Substanzabgeltung beim Zuwendungsfruchtgenuss
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung stattgegeben.
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben zur Beschwerdevorentscheidung unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom erfolgte die Veranlagung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers (kurz: BF) für 2021.
Bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfolgten nach Erhebungen des Finanzamtes Abweichungen zur Steuererklärung.
2. Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom wurde Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der Bescheid abgeändert.
Die Zahlungen in Zusammenhang mit den Fruchtgenussrechten an den Liegenschaften ***Z*** und ***Y*** wurden allerdings nicht als Werbungskosten anerkannt, weil sie nicht durch einen Vertrag begründet seien.
4. Mit Schriftsatz vom , der von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde, brachte der steuerliche Vertreter bezüglich der Vermietungsobjekte ***Z*** und ***Y*** vor, dass die tatsächliche Leistung eines Entgelts des Beschwerdeführers durch Dienstbarkeitsvereinbarungen begründet seien. Zahlungsbestätigungen seien bereits der belangten Behörde übermittelt worden. Somit seine Zahlungen iHv. 2.208,58 Euro und iHv. 6.407,79 Euro (als Werbungskosten) anzuerkennen.
5. Am legte das Finanzamt die Beschwerde vor und beantragte die teilweise Stattgabe im bereits in der Beschwerdevorentscheidung gewährten Umfang.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Der BF und seine Schwester (***C*** ***E***) erwarben mit Kaufvertrag vom die Liegenschaft ***Y*** in ***X*** zu gleichen Teilen.
Mit Dienstbarkeitsbestellungsvertrag vom räumte ***C*** ***E*** dem BF das lebenslängliche Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft ein. Lt. Vertrag der BF hat sämtliche Betriebs- und Erhaltungskosten zu tragen.
Lt. Vertrag wurde anlässlich der Anschaffung der Liegenschaft vereinbart, dass dem BF alleine die Mieteinnahmen abzüglich der Aufwendungen zukommen.
2. Die Liegenschaft ***Z*** in ***X*** wurde von ***D*** ***E***, Tochter von ***C*** ***E***, mit Kaufvertrag vom bzw. erworben.
***D*** ***E*** ist die Nichte des BF.
Mit Dienstbarkeitsvereinbarung vom räumte ***D*** ***E*** ihrem Onkel, dem BF, das Recht des lebenslänglichen und unentgeltlichen Fruchtgenusses an der Liegenschaft ***Z*** in ***X*** ein. Auf Grund dieser Servitut ist der BF berechtigt, das Vertragsobjekt für sich allein zu nutzen und sämtliche Ertragswerte für sich frei zu verwenden. Gemäß Punkt 2 des Vertrages trägt der BF sämtliche Betriebs- und Erhaltungskosten.
3. Eine schriftliche Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung des BF gegenüber den Fruchtgenussbestellerinnen existiert nicht.
4. Die steuerliche Vertretung brachte vor, dass solche Vereinbarungen mündlich geschlossen worden seien und die Zahlungen des BF betreffend 2021 in bar erfolgt seien.
Zum Nachweis der Zahlungen des BF wurden dem Finanzamt Bestätigungen der Fruchtgenussbestellerinnen, datiert jeweils mit vorgelegt. In diesen Schriftstücken bestätigen sie den Erhalt einer "Fruchtgenusszahlung" iHv. 2.208,58 Euro (***D*** ***E***) bzw. 3.203,89 Euro (***C*** ***E***).
5. Eine mündliche Vereinbarung über die Zahlung einer AfA-Miete in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fruchtgenusseinräumung wird in freier Beweiswürdigung nicht angenommen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegte Akten, insbesondere aus den mit dem Vorlageantrag übermittelten Dienstbarkeitsvereinbarungen und den Abfragen im Abgabeninformationssystem.
Die Feststellung, dass eine mündliche Vereinbarung über die Zahlung einer AfA-Miete in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fruchtgenusseinräumung nicht geschlossen wurde, sondern allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Umstände:
Mit dem Dienstbarkeitsbestellungsvertrag vom und der Dienstbarkeitsvereinbarung vom wurden Fruchtgenussrechte ausdrücklich unentgeltlich eingeräumt.
Ein Grund für eine zeitgleiche, davon abweichende mündliche Vereinbarung, wonach ein Entgelt zu leisten wäre, ist nicht erkennbar. Wenn die Vertragsparteien eine Zahlung vereinbart hätten, so hätte dies naheliegenderweise Niederschlag im schriftlichen Vertrag gefunden.
In den Abgabenerklärungen des Jahres 2020 wurde betreffend die beiden Vermietungsobjekte jeweils die (Halb-)Jahres-AfA geltend gemacht (unter Kennzahl 9500 der Beilage E1b), aber keine Werbungskosten aufgrund von Zahlungen für Substanzabgeltung.
Nachweise für Zahlungen für Substanzabgeltung im Jahr 2020 existieren nicht.
In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Zahlungen für den Fruchtgenuss auf Rat des Steuerberaters erfolgt seien.
Erst im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde neu vorgebracht, dass mündliche Vereinbarungen geschlossen worden seien und die Substanzabgeltung erst ab der nachweislichen (Bar-)Bezahlung im Jahr 2021 berücksichtigt worden seien.
Anstatt unter der Kennzahl für die AfA (9500), wie im Jahr 2020, wurde im Jahr 2021 die Substanzabgeltung in der Kennzahl für Instandhaltungskosten (9520) der Beilage E1b eingetragen.
Die nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes naheliegende Erklärung liegt darin, dass erst anlässlich der Erstellung der Abgabenerklärungen 2021, auf Anraten des Steuerberaters, Vereinbarungen über die Zahlungen für Substanzabgeltung getroffen wurden.
3. Rechtliche Beurteilung
a. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1.Zuwendungsfruchtgenuss und Nettofruchtgenuss:
Bezüglich der beiden streitgegenständlichen Liegenschaften liegt jeweils ein Zuwendungsfruchtgenuss vor.
Die steuerrechtliche Frage, wem Einkünfte aus dem Fruchtgenussrecht zuzurechnen sind, ist grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Entscheidend ist, ob das Zurechnungssubjekt über die Einkunftsquelle verfügt, also wirtschaftlich über diese disponieren und so die Art ihrer Nutzung bestimmen kann.
Im gegenständlichen Fall erfolgte die Zurechnung der Einkünfte aus den Vermietungen zu Recht an den BF, welcher die Nutzungsmöglichkeiten der Liegenschaften nach eigenen Intentionen gestalten kann und die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Fruchtgenusses trägt (Nettofruchtgenuss).
2.AfA und wirtschaftlicher Eigentümer:
Der VwGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die AfA für Wirtschaftsgüter, die mit einem Fruchtgenuss belastet sind, nicht dem Fruchtnießer, sondern dem zivilrechtlichen Eigentümer zusteht, es sei denn, dass dem Fruchtnießer die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers zukommt (). Als Begründung wird angeführt, dass die AfA dem Wertverzehr Rechnung tragen soll und dieser Wertverzehr den Eigentümer des Wirtschaftsguts trifft, nicht denjenigen (Fruchtnießer), der ein fremdes Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung verwendet.
Zur Beurteilung der Frage, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist, kommt es darauf an, wen die Chance auf eine Wertsteigerung bzw. auf das Risiko einer Wertminderung trifft ().
Im Verfahren wurde nicht vorgebracht, dass der BF bezüglich der beiden Liegenschaftsanteile, die im zivilrechtlichen Eigentum der Schwester bzw. der Nichte stehen, die Chance auf die Wertsteigerung habe bzw. das Risiko einer Wertminderung zu tragen habe. Aus den vorgelegten Akten ist auch kein dahingehender Hinweis ersichtlich.
Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot, welches ein Indiz für wirtschaftliches Eigentum sein kann, wurde bezüglich der beiden Liegenschaften nicht begründet.
Der BF ist also nicht wirtschaftlicher Eigentümer und kann die AfA der Gebäudeteile nicht geltend machen, weil ihn der Wertverzehr nicht trifft.
3.Zahlungen für Substanzabgeltung als Werbungskosten:
Strittig ist, ob der BF die behaupteten Zahlungen an die Schwester und an die Nichte als Werbungskosten geltend machen kann.
Dagegen sprechen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes folgende Gründe:
3.1.Keine schriftliche Vereinbarung:
Eine schriftliche Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung des BF gegenüber den Fruchtgenussbestellerinnen existiert nicht.
Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen können für den Bereich des Steuerrechts nur dann als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Maßgebend sind diese Kriterien vor allem dann, wenn berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen (; ).
3.2. Nachträglich vereinbarte Zahlungen (AfA-Miete) beim Fruchtgenuss:
Die Frage, ob eine Rechtsbeziehung auch unter Fremden in gleicher Weise zu Stande gekommen und abgewickelt worden wäre, ist eine Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu lösen ().
Nach ständiger Rechtsprechung muss die zwischen nahen Angehörigen getroffene Vereinbarung über die Zahlung einer AfA-Miete fremdüblich sein. Fremdüblich wird sie nur sein, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fruchtgenusseinräumung getroffen wird. Hat jemand nämlich bereits die Rechtsstellung als Fruchtgenussberechtigter inne, gibt es für ihn keinen (fremdüblichen) Grund, sich nachträglich freiwillig zu einer Zahlung zu verpflichten (vgl ; ; - Revision zurückgewiesen; zum Zuwendungsfruchtgenuss; zum Vorbehaltsfruchtgenuss).
Eine (allenfalls mündliche) Vereinbarung über die Zahlung einer AfA-Miete in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fruchtgenusseinräumung wird in freier Beweiswürdigung nicht angenommen.
Da nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts steuerlich keine gültige Vereinbarung vorliegt, sind die geltend gemachten Werbungskosten nicht anzuerkennen und die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.
3.3. Substanzabgeltung als AfA-Surrogat
Selbst wenn eine gültige Vereinbarung über die Verpflichtung zu Zahlungen für Substanzabgeltung vorliegen würde, wären die Zahlungen nach der Judikatur des Bundesfinanzgerichts nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Derartige Zahlungen stellen wirtschaftlich betrachtet AfA-Surrogate und nicht etwa (fremdübliche) Mietentgelte dar. Sie werden häufig im Familienkreis geleistet, um den Verlust der AfA zu kompensieren und nicht um eine Gegenleistung (den Fruchtgenuss) zu erhalten ().
Die Ausführungen in den Einkommensteuerrichtlinien Rz. 113a, wonach die Zahlung des Fruchtnießers für Substanzabgeltung beim Vorbehaltsfruchtgenuss die fehlende AfA-Berechtigung kompensieren soll, sind aus dem Gesetz so nicht ableitbar (Jakom/Ehgartner, EStG, 2024, § 2, Rz 48).
Der VwGH hat sich bisher nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Substanzabgeltung (beim Zuwendungsfruchtgenuss) zu Werbungskosten führen würde.
Gegen eine Anerkennung spricht etwa, dass die Substanzabgeltung als steuerlich unbeachtliche Rentenzahlung zu qualifizieren wäre:
Wird ein Fruchtgenussrecht eingeräumt und vereinbart, der Fruchtnießer müsse eine "AfA-Miete" als laufende Substanzabgeltung an den Eigentümer des Objekts zahlen (und keine weitere Gegenleistung), so entspricht dies einer Einräumung des Fruchtgenusses gegen eine laufende Rente in Höhe der kontinuierlichen Substanzabgeltung. Da der Wert der Rente lediglich einen geringen Bruchteil des Wertes des Fruchtgenussrechts ausmacht, wird eine iSd § 20 Abs 1 Z 4 EStG 1988 unbeachtliche Rentenzahlung vorliegen, die steuerlich nicht abziehbar ist (vgl Kirchmayr/Geringer in Doralt et al, EStG § 7 Tz 13).
b. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall waren Sachverhaltsfragen entscheidungswesentlich (Fremdüblichkeit und Zeitpunkt der Vereinbarung von Substanzabgeltungen), welche einer ordentlichen Revision nicht zugänglich sind.
Soweit Rechtsfragen zu klären waren, folgt das Erkenntnis der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100513.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
PAAAF-79015