OGH 18.11.2009, 7Ob225/09b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Mag. Michaela Eva Hämmerle und Mag. Andreas Hämmerle, Rechtsanwälte in Rottenmann, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 86/09b-45, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Am wollte der Kläger einen Kettenbagger auf dem Anhänger seines LKW, für den er bei der Beklagten eine gewerbliche Gütertransportversicherung abgeschlossen hatte, auf einem Forstweg zu einer Baustelle transportieren. Beim Durchfahren einer Kurve kippte der Anhänger, wodurch der Bagger über eine Böschung etwa 50 Meter abstürzte. Der Kläger, gegen den die Eigentümerin des Baggers ihre Schäden bereits klagsweise geltend gemacht hat (dieses Verfahren ist bis zur Entscheidung des vorliegenden Prozesses unterbrochen), erhob gegen die Beklagte Deckungsklage.
Im Revisionsverfahren ist allein noch strittig, ob der Versicherungsfall vom Kläger, wie die Beklagte weiterhin behauptet, grob fahrlässig herbeigeführt wurde oder ob, wie die Vorinstanzen und der Kläger meinen, dessen Verhalten die Kriterien grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt.
Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044262). Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 121/03z; 7 Ob 11/06b; 7 Ob 20/08d uva).
Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Das Berufungsgericht ist den in ständiger Judikatur vertretenen Grundsätzen zur Frage der groben Fahrlässigkeit (sowohl im Sinn des § 61 VersVG als auch des Art 29 CMR) gefolgt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Unfall auf einen bloßen Fahrfehler zurückzuführen war. Der Forstweg war trotz der schlechten Bodenverhältnisse auf der befestigten Fahrbahn mit dem LKW-Zug befahrbar. Der Kläger hätte bei Durchführung eines exakten Fahrmanövers die Unfallskurve bei einer Fahrbahnbreite zwischen 3,7 m und 4 m und der für seinen Tieflader erforderlichen Breite von 3,2 m unfallfrei durchfahren können. Zum Absturz kam es, weil der Kläger beim Einfahren in die Linkskurve eine etwas zu weit vom kurvenaußenseitigen Fahrbahnrand entfernte Fahrlinie wählte, wodurch der Tieflader sodann mit den Zwillingsrädern der Tandem-Hinterachse auf den linken (kurveninnenseitigen) Bankettstreifen geriet und dadurch ins Kippen kam. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Kläger habe als Fachunternehmer zwar bewusst sein müssen, dass das nicht befestigte Bankett durch Regen aufgeweicht und daher nicht befahrbar sei; sein Fahrfehler stelle aber keine auffallende oder ungewöhnliche Sorglosigkeit, sondern eine Fahrlässigkeitshandlung dar, die auch bei einem sorgsamen LKW-Fahrer nie ganz vermeidbar sei, begegnet keinen Bedenken und ist jedenfalls vertretbar.
Die vom Revisionswerber dagegen ins Treffen geführten Umstände, dass dem Kläger der Forstweg nicht bekannt gewesen sei und ihm als Transportfachmann die Problematik der mangelnden Festigkeit des Banketts aufgrund der starken Regenfälle habe bewusst sein müssen, hat das Berufungsgericht ohnehin erkannt und bedacht. Auch dass der Tieflader auf einem steileren Abschnitt der Forststraße zuvor ins Rutschen geraten war und der Bagger deshalb vorübergehend abgeladen hatte werden müssen, zwingt zu keiner anderen Beurteilung. Absturzursache war allein der dem Kläger unterlaufene Fahrfehler; ohne diesen hätte die Wiederbeladung und Weiterfahrt auf dem im weiteren Verlauf nicht mehr so steilen Forstweg keine Probleme bereitet.
Unter Berücksichtigung aller festgestellten Umstände des vorliegenden Einzelfalls kann die Ansicht des Berufungsgerichts, das Verhalten des Klägers sei nicht als grob fahrlässig zu qualifizieren, daher nicht als Fehlbeurteilung angesehen werden, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes ist das außerordentliche Rechtsmittel der Beklagten daher zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO bedarf dies keiner weiteren Begründung.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00225.09B.1118.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-75810