Nach alter Rechtslage rechtzeitig gestellter Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO nach neuer Rechtslage als verfristet zurückzuweisen?
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102333/2021-RS1 | Wurde ein Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO vor Inkrafttreten der Fassung BGBl I 2021/3 (COVID-19-StMG) nach damaliger, im Antragstellungszeitpunkt gültiger Rechtslage rechtzeitig gestellt, ist dieser auch durch nachträgliche Gesetzesänderung, durch welche der Antrag im Zeitpunkt der Entscheidung verfristet wäre, in verfassungskonformer Interpretation rechtzeitig. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Nathalie Kovacs, den Richter Dr. Wolfgang Pagitsch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Saringer und Mag. Harald Zeller in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PROCURA Steuerberatung GmbH, Zollergasse 2 Tür 38, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrages vom auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO des Einkommensteuerbescheides 2007 vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Christina Szabo zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am stellte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheid 2007 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO. Er sei im Jahr 2007 an der ehemaligen ***atStill*** als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt gewesen. In der Beschwerde vorentscheidung vom (zugestellt am ) sei vom Finanzamt festgestellt worden, dass es sich bei dem Feststellungsbescheid an diese Gesellschaft vom und der Beschwerdevorentscheidung an diese Gesellschaft vom aufgrund fehlerhafter Adressierung um einen Nichtbescheid gehandelt habe.
Diese Erledigungen hätten daher keine Bescheidqualität erlangt und keine Rechtswirkung entfaltet.
Er stelle daher hiermit den Antrag auf Aufhebung seines Einkommensteuerbescheides 2007 vom (Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zu Bescheid vom ) gemäß § 295 Abs. 4 BAO, da es sich bei dem zugrunde liegenden Feststellungsbescheid vom / um einen Nichtbescheid handle.
Der vorliegende Antrag sei fristgerecht im Sinne des § 295 Abs. 4 iVm § 304 BAO erfolgt.
Das Finanzamt wies gegenständlichen Antrag mit Bescheid vom zurück und begründete dies im Wesentlichen, dass gemäß § 295 Abs. 4 BAO i.d.F. des COVID-19-StMG, BGBl. I Nr. 3/2021 vom auf "Nichtbescheide" gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben seien. Der Antrag sei innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen.
Mit dieser Gesetzesänderung sei die Frist für die Stellung eines Antrages nach § 295 Abs. 4 BAO neu geregelt worden (Siehe den Artikel "Die Novellierung des § 295 Abs. 4 BAO" im SWK-Heft 7 vom , Seite 487ff).
Ab sei daher die neue Rechtslage anzuwenden.
Der Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO sei innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde gegen den vermeintlichen Grundlagenbescheid zu stellen. D.h. der Antrag sei bis Montag, dem zu stellen gewesen.
Der am eingebrachte Antrag habe sich daher als nicht fristgerecht eingebracht erwiesen, weshalb er zurückzuweisen gewesen sei.
Dagegen brachte der Bf. am innerhalb verlängerter Frist Beschwerde ein und brachte in der Begründung im Wesentlichen vor, dass mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom das Finanzamt den Antrag aus dem Dezember 2020 mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass die Frist zur Antragstellung gemäß § 295 Abs. 4 BAO idF ab im Dezember 2020 bereits abgelaufen sei und der Antrag damit nicht fristgerecht eingebracht worden sei.
Damit unterstelle das Finanzamt aber, dass der Bf. im Zeitpunkt seiner Antragstellung () bereits eine Rechtslage berücksichtigen hätte müssen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt () in Kraft getreten sei.
Die Rechtslage ab dem könne nur auf Anträge Anwendung finden, die ab dem Inkrafttreten dieser Bestimmung gestellt werden.
Die rückwirkende Verkürzung einer Antragsfrist sei verfassungsrechtlich unzulässig.
Bis inklusive sei die Rechtslage des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl Nr. 99/2020 anzuwenden gewesen, nach der der Antrag vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen sei. Gemäß § 304 BAO sei nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie a) vor Eintritt der Verjährung beantragt werde, oder b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt werde.
Die Bescheide auf Ebene der ehemaligen ***atStill*** vom (Wiederaufnahmebescheid und neuer Sachbescheid) seien bekämpft und mit BFG-Entscheidung vom aufgehoben worden. Der Feststellungsbescheid vom sei nicht in Rechtskraft erwachsen; er könne daher nicht als "das Verfahren abschließender Bescheid" iSd § 304 lit b BAO für die Bestimmung der Rechtzeitigkeit eines Antrages nach § 295 Abs. 4 BAO herangezogen werden.
Das Feststellungsverfahren 2007 zu ***StNr atStill*** (stille Gesellschaft) sei zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2020 noch nicht abgeschlossen gewesen, sondern erst mit der Entscheidung des zum Abschluss gebracht worden.
Im vorliegenden Fall sei der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO bereits am gestellt worden und sei gemäß der zu diesem Zeitpunkt anzuwendenden Rechtslage gemäß § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 BAO jedenfalls fristgerecht, weil die Frist von drei Jahren ab Abschluss des Verfahrens nach der maßgeblichen Rechtslage noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Die Zurückweisung des Antrages aufgrund vermeintlicher Verspätung nach einer im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht anwendbaren Rechtslage, stellt einen massiven Eingriff in den effektiven Rechtsschutz des Steuerpflichtigen dar und wäre im Übrigen auch verfassungswidrig.
Ein einmal rechtszeitig eingebrachter Antrag könne aufgrund einer nachträglichen Gesetzesänderung nicht nachträglich als verspätet gewertet werden.
Der Verwaltunsgerichtshof bestätige diese Rechtsansicht in seiner Entscheidung 2008/17/0137 vom :
"Im Übrigen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendung von Verfahrensvorschriften davon aus, dass eine Änderung von Verfahrensregelungen während eines laufenden Verfahrens nicht auf die bereits gesetzten Verfahrenshandlungen anzuwenden ist (vgl. etwa die hg. Rechtsprechung zur Änderung des § 42 AVG durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/05/0239 vom , Zl 2000/05/0052, und vom , Zl 2000/06/0039)."
Der am gestellte Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO sei als bereits gesetzte Verfahrenshandlung im Sinne der o.a. Judikatur des VwGH zu interpretieren und hinsichtlich der Rechtzeitigkeit anhand der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage zu beurteilen. Die Antragstellung sei fristgerecht iSd § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 BAO idF zum erfolgt.
Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom sei daher gemäß § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 BAO aufzuheben bzw. in der Form abzuändern, dass der nun finalen Bescheidlage im Feststellungsverfahren Rechnung getragen werde.
Der zuvor erlassene Änderungsbescheid nach § 295 Abs. 1 BAO vom beruhe - wie oben dargestellt - ebenso auf einem absolut nichtigen Verwaltungsakt (dem Feststellungsbescheid vom der ehemaligen ***atStill***) und dürfe daher keine Rechtswirkungen entfalten.
Mit Schriftsatz von nahm der Bf. zur rechtlichen Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes die im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Rechtslage maßgeblich sei. Unter Anwendung der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage sei die Antragstellung unstrittig rechtzeitig gewesen, da der das Verfahren abschließende Einkommensteuerbescheid des Bf. am erlassen worden sei und der Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO am gestellt worden sei.
Grundsätzlich seien im Rechtsmittelverfahren die verfahrensrechtlichen Bestimmungen in der zum Zeitpunkt der Erledigung geltenden Rechtslage anzuwenden (vgl. zB Ritz/Koran, BAO7), allerdings sei - beispielsweise im Bereich der Verjährung - eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Rückwirkung von Verfahrensvorschriften zu vermeiden (vgl. ).
Nur in bestimmten Fällen sei eine vor Erlassung des Bescheides bestandene Rechtslage von Bedeutung (etwa wenn darüber abzusprechen sei, was an einem bestimmten Stichtag rechtens gewesen sei) und komme es nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides an (Mairinger/Twardosz, Die maßgebliche Rechtslage im Abgabenrecht - Teil 1, ÖStZ 2007/14).
Anhand dieser Aussagen sei festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde zwar grundsätzlich die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO anzuwenden sei.
Hinsichtlich der für die Antragstellung maßgebenden Frist werde jedoch darüber abgesprochen, ob die Antragstellung am rechtens bzw. rechtzeitig gewesen sei. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages sei daher die zum in Rechtskraft befindliche Fassung des § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 BAO anzuwenden.
Ein einmal rechtzeitig eingebrachter Antrag könne aufgrund einer nachträglichen Gesetzesänderung nicht nachträglich als verspätet gewertet werden.
Auch der Verwaltungsgerichtshof habe sich in seiner Entscheidung Ra 2021/13/0155 von (Rz 23) dazu geäußert:
"Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der zeitlich zuletzt wirksame Einkommensteuerbescheid (vom ) aufzuheben ist. Dessen Aufhebung wurde erst mit Eingabe vom beantragt. Insoweit ist somit § 295 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 anzuwenden, ohne dass zu prüfen wäre, ob bei früherer Antragstellung allenfalls andere Fristen betreffend die Antragstellung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu etwa Ritz, aaO)."
Im betreffenden Fall habe sich der VwGH primär mit anderen Fragestellungen auseinandersetzen müssen und weise in diesem Zusammenhang aber dennoch darauf hin, dass bei früherer Antragstellung andere Fristen zu berücksichtigen gewesen wären und bemesse diesem Grundsatz jedenfalls Bedeutung zu.
Christoph Ritz habe in der vom VwGH zitierten Textstelle (Ritz, Aufhebung von Nichtbescheiden abgeleiteter Bescheide, AFS 2021, 2) verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der de-facto rückwirkenden Anwendung der Jahresfrist auf solche im Zeitpunkt der Antragstellung rechtzeitigen Anträgen geäußert. Er beziehe die Bedenken zwar auf jenen Zeitraum, der zwischen Außerkrafttreten der alten Frist am und Inkrafttreten der neuen Fassung des § 295 Abs. 4 BAO am liege. In dieser Zeit sei keine Frist für die Einbringung eines Antrages nach § 295 Abs. 4 BAO vorgesehen gewesen. Damit impliziere er aber, dass sich für vor dem gestellte Anträge die Frage der Anwendung einer anderen Rechtslage als jene, die zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung war, gar nicht stellen könne.
Im Lichte der Verfassungskonformität müsse somit aber für vor dem gestellte Anträge, die zur damals geltenden Rechtslage rechtzeitig gestellt wurden, die Frist im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage jedenfalls anzuwenden sein.
Christoph Ritz vertrete diese Meinung auch noch im Februar 2024 (Ritz, Abänderung oder Aufhebung auf Nichtbescheide gestützter Bescheide (1. Teil), AFS 2024, 2) und wiederhole seine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer de-facto rückwirkenden Anwendung der neuen Jahresfrist.
Dies gebiete auch schon der Gleichheitsgrundsatz, nach dem die rückwirkende Anwendung einer neuen Rechtslage auf einen zuvor rechtzeitig gestellten Antrag wegen Verletzung des Vertrauensschutzes und wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot und das Willkürverbot unsachlich sei.
Es sei somit - für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages - unstrittig die im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Rechtslage anzuwenden. Der Zurückweisungsbescheid sei daher rechtswidrig ergangen und ersatzlos aufzuheben.
Zusätzlich zur ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Zurückweisungsbescheides beantragt der Bf. die Änderung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides vom unter Berücksichtigung der nunmehr final und rechtskräftig festgestellten Verlustzuweisung aus dem Feststellungsbescheid zu ***StNr atStill***, ***atStille*** vom .
Wie bereits in der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid beantragt, sei der Einkommensteuerbescheid vom daher insoweit abzuändern, dass aus der stillen Beteiligung an der ehemaligen ***atStill*** eine Verlustzuweisung von EUR 903.178,76 (entsprechend des nun endgültig in Rechskraft erwachsenen Feststellungsbescheides vom ) bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen sei und die Wirkungen der beiden Nichtbescheide somit keinen Eingang in die Einkommensteuer 2007 finden würden.
Mit Beschluss vom wurde dem Finanzamt die Stellungnahme des Bf. zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der Bf. ergänzend aus, dass an der Mitunternehmerschaft beteiligt gewesen wäre und die Anteile im Jahr 2008 in die GmbH eingebracht habe. Aus der Einbringung seien negative Anschaffungskosten entstanden, die bei einer künftigen Veräußerung der GmbH- Anteile der Einkommensteuer zu unterwerfen seien. Die Anschaffungskosten seien im Nachhinein auch nicht mehr abänderbar und insofern endgültig.
Es müsse eine Möglichkeit geben, dass das rechtliche Ergebnis der Mitunternehmerschaft sich auf Ebene des Einkommensteuerverfahrens wieder finde, insbesondere da im Falle der Veräußerung die negativen Anschaffungskosten Steuergegenstand seien und dies zu einer Doppelbesteuerung führen würde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. war im streitgegenständlichen Jahr 2007 an der ehemaligen ***atStill*** als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt.
Betreffend des Einkommensteuerverfahrens 2007 des Bf. sind folgende (Einkommensteuer)Bescheide ergangen:
Erstbescheid
Wiederaufnahme gem. § 303 Abs. 4 BAO und neue Sachbescheide
Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO
Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO aufgrund des
(vermeintlichen) Feststellungsbescheides der ehemaligen ***atStill*** vom
Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO aufgrund einer (vermeintlichen) Beschwerdevorentscheidung betreffend Feststellungsverfahren der ***atStill*** vom
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde im Feststellungsverfahren der ***atStill*** die Beschwerde gegen den vermeintlichen Feststellungsbescheid vom zurückgewiesen, da sowohl der Wiederaufnahme- als auch Feststellungsbescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom Nichtbescheide waren.
Am beantragte der Bf. die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen, insbesondere den vorgelegten Bescheiden, der Beschwerdevorentscheidung im Feststellungsverfahren vom und den Vorbringen des Bf., und ist zwischen den Parteien des Verfahrens unstrittig. Auch stimmt dieser mit einer Abfrage in den Anwendungen der Finanzverwaltung überein.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 295 Abs. 4 BAO in der im Zeitpunkt der Antragstellung () bis geltenden Fassung (BGBl. I 62/2019) lautete:
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."
§ 304 BAO in der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung (BGBl I 2018/62) lautet:
"Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie
a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder
b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."
§ 295 Abs. 4 BAO in der ab geltenden Fassung (BGBl. I 3/2021) lautete:
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretende Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."
§ 295 Abs. 4 BAO in der derzeitigen (im Entscheidungszeitpunkt) ab geltenden Fassung lautet (BGBl I Nr. 108/2022):
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Der Antrag hat folgendes zu enthalten:
1.die Bezeichnung des Bescheides, der abgeändert oder aufgehoben werden soll;
2.die Bezeichnung des Bescheides oder Beschlusses, mit dem die Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurückgewiesen wurde;
3.die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages erforderlich sind."
Unstrittig ist im gegenständlichen Fall, dass der Antrag auf Aufhebung im Zeitpunkt seiner Antragstellung nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen rechtzeitig gestellt wurde. Strittig ist, ob hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Antrages die im Antragstellungszeitpunkt geltende Rechtslage oder die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag geltende Rechtslage anzuwenden ist und der Antrag nach "neuer" Rechtslage verfristet ist.
Das Finanzamt brachte vor, dass es auf die Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung und nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt.
Der Bf. wendet ein, dass ein einmal rechtzeitig eingebrachter Antrag aufgrund einer nachträglichen Gesetzesänderung nicht nachträglich als verspätet gewertet werden könne.
§ 295 Abs. 4 BAO ist eine verfahrensrechtliche Bestimmung und grundsätzlich für ab ihrem Inkrafttreten erfolgende Amtshandlungen anzuwenden (vgl. ; Ritz, AFS 2024, 2, Abänderung oder Aufhebung auf Nichtbescheide gestützter Bescheide (1. Teil) mit Judikaturhinweisen).
Ritz führt jedoch in Bezug auf die Antragsfrist in Ritz, AFS 2024, 2, Abänderung oder Aufhebung auf Nichtbescheide gestützter Bescheide (1. Teil) weiter aus:
"Nach Inkrafttreten der Aufhebung der Fristbestimmung (des § 295 Abs. 4 BAO aF) durch den VfGH (somit nach dem ) bestand vor keine das Antragsrecht befristende Bestimmung. Wurden in dieser Zeit (1. bis ) Aufhebungsanträge gestellt, so erscheint die de facto rückwirkende Anwendbarkeit der Jahresfrist auf solche im Zeitpunkt der Antragstellung "rechtzeitige" Anträge verfassungsrechtlich bedenklich; ebenso wie die neue Verjährungsausnahme für bereits verjährte Zeiträume. Dies spricht für eine verfassungskonforme(keine Anwendbarkeit der Neufassung annehmende) Interpretation (des § 11 Abs 1 Bundesgesetzblattgesetz); dies gilt umso mehr für die Anlassfälle (iSd Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG)."
Das Bundesfinanzgericht schließt sich dieser Rechtsmeinung an. Ein anderes Ergebnis bzw. Auslegung würde auch dem Gleichheitsgrundsatz (Vertrauensschutz) widersprechen, da die Gesetzesänderung auf die Frage der Rechtzeitigkeit des Antrages rückwirkte.
Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0155 in Rz 23 ausgeführt: "Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der zeitlich zuletzt wirksame Einkommensteuerbescheid (vom ) aufzuheben ist. Dessen Aufhebung wurde erst mit Eingabe vom beantragt. Insoweit ist somit § 295 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 anzuwenden, ohne dass zu prüfen wäre, ob bei früherer Antragstellung allenfalls andere Fristen betreffend die Antragstellung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu etwa Ritz, aaO)."
Aus dieser Formulierung schließt das Bundesfinanzgericht, dass bei früherer Antragstellung eine andere Frist zu berücksichtigen ist - dabei kann es sich nur um die im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Frist handeln.
Es kam daher auf die Rechtslage betreffend Antragsfrist im Zeitpunkt der Antragstellung an.
Der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO war nach Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung am gemäß § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 BAO vor Eintritt der Verjährungsfrist oder innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides zu beantragen.
Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist unter abschließenden Bescheid der Bescheid im Einkommensteuerverfahren gemeint.
Im gegenständlichen Fall wurde der das Einkommensteuerverfahren 2007 abschließende Bescheid am erlassen und war der streitgegenständliche Antrag am noch innerhalb der 3-jährigen Frist ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahrens abschließenden Bescheides gemäß § 304 BAO aF gestellt worden.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht - außer in den Fällen des § 278 BAO - immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden.
Die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts ist dabei durch die Sache des Verfahrens begrenzt (vgl. zB Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 10).
Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat ( mit Verweis auf , mwN).
Sache des gegenständlichen Verfahrens war lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO wegen Verspätung. Da der Antrag nicht verspätet war, war der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben. Für einen Anspruch über den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides vom bleibt kein Raum.
Das Finanzamt hat über den nunmehr wieder unerledigten Antrag unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Verspätung zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall fehlt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob ein nach "alter" Rechtslage im Antragstellungszeitpunkt rechtzeitig eingebrachter Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO nach "neuer" im Entscheidungszeitpunkt geltender Rechtslage verfristet und damit zurückzuweisen ist. Daher war eine Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102333.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
PAAAF-79670