine Unterbrechungshandlung gesetzt, sodass das Recht, die Abgabe festzusetzen, mit Ablauf des Jahres 2019 endete.
Im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahme- sowie des Einkommensteuerbescheides 2013 am war das Recht, die Einkommensteuer festzusetzen, noch nicht verjährt.
Die Einrede der Verjährung war daher unberechtigt.
Nach all dem Gesagten ist daher die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 als unbegründet abzuweisen.
b. Zur Einkommensteuer 2014 und 2015 (zu Spruchpunkt B. I)
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Wird der Wiederaufnahmsbescheid aufgehoben (insbesondere im Bescheidbeschwerdeverfahren oder gem § 299 Abs 1), so tritt nach § 307 Abs 3 das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmsbescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus (; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (zB , 0017; , 2009/15/0170) [Ritz/Koran, BAO7, Rz. 8 zu § 307 BAO].
Da durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide 2014 und 2015 die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind, ist die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 entsprechend § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos zu erklären.
3.3. Zum Antrag auf Aussetzung gemäß § 271 Abs. 1 BAO (Zu Spruchpunkt B. II.)
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.
In einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, für Meßbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, werden diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Dem Vorbringen des Bf., mit der Erledigung des gegenständlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Lohnsteuerverfahren zuzuwarten, konnte aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden sein:
Da im Einkommensteuerverfahren keine Bindung an die Feststellungen im Lohnsteuerverfahren besteht (siehe hiezu Ritz/Koran, BAO7, Rz. 4 zu § 192 BAO und die dort angeführte Judikatur ((; , 2002/13/0241; , 2002/13/0214; ; )), besteht im gegenständlichen Fall kein Grund für eine Aussetzung des Verfahrens.
Die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme- und Sachbescheide ist im gegenständlichen Verfahren eigenständig zu beurteilen.
Das Vorbringen des Vertreters, dass mit Erkenntnis des , der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme im Lohnsteuerverfahren Folge gegeben wurde, hat auf das gegenständliche Verfahren mangels Bindungswirkung keinen unmittelbaren Einfluss.
Aus den angeführten Gründen konnte dem Antrag des Bf. nicht gefolgt werden.
3.4. Zur (Un-)Zulässigkeit der Revision (Spruchpunkt C.)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Zulässigkeit der Entscheidung im gegenständlichen Fall in der Sache, obwohl die BVE zur Einkommensteuer vor jener zur Wiederaufnahme erlassen wurde, ist durch höchstgerichtliche Judikatur gedeckt ().
Die vorliegende Entscheidung bezüglich der Wiederaufnahme findet seine Deckung im Gesetz sowie der höchstgerichtlichen Judikatur (siehe die im Erkenntnis zitierte Judikatur, insbesondere , sowie ).
Die Nutzung der Naturalwohnung für eigene private Wohnzwecke und die Höhe des vom Bf. aus der Nutzung erzielten geldwerten Vorteils stehen außer Streit. Die Ermittlung der Höhe erfolgte entsprechend den Vorschriften im EStG bzw. der Sachbezugsverordnung.
Die Gegenstandsloserklärung der Beschwerden über die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 ist die im Gesetz normierte Rechtsfolge nach Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide.
Die Entscheidung betreffend die begehrte Aussetzung fußt auf dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der o.a. Judikatur des VwGH.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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