Wiederaufnahme auf Antrag - keine neuhervorgekommenen Tatsachen aus Sicht des Antragstellers
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sera Trust GmbH, Gablenzgasse 11/4. Stock, 1150 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme von Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Streit besteht im vorliegenden Fall darüber, ob in Bezug auf die beantragte Wiederaufnahme neu hervorgekommene Tatsachen vorliegen.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Wiederaufnahme betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2020. Begründend wurde ausgeführt, dass näher bezeichnete Rechnungen bei der Einreichung der Jahresabschlüsse gefehlt hätten. Es sei der Bf. klar, dass sie "das gleich richtig hätte einreichen müssen".
Mit Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2020 ab. In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen soll, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich gewesen sei. Es sei weder glaubhaft noch nachvollziehbar, dass der Bf. Ausgaben (Provisionen Dritter) im Veranlagungsverfahren unbekannt gewesen seien bzw. erst danach "neu hervorgekommen" seien. Da die Unrichtigkeit des Bescheides offensichtlich in der Versäumnis der Bf. liege, die Ausgaben in die entsprechenden Erklärungen aufzunehmen, sei der Tatbestand der Wiederaufnahme nicht erfüllt.
Dagegen brachte die Bf. mit Eingabe vom Beschwerde ein. Darin führte die Bf. wiederum aus, dass sie leider die angefallenen Provisionen nicht berücksichtigt habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde auf die bereits in der Vergangenheit gegenüber der Bf. ergangenen abweisenden Erledigungen betreffend Wiederaufnahme der Verfahren für die Jahre 2017 bis 2020 verwiesen.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und verwies in der Begründung erneut auf die leider nicht berücksichtigten Provisionen. Die Bf. entschuldige sich für den Fehler, aber es könne jedem Menschen einmal ein Fehler unterlaufen.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im angeschlossenen Vorlagebericht beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.
Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Verfahrensparteien auf, zu der nach dem Akteninhalt verspäteten Einbringung der Beschwerde Stellung zu nehmen und Nachweise zu übermitteln.
Mit Eingabe vom gab die belangte Behörde dazu eine Stellungnahme ab und legte Nachweise vor, woraus sich eine rechtzeitige Einbringung der Beschwerde ergibt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017 ein. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2018 ein. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2019 ein. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2020 ein. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2017 ein. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2017 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2018 ein. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2018 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2019 ein. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2019 erging am .
Die Bf. reichte am die Erklärung betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2020 ein. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2020 erging am .
Die Bf. brachte keine Beschwerden gegen die angeführten Bescheide ein.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Wiederaufnahme betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2020 mit der Begründung, dass Provisionszahlungen an zwei näher bezeichnete Firmen in den Veranlagungen der einzelnen Jahre nicht berücksichtigt wurden. Die Bf. machte diese Zahlungen in den von ihr eingereichten Erklärungen nicht geltend. Der Bf. ist klar, dass sie die Steuererklärungen unter Einbeziehung dieser Zahlungen gleich richtig einreichen hätte sollen.
Die Bf. legte zwei Rechnungen betreffend Provisionszahlungen vor. Die erste Rechnung wurde am ausgestellt und betrifft den Zeitraum 23. bis . Die zweite Rechnung wurde am ausgestellt und betrifft den Zeitraum 19. bis .
Der Umstand, dass an die beiden näher bezeichneten Firmen in den Jahren 2017 bis 2020 Provisionszahlungen geleistet wurden, war der Bf. bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Abrechnungen in den Jahren 2017 bis 2020 bekannt.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die aktenkundigen Unterlagen.
Aus den von der Bf. vorgelegten Rechnungen für das Jahr 2021 kann auch für die Streitjahre geschlossen werden, dass die beiden näher bezeichneten Firmen jeweils unmittelbar nach einem Abrechnungszeitraum die Rechnungen an die Bf. legten. Der Umstand, dass aus den Leistungsbeziehungen mit den beiden Firmen Aufwendungen entstanden, war der Bf. folglich bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung und Abrechnung in den Jahren 2017 bis 2020 bekannt. Dies wird auch durch die Angabe der Bf. bestätigt, wonach ihr klar ist, dass sie die Steuererklärungen unter Berücksichtigung der Provisionszahlungen gleich richtig einreichen hätte sollen und dass ihr - wie die Bf. im Vorlageantrag ausführte - ein Fehler unterlaufen ist.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Wiederaufnahmsantrag hat gemäß § 303 Abs. 2 BAO zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. ).
Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind. Das Neuhervorkommen von Tatsachen ist bei der beantragten Wiederaufnahme aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen (vgl. mwN). Tatsachen, die dem Antragsteller schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, eröffnen ihm daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme (vgl. ).
Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. ).
Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt war der Bf. bekannt, dass in den Streitjahren 2017 bis 2020 jeweils Provisionszahlungen an zwei näher bezeichnete Firmen geleistet wurden und diese Aufwendungen in die Steuererklärungen betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2020 aufgenommen hätten werden müssen. Die Bf. gibt selbst an, dass sie die Steuererklärungen unter Berücksichtigung dieser Aufwendungen gleich richtig einreichen hätte sollen. Diese Umstände waren der Bf. daher bereits vor Einreichung der jeweiligen Steuererklärungen für die Jahre 2017 bis 2020 und vor Erlassung der entsprechenden Veranlagungsbescheide bekannt.
Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH stellen aber Tatsachen, die dem Antragsteller schon immer bekannt waren, deren steuerliche Berücksichtigung aber unterlassen wurde, keinen Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar. Demnach war die streitgegenständliche Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich aus der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die ordentliche Revision war folglich nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7104140.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAF-79004