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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2025, RV/7400167/2018

Herabsetzung der Abwassergebühr - Nichteinleitungsmenge unter 100 Kubikmeter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch SV über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats vom , GZ. GZ., betreffend Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom bis zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz(B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Die Beschwerdeführerin (in der Folge abgekürzt Bf) ist eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft und war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Eigentümerin der Wohnhausanlage in Ort, Adresse. Für die von der Bf vermietete Liegenschaft wurden für die Jahre ab 2008 Anträge auf Herabsetzung der Abwassergebühr gestellt.

Vorjahre 2008 bis 2010

Mit Eingabe an die zuständige Magistratsabteilung vom beantragte die Bf für die Liegenschaft in Ort, Adresse, die Herabsetzung der Abwassergebühren ab dem Jahr 2009 sowie die Rückerstattung für das Jahr 2008. Dazu wurde ein Gutachten vom vorgelegt, wobei laut nachstehender Aufstellung eine sogenannte Nichteinleitungsmenge, dh eine nicht in den öffentlichen Kanal eingeleitete Wassermenge, pro Kalenderjahr im Ausmaß von 125 m³ (Kubikmeter) ermittelt wurde.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
175
42,16
2
Mietergärten
67,45 m²
350
23,61
3
Kübelpflanzen bis 25 l
71 Stk.
200
2,5
35,50
4
Kübelpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
125

Daraufhin führte die Magistratsabteilung MA am eine Erhebung durch und ermittelte für diese Liegenschaft eine abweichende Nichteinleitungsmenge gemäß § 13 Abs. 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz (KKG) iHv 78 m³ wie folgt.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
50
12,05
2
Mietergärten
67,45 m²
100
6,75
3
Kübelpflanzen bis 25 l
71 Stk.
200
2,5
35,50
4
Kübelpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
78

Zur Begründung der abweichenden Berechnung wurde von der Behörde ausgeführt, dass die in Position 1 und 2 des Gutachtens angeführten Rasen- und Strauchflächen (allgemeine Grünfläche und Mietergärten) nicht in dem von der Bf beschriebenen Pflege- und Kulturzustand vorgefunden worden seien. Die übrigen Angaben seien als richtig angenommen worden.

Im Gutachten der Bf vom war dazu auszugsweise wie folgt ausgeführt worden: "In den Mietergärten finden sich guter Zierrasen und auf der allgemeinen Grünfläche Hecken, Jungbäume. Ein Teil der Fläche ist mit Rindenmulch bedeckt. Die gärtnerisch gestalteten Flächen stellen sich in allen Bereichen sehr gut gepflegt dar. Der Großteil der Grünflächen befindet sich auf der Betondecke der Tiefgarage bzw. der Dachgeschoßdecke, bedingt somit aus statischen Gründen einen geringeren Bodenaufbau und als Folge dessen einen höheren Bewässerungsaufwand. (…) Es wird in der Vegetationszeit nach Erfordernis händisch mittels Schlauch und mobilen Regnern und die Hecke mittels Tropfschlauch bewässert."

In der Stellungnahme vom führte die Bf dazu ergänzend aus, dass die Bewässerung in den Mietergärten intensiv durchgeführt werde. Betreffend die allgemeine Grünfläche sei eine regelmäßige Bewässerung feststellbar, zudem sei anzumerken, dass Extensivflächen oder Platzflächen, welche zusätzlich beregnet würden, im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien.

Demgegenüber führte die Magistratsabteilung MA nach einer weiteren, am durchgeführten Erhebung wie folgt aus: "Bei der am durchgeführten Erhebung und einer Überprüfung der Berechnungsfaktoren wurde eine Gesamtgrünfläche im Ausmaß von ca. 308 m² vorgefunden.

Wie bereits […] mitgeteilt, befinden sich die in den Positionen 1 und 2 vorgefundenen Grünflächen nicht im beschriebenen Pflege- und Kulturzustand. Die in Position 1 vorgefundene Grünfläche stellte sich als extensiv betreute Fläche eines Spielplatzes dar, welche mit Rindenmulch bedeckt ist und jährlich zur Anfeuchtung und Bindung von Feinstaub mit ca. 50 l/m² zusätzlich bewässert wird. Die in Position 2 angeführte Grünfläche eines Privatgartens wurde in einem mäßigen Bewässerungszustand vorgefunden und kann als naturnahe beschrieben werden.

Die bereits ermittelte Nichteinleitungsmenge im Ausmaß von ca. 78 m³ Wasser kann weiterhin als richtig angenommen werden. In der ermittelten Nichteinleitungsmenge sind vorgefundene Topf- und Kübelpflanzen, sowie die nicht eingeleiteten Wasserverbräuche der Wohnungseinheiten berücksichtigt."

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte die Magistratsabteilung MA im Rahmen einer weiteren Erhebung vor Ort am .

Von der belangten Behörde wurden in der Folge mit den - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Bescheiden vom , bzw die Anträge der beschwerdeführenden Partei auf Herabsetzung der Abwassergebühr betreffend die Jahre von 2008 bis 2010 wegen des jeweiligen Nichterreichens der Mindestgrenze von 100 m³ abgewiesen.

Die dagegen erhobenen Berufungen wurden von der belangten Behörde mit den Berufungsvorentscheidungen vom , bzw abgewiesen.

Hinsichtlich des Jahres 2010 beantragte die Bf die Vorlage des Rechtmittels an die damals zuständige Abgabenberufungskommission der Stadt Wien. Die Berufungsbehörde wies das Rechtsmittel am als unbegründet ab und hielt zur Begründung auszugsweise fest:

"Im Privatgutachten vom (Anmerkung des Richters: dieses Gutachten ist praktisch wortident zum oben erwähnten Gutachten vom ) wird lediglich der sehr gute Pflegezustand behauptet, aber nicht unter Beweis gestellt und erhöhte Bewässerungsmengen angenommen, welche durch die erfolgten Überprüfungen für das verfahrensgegenständliche Jahr 2010 nicht verifiziert werden konnten. Daher gelang es der Berufungswerberin nicht, den von ihr behaupteten und dem Privatgutachten zu Grunde gelegten sehr guten Pflege- und Kulturzustand der Rasen- und Strauchflächen für das Jahr 2010 nachzuweisen. Zusammenfassend konnte die Berufungswerberin, welche wie oben ausgeführt die Beweislast trägt, den Nachweis für eine Nichteinleitungsmenge, welche über das in den Amtssachverständigengutachten festgestellte Ausmaß hinausgeht, nicht erbringen."

Verfahrensgegenständliches Jahr 2011

Mit Eingabe an die belangte Behörde vom beantragte die Bf für die Liegenschaft in Ort, Adresse, die Herabsetzung der Abwassergebühren ab dem Jahr 2012 sowie die Rückerstattung für das Jahr 2011. Dazu wurde ein Gutachten vom vorgelegt, wobei laut nachstehender Aufstellung die Nichteinleitungsmenge im Ausmaß von 112 m³ ermittelt wurde.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
150
36,14
2
Mietergärten
67,45 m²
250
16,86
3
Kübelpflanzen bis 25 l
71 Stk.
200
2,5
35,50
4
Kübelpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
112

Dazu wurde von der Magistratsabteilung MA am eine weitere Erhebung vor Ort vorgenommen und die Nichteinleitungsmenge für das Jahr 2011 nach der ursprünglichen Berechnungsmethode, dh ohne Anlehnung an die ÖNORM L 1112, mit 55 m³ wie folgt ermittelt.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
50
12,05
2
Mietergärten
67,45 m²
3
Topfpflanzen bis 25 l
58 Stk.
200
2,5
29,00
4
Topfpflanzen über 25 l
8 Stk.
150
6
7,20
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
55

Zu dieser Berechnung ist festzuhalten, dass seitens der zuständigen Behörde die Position 2 - Mietergärten bei der Berechnung offensichtlich übersehen wurde.

Unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112 in der damals gültigen Ausgabe vom errechnete die Magistratsabteilung MA für das Jahr 2011 einen Bewässerungsbedarf (Nichteinleitungsmenge) von 69 m³.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
84,9
20,46
2
Mietergärten
67,45 m²
84,9
5,73
3
Topfpflanzen bis 25 l
58 Stk.
200
2,5
29,00
4
Topfpflanzen über 25 l
8 Stk.
150
6
7,20
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
69

In ihrer Stellungnahme vom hielt die Bf zu diesen Ergebnissen fest:

"a) Mangelhaftigkeit des Verfahrens

Die belangte Behörde hat in Wahrheit gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern Willkür geübt. Soweit ersichtlich, stützt sich die angefochtene Stellungnahme auf das Schreiben der MA MA vom , welches im Akt erliegt, uns aber nicht zur Stellungnahme, sondern lediglich zur Information übermittelt wurde. Dies stellt eine Verletzung unseres Rechts auf Parteiengehör (§ 37 AVG) dar, was ausdrücklich gerügt wird. Weiters wird gerügt, dass es sich dabei nicht um einen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG handelt. Im Übrigen liegt kein überprüfbares Gutachten vor, weil weder eine Befundaufnahme über die nichteingeleiteten Wassermengen, noch ein nachvollziehbares Gutachten erstattet wird. Es wird in keiner Weise dargelegt, weshalb nunmehr von dem im Akt erliegenden SV-GA über die Nichteinleitungsmenqe von 112 m³ abgegangen werden soll.

Die am erlassene ÖNORM L 1112 ist diesbezüglich falsch ausgelegt worden bzw. sind die Berechnungen nicht korrekt. Weiters wird ausdrücklich gerügt, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung abgehalten hat, obwohl dies im konkreten Fall unbedingt erforderlich gewesen wäre, weil die Behörde ohne ersichtlichen Grund von einem bisherigen Beweisergebnis (112 m³ Nichteinleitungsmenge) abgegangen ist und daher die diesbezüglichen Gründe und angeblichen Änderungen der Sachlage, die in Wahrheit gar nicht stattgefunden haben, erörtert hätten werden müssen.

b) Rechtswidrigkeit des Inhalts

Soweit erkennbar, will die belangte Behörde diese Änderung aus der am erlassenen ÖNORM L 1112 "Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen" ableiten. Dabei handelt es sich aber um eine reine Scheinbegründung der Behörde. Diese Norm regelt nur die Mindestanforderungen an eine Bewässerungsmenge, hat aber mit der tatsächlich zur Bewässerung verwendeten Menge lediglich betreffend der technischen Faktoren respektive der fachlichen Richtigkeit Berücksichtigung zu finden, nicht jedoch beim absoluten Ausmaß der verwendeten Wassermenge. Insbesondere kann es nicht rechtens sein, wenn das Inkrafttreten einer ÖNORM im Jahr 2010 zu einer Änderung des vorgelegten SV-GA (112 m³) führt, die keine verbindliche Rechtsnorm (wie Gesetz oder Verordnung) darstellt. In Wahrheit ist diese Norm bestenfalls eine begleitende Rechtsgrundlage für den zu erstellenden Bescheid. Mit den bisherigen im Akt erliegenden Beweisergebnissen wurde nachgewiesen, dass eine Nichteinleitungsmenge von 112 m³ bei der gegenständlichen Anlage vorliegt. Ohne Durchführung eines Beweisverfahrens und ohne Änderung des Sachverhalts kann nicht von den bisherigen Ergebnissen abgewichen werden."

In der Folge kam es am zu einer weiteren Erhebung der Magistratsabteilung MA am Standort der Wohnhausanlage bei der der Jahreswasserbedarf für die Pflanzen und Vegetationsflächen (bzw die Nichteinleitungsmenge) unter Anwendung der ÖNORM L 1112 für das nicht verfahrensgegenständliche Kalenderjahr 2012 mit 87 m² wie folgt ermittelt wurde.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
92,7
22,33
2
Mietergärten
67,45 m²
115,3
7,78
3
Topfpflanzen bis 25 l
48 Stk.
200
2,5
24,00
4
Topfpflanzen über 25 l
18 Stk.
150
6
16,20
5
Trogbepflanzungen
6 m²
1.600
9,60
6
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
87

Diese Berechnung erfolgte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation inklusive von Zu- und Abschlägen.

Daraufhin legte die beschwerdeführende Partei ein weiteres, dem Stand der Technik angepasstes Gutachten vom betreffend die Feststellung jener bezogenen Wassermenge, die nicht in den öffentlichen Kanal geleitet wird, für die verfahrensgegenständliche Wohnhausanlage vor. Darin wurde der Gesamtjahresbedarf für die Liegenschaft unter Berücksichtigung der ÖNORM L 1112 mit 118 m³ wie folgt ermittelt.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
166,1
40,02
2
Mietergärten
67,45 m²
274,1
18,49
3
Topfpflanzen bis 25 l
72 Stk.
200
2,5
36,00
4
Topfpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
118

Die Bf hielt dazu fest, dass die berechnete Nichteinleitungsmenge von 118 m³ ab dem Jahr 2011 anzuwenden sei.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom betreffend das Jahr 2011 und dem Bescheid vom betreffend das Jahr 2012 wies die Behörde die Anträge auf Herabsetzung der Abwassergebühr ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich im Herabsetzungsverfahren eine Nichteinleitungsmenge von 55 m³ (2011) bzw 87 m³ (2012) ergeben habe.

Gegen diese Bescheide erhob die Bf am fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Nichteinleitungsmenge ab dem Jahr 2011 mit 118 m³ festzusetzten. Die Begründung des Rechtsmittels lautete wie folgt:

"a) Mangelhaftigkeit des Verfahrens

Die belangte Behörde hat in Wahrheit gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern Willkür geübt. Soweit ersichtlich, stützt sich der angefochtene Bescheid auf das Schreiben der MA MA. Weiters wird gerügt, dass es sich dabei nicht um einen Amtssachverständigen gemäß§ 52 Abs. 1 AVG handelt. Im Übrigen liegt kein überprüfbares Gutachten vor, weil weder eine Befundaufnahme über die nichteingeleiteten Wassermengen, noch ein nachvollziehbares Gutachten erstattet wird.

Es wird in keiner Weise dargelegt wie die im Akt angewandte und zurückliegende Nichteinleitungsmenge in der Höhe von 112 m³ auf eine in dem Bescheid vom ergangenen Nichteinleitungsmenge für das Jahr 2011 von 55 m³ und auf eine in dem Bescheid vom ergangenen Nichteinleitungsmenge für das Jahr 2012 von 87 m³ seine Berechnung bzw. Ursprung findet.

Die am erlassene ÖNORM L 1112 ist diesbezüglich falsch ausgelegt worden bzw. sind die Berechnungen nicht korrekt. Weiters wird ausdrücklich gerügt, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung abgehalten hat, obwohl dies im konkreten Fall unbedingt erforderlich gewesen wäre, weil die Behörde ohne ersichtlichen Grund von einem bisherigen Beweisergebnis abgegangen ist und daher die diesbezüglichen Gründe und angeblichen Änderungen der Sachlage, die in Wahrheit gar nicht stattgefunden haben, erörtert hätten werden müssen.

b) Rechtswidrigkeit des Inhalts

Soweit erkennbar, will die belangte Behörde diese Änderung aus der am erlassenen ÖNORM L 1112 "Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen" ableiten. Dabei handelt es sich aber um eine reine Scheinbegründung der Behörde. Diese Norm regelt nur die Mindestanforderungen an eine Bewässerungsmenge, hat aber mit der tatsächlich zur Bewässerung verwendeten Menge lediglich betreffend der technischen Faktoren respektive der fachlichen Richtigkeit Berücksichtigung zu finden, nicht jedoch beim absoluten Ausmaß der verwendeten Wassermenge.

Nach nunmehr geändertem Stand der Technik respektive entsprechend der gegenständlichen ÖNORM L 1112 übermitteln wir anbei das auf den jetzigen Stand der Technik angepasste Gutachten vom , welches sich mit einer Nichteinleitungsmenge von 118 m³ bemisst. Entsprechend diesem Gutachten reicht die Einschreiterin ein neues Gutachten für das Jahr 2011 und sämtliche Folgejahre über die Nichteinleitungsmenge ein." (Anmerkung des Richters: Gemeint ist das oben angeführte Gutachten des Sachverständigen vom .)

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet ab. Zur Begründung wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt.

"Dazu wird festgestellt, dass die Berechnung nach der ÖNORM L 1112 - im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes - erst für Herabsetzungsanträge ab dem Kalenderjahr 2012 erfolgt und daher der Hinweis in der Beschwerde betreffend das Kalenderjahr 2011 grundsätzlich als verfehlt anzusehen ist. Weiters wurde seitens der MA MA anhand von drei Erhebungen vor Ort im Kalenderjahr 2009 und 2010 eine Nichteinleitungsmenge von jeweils unter 100 m³ ermittelt. Die Werte dieser Erhebungen zur Erhebung am mögen andere sein, im Ergebnis ergibt sich daraus jedoch keine Änderung. Selbst wenn die in der Aufstellung der MA MA vom fehlenden Kubikmeter der Position 2 durch die im Gutachten des Sachverständigen der Beschwerdeführerin angegebenen rund 17 m³ ergänzt würden, ergebe sich eine Nichteinleitungsmenge von 72 m³, was wiederum unter der vom Gesetz geforderten Mindestnichteinleitungsmenge von über 100 m³ läge.

Grundsätzlich wird festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 KKG unzweifelhaft ergibt, dass der Abgabepflichtige für den Umfang der Nichteinleitungsmenge nachweispflichtig ist. Stellt das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf (§ 12 KKG), so bedarf diese gemäß § 167 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liegt jedoch nach der Anordnung des KKG beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen ist die Beweislast auferlegt und es schlägt auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen ist. Ob dieser Nachweis erbracht ist oder nicht unterliegt gemäß § 128 Abs. 2 Wiener Landesabgabenordnung - WAO, welchem der nunmehr anwendbare § 167 Abs. 2 BAO wertgleich entspricht, der freien Beweiswürdigung (vgl. Zl. 89/17/0181). Somit obliegt dem Abgabepflichtigen der Nachweis, in welchem Umfang eine Nichteinleitung der bezogenen Wassermenge in den öffentlichen Kanal erfolgt ist und die Abgabebehörde hat unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabeverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Gutachten eines Sachverständigen in der fachmännischen Beurteilung von Tatsachen (vgl. Zl. 96/15/0220). Sachverständigengutachten unterliegen weiters der freien Beweiswürdigung (vgl. etwa Zl. 2001/13/0162). Der Behörde kommt jedenfalls die Aufgabe zu, anhand des Befundes die Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens zu überprüfen ( Zlen. 81/16/0105, 0108) und im Falle widersprechender Gutachten in der Begründung des Bescheides in schlüssiger Weise darzulegen, welche Erwägungen dafür maßgebend waren, das eine Beweismittel dem anderen vorzuziehen ( Zl. 95/09/0062).

Zu der Richtigkeit und Schlüssigkeit der Gutachten der Amtssachverständigen der MA MA ist auszuführen, dass bei den erfolgten Befunderhebungen auf Grund des vor Ort vorgefundenen Vegetationszustands-, Kultur- und Pflegezustands zum Zeitpunkt der Erhebung unter Einbeziehung der natürlichen Niederschläge und Temperaturen eine fundierte und neutrale Schätzung der Bewässerungsmengen vorgenommen wird, wobei gerade Amtssachverständige der für die Pflege der öffentlichen Gärten zuständigen Fachdienststelle über reichliche Erfahrungswerte zu den jeweils notwendigen Bewässerungsmengen verfügen. Darüber hinaus kann die Feststellung der Topf- und Kübelpflanzen lediglich als Momentaufnahme gesehen werden, da es den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht, dass die Stückzahl im Laufe einer Vegetationsperiode bzw. über die Jahre gesehen Schwankungen unterzogen ist. Wiewohl dies in sinngemäßer Weise auch für die Haushaltmengen gilt, werden diese für alle Wohnungen und jedes Jahr zuerkannt.

Wiewohl nicht als Maßstab, aber zur Hilfestellung bei der Plausibilitätsprüfung, wird auch festgehalten, dass nach den Erfahrungswerten der MA MA der durchschnittliche Gesamtverbrauch pro Person und Tag bei 130 Litern Wasser liegt. Angesichts der (derzeit) 28 auf der Liegenschaft gemeldeten Personen (28 x 130 Liter x 365 Tage = 1.328,60 m³) und des Gesamtwasserverbrauchs von 1.358 m³ im Kalenderjahr 2011 ist eine die vom Gesetz geforderte Mindestnichteinleitungsmenge von 100 m³ übersteigende Nichteinleitungsmenge nur schwer vorstellbar.

Unbestritten bleibt auch weiterhin, dass eine "Schätzung" (sowohl jene der MA MA als auch jene des Gutachters der Beschwerdeführerin) nicht der tatsächlichen Bewässerungsmenge pro Jahr entsprechen kann. Den Wasserabnehmerinnen bleibt jedoch nach wie vor unbenommen, diese in Zukunft durch die Angaben eines in die Gartenbewässerungsanlagen eingebauten geeichten Messgerätes (Subzähler) nachzuweisen."

Hinsichtlich des nicht verfahrensgegenständlichen Jahres 2012 wurde das Beschwerdeverfahren von der Behörde mit Bescheid vom ausgesetzt.

Mit fristgerechter Eingabe vom beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Im Vorlageantrag wurde zur Sach- und Rechtslage kein ergänzendes Vorbringen erstattet.

Am legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte sinngemäß eine abweisende Erledigung. Zum Sachverhalt wurden im Vorlagebericht im Wesentlichen die Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung vom wiederholt.

Mit Eingabe vom verzichtete die rechtsfreundliche Vertretung des Bf auf die Durchführung der beantragten mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei war im Streitzeitraum Alleineigentümerin der Liegenschaft in Ort, Adresse. Auf dieser Liegenschaft befindet sich eine Wohnhausanlage mit 4 Stockwerken plus Dachgeschoß mit insgesamt 13 Wohneinheiten.

Streitgegenstand des Verfahrens ist die Berechnung der Abwassermenge, die von dieser Liegenschaft im Jahr 2011 nicht in den öffentlichen Kanal gelangte.

Die Gesamtgrünfläche der Liegenschaft beträgt insgesamt 308,38 m². Davon entfallen 240,93 m² auf allgemeine Grünflächen (Rasen und Strauchflächen mit Hecken und Jungbäumen, teilweise mit Rindenmulch bedeckt) und 67,45 m² auf private Grünflächen (Mietergärten mit Zierrasen). Der Großteil der Grünflächen befindet sich auf der Tiefgarage bzw dem Dachgeschoß. Die Topfpflanzen befinden sich auf den Terrassen der Mietergärten und den Balkonen.

Für diese Liegenschaft wurden in den Jahren von 2009 bis 2012 von der öffentlichen Wasserversorgung die nachstehenden Wassermengen bezogen.

  • 2009: 1.243 m³

  • 2010: 1.179 m³

  • 2011: 1.358 m³

  • 2012: 1.437 m³

  • Durchschnitt: 1.304 m³

In der Wohnanlage waren per 36 Personen mit ihrem Hauptwohnsitz sowie 2 weitere Personen mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.

Die Anzahl der Hauptwohnsitzmeldungen betrug im Jahr 2009 35 Personen, im Jahr 2010 37 Personen, und im Jahr 2012 33 Personen, im Durchschnitt der Jahre von 2009 bis 2012 somit 35 Personen.

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2011 waren auf der gegenständlichen Liegenschaft keine Subzähler eingebaut.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die vorgelegten Aktenteile der belangten Behörde, das Vorbringen der Verfahrensparteien sowie die Einsichtnahme des Richters in das Zentrale Melderegister.

Im vorliegenden Sachverhalt sind die bezogenen Wassermengen, die Größe der bewässerten Rasenflächen, die Anzahl der Wohneinheiten sowie die Anzahl der per mit Hauptwohnsitz an dieser Adresse gemeldeten Personen unstrittig.

Zwischen den Parteien ist weiters die jährlich benötigte Wassermenge für Topfpflanzen in Gebinden bis zu 25 Litern (l) Rauminhalt (500 l) bzw über 25 l Rauminhalt (900 l) sowie der sonstige Wasserverbrach für Zimmerpflanzen etc pro Wohneinheit (520 l) unstrittig.

Strittig ist hingegen im Wesentlichen die aufgrund des Pflege- und Bewässerungsbedarfes anfallende jährliche Wassermenge pro m² allgemeiner und privater Grünfläche. Unklar erscheint schließlich die Anzahl der Topfpflanzen in Gebinden mit einem Rauminhalt von bis zu bzw über 25 l.

Ob ein Sachverhalt als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Das Gericht hat dabei iSd Bestimmung des § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Überzeugung eine Tatsache als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen. Dabei genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Auch der Indizienbeweis, der aufbauend auf erwiesenen Hilfstatsachen (Indizien), mit Hilfe von Erfahrungssätzen und logischen Operationen den Schluss auf die beweisbedürftige rechtserhebliche Haupttatsache ermöglicht, kommt als Beweismittel in Betracht (zB ; , 2001/14/0174).

Zur den strittigen Fragen des Jahreswasserbedarfs der Grünflächen sowie der Anzahl der Topf- und Kübelpflanzen waren vom Richter die nachstehenden Aussagen und Dokumente zu würdigen.

Aus den im obigen Verfahrensverlauf dargestellten Berechnungen ist insbesondere auf die nachstehende Berechnung der Magistratsabteilung MA vom hinzuweisen.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
50
12,05
2
Mietergärten
67,45 m²
100
6,75
3
Topfpflanzen bis 25 l
71 Stk.
200
2,5
35,50
4
Topfpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
78

Zu dieser Berechnung ist festzuhalten, dass sie zwar die nicht verfahrensgegenständlichen Jahre von 2008/2009 bis 2010 betraf, der ermittelte Wasserverbrauch aber sowohl von den Erhebungsorganen der Magistratsabteilung MA in drei separaten Begehungen als auch im Rechtsmittelweg von der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien als zuständiger Oberbehörde bestätigt worden ist.

Zur Berechnung der Behörde vom betreffend das Jahr 2011 ist festzuhalten, dass die Position 2 (Rasenfläche Mietergärten) offensichtlich übersehen wurde und nach Ansicht des Richters iSd bisherigen Berechnungen wie folgt zu ergänzen war.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
50
12,05
2
Mietergärten
67,45 m²
100
6,75
3
Topfpflanzen bis 25 l
58 Stk.
200
2,5
29,00
4
Topfpflanzen über 25 l
8 Stk.
150
6
7,20
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
62

Auf die Berechnungen des Amtssachverständigen unter Berücksichtigung der ÖNORM L 1112 in der damals geltenden Fassung mit 69 m³ bzw unter zusätzlicher Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen mit 53 m³ war wegen der geringen Abweichungen nicht näher einzugehen. Hinzuweisen war jedoch auf die Tatsache, dass diesen Berechnungen eine geringere Anzahl an Topfpflanzen zugrunde gelegt worden war.

Demgegenüber ergaben die Berechnungen der Bf laut Gutachten vom einen Wert von 112 m³.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
150
36,14
2
Mietergärten
67,45 m²
250
16,86
3
Topfpflanzen bis 25 l
71 Stk.
200
2,5
35,50
4
Topfpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
112

Dieses Gutachten ist praktisch ident mit den Gutachten vom und betreffend die Vorjahre von 2008/2009 bis 2010. Die angesetzten reduzierten Wassermengen für die allgemeine Grünfläche (vormals 175 l pro m²) und die Mietergärten (vormals 350 l pro m²) wurden im Gutachten nicht näher ausgeführt.

Im Gutachten vom , das von der Bf im Zuge des Verfahrens vorgelegt wurde, ergab sich unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112 eine jährliche Nichteinleitungsmenge von gerundet 118 m³ wie folgt.


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Pos.
Bezeichnung
Fläche/Stk.
Wassergaben
Liter
Kubikmeter
1
Allgemeine Grünfläche
240,93 m²
166,1
40,02
2
Mietergärten
67,45 m²
274,1
18,49
3
Topfpflanzen bis 25 l
72 Stk.
200
2,5
36,00
4
Topfpflanzen über 25 l
19 Stk.
150
6
17,10
5
Wohnungen (Pflanzen)
13 Top
52
10
6,76
118

Bei einer ÖNORM L 1112 - Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen - in der Ausgabe vom handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Österreichischen Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt. Das Fehlen einer solchen normativen Wirkung der ÖNORM L 1112 hindert jedoch nicht, dass diese als einschlägiges Regelwerk und objektiviertes, generelles Gutachten von einem Sachverständigen als Grundlage in seinem Gutachten etwa für die Beurteilung des Standes der Technik herangezogen werden kann (vgl dazu ).

Nach Ansicht des Richters kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Gutachten vom und vom (laut ÖNORM L 1112) zwingend die tatsächlichen Gegebenheiten des Jahres 2011 widerspiegeln. Es ist nicht nachvollziehbar, warum den diversen Gutachten der Bf über Jahre hinweg unverändert der Wasserverbrauch von 72 kleinen und 19 großen Topfpflanzen zugrunde gelegt wurde, während bei den Erhebungen der belangten Behörde im Jahr 2013 58 große und 8 kleine Topfpflanzen bzw im Jahr 2016 48 große und 18 kleine Topfpflanzen sowie zusätzlich 6 m² Trogbepflanzungen festgestellt wurden.

Mengenmäßig relevanter sind allerdings die Abweichungen beim Wasserverbrauch für die allgemeine Grünfläche bzw die Mietergärten. Während die belangte Behörde diesbezüglich von jährlich 50 Litern (allgemeine Grünfläche) bzw 100 Litern (Mietergärten) ausging, lagen den Gutachten vom 150 Liter (allgemeine Grünfläche) bzw 250 Liter (Mietergärten) sowie dem Gutachten laut ÖNORM L 1112 vom 166,1 Liter (allgemeine Grünfläche) bzw 274,1 Liter (Mietergärten) zugrunde.

Sofern in den Gutachten der Bf dazu ausgeführt wurde, dass sich die aufgewendeten Wassermengen für die Grünflächen ua aus den "verifizierbaren und überprüften Aussagen der zuständigen Auskunftspersonen vor Ort über die individuellen Bewässerungsgepflogenheiten unter Berücksichtigung des Betriebsdrucks der Zuleitung sowie der Art der Bewässerung (zB automatisches Bewässerungssystem, Zeit der Bewässerungsdurchführung, Dauer der Erhebungen)" ergeben würden, ist festzuhalten, dass diese Angaben weder näher ausgeführt noch belegt wurden.

Zu den durchgeführten Berechnungen der Bf im Gutachten vom ist zu bemerken, dass laut Tabelle A.2 der ÖNORM L 1112 sämtliche Faktoren für die Wasserbedarfsberechnung nach Augenschein festzulegen sind und insbesondere eine nachvollziehbare Begründung der Berechnung beizulegen ist. Die im Gutachten angewendeten Standort- und Wetterfaktoren wurden aber nur rudimentär bzw gar nicht näher begründet, weshalb die diesbezüglichen Berechnungsergebnisse auf einer Behauptungsebene verblieben. Die in den beiden Gutachten vom bzw ermittelten Ergebnisse waren für den Richter daher nicht zweifelsfrei nachvollziehbar. Dieser Befund trifft im Übrigen teilweise auch auf die vorliegenden Berechnungen der belangten Behörde zu.

Bei den unterschiedlichen Berechnungsergebnissen der Verfahrensparteien für die Jahre von 2008 bis 2012, die vom Richter als Schätzwerte beurteilt wurden, war auffällig, dass sich alle ermittelten Nichteinleitungsmengen im Nahebereich der gesetzlichen Untergrenze von 100 Kubikmetern befanden. Der von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom ins Treffen geführten Plausibilitätsrechnung iSe Rückrechnung des durchschnittlichen Wasserverbrauchs pro Person auf die verbleibende Nichteinleitungsmenge kam daher im Rahmen der Beweiswürdigung eine erhöhte Bedeutung zu.

Nach den Angaben in einschlägigen Fachpublikationen (zB der Universität für Bodenkultur in Wien oder des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft) ist im Streitzeitraum von einem durchschnittlichen Wasserverbrauch in Österreich von zumindest 130 Litern pro Person und Tag auszugehen. Unter Berücksichtigung des auszuscheidenden Wasserbrauchs für den Außenbereich (Pflanzen, Pool etc) ergibt sich ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von ca 112 Litern pro Person und Tag.

An der gegenständlichen Wohnadresse waren Mitte des Jahres 2011 insgesamt 36 Personen mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet. Unter Annahme eines durchschnittlichen täglichen Wasserverbrauchs von 112 Litern ergibt sich daraus ein jährlicher Wasserverbrauch von 1.472 m³ für die gesamte Liegenschaft.

Die gesamte Wasserbezugsmenge betrug im Jahr 2011 unstrittig 1.358 m². Daraus errechnet sich - ohne Berücksichtigung von für die Bewässerung von Grünflächen etc verbrauchtem und nicht in den Kanal eingeleitetem Wasser - ein statistisch unterdurchschnittlicher Gesamtwasserverbrauch von 103 Litern pro Person und Tag.

Bei Reduktion der bezogenen Wassermenge um die von der Bf behauptete Nichteinleitungsmenge von zumindest 112 m³ reduziert sich der Wasserverbrauch pro Person und Tag auf 95 Litern. Ein tatsächlich derart niedriger Wasserverbrauch pro Person und Tag ist aber nicht schlüssig nachvollziehbar.

In einer Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Falles war daher nach Ansicht des Richters im Jahr 2011 von einer nicht in den Kanal eingeleiteten Abwassermenge (Nichteinleitungsmenge) von unter 100 m³ auszugehen.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Das Gesetz über den Betrieb und die Räumung von Kanalanlagen und über die Einhebung von Gebühren für die Benützung und Räumung von Unratsanlagen (Kanalräumungs- und

Kanalgebührengesetz - KKG), LGBl. Nr. 2/1978 in der geltenden Fassung, regelt in seinem Abschnitt II die Abwassergebühr.

Nach § 11 Abs. 1 KKG unterliegt der Gebührenpflicht die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz in einen öffentlichen Straßenkanal.

Die Abwassergebühr ist gemäß § 11 Abs. 2 KKG nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.

Die Abwassermenge wird gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 KKG derart ermittelt, dass die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10/1960, in der jeweils geltenden Fassung, ermittelte Wassermenge in den öffentlichen Kanal als abgegeben gilt.

§ 13 Abs. 1 KKG lautete in der im Streitzeitraum anzuwendenden Fassung wie folgt:

Für nach § 12 Abs. 1, 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom () festgestellt hat, handelt es sich bei der Berechnungsvorschrift des § 12 Abs. 1 KKG (arg.: "gelten" ... "gilt") dem Anschein nach um eine der Vereinfachung der Ermittlung der Gebührenhöhe dienende Fiktion. Zu ihrer Korrektur im Sinne des Gebührentatbestandes und zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses seien ihr Regeln an die Seite gestellt, die es erlaubten, auf Fälle Rücksicht zu nehmen, in denen die in die öffentlichen Kanäle abgeleiteten Abwassermengen geringer seien als die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen Wassermengen. Der Nachweis hiefür werde in diesen Regeln dem Gebührenpflichtigen auferlegt, womit sich die Fiktion in Wahrheit als widerlegbare Rechtsvermutung erweise.

Stellt das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf, so bedarf diese gemäß § 167 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liegt jedoch nach der Anordnung des Gesetzes (vgl § 13 Abs. 1 erster Satz KKG) beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen ist die Beweislast auferlegt und es schlägt auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen ist (vgl ).

Ob dieser Nachweis erbracht ist oder nicht, unterliegt gemäß § 168 Abs. 2 BAO der freien Beweiswürdigung. Danach hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, erscheinen dem Richter die von der Magistratsabteilung MA erstellten Gutachten, in welchen für das streitgegenständliche Jahr 2011 bzw die Vorjahre sowie das Jahr 2012 im Rahmen mehrerer Lokalaugenscheine eine Nichteinleitungsmenge von jeweils unter 100 Kubikmeter ermittelt wurde, durchaus realitätsnah zu sein. Diese Berechnungen konnten auch unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Wasserverbrauchs pro Person plausibel nachvollzogen werden. Demgegenüber waren die von der Bf eingebrachten Sachverständigengutachten nicht dazu geeignet ist, diese zu widerlegen. Eine Herabsetzung der Abwassergebühr konnte daher nicht erfolgen.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da die entscheidungswesentliche Feststellung der sogenannten Nichteinleitungsmenge, dh der nicht in den öffentlichen Kanal eingeleiteten Abwassermenge, eine im Wege der Beweiswürdigung zu erhebende Tatsache und keine Rechtsfrage darstellt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 11 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 11 Abs. 2 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 13 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
§ 12 Abs. 1 KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7400167.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
AAAAF-79649