1. Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in einem Drittstaat (Vereinigtes Königreich, "UK") aufhalten 2. Der § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine rein objektive Rückzahlungsverpflichtung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Name des Richters*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden
- vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfen und Kindesabsetzbeträgen für ihren Sohn ***Name Sohn*** für den Zeitraum 08.2023 bis 04.2024 und
- vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Familienbeihilfen und Kindesabsetzbeträgen für ihren Sohn ***Name Sohn*** für den Zeitraum ab Mai 2024,
Steuernummer ***BF1StNr1***, Sozialversicherungsnummer ***ZZZZ-TTMMJJ***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
***Bf1*** (SV-Nr.: ***ZZZZ-TTMMJJ***; in der Folge auch als Beschwerdeführerin "Bf." oder "Kindesmutter" bezeichnet) ist Kindesmutter von ***Name Sohn*** (SV-Nr.: ***XXXX-TTMMJJ***; in der Folge auch als "Sohn" oder "jüngstes Kind" bezeichnet) und von ***Name Tochter*** (SV-Nr.: ***YYYY-TTMMJJ***; in der Folge auch als "Tochter" oder "älteres Kind" bezeichnet). Die Kindesmutter hat für ihren Sohn die Familienbeihilfen bis inklusive April 2024 und für ihre Tochter bis August 2022 bezogen.
Mit Anspruchsüberprüfungsschreiben vom forderte das Finanzamt die Kindesmutter auf, die in diesem Überprüfungsschreiben enthaltenen Daten zu aktualisieren und Nachweise betreffend die Tätigkeiten der Tochter vorzulegen. Das adaptierte Schreiben langte am im Finanzamt ein. Die Bf. gab in diesem Schreiben (erstmalig) bekannt, dass ihr Sohn eine Schule im Vereinigten Königreich (UK) besuche. Beigelegt war dieser Antwort ein Schreiben der "***Name Schule***" vom , wonach der Sohn der Bf. diese Schule im UK seit besuche.
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Kindesmutter die Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge für deren Sohn für den Zeitraum August 2023 bis April 2024 zurück und begründete diesen Rückforderungsbescheid damit, dass sich der Sohn der Bf. seit August 2022 ständig im UK aufhalte.
Am brachte die Bf. gegen diesen Rückforderungsbescheid vom eine Beschwerde ein, brachte im Wesentlichen Begründungsmängel und einen Verstoß gegen die DSGVO vor und urgierte ultimativ die Erledigung ihres Antrages vom auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ab Mai 2024 bis zum .
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für das jüngste Kind der Bf. für den Zeitraum ab Mai 2024 ab. Ebenfalls am erließ das Finanzamt einen Rückforderungsbescheid und forderte von der Bf. die Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge für deren Sohn für den Zeitraum August 2022 bis Juli 2023 zurück.
Gegen den Abweisungsbescheid und den Rückforderungsbescheid vom brachte die Bf. am eine umfangreich begründete Beschwerde ein.
Mit zwei Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerden gegen den Rückforderungsbescheid vom und den Abweisungsbescheid vom ab. Nach dem Spruch der BVE vom , mit der über die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom abgesprochen worden ist, ist mit dieser BVE nicht über den Rückforderungsbescheid vom abgesprochen worden (Fettdruck an dieser Stelle sowie Fettdrucke in der Folge erfolgten durch das Bundesfinanzgericht [BFG]).
In Ansehung dieser BVEs vom brachte die Bf. am einen Vorlageantrag ein. Bekämpft waren durch die Einbringung des Vorlageantrages sohin "nur" der Rückforderungsbescheid vom und der Abweisungsbescheid vom , nicht aber der Rückforderungsbescheid vom , da in den BVEs vom über die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom nicht abgesprochen worden war.
Mit Vorlegebericht vom (Freitag, dem) legte die belangte Behörde die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und vertrat im Vorlagebericht die Rechtsansicht, dass mit der BVE vom , mit der über die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom abgesprochen worden ist, auch über die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom abgesprochen worden wäre, weil die Begründung dieser BVE beide Bescheide umfasse, obgleich im Spruch dieser BVE nur der Abweisungsbescheid vom angeführt worden war.
Am (Dienstag, dem) nahm der zuständige Richter mit der belangten Behörde telefonisch Kontakt auf und setzte die Behörde im Sinne des § 281a BAO formlos davon in Kenntnis, dass nach der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts in Ansehung des Rückforderungsbescheides vom - entgegen der seitens der belangten Behörde im Vorlagebericht geäußerten Rechtsansicht - noch eine BVE zu erlassen wäre.
In der Folge erließ die belangte Behörde am eine BVE betreffend den Rückforderungsbescheid vom und legte nach Einlangen eines Vorlageantrages die Beschwerde gegen diesen Rückforderungsbescheid vom am gesondert dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Verfahrensgegenstand dieses Erkenntnisses ist daher "nur" der Rückforderungsbescheid vom und der Abweisungsbescheid vom .
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
***Bf1*** ist (u.a.) Kindesmutter von ***Name Sohn*** (geboren 04/2006) und ***Name Tochter*** (geboren 08/2004). Die Kindesmutter hat die Familienbeihilfen für ihren Sohn bis inklusive April 2024 und für ihre Tochter bis August 2022 bezogen.
Beginnend mit August 2022 hat der Sohn der Bf. eine Schule im UK besucht und wird dort auch seine Matura ("A-Levels") ablegen, die das jüngste Kind der Bf. dazu berechtigen wird, an internationalen Universitäten und (nach gegebenenfalls entsprechenden bescheidmäßig festgesetzten Ergänzungsprüfungen) auch an österreichischen Universitäten zu studieren. Der Sohn der Bf. war in der beschwerdegegenständlichen Zeit im UK in einem Internat untergebracht und verbrachte lediglich in den Ferien und während freier Tage entsprechende Zeiten (Zitat der Bf.:) "soweit möglich und sinnvoll in ***Name Stadt***". Für die Musterung während der Osterferien musste sich der Sohn der Bf. von der Schule im UK frei nehmen und nach Österreich kommen.
Die Kindesmutter hat verschiedenste Stellen (Wirtschaftsministerium, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesministerium für Landesverteidigung) vom Schulbesuch des Kindes ab 08/2022 im UK verständigt, eine Verständigung des Finanzamtes gemäß § 25 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) erfolgte durch die Bf. nicht.
Ob des Kindesvaters, ***Name Kindesvater***, scheinen in Österreich bezogene Einkünfte letztmalig im Jahr 2017 auf. Der Kindesvater hat mit seinen Wohnsitz in Österreich abgemeldet und ist in der Steuerdatenbank der Finanzverwaltung seit dem eine Adresse in ***Ort im UK*** als Zustelladresse gespeichert. Das Bundesfinanzgericht geht auf Grund der in den letzten Jahren fehlenden Erwerbstätigkeiten des Kindesvaters in Österreich und auf Grund dessen, dass sich der Kindesvater von Österreich abgemeldet und nur kurze Zeit später eine neue Zustelladresse im UK angegeben hat, davon aus, dass der Kindesvater seinen Wohnsitz schon wesentlich früher im UK begründet und seinen Wohnsitz in Österreich erst zeitlich verzögert abgemeldet hat.
Auf Grund des bevorstehenden Abschlusses der Schule durch den Sohn der Bf. im UK und wegen des Umstandes, dass der Kindesvater als Zustelladresse eine nämliche in ***Ort im UK*** im UK angegeben hat, ist das BFG davon überzeugt, dass der Sohn der Bf. auch weiterhin im UK aufhältig sein und dort studieren wird. Im Schuljahr 2024/2025 wird der Sohn der Bf. im UK zu seinen A-Levels antreten. Der Auslandsaufenthalt des jüngsten Kindes der Bf. dauert daher von August 2022 zumindest bis zum Sommer 2025 und - bei Beginn eines Studiums an einer ausländischen Universität - auch über den Sommer 2025 hinaus.
Die Kindesmutter war bis beim ***Name Dienstgeber*** beschäftigt. Aufrechte Beschäftigungen in Österreich ab diesem Zeitpunkt bestehen zur FH ***Name Stadt 2*** und zu einer FH in ***Name Stadt*** mit verhältnismäßig geringfügigen Einkünften. Mit den durch die Bf. (nach der Aufgabe ihrer Tätigkeit beim ***Name Dienstgeber***) und den Kindesvater in Österreich erklärten Einkünften ist ein Schulbesuch des Sohnes im UK einerseits und die Aufrechterhaltung der Wohnsitze in Österreich und im UK andererseits nicht nachvollziehbar.
2. Beweiswürdigung
Die personenbezogenen Daten der Mutter und der Kinder, das Verwandtschaftsverhältnis und der Beihilfenbezug der Kindermutter für ihre Kinder ergeben sich aus dem, dem BFG vorgelegten Beihilfenakt und dem Vorbringen der Bf. in dem von der Bf. beantworteten Anspruchsüberprüfungsschreiben, den Beschwerden und dem Vorlageantrag und sind diese Sachverhaltselemente unstrittig.
Der Schulbesuch des Sohnes ab 08/2022 im UK und die Unterbringung des jüngsten Kindes der Bf. im UK in einem Internat ergeben sich aus dem, dem BFG vorgelegten Beihilfenakt, insbesondere dem Scheiben der Schule im UK und dem Vorbringen der Bf. in dem von der Bf. beantworteten Anspruchsüberprüfungsschreiben sowie aus der Beschwerde vom und sind diese Sachverhaltselemente ebenfalls unstrittig.
Dass sich das Kind für die Musterung während der Osterferien von der Schule im UK hat freinehmen müssen und dass das Kind im Schuljahr 2024/2025 im UK zu den A-Levels antreten wird, ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen der Bf. und ist unstrittig.
Dass die Kindesmutter verschiedenste Stellen (Wirtschaftsministerium, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesministerium für Landesverteidigung) vom Schulbesuch des Kindes ab 08/2022 im UK verständigt hat, ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen der Bf. und ist unstrittig. Dass die Bf. das Finanzamt gemäß § 25 FLAG 1967 nicht vom Schulwechsel des Sohnes an eine Schule im UK verständigt hat, ergibt sich aus der Familienbeihilfendatenbank "FABIAN" der Finanzverwaltung.
Dass hinsichtlich des Kindesvaters zuletzt im Jahr 2017 in Österreich bezogene Einkünfte aufscheinen, ergibt sich aus der Steuerdatenbank der Finanzverwaltung und ist unstrittig. Dass der Kindesvater nach dem Zentralen Melderegister (ZMR) in einen Drittstaat (UK) verzogen ist und in der Steuerdatenbank als Zustelladresse "***exakte Adresse in UK***" aufscheint, ergibt sich aus dem ZMR sowie aus der Datenbank "Grunddatenverwaltung" der Finanzverwaltung.
Dass der Sohn der Bf. im Schuljahr 2024/2025 im UK zu seinen A-Levels antreten wird und dessen Auslandsaufenthalt im UK daher zumindest von August 2022 bis zum Sommer 2025 dauert beziehungsweise dauern wird, ergibt sich aus dem Beihilfenakt und dem Vorbringen der Bf. und ist unstrittig.
Davon, dass das Kind schon vor Beginn der Schulausbildung im UK in diesem Land aufhältig gewesen ist und der Aufenthalt im UK daher nicht erst am , sondern spätestens mit Anfang August 2022 begonnen hat und davon, dass das jüngste Kind der Bf. auf Grund des Abschlusses der Schule im UK und dem Umstand, dass auch der Kindesvater als Zustelladresse eine solche in ***Ort im UK*** im UK angegeben hat und auch dorthin verzogen ist, auch weiterhin im UK aufhältig sein und dort studieren wird, ist das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung ausgegangen.
Dass die Kindesmutter ihre Beschäftigung beim ***Name Dienstgeber*** beendet hat und dass von dieser seither nur mehr verhältnismäßig geringfügige Einkünfte von zwei Fachhochschulen bezogen werden, ergibt sich aus der Steuerdatenbank des Bundes und einem durch das BFG angefertigten Sozialversicherungsauszug und ist unstrittig.
Dass mit den in Österreich (nicht) erklärten Einkünften des Kindesvaters und den in Österreich erklärten Einkünften der Bf. nach Beendigung ihrer Beschäftigung beim ***Name Dienstgeber*** die Bestreitung der Lebenserhaltungskosten der Familie (Wohnungen in Österreich und im UK, Studium der Tochter in Österreich, Schule und Internat des Sohnes im UK, …) allein mit den in Österreich bezogenen Einkünften nicht nachvollziehbar ist, ergibt sich aus den erklärten und aus der Steuerdatenbank der Finanzverwaltung ersichtlichen Einkünften der Eltern in Österreich sowie aus einer seitens des Bundesfinanzgerichtes durchgeführten Sozialversicherungsabfrage betreffend die Bf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
A. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,
Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa ; , 2007/15/0055; , 2002/14/0103). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit ().
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ).
Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt jedenfalls vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 337, und ; , 91/13/0175). Der gewöhnliche Aufenthalt erfordert nicht, dass der Aufenthalt freiwillig genommen wird (vgl. Ritz, BAO6, § 26 Rz 14).
Erstreckt sich ein Aufenthalt über einen "längeren Zeitraum", so liegt nach der Rechtsprechung des VwGH "jedenfalls" ein "nicht nur vorübergehendes Verweilen" vor (vgl. in diesem Sinn etwa ). Ein Aufenthalt ist demnach nicht schon dann "vorübergehend" im Sinne dieser Rechtsprechung, wenn er zeitlich begrenzt ist ().
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B 2366/00, zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift, die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine Familienbeihilfe gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Gesetzgeber wird der verfassungsrechtlichen Pflicht zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten auch dann gerecht, wenn er hiefür nicht den Weg der Gewährung von Transferzahlungen wählt, sondern die Berücksichtigung im Wege des Steuerrechts ermöglicht. Die geltende Rechtslage schließe es nicht von vornherein aus, Unterhaltsleistungen an sich ständig im Ausland aufhaltende Kinder nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Der VwGH hat sich in der Folge im Erkenntnis vom , 2002/14/0050, ebenfalls für die einkommensteuerliche Berücksichtigung derartiger Unterhaltszahlungen (im Wege der außergewöhnlichen Belastung) ausgesprochen.
Das (teilweise) Verbringen der Ferien in Österreich ist jeweils als vorübergehende Abwesenheit (aus dem UK) zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt der Kinder im Ausland (UK) nicht unterbrochen wurde (; , 98/15/0016; , 82/14/0047; , 2002/13/0079; , 2001/13/0160).
Ein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, besteht nur insoweit, als EU-/EWR-Recht einen solchen Anspruch vorsieht.
Ein einjähriger Schulbesuch im Ausland führt zu einem ständigen Auslandsaufenthalt, der auch durch das etwaige Verbringen der Schulferien in Österreich im Haushalt der Eltern nicht unterbrochen wird (vgl. auch Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem Drittland, UFS-Journal 2011, 371). Als Dauer des High-School-Besuchs des Kindes in den USA erklärte der Bf. selbst das gesamte Schuljahr 2014/2015. Durch diese Ausbildung in den USA hatte das Kind im hier maßgeblichen Zeitraum "ab September 2014" bis zur Rückkehr nach Österreich im Juni 2015 seinen ständigen Aufenthalt in einem Drittstaat, wodurch der im § 5 Abs 3 FLAG 1967 normierte Ausschlussgrund für eine Beihilfengewährung für diesen Zeitraum vorliegt ( sowie ähnlicher Sachverhalt ).
Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, beim Finanzamt Österreich zu erfolgen.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat die Person, die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Das Beweisverfahren wird vor allem u.a. beherrscht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO).
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO-Kommentar, Tz. 2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167 mwN).
Die maßgeblichen Bestimmungen des seitens der Bf. ins Treffen geführten Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern lauten:
Artikel 1
Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
Artikel 4
Jedes Kind hat das Recht auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.
Artikel 7
Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der von der Bf. ins Treffen geführte Art. 68 Abs. 1 der VO EG Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit lautet:
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
B. Ständiger Aufenthalt des Sohnes im Drittland
Der Sohn der Bf. besucht seit August 2022 eine Schule im Vereinigten Königreich und wird der Sohn an dieser Schule am Ende des Schuljahres 2024/2025 auch zu seinen A-Levels antreten. Bei dem Vereinigten Königreich handelt es sich seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am ("BREXIT") um einen Drittstaat. Der Schulbesuch des Sohnes der Bf. wird sohin in einem Drittstaat absolviert und dauert daher mindestens von August 2022 bis zum Mai/Juni 2025.
Unter Zugrundelegung der Ausführungen unter dem Punkt "A. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur" führt sogar ein nur einjähriger Schulbesuch im Ausland zu einem ständigen Auslandsaufenthalt des Kindes, der auch durch das etwaige Verbringen der Schulferien in Österreich im Haushalt der Eltern nicht unterbrochen wird. Durch die Ausbildung im UK hatte und hat das Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum seinen ständigen Aufenthalt in einem Drittstaat, weswegen unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ein Beihilfenanspruch für dieses Kind während dieses Zeitraumes nicht vorlag beziehungsweise vorliegt.
C. Zum Vorbringen der Bf. im Einzelnen
In der Folge wird auf die einzelnen Vorbringen der Bf. jeweils gesondert eingegangen:
a) VO EG Nr. 883/2004
Die Bf. führt in ihrer Beschwerde die VO EG Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ins Treffen und bringt vor, dass dieser Verordnung im beschwerdegegenständlichen Fall ein Anwendungsvorrang zukäme.
Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichts wiederum festzuhalten, dass es sich bei dem Vereinigten Königreich seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am ("Brexit") um einen Drittstaat handelt.
Die VO EG Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist auf Sachverhalte zwischen einem EU-Land (im vorliegenden Fall Österreich) und einem Drittstaat (im vorliegenden Fall dem Vereinigten Königreich) nicht anwendbar.
Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 wird daher nicht durch diese EU-Verordnung verdrängt und ist auf den beschwerdegegenständlichen Fall anzuwenden.
b) Meldegesetz
Die Bf. bringt vor, dass (allein) durch die Meldung des Sohnes mit Hauptwohnsitz in Österreich ein Lebensmittelpunkt des Sohnes der Bf. in Österreich begründet würde.
Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass - wie unter dem Punkt "A. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur" dargestellt - der tatsächliche Aufenthalt des Kindes maßgeblich ist. Eine polizeiliche Meldung hat mit dem tatsächlichen Aufenthalt des Sohnes der Bf. nichts zu tun und hat eine polizeiliche Meldung für einen tatsächlichen Aufenthalt des Sohnes bestenfalls eine Indizwirkung.
Im gegenständlichen Beschwerdefall hat allerdings die Bf. selbst eingestanden, dass ihr Sohn seit August 2022 in einem Drittstaat eine Schule besucht und in einem Internat untergebracht ist und dass dieser nur während der Ferien und freier Tage "soweit möglich und sinnvoll in ***Name Stadt***" aufhältig ist. Selbst während der Osterferien wäre der Sohn der Bf. nicht in Österreich gewesen, was daraus ersichtlich ist, dass sich dieser für die Musterung während der Osterferien von der Schule extra hat freinehmen müssen.
Der Einwand der Bf., dass eine polizeiliche Meldung mit Hauptwohnsitz in Österreich einem ständigen Aufenthalt des Kindes im UK entgegenstünde, ist daher nicht zutreffend.
c) Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern
Zu dem seitens der Bf. ins Treffen geführten Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des FLAG 1967 der Kindesmutter nicht verbieten, ihr Kind in einem Internat in einem Drittstaat unterzubringen und in einem Drittstaat eine Schule besuchen zu lassen. Die Bestimmungen des FLAG 1967 stehen auch nicht einer "angemessenen Beteiligung" oder einer Berücksichtigung der Meinung des Kindes entgegen. Der § 5 Abs. 3 FLAG 1967 normiert lediglich, dass für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, ein Familienbeihilfenanspruch nicht zusteht.
Wie oben unter dem Punkt "A. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur" dargelegt, hat der Verfassungsgerichtshof () zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift, die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine Familienbeihilfe gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, weil durch den Gesetzgeber eine Berücksichtigung dieser Unterhaltsleistungen auch auf eine andere Weise, als durch Transferleistungen möglich ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes folgend ebenfalls für die einkommensteuerliche Berücksichtigung derartiger Unterhaltszahlungen (im Wege der außergewöhnlichen Belastung) ausgesprochen ().
Letztendlich normiert Art. 7 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, dass eine Beschränkung der in diesem Bundesverfassungsgesetz normierten Rechte nur zulässig ist, soweit diese Beschränkung gesetzlich vorgesehen ist "und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist." Die in dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern angeführten Rechte und Ansprüche können daher durch einfache Gesetze beschränkt werden und stehen sohin unter einem Gesetzesvorbehalt.
Auch an dieser Stelle ist zu dem Vorbringen der Bf. festzuhalten, dass die Bestimmungen des FLAG 1967 den in dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern normierten Rechten und Ansprüchen von Kindern nicht entgegenstehen, weil das FLAG 1967 lediglich den Bezug einer Transferleistung (Familienbeihilfe) an bestimmte Voraussetzungen knüpft und mit dieser Vorgangweise keine Beschränkung von Rechten und Ansprüchen von Kindern zu ersehen ist.
Auch hat der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 nicht judiziert und hegt auch das Bundesfinanzgericht keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967.
Das seitens der Bf. ins Treffen geführte Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern steht der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG daher nicht entgegen und konnte auch der Verweis auf dieses Gesetz dem Vorbringen der Bf. dahingehend, dass dieser für ihr jüngstes Kind, das sich ständig in einem Drittstaat aufhält, ein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe zustände, nicht zum Durchbruch verhelfen.
d) Diskriminierung des Sohnes der Bf.
Zu dem Vorbringen der Bf., dass ihr selbst und auch anderen Eltern die Informationen vorenthalten worden wären, dass eine Ausbildung von Kindern im UK eine Beendigung der Familienbeihilfe nach sich ziehen könne, ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar ist, hat die Bf. doch entgegen ihrer in § 25 FLAG 1967 normierten Verpflichtung das Finanzamt von der Aufnahme einer Schulbildung und dem Beginn einer Internatsunterbringung des Sohnes im UK gerade nicht verständigt. Auch hat die Bf. bei dem Finanzamt oder beim Familienministerium als den für den Vollzug des FLAG 1967 zuständigen Behörden keine entsprechende Anfrage eingebracht. Ob und gegebenenfalls wann die Bf. welche Fragestellungen an welche Behörden herangetragen hat und welche Auskünfte die Bf. im Falle einer Anfrage erhalten hat, ist von der Bf. nicht spezifiziert worden. Falls die Bf. tatsächlich entsprechende Anfragen an eine nicht zuständigen Behörde gerichtet haben sollte, müsste sich die Bf. den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre Anfrage an eine nicht zuständige Behörde gerichtet hätte.
Darüber hinaus ist über den BREXIT in den Medien ausführlichst berichtet und auch darüber informiert worden, dass das Vereinigte Königreich künftig als Drittstaat gilt. Damit sind aber die einschlägigen EU-Vorschriften (wie die von der Bf. ins Treffen geführte VO EG Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) auf Sachverhalte zwischen einem EU-Land und dem Vereinigten Königreich nicht (mehr) anwendbar.
Letztendlich wurde die Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt der Republik Österreich kundgemacht und ist diese Norm ab dem Zeitpunkt der Kundmachung in Kraft getreten - die mit der heutigen Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 wortgleiche Vorgängerbestimmung des § 5 Abs. 4 FLAG 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 trat an dem der Kundmachung () folgenden Tag () in Kraft. Ab dem Datum der Kundmachung ist es einem Bürger zumutbar, sich über diese Bestimmung zu informieren und deren Regelungsinhalt zu kennen und ihn zu befolgen. Eine Unkenntnis ordnungsgemäß kundgemachter Bestimmungen ist dem unkundigen Rechtsunterworfenen anzulasten.
Auch das Vorbringen einer vermeintlichen Diskriminierung vermochte dem Beschwerdevorbringen der Bf. sohin nicht zum Durchbruch zu verhelfen.
e) Zurückzahlung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142). Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 FLAG 1967 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl. etwa ; , 97/13/0185; , 2000/15/0035; , 2001/13/0048; , 2005/15/0080; , 2006/13/0174; , 2012/16/0047). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa ).
Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung (vgl. ; , 2009/15/0089; , 2007/15/0162; , 2008/15/0323; , 2006/15/0113; , 2005/15/0080; , 96/15/0001; , 90/13/0241; , 85/14/0130; , 86/13/0158; , 904/62); ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat (vgl. ; , RV/7100264/2016; ). Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. z.B. ).
Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen war die Familienbeihilfe von der Bf. rückzufordern, weil es nicht maßgeblich ist, wie die Bf. die Beträge verwendet hat. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung unberechtigt bezogener Familienbeihilfen besteht auch dann, wenn dem Finanzamt alle Unterlagen übermittelt worden wären und das Finanzamt dennoch (vorerst) die Familienbeihilfen weiterbezahlt hätte.
Auf Grund des objektiv rechtswidrigen Bezuges der beschwerdegegenständlichen Familienbeihilfen durch die Bf. waren die Beträge durch das Finanzamt zurückzufordern. Das Finanzamt hat daher den beschwerdegegenständlichen Rückforderungsbescheid zu ,Recht erlassen und die Beschwerde gegen diesen Rückforderungsbescheid zu Recht abgewiesen.
f) Durch die Bf. vorgebrachte "interne Weisung"
Zu der Seitens der Bf. vorgebrachten "internen Weisung" dahingehend, dass insbesondere für Kinder, die in Drittstaaten eine Ausbildung absolvieren, keine Rückforderungen schlagend würden, ist seitens des Bundesfinanzgerichts festzuhalten, dass dem zuständigen Richter eine solche Weisung einerseits nicht bekannt ist und andererseits eine solche Weisung gesetzwidrig wäre.
Lediglich während der Corona-Lockdowns wurde die Erlassung von Bescheiden, aus denen sich eine Belastung für den Steuerpflichtigen errechnet oder eine Rückforderung von Beträgen von einer Verfahrenspartei ergeben hätte, vorübergehend nicht erlassen, das heißt, eine solche Bescheiderlassung aufgeschoben. Nach Beendigung der Corona-Krise wurde die Erlassung der entsprechenden Bescheide mit Nach- oder/und Rückforderungen nachgeholt.
Zu dem Vorbringen der Bf. im Zusammenhang mit der vorgebrachten "internen Weisung" ist abschließend festzuhalten, dass für das Bundesfinanzgericht interne Weisungen des Finanzressorts keine beachtlichen/maßgeblichen Rechtsquellen darstellen, weil diese nicht im Bundesgesetzblatt der Republik Österreich veröffentlicht werden.
D. Zusammenfassung
Da der Sohn der Bf. während des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes im Sinne der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG ständig im Ausland aufhältig war und ist, stand und steht der Bf. für ihren Sohn kein Anspruch auf Familienbeihilfe zu, weswegen die Beschwerden der Bf. gegen den Rückforderungsbescheid vom und gegen den Abweisungsbescheid vom als unbegründet abzuweisen waren.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu der Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 betreffend den ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland einerseits und zu der Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 betreffend die objektive Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfen andererseits besteht jeweils eine umfangreiche, in diesem Erkenntnis dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und ist das Bundesfinanzgericht von dieser Judikatur des Höchstgerichtes nicht abgewichen.
Da das Bundesfinanzgericht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die durch dieses Erkenntnis zu entscheiden gewesen wäre, nicht vor.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100048.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
MAAAF-78994