Ort der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer bei einem vorschriftswidrigen Einbringen eines Kraftfahrzeuges in das Zollgebiet
Entscheidungstext
Im Namen der republik
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl 920000/90253/03/2018, betreffend Eingangsabgaben und Verzugszinsen,
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Einfuhrumsatzsteuer und die Verzugszinsen mit jeweils € 0,00 festgesetzt werden.
Gegenüberstellung:
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Bisher | Neu | Gutschrift | |
Zoll (A00) | € 338,36 | € 338,36 | € 0,00 |
Einfuhrumsatzsteuer (B00) | € 744,39 | € 0,00 | € 744,39 |
Verzugszinsen (D00) | € 50,67 | € 0,00 | € 50,67 |
Summe: | € 1.133,42 | € 338,36 | € 795,06 |
II. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird - soweit sie die Festsetzung des Zolles betrifft - als gegenstandslos erklärt.
III. Zu I. und II.:
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom , Zahl ***nnn***, teilte das Zollamt dem Beschwerdeführer die buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt € 1.082,75 (Zoll: € 338,36 und Einfuhrumsatzsteuer: € 744,39) mit und setzte Verzugszinsen in Höhe von € 50,67 wegen vorschriftswidrigen Verbringens des Kraftfahrzeuges der Marke Alfa Romeo GT 1,9 JTD, amtliches Kennzeichen ***KZ***, FIN ***nnnnnn*** fest. Der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers würde sich in Deutschland befinden. Die Voraussetzungen für die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO hätten somit nicht vorgelegen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Bescheidbeschwerde und brachte begründend vor, dass er sich nur alle zwei bis drei Monate über das Wochenende in Deutschland aufhalte. Die Eigentümerin des Hauses in Deutschland sei seine Frau. Die Strecke zwischen dem Wohnort des Beschwerdeführers in der Schweiz und jenem in Deutschland betrag hin und retour 1650 km. Der gewöhnliche Wohnsitz sei daher in der Schweiz gelegen. Der Beschwerdeführer kehre auch nicht regelmäßig zu seinem Wohnort in Deutschland zurück.
Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***nnn1***, als unbegründet ab.
Begründend führt das Zollamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zwar seine beruflichen Bindungen in der Schweiz habe. Es werde auch nicht angezweifelt, dass aus diesem Grund sich dort auch soziale Anknüpfungspunkte ergeben. Die stärksten persönlichen Bindungen würden jedoch in Richtung seiner Ehefrau und deren gemeinsamen Haushalt in Deutschland gehen, wo er seit 1991 mit seiner Ehefrau eine Wohnung innehabe und seit 1992 auch verheiratet sei. Zu dieser Wohnung habe er uneingeschränkten Zugang und die Möglichkeit zum Wohnen. Er beteilige sich auch an den Kosten der gemeinsamen Haushaltführung. Bei einer aufrechten Ehe komme dem Familienwohnsitz im Falle einer gemeinsamen Haushaltsführung rechtserheblich Bedeutung zu. Auch die regelmäßige Rückkehr an den gemeinsamen Familienwohnsitz sei gegeben. Die Entferung von ca 800 km stelle kein Hinernis für eine regelmäßige Rückkehr dar.
Dagegen richtet sich der gegenständliche Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom .
Mit Eingabe vom wurde der Vorlageantrag, soweit dieser die Festsetzung des Zolles betrifft, zurückgenommen, die Beschwerde gegen die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer und der Verzugszinsen aber aufrecht erhalten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hat seit 1991 seinen Familienwohnsitz in ***W-D*** in Deutschland. Beim Wohnsitz in Deutschland handelt es sich um ein Haus mit einer Wohnfläche von 150 m2. Die Kosten werden vom Ehepaar gemeinsam getragen. Beruflich ist der Beschwerdeführer seit Jänner 2016 in der Schweiz tätig, wo er eine ca. 50 m2 große Wohnung innehat. Das gegenständliche Fahrzeug der Marke Alfa GT, amtliches Kennzeichen ***KZ*** wurde ab Jänner 2016 für Familienheimfahrten, welche alle paar Wochen vorgenommen wurden, benutzt.
Beweiswürdigung
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdefühers anlässlich der Zollkontrolle am bei der Zollstelle Höchst.
Zu Spruchpunkt I.
Rechtslage
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.
Das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer bei Einfuhr eines Gegenstandes beruht auf der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom (im Folgenden: MwSt-SystRL).
Gemäß Art. 60 der MwSt-SystRL erfolgt die Einfuhr von Gegenständen in den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Union verbracht wird.
Nach Art. 70 der MwSt-SystRL treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt.
Art. 71 Abs. 1 der MwSt-SystRL lautet:
"Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die [Union] einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung im Sinne der Artikel 156, 276 und 277, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen.
Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen."
Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchst. a der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, Abl. Nr. L3 102 vom , (Zollkodex-ZK) ZK entsteht ein Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.
Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. Nr. I Nr. 34/2010, gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist.
Rechtliche Erwägungen:
Einfuhrumsatzsteuer:
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer bei seiner (ersten) Einreise im Jänner 2016 mit dem in Rede stehenden Kraftfahrzeug in das Zollgebiet der Union die Zollanmeldung für das Kraftfahrzeug durch Passieren der Zollstelle (andere Form der Willensäußerung) abgegeben, ohne die Voraussetzungen hierfür zu erfüllen. Es gilt dadurch als vorschriftswidrig verbracht.
Hinsichtlich der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer ist bei der gegebenen Sachlage die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Dieser hat mit seinem Urteil im Vorabentscheidungsverfahren vom , C-7/20 "VS" ausgeführt, dass die Einfuhr von Gegenständen gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchstabe d der Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer unterliegt und gemäß Art. 30 Abs. 1 als Einfuhr eines Gegenstands die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr befindet, in die Union gilt. Neben einer Zollschuld könne daher auch eine Mehrwertsteuerpflicht bestehen, wenn aufgrund eines Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnten.
Eine solche Vermutung könne aber widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens, das zur Entstehung einer Einfuhrzollschuld in dem Mitgliedstaat führte, in dem dieses Fehlverhalten begangen wurde, ein Gegenstand im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, in dem dieser Gegenstand zum Verbrauch bestimmt war, in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist. In diesem Fall trete der Tatbestand der Einfuhrmehrwertsteuer in diesem anderen Mitgliedstaat ein.
Im Beschwerdefall ist das Fahrzeug zwar in Österreich in das Zollgebiet der Union gelangt, sodass hier gegen eine zollrechtliche Verpflichtung verstoßen wurde. Zufolge der Feststellungen der belangten Behörde lag der gewöhnliche Wohnsitz im maßgeblichen Zeitpunkt in Deutschland. Bei diesem Ergebnis ist aber nachgewiesen, dass das Fahrzeug an diesem Wohnsitz bzw. von diesem Wohnsitz aus benutzt worden ist und die Umsatzsteuerpflicht daher in Deutschland entstanden ist.
Die Einfuhrumsatzsteuer war daher mit € 0,00 festzusetzen.
Verzugszinsen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2017/16/0098, ausgesprochen, dass die Aufhebung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG durch das Abgabenänderungsgesetz 2015 mit (§ 120 Abs. 1 ZollR-DG) nur für jene Sachverhalte gelten soll, die ab diesem Zeitpunkt verwirklicht würden, jedoch § 108 Abs. 1 ZollR-DG für vor dem verwirklichte Sachverhalte seine Maßgeblichkeit behalten soll. Damit werde die Annahme eines unter dem Blickwinkel der Abgabenerhöhung sanktionslosen Zeitraumes bis zur vollen Wirksamkeit der entsprechenden Bestimmung des Art. 114 Abs. 2 UZK vermieden.
Da der Sachverhalt vor dem verwirklicht worden ist - die Zollschuld ist mit der erstmaligen Einbringung in das Zollgebiet der Union bereits im Jänner 2016 entstanden - war auf die sich daraus ergebende buchmäßige Erfassung der Zollschuld Art. 114 Abs. 2 UZK noch nicht anzuwenden. Die Verzugszinsen waren daher ebenfalls mit Null festzusetzten.
Zu Spruchpunkt II.
Gemäß § 256 Abs. 3 BAO ist eine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn sie zurückgenommen wird. Gemäß § 264 Abs. 3 dritter Satz BAO gilt bei Zurücknahme eines Vorlageantrages die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt. Gemäß § 264 Abs. 4 lit. d BAO ist § 256 BAO (Zurücknahme) für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Da die beschwerdeführende Partei mit Anbringen vom den Vorlageantrag,soweit davon die Festsetzung des Zolles betroffen ist, zurückgezogen hat, war dieser diesbezüglich gemäß § 264 Abs. 4 lit. d BAO iVm § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos zu erklären. Die Beschwerde betreffend den Zoll giltdurch die Beschwerdevorentscheidung vom als erledigt.
Zu I. und II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im Beschwerdefall zu beantwortenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union bereits gelöst. Die Gegenstandsloserklärung im Falle einer Zurücknahme des Vorlageantrages ergibt sich aus dem insofern klaren Wortlaut des Gesetzes. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 26 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.1200026.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
AAAAF-78998