OGH 30.06.2005, 8ObA20/05g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Robert Maggale als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter P*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** KG, ***** vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer und Dr. Fassl Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 54.203,33 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 8 Ra 174/04y-17, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 7 Cga 155/03v-11, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.803,06 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 300,51 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ab als Angestellter beschäftigt. Er wurde infolge einer Dienstgeberkündigung am zum gekündigt. Im Verfahren 7 Cga 163/98y des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht (Vorverfahren) forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten vom Kläger zuletzt 47.116,12 EUR sA (bezahlte Gehälter für die Rückzahlungszeiträume bis abzüglich einer vom Kläger geleisteten Teilzahlung in Höhe von 11.046,12 EUR). Diesem Klagebegehren lag zugrunde, dass der Kläger 1995 ein Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien erwirkt hatte, worin festgestellt wurde, dass das Dienstverhältnis des Klägers ungeachtet der ausgesprochenen Dienstgeberkündigung vom fortbestehe. Wegen der Vollstreckbarkeitswirkung dieses erstinstanzlichen Feststellungsurteiles (§ 61 Abs 1 Z 1 ASGG) leistete die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab bis Gehaltszahlungen, die sie im Vorverfahren deshalb zurückforderte, weil letztlich mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom (9 ObA 151/97i), zugestellt am , das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren abgewiesen und das vom Kläger erhobene Eventualbegehren auf Rechtsunwirksamerklärung der Dienstgeberaufkündigung zurückgewiesen wurde.
Im zweiten Rechtsgang im Vorverfahren verpflichtete das Landesgericht Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht den Kläger zur Zahlung von 508.532,90 S sA (36.956,53 EUR) und wies ein Mehrbegehren von 139.799,10 S ab (10.159,60 EUR).
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Der Kläger bezahlte aufgrund dieses zwar nicht rechtskräftigen, aber vollstreckbaren Berufungsurteiles am das der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugesprochene Kapital (36.956,53 EUR netto) zuzüglich Zinsen (6.611,11 EUR) und die in erster und zweiter Instanz zugesprochenen Kosten von 10.636,89 EUR.
Mit Entscheidung des erkennenden Senates vom (8 ObA 200/02y) wurden - von einer hier nicht wesentlichen Ausnahme im Umfang eines Teiles des Zinsenbegehrens abgesehen - die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren bezüglich eines von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erhobenen Begehrens von 47.116,12 EUR samt 4 % Zinsen seit als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang mit der Begründung zurückgewiesen, dass über die geltend gemachte Klageforderung von zuletzt 47.116,12 EUR, gestützt auf den Gehaltsrückzahlungsanspruch des Dienstgebers für den Zeitraum bis , bereits in einem - weiteren - Vorverfahren rechtskräftig dadurch abgesprochen worden sei, dass in diesem Vorverfahren (28 Cga 91/98a des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) festgestellt wurde, dass eine von der Rechtsvorgängerin der Beklagten in diesem Vorverfahren eingewendete Gegenforderung in Höhe von 697.415,14 S für Gehaltszahlungen ab bis zu Recht bestehe. Damit stehe einer Klage auf Rückzahlung der ab bis geleisteten Gehälter die in materielle Rechtskraft erwachsene Vorentscheidung über das Bestehen der dort eingewendeten und somit zur Aufrechnung verbrauchten Gegenforderung entgegen.
Der Kläger begehrt nun die aufgrund des vollstreckbaren Urteils im Vorverfahren am geleisteten Zahlungen (Kapital 36.956,53 netto; Zinsen 6.611,11 EUR; zugesprochene Kosten erster und zweiter Instanz 10.636,89 EUR) mit der Begründung zurück, dass durch die Entscheidung 8 ObA 200/02y im Vorverfahren der Rechtsgrund für diese Zahlungen weggefallen sei.
Die Beklagte wendet ein, dass die klagezurückweisende Entscheidung im Vorverfahren zu 8 ObA 200/02y ein Begehren betroffen habe, das in Wahrheit nicht mehr Verfahrensgegenstand gewesen sei. Verfahrensgegenständlich im Vorverfahren sei ein Klagebegehren auf Rückzahlung jener Entgelte gewesen, die die Gehaltszahlungszeiträume bis betroffen hätten. Nicht über dieses Begehren, sondern rechtsirrig über ein nicht mehr verfahrensgegenständliches Begehren betreffend die Rückzahlung der Entgelte für den Zeitraum bis sei im Vorverfahren durch den Obersten Gerichtshof abgesprochen worden. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Rückzahlungszeiträume bis sei somit nicht ergangen. In diesem Umfang könne die Beklagte daher noch geltend machen, dass dem Kläger die zwischen und vereinnahmten Entgelt nicht zustünden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Ersturteil dahin, dass es die Beklagte zur Zahlung von 54.204,33 EUR netto sA verpflichtete. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil ungeachtet der einzelfallbezogenen Problematik der hier zu beurteilenden Frage der Einmaligkeitswirkung einer Entscheidung weitreichende Bedeutung zukomme.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Vorverfahren ihren dort geltend gemachten Rückzahlungsanspruch von zuletzt 47.116,12 EUR, gestützt auf zu Unrecht erfolgte Gehaltszahlungen für die Zeiträume bis , nie dahin geändert habe, dass nur der Rückzahlungszeitraum vom bis betroffen sein sollte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches nicht zulässig: Wie das Berufungsgericht selbst zutreffend erkennt, betrifft die Beurteilung, wie ein bestimmtes Parteivorbringen (hier: die Behauptungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Vorverfahren) auszulegen ist, eine Frage, der grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828; 5 Ob 307/02m; 8 Ob 28/04g). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (1 Ob 83/99h) oder gegen die Denkgesetze verstößt (7 Ob 135/02g). Dass die Auslegung des Parteivorbringens im Vorverfahren weder mit dessen Wortlaut unvereinbar ist noch den Denkgesetzen widerspricht, ergibt sich daraus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Vorverfahren bis zuletzt darauf verwies, dass sie an den Kläger „weitere Zahlungen in Höhe von 800.330 EUR an laufenden Gehältern bis inklusive Jänner 1998" leistete, auf deren Rückzahlung die Klage gerichtet sei (zB Schriftsatz ON 20 im Vorverfahren). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass dem gesamten Akteninhalt im Vorverfahren kein erkennbarer Wille einer Partei oder des Gerichtes, über einen anderen Klagegegenstand als den ursprünglichen zu verhandeln, zu entnehmen sei, ist daher zumindest vertretbar und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2005:008OBA00020.05G.0630.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-76519