OGH 09.03.1979, 9Os113/78
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto A wegen des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. c PornG über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom , GZ 1 b Vr 136/78-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ringer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Schankgehilfe Otto A des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom , BGBl. 97, über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung (sogenanntes Pornographiegesetz) schuldig erkannt.
Nach den Urteilsfeststellungen verschickte der Angeklagte im Juli 1977 die Filmkataloge 'exstase-film' und 'tabu-film' (Filmführer 77) an einen Unbekannten, der auf Grund eines vom Angeklagten aufgegebenen Zeitungsinserates brieflich um die Zusendung solcher Prospekte ersucht hatte. Eine Preisliste über Charlie Brown-Filme (Tabu-Filme) war den Prospekten angeschlossen. Der Angeklagte hatte die Liste mit dem Stempel: A Otto, Postfach 10, 1035 Wien versehen und darin die Lieferung der oben erwähnten Filme angeboten. Im Falle einer Bestellung hätte er die Filme entweder selbst besorgt und zur Auslieferung gebracht oder den Kontakt zu einem einschlägigen Händler hergestellt.
In rechtlicher Beziehung vertrat das Erstgericht die Auffassung, die inkriminierten - jedenfalls in gewinnsüchtiger Absicht überlassenen - Druckwerke seien als unzüchtig zu beurteilen, weil sie in exzessiv aufdringlicher und abstoßender Weise fotografische Abbildungen von realen Geschlechtsakten verschiedener Art enthielten. Einige Bilder, und zwar ein Bild im Filmführer 77, das zeige, wie eine Frau am Geschlechtsteil einer anderen lecke, und ein Bild im Prospekt 'ekstase-film', das zwei Frauen im engen Kontakt darstelle, wobei der Ausdruck der einen Frau deutlich den Ausdruck besonderer Erregung ausdrücken solle, seien sogar der sogenannten 'harten' Pornographie zuzuweisen. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Prospekte im Postwege an Unbekannte versendet wurden, könne überdies eine Beeinträchtigung berechtigter Schutzinteressen der Allgemeinheit in geschlechtlicher Hinsicht und die Möglichkeit der Gefährdung Jugendlicher nicht ausgeschlossen werden. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer lediglich auf Z 5, der Sache nach aber auch auf Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg hat der Oberste Gerichtshof (mit Rücksicht auf § 290 Abs. 1 StPO) die - in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht relevierte - Frage geprüft, ob trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer die inkriminierten Filmkataloge (nach den insoweit der Aktenlage entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts) unentgeltlich versandte, die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Handelns des Angeklagten in gewinnsüchtiger Absicht gegeben sind:
Diese Frage ist zu bejahen. Die für das Vergehen nach § 1 PornG in subjektiver Hinsicht (auch) erforderliche gewinnsüchtige Absicht ist nach herrschender oberstgerichtlicher Rechtsprechung dann gegeben, wenn der Täter durch die Tat für sich (oder einen Dritten) einen Gewinn - gleichgültig in welcher Höhe -, das heißt einen Vermögensvorteil, also einen materiellen Vorteil schlechthin, anstrebt oder (sich selbst oder einem Dritten) einen solchen erhalten will. Das kann unter Umständen auch durch Verwendung eines unzüchtigen Werkes als Werbemittel, z. B. in der Weise geschehen, daß jemand zur Werbung für den Bezug von Waren (hier von pornographischen Filmen) unentgeltlich unzüchtige Prospekte verteilt oder versendet. Daß der Gewinn unmittelbar aus dem Tatobjekt gezogen wird, ist ebensowenig erforderlich (vgl. EvBl. 1975/ 141, 1974/231 u.a.) wie ein Handeln des Täters um des eigenen Vorteils willen (vgl. SSt. 26/39 u.a.). Vorliegend erfolgte die Abgabe der Prospekte zwar unentgeltlich, das aber nur zum Zwecke der Anbahnung eines Geschäfts (Verkauf angebotener Filme), aus dem ein Vermögensvorteil erfließen sollte. Daß der Angeklagte die angebotenen Filme bei Versendung der Prospekte noch nicht besaß, kann die Annahme gewinnsüchtigen Handelns nicht ausschließen; denn es kann nicht darauf ankommen, ob der Verkäufer die angebotene Ware schon lagernd hat oder sie erst nach Einlangen einer Bestellung sich beschaffen (oder die Bestellung an einen anderen Verkäufer weiterleiten) wird.
Im einen wie im andern Fall dient die Versendung der Prospekte der Erzielung eines materiellen Vorteils. Daß aber die angebotenen Filme entgeltlich abgegeben werden sollten, beweist die vom Erstgericht festgestellte Beigabe einer Preisliste. Dem Ersturteil haftet mithin in Ansehung der Annahme eines Handelns des Angeklagten in gewinnsüchtiger Absicht ein Rechtsirrtum nicht an.
Dennoch ist eine abschließende Beurteilung des Straffalls noch nicht möglich, weil das angefochtene Urteil in bezug auf das Tatbildmerkmal der 'Unzüchtigkeit' mit Feststellungsmängeln behaftet ist.
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl. die Entscheidung des verstärkten Senats vom , 13 Os 39/77 = RZ 1977/95 = EvBl. 1977/186) muß zwischen absolut perhorreszierter Pornographie - die dann vorliegt, wenn es sich um auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelöste, anreißerisch verzerrte Darstellungen von Unzuchtsakten handelt, die (wie sexuelle Gewalttätigkeiten, insbesondere sadistischer oder masochistischer Natur, Unzuchtsakte mit Unmündigen) als solche ihrer Art nach verboten und strafbar sind, oder die (wie Unzuchtsakte mit Personen des gleichen Geschlechts oder mit Tieren) jedenfalls nicht propagiert werden dürfen (§ 220 StGB) - und solchen pornographischen Darstellungen unterschieden werden, deren unzüchtiger Charakter nicht allein nach ihrem Inhalt beurteilt werden kann, sondern (auch und gerade) vom anzusprechenden Personenkreis abhängt, indem sie nur im Falle der Gefahr einer Kenntnisnahme durch Jugendliche oder dann, wenn nicht interessierte Erwachsene ungewollt damit konfrontiert werden, im Sinne des § 1 PornG tatbildlich sind.
Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht je ein Bild aus den beiden urteilsgegenständlichen Filmkatalogen - weil Unzuchtsakte mit Personen des gleichen Geschlechtes betreffend - der absolut perhorreszierten Pornographie zugeordnet. Richtig ist zwar, daß pornographische Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte entsprechend der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft generell als unzüchtig anzusehen sind (vgl. 10 Os 30/78), doch rügt der Beschwerdeführer mit Recht, daß der vom Erstgericht im Urteil erwähnten, im Prospekt 'ekstase-film' enthaltenen Abbildung, welche nach den Urteilsannahmen (S. 58 d. A) lediglich zwei (allerdings unbekleidet und mit erregtem Ausdruck) nebeneinander sitzende Frauen zeigt, ein gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakt gar nicht entnommen werden kann.
Mithin ist davon auszugehen, daß der Filmkatalog 'ekstase-film' lediglich zahlreiche zum gehaltlosen Selbstzweck erhobene, exzessiv aufdringliche, unnatürlich übersteigerte und anreißerisch verzerrte Darstellungen von Unzuchtsakten, nämlich zahlreiche fotografische Abbildungen verschiedener Formen des Geschlechtsverkehrs, des Mundverkehrs und der Masturbation, nicht aber auch solche pornographische Darstellungen enthält, die in der oben entwickelten Bedeutung als absolut unzüchtig bezeichnet werden könnten. Dieser Prospekt könnte daher entsprechend der dargelegten Relativität des Unzüchtigkeitsbegriffs ungeachtet seines Inhalts nur dann als unzüchtig qualifiziert werden, wenn ihn der Beschwerdeführer nicht nur einem bestimmten Kreis erwachsener Interessenten (bezüglich deren die Annahme gerechtfertigt war, daß sie daran nicht Anstoß nehmen würden) auf eine Weise überlassen hat, daß dadurch die auch nur abstrakte Möglichkeit der Erregung öffentlichen örgernisses oder der Gefährdung Jugendlicher ausgeschlossen war. In dieser Richtung mangelt es jedoch im angefochtenen Urteil - vor alem zur inneren Tatseite - an ausreichenden Feststellungen. Das Erstgericht meint zwar (im Zuge seiner die rechtliche Beurteilung betreffenden Ausführungen), infolge des Versands im Postwege an Unbekannte könnte eine Gefährdung Jugendlicher und eine Beeinträchtigung berechtigter Schutzinteressen der Allgemeinheit nicht ausgeschlossen werden, nimmt jedoch nicht dazu Stellung, ob der Angeklagte zumindest die Möglichkeit der Gefahr einer Kenntnisnahme des Prospektinhalts durch Jugendliche oder die Möglichkeit einer Behelligung nicht interessierter Erwachsener bedacht und sich damit abgefunden hat. Mit Recht weist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch auf seine (im Urteil unberücksichtigt gebliebene) Verantwortung hin, wonach er die Kataloge nur zwei Interessenten zugesandt habe, die ihr Alter mit 62 und 45 Jahren angegeben hätten (vgl. S. 52 d. A), wenngleich bei den vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang in der erwähnten Richtung zu treffenden Feststellungen andererseits auch der Umstand zu erörtern sein wird, daß der Beschwerdeführer bei der übersendung der Prospekte offenbar eine Weitergabe an Freunde und Bekannte empfahl (vgl. S. 17 d. A).
Soweit der Beschwerdeführer des weiteren behauptet, der Prospekt 'tabu-film' (Filmführer 77) enthalte gleichfalls keine Abbildung, die als absolut perhorreszierte Pornographie beurteilt werden müßte, kann ihm allerdings nicht gefolgt werden. Darauf, ob der vom Erstgericht im Urteil besonders erwähnten (fotografischen) Darstellung entnommen werden kann, daß die Zunge der einen Frau bereits den Geschlechtsteil der anderen berührt, kommt es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht an. Genug daran, daß darin - sei es durch bereits im Gange befindliches oder unmittelbar bevorstehendes Lecken am Geschlechtsteil einer Person des gleichen Geschlechts - eine Handlung dargestellt wird, die (als gleichgeschlechtliche Unzucht) nicht propagiert werden darf. Da der Prospekt 'tabu-film' somit (auch) absolut verbotene Pornographie enthält, kommt es bei diesem Katalog - falls der Beschwerdeführer den in Rede stehenden besonderen Inhalt kannte oder wenigstens die Möglichkeit (auch) eines solchen ('harten') Inhalts bedachte und sich damit abfand - für die Beurteilung der Unzüchtigkeitsfrage auf den angesprochenen Personenkreis nicht an. Das Erstgericht hat jedoch auch in diesem Zusammenhang jegliche Feststellung zur inneren Tatseite unterlassen und insbesondere nicht konstatiert, ob jene Umstände, die die Merkmale einer absolut perhorreszierten Pornographie ausmachen, vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt waren. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, hätte das Erstgericht auch bezüglich des Katalogs 'tabufilm' (Filmführer 77) die - sonst hier nicht entscheidende - Frage zu klären, ob der Angeklagte zumindest die Möglichkeit der Gefahr einer Kenntnisnahme des (übrigen) Kataloginhalts durch Jugendliche oder die Möglichkeit einer Behelligung nicht interessierter Erwachsener bedacht und sich damit abgefunden hat.
Da sich mithin die Erneuerung des Verfahrens als unumgänglich erweist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00113.78.0309.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-78782