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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2025, RV/7104089/2023

Behandlungsmaßnahmen und der Erwerb von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, für die keine ärztliche Verordnung oder ein ärztliches Gutachten vorliegen, können nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden

  • vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 und

  • vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021,

Steuernummer ***BF1StNr1***,

I.zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 wird gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO iVm. § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. zu Recht erkannt:

Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung und angefochtene Bescheide:

Die Beschwerdeführerin reichte am Erklärungen über die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen 2020 und 2021 elektronisch ein. Sie beantragte die Berücksichtigung eines Freibetrages für eine Behinderung von 40 %, von Taxikosten in Höhe von 77,80 € (2020) und 53,30 € (2021) sowie Kosten für unregelmäßige Hilfsmittel in Höhe von 9.897,68 € (2020) und 9.077,34 € (2021).

Im Rahmen eines von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens legte die Beschwerdeführerin Unterlagen vor.

In den Einkommensteuerbescheiden 2020 und 2021 vom erfolge die Veranlagung abweichend von den Erklärungen; die Kosten für unregelmäßige Hilfsmittel wurden nur in Höhe von 1.280,77 € (2020) bzw. in Höhe von 2.389,69 € (2021) berücksichtigt.

Begründend wurde angeführt:

  • Behandlungsleistungen von nicht ärztlichem Personal (Masseure, etc.) seien grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung erstattet würden;

  • der Onlineeinkauf von div. Arzneien werde nicht anerkannt da es sich nicht um ärztlich verordnete Medikamente handle und diese in jeder üblichen Haushaltsapotheke zu finden seien;

  • der private Kauf (Nahrungsergänzungsmittel) in der Apotheke werde nicht anerkannt;

  • Aufwendungen für Garten und Friedhof zählten zu den Kosten der privaten Lebensführung und würden nicht berücksichtigt;

  • die Kosten für den Zahnarzt müssten mit Selbstbehalt berechnet werden, da kein Zusammenhang mit der Erwerbsminderung ersichtlich sei.

Beschwerde:

Die am eingebrachte Beschwerde wurde folgendermaßen begründet:

Die 40-prozentige Behinderung setze sich aus Problemen der Wirbelsäule, Hüfte und Krampfadern zusammen. Auf Grund des NN Adenoms, müsse Morphium genommen werden. Ständige Kopfschmerzen wären bereits 2006 festgehalten worden. Dadurch seien die Hilfen im Garten und Friedhof unerlässlich. Die medizinischen Behandlungen durch Ärzte sowie energetische Behandlungen und Massagen würden benötigt, um eine geringe Linderung zu erwirken. Leider würden sie nicht oder nur ganz wenig durch die OEGK übernommen. Die zusätzliche Medikation inkl. Nahrungsergänzungsmittel, welche im Internet bei Apotheken gekauft werde, sei nötig, da es dort um ein Drittel billiger wäre. Die Beschwerdeführerin wäre leider auf einen Großteil der normalen Medikamente allergisch und ersuche daher um abermalige Überprüfung.

3. Ergänzendes Ermittlungsverfahren und Beschwerdevorentscheidungen:

Die belangte Behörde ersuchte die Beschwerdeführerin um Vorlage ärztlicher Verordnungen für die Nahrungsergänzungen, Tees und Massagen sowie den Bescheid des Sozialministeriumservice (Bundessozialamt) mit dem Nachweis der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nicht ärztliches Personal (z.B. Masseure) grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen wären, wenn diese Leistungen ärztlich verordnet oder die Kosten von der Sozialversicherung teilweise ersetzt würden. Außerdem wären alternativmedizinische Kosten nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Aufwendungen medizinisch indiziert wären und die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden könne.

Nachdem die Beschwerdeführerin weitere Unterlagen übermittelt hatte, wurde mit Beschwerdevorentscheidungen vom der Einkommensteuerbescheid 2020 dahingehend abgeändert, dass Kosten für unregelmäßige Hilfsmittel in Höhe von 9.844,75 € als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt wurden, und die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass Aufwendungen für Garten und Friedhof den nichtabzugsfähigen Ausgaben der Lebensführung zuzurechnen seien und nicht berücksichtigt würden. Krankheitskosten seien nur insofern zusätzlich unter dem Titel der Hilfsmittel und Heilbehandlungen anzuerkennen, als ein direkter Zusammenhang mit der Krankheit hergestellt werden könne. Kosten für Produkte, die keine Medikamente darstellen würden (z.B. Nahrungsergänzungsmittel, Tees), seien mangels Zwangsläufigkeit steuerlich nicht absetzbar. Covid-Antigentest und Masken wären generell steuerlich nicht absetzbar. Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nicht ärztliches Personal (z.B. Masseure) seien grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten von der Sozialversicherung teilweise ersetzt würden. Kosten für alternative Behandlungsmethoden seien nur unter der Bedingung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, dass ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen werde und somit vom Vorliegen medizinischer Gründe ausgegangen werden könne. Im Schreiben vom ***Ärztin*** werde die medizinische Notwendigkeit der beantragten Ausgaben nicht nachgewiesen.

4. Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2021:

Mit Schreiben vom wurde die Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 an das Bundesfinanzgericht beantragt.

5. Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2020:

Im Rahmen der Bearbeitung des Vorlageantrags wurde seitens der Abgabenbehörde festgesellt, dass der Spruch der Beschwerdevorentscheidung 2020 vom nicht korrekt war. Daher wurde die Beschwerdevorentscheidung 2020 mit Bescheid vom aufgehoben und durch eine neue Beschwerdevorentscheidung ersetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass die außergewöhnlichen Belastungen in nicht korrekter Höhe erfasst worden seien. In der ersetzenden Beschwerdevorentscheidung 2020 wurden die Zahnarztkosten (873,75 €) mangels Behinderungskausalität als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt berücksichtigt. Weiters wurden Kosten für unregelmäßige Hilfsmittel in Höhe von 1.358,57 € als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt.

6. Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2020:

Mit Schreiben vom wurde die Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 an das Bundesfinanzgericht beantragt.

7. Mündliche Verhandlung:

In der antragsgemäß am vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin ihre Sicht zu der angewandten Medikation vor und erklärte insbesondere, dass ihr die Ärztin bestimmte Medikamente nicht verschreiben dürfe, sie aber jene Medikamente die verschrieben werden könnten, nicht vertrage.

Der Finanzamtsvertreter erklärte, auf den Rechnungen der Shop-Apotheke befänden sich auch Produkte, wie z.B. Salben, denen keine medizinische Wirkung zugrunde liege. Es müsse eine ärztliche Verordnung vorliegen.

Vereinbart wurde, dass die Beschwerdeführerin eine ärztliche Bestätigung für jene Medikamente bringen werde, die sie tatsächlich benötigt habe, die aber nicht verschrieben werden könnten. Gleichzeitig erklärte die Beschwerdeführerin, die Auflistung ihrer Kosten zu überprüfen und jene Kosten auszuscheiden, die in keinem unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Behinderung stünden.

In der Folge übermittelte die Beschwerdeführerin ein von ihr abgefasstes Schreiben, welches von der behandelnden Ärztin mit dem Vermerk "gegengelesen und mit dem Inhalt einverstanden" unterzeichnet war. Darin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 2014 bestimmte Unverträglichkeiten (Zungenschwellung und Dyspnoe auf niedermolekulare Heparin), wie insbesondere gegenüber Augmentin, Clarithromycin, Anaerobex und sämtliche Antibiotika habe. Sofern es keine wirkungsvollen Generika, wie bspw. für Venenpräparate gebe, sei sie gezwungen, die notwendigen Medikamente wie Daflon oder Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis selbst zu kaufen. Für pflanzliche Präparate gebe es kein Abkommen mit der Krankenkasse. Diese seien jedoch von großer Notwendigkeit für die Beschwerdeführerin. Die behandelnde Ärztin könne auch nicht jedes Mal ein Rezept ausstellen, da die Beschwerdeführerin die Präparate ohnehin selbst bezahlen müsse. Alternative Produkte seien im großen Pool der Krankenkasse nicht vertreten, jedoch auf Grund der multiplen Medikamenten-Unverträglichkeit sinnvoll.

Bereits seit April 2014 gebe es einen Bescheid des Sozialministeriums, welcher nach dem Bundesbehindertengesetz eine 40%ige Behinderung auf Grund von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Prolaps-Bildung L5/S1, Hüftgelenksveränderungen und der Krampfadern-Bildung bestätige. Die Beschwerdeführerin kämpfe seit Jahrzehnten mit starken Schmerzen, und nehme, wie auch gegen die Schmerzen des NN Tumors unter anderem Morphium in vertretbarer Stärke, damit die gefürchteten Nebenerscheinungen der Drogenabhängigkeit nicht zu extrem ausfielen. Sie sei daher gezwungen, private, physikalische Therapien, wie Massagen, energetische Unterstützung etc. in Anspruch zu nehmen. um ihren Alltag bewältigen zu können und den Gesundheitszustand "einigermaßen im Zaum zu halten". 2016 habe die Beschwerdeführerin ein schwerer, bis heute nicht verkrafteter Verlust ihres Mannes, im Jahr darauf des Vaters und seiner Lebensgefährtin ereilt. Dadurch und auf Grund von Corona, (Ungeimpfte seien nicht gerne gesehen worden) sei sie erst seit 2021 wieder im Stande, sich um ihre Belange wie eine Überprüfung des Behinderungsgrades beim Bundessozialministerium zu kümmern. Seit Dezember 2021 sei bei der Beschwerdeführerin eine 50 %ige Behinderung diagnostiziert worden. Sämtliche im Vorfeld zur Diskussion gestandene Operationen seien auf Grund der Medikamenten-Unverträglichkeit und des nicht sehr erfolgversprechenden Ausgangs nicht durchgeführt worden, was den verstärkten Einsatz von Medikamenten und Therapien notwendig gemacht habe. Nachdem sie Ende 2023 das RSVirus und Anfang 2024 Corona bekommen habe, habe sie extreme Schmerzen bekommen und habe ihr Zuhause nicht mehr bzw. nur sehr mühsam verlassen können und habe sich Einkäufe besorgen lassen müssen.

Eigenblutinjektionen hätten eine kleine Linderung der Schmerzen gebracht. Diese Behandlung sowie physikalische Therapien, Massagen, energetische Behandlungen, schmerzreduzierende homöopathische Mittel seien kleine Hilfsmitte, die leider selbst zu bezahlen seien.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrem Schreiben ergänzend aus, ihre behandelnde Ärztin habe das von ihr erstellte Schreiben sorgfältig durchgelesen und anschließend unterzeichnet. Die Ärztin sei selbst im November schwer erkrankt und erst in der Woche 47 wieder in der Ordination gewesen. Zu dem von ihr verfassten Schreiben habe sie selbst gemeint, dass es sich dabei um keine medizinische Erklärung handle, ein selbst verfasstes Schreiben aber für sie selbst zurzeit zu mühsam und zu aufwendig sei.

Sie habe sich ihre Aufzeichnungen nochmals durgesehen und ursprünglich geltend gemachte Aufwendungen gestrichen. Die Schneeräumung und Grabpflege habe sie auf der Liste belassen, da sie auf Grund ihrer Beschwerden zurzeit leider nicht in der Lage sei, diese Arbeiten selbst zu bewerkstelligen.

In den beigelegten Aufstellungen sind für 2020 und 2021 folgende Aufwendungen angeführt:


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Jahr
2020
2021
Behandlungen
2.640,27 €
4.315,19 €
Medikamente
3.676,36 €
3.395,11 €
Heilbehelfe
587,39 €
37,00 €
Diverse Fahrtkosten und Hilfsarbeiten
1.702,96 €
1.058,86 €
gesamt
8.613,98 €
8.806,16 €

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 zurück.

Der Finanzamtsvertreter erklärte ihr neuerlich ausführlich die rechtlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kosten von ärztlichen Behandlungen und Medikamenten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wies 2020 infolge degenerativer Wirbelsäulenveränderungen verbunden mit beginnenden degenerativen Hüftgelenksveränderungen beidseits und Krampfadernbildung im Bereich beider Beine einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40% auf.

Die von ihr als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 8.613,98 € teilte sie auf in:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Behandlungskosten
2.647,27 €
Medikamente
3.676,36 €
Heilbehelfe
587,39 €
Diverse Fahrtkosten und Hilfsarbeiten
1.702,96 €

Die Behandlungskosten betreffen neben den Kosten für Ordinationsbesuche in Höhe 453,91 € (=550,00 € - 96,09 € Rückerstattung durch die ÖGK) Kosten für Massagen in Höhe von 700,00 €, energetische Behandlungen in Höhe von 600,00 €, einer Laboruntersuchung in Höhe von 20,00 € und den Selbstbehalt für einen Kuraufenthalt in Höhe von 178,86 € (= 439,74 € abzüglich eines Betrages von 177,20 € wegen vorzeitiger Abreise und einer Haushaltsersparnis von 83,68 €) sowie weiterer Kosten im Zusammenhang mit dem Kuraufenthalt in Höhe von 364,50, die sich vor allem aus der Einzelbelagsgebühr in Höhe von 304,50 €, der Ausgabe von Ibuprofen in Höhe von 3,90 €, für (nicht verordnete) Bionic Health Care Sitzungen in Höhe von 60,00 € sowie Ausgaben an der Hotelbar und der Rezeption der Kuranstalt ergeben.

Unter den angeführten Medikamenten finden sich Rezeptgebühren in Höhe von 592,90 € sowie für privat angeschaffte Medikamente, für die kein Rezept ausgestellt wurde und bei denen zum Teil auch kein unmittelbarer Zusammenhang mit den der Behinderung zugrundeliegenden Leiden hergestellt werden kann (zB. Schlaf Gut, Vitamin B Komplex, Maske, Sterilium, Kürbis für die Frau).

Unter den Heilbehelfen findet sich ein Selbstbehalt für einen Heilbehelf der Firma Bständig in Höhe von 35,80 € sowie Kosten eines nicht ärztlich verordneten Healy World Upgrades (zur Schmerzbehandlung) in Höhe von 551,59 €.

Unter der Position "Diverse Fahrtkosten und Hilfsarbeitern" werden Fahrtkosten, deren Behinderungsbedingung nicht erklärt werden können sowie Kosten der Grabgestaltung und des Winterdienstes angeführt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass für die von ihr privat angeschafften Medikamente nicht ersichtlich ist, in welchem Zusammenhang diese mit der Behinderung stehen. Auch aus dem nachträglich vorgelegten von der Allgemeinmedizinerin unterschriebenen Schriftsatz geht nicht hervor, welche Medikamente tatsächlich der Behandlung bzw. der Linderung der Behinderung dienen sollen. Allein aus der Darstellung der Unverträglichkeit mancher Medikamente kann nicht geschlossen werden, welche der privat besorgten Medikamente und Nahrungsergänzungsmitteln nun zur Behandlung bzw. Linderung der Behinderung gedient haben sollen, zumal sich auf den vorgelegten Einkaufslisten durchaus auch Präparate befinden, die keiner Krankheit bzw. Behinderung zugeordnet werden können, sondern von vielen Leuten gekauft werden, um sich besser zu fühlen.

Desgleichen liegen auch keine ärztlichen Verordnungen für Massagen und Schmerzbehandlungen durch die angeführten Institute vor, da sehr wohl eine ärztlich überwachte Schmerzbehandlung insbesondere mit Morphiumpflaster durchgeführt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2 leg. cit.).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3 leg. cit.).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4 leg. cit.).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gemäß § 34 Abs. 6 Teilstrich 5 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) zu.

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung).

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach den §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 wird bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35% bis 44% ein Freibetrag von 164 € jährlich gewährt.

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6 EStG 1988).

Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des § 35 Abs. 3 EStG 1988 führen.

Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, so sind gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (Verordnung) liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gemäß § 4 der Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Nach diesen Bestimmungen können die geltend gemachten Aufwendungen nur dann als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn sie als Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der Verordnung anzusehen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten erforderlich, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Sie können nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind (vgl. ,).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen darunter einerseits Kosten der Heilbehandlung der die Behinderung verursachenden Erkrankung (vgl. ; , 2002/13/0134), andererseits Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung (vgl. ). Es muss sich damit um Kosten im Zusammenhang mit der Behandlung von Krankheiten, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen, handeln (vgl. , mwN).

Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich (vgl. , mwN). Dies gilt ebenso für die Frage, ob eine in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehende Krankheit vorliegt. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird (vgl. etwa , mwN). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa , mwN). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. etwa , mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch krankheitsbedingte Mehraufwendungen, die nicht unmittelbar der Behandlung bzw. Linderung der betreffenden - im ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehenden - Krankheit dienen, als Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der Verordnung angesehen werden, sofern über die Zwangsläufigkeit dieser Mehraufwendungen ein ärztliches Zeugnis oder Gutachten vorliegt (vgl. zur Zwangsläufigkeit von Mehrkosten für Nahrungsmittel bei Essstörungen ; sowie ).

Da die Beschwerdeführerin ein für die Zwangsläufigkeit der angeführten Maßnahmen (wie insbesondere Massagen und private Schmerzbehandlung) sowie der übrigen aus der Beauftragung von Winterdienst und Grabpflege und von Privatfahrten entstandenen Kosten notwendiges ärztliches Zeugnis oder Gutachten nicht vorlegen konnte, konnten diese Kosten auch nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne der § 4 der Verordnung berücksichtigt werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Gegenstandsloserklärung)

Gemäß § 256 Abs. 1 BAO können Beschwerden bis zur Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.

Wurde eine Beschwerde zurückgenommen (§ 256 Abs. 1 BAO), so ist sie gemäß § 256 Abs. 3 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.

Gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bescheidbeschwerde bei Zurücknahme gemäß § 256 Abs. 3 BAO mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes als gegenstandslos zu erklären,

Da die Beschwerdeführerin in der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung ihre Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 zurückgezogen hat, war die Beschwerde gemäß § 256 Abs. 3 BAO iVm. § 278 Abs. 1 lit. b BAO als gegenstandslos zu erklären.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die rechtliche Beurteilung der von der Beschwerdeführerin als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten im Sinne der zitierten verwaltungsgerichtlichen Judikatur erfolgte und sich die Gegenstandsloserklärung einer zurückgenommenen Beschwerde bereits aus dem Gesetz ergibt, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
HAAAF-79651