OGH 28.06.2000, 7Ob194/99a
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. W*****, ehemaliger Rechtsanwalt, *****, wider die beklagte Partei Bank *****, vertreten durch Dr. Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung über S 1,864.767,10 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom , GZ 1 R 201/98d-48, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 4 Cg 29/94t-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der klagenden Partei, ihr Kosten für ihre Revisionsbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Im Jahre 1986 eröffente der frühere Rechtsanwalt Dr. Wolf-Dietrich J*****, über dessen Vermögen am des Konkursverfahrens eingeleitet wurde, bei der Beklagten ein Girokonto für seine Kanzlei mit einem Überziehungsrahmen, der schließlich abgesichert durch eine Haftungserklärung von dessen Ehegattin, auf S 4,5 Mio erhöht wurde. Das Konto des späteren Gemeinschuldners wurde sowohl für geschäftliche, als auch für private Zwecke verwendet. Der spätere Gemeinschuldner erwirtschaftete bis zur Konkurseröffnung ausgenommen im Jahr 1989 stetig Verluste in Höhe von über S 1 bis S 2 Mio und war spätestens ab 1990 zahlungsunfähig. Im Jahre 1990 kam es bei einer Abwicklung durch den Gemeinschuldner als Treuhänder zu Schwierigkeiten und es war für die beklagte Bank ersichtlich, dass der spätere Gemeinschuldner bereits Gelder, die er als Treuhänder für einen bestimmten Zweck erhalten hatte, zur Abdeckung anderer Verbindlichkeiten verwendete. Erst nach mehreren Urgenzen unter Androhung entsprechender Schritte wurde das Geld von einer anderen Bank wieder rücküberwiesen. Das Konto war dann im Jahre 1990 mit S 7 Mio weit über den vereinbarten Kreditrahmen überzogen. Die Beklagte forderte den Gemeinschuldner auf, den Schuldensaldo zu reduzieren und entsprechende Jahresabschlüsse vorzulegen und kündigte schließlich auch die Fälligstellung des gesamten aushaftenden Saldos an. Im Zuge der weiteren Gespräche wurde eine Fristerstreckung vereinbart. Es sollte der spätere Gemeinschuldner einen Teilbetrag von S 500.000,-- und dann in weiterer Folge monatliche Raten von S 200.000,-- zahlen und die Beklagte über seine wirtschaftliche Situation unterrichten. Dabei wies die Beklagte auch auf die Mithaftung der Ehegattin des Gemeinschuldners hin. Insgesamt erfolgten dann zahllose schriftliche und mündliche Urgenzen und Drohungen der Fälligstellung. Über Ersuchen des späteren Gemeinschuldners erklärte sich die Beklagte dann im Sommer 1991 einverstanden, die monatlichen Raten von S 200.000,-- auf S 100.000,-- zu reduzieren. Die zugesagten Geschäftsunterlagen wurden ihr aber außer für das Jahr 1989, in dem ein Gewinn ausgewiesen war, nicht übermittelt. Eine Abfrage der Beklagten hinsichtlich eines Grundstückes des späteren Gemeinschuldners in Kitzbühel ergab eine Belastung mit einer Höchstbetragshypothek über S 5 Mio. Dass der Beklagten die tatsächliche Vermögenssituation des späteren Gemeinschuldners bekannt gewesen ist, konnte nicht festgestellt werden, da dieser seine finanzielle Situation verschwieg und dadurch, dass er bei verschiedenen Banken Kredite aufnahm und Treuhandgelder verwendete und mit diesen Geldern nach der "Loch auf-Loch zu" Methode jeweils den andrängenden Gläubigern in dem Bewusstsein, dadurch andere Gläubiger zu benachteiligen, teilweise Befriedigung verschaffte. Davon, dass der spätere Gemeinschuldner mit dieser "Loch auf-Loch zu" Methode arbeitete, konnte aber die beklagte Bank Kenntnis erlangen (vgl S 16 des erstgerichtlichen Urteils unten). Insgesamt überwies dieser an die Beklagte im Zeitraum vom bis S 3,759.557,80 davon im Zeitraum ab , also ein Jahr vor Konkurseröffnung bis dahin, S 1,864.767,10. Diese Zahlungen erfolgten im Wesentlichen von einem Konto bei einer R***** und einem Konto bei der S***** Bank AG in Wien, die sowohl für Privataufträge als auch für geschäftliche Abwicklungen, insbesondere für Treuhandgelder - die mit den sonstigen Geldern vermengt waren - verwendet wurden. Bei der Konkurseröffnung am betrug dann der offene Saldo am Konto des Gemeinschuldners bei der Beklagten S 2,800.247,80 insgesamt aber seine Bankverbindlichkeiten S 45,400.000,--. Aussonderungsansprüche wurden im Konkurs nicht geltend gemacht.
Der klagende Masseverwalter stützte sein hier zuletzt noch maßgebliches Anfechtungsbegehren auf Unwirksamerklärung der vom Gemeinschuldner an die beklagte Bank geleistete Zahlungen über S 1,864.767,10 und Rückzahlung an ihn auf jeglichen erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere aber in dem hier maßgeblichen Umfang auf Begünstigung gemäß § 30 Abs 1 Z 3 KO. Sämtliche seit April 1992 vorgenommenen Zahlungen des Gemeinschuldners zu Gunsten der beklagten Bank hätten die übrige Gläubigerschaft benachteiligt und nur die beklagte Bank begünstigt. Diese seien vom Gemeinschuldner im Bewusstsein seiner eigenen Zahlungsunfähigkeit vorgenommen worden. Die beklagte Bank habe besonders auf diese Zahlungen gedrängt und der Gemeinschuldner habe alles unternommen, um die Inanspruchnahme seiner Ehefrau zu verhindern. Er habe "Löcher gestopft" und schließlich auch Treuhandverpflichtungen verletzt, worüber die Beklagte informiert sein musste. Trotzdem habe sie keine Prüfung der tatsächlichen Vermögens- und Gebarungssituation vorgenommen. Sie hätte seine Zahlungsunfähigkeit kennen und ihm zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse zwingen müssen. Die vom Gemeinschuldner zum Zweck der Zahlungen an die Beklagte von anderen Banken erlangten Mittel seien von diesen Banken nicht zum spezifischen Zweck der Befriedigung der beklagten Bank gewährt worden.
Die beklagte Bank bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte zusammengefasst ein, dass sie ohnehin Bonitätsauskünfte hinsichtlich des späteren Gemeinschuldners eingeholt hätte, die bestens gewesen seien und zusätzlich auch noch eine Besicherung durch die frühere Ehegattin des Gemeinschuldners gehabt habe. Seit 1989 habe es keine weiteren Kreditvergaben mehr gegeben, sondern nur noch die Rückzahlung der Kreditverbindlichkeiten die mit Ausnahme der üblichen Verzögerungen regelmäßig erfolgt sei. Teilweise seien vom Anfechtungsbegehren auch vor dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit liegende Zeiträume erfasst. Die Beklagte habe weder eine Benachteiligungs- noch eine Begünstigungsabsicht erkannt oder erkennen müssen, ebensowenig die zweckwidrige Verwendung der Treuhandgelder. Insoweit sei der Masseverwalter auch nicht aktiv klagslegitimiert, da diese Beträge nicht aus der Vermögenssphäre des Gemeinschuldners stammten. Auch sei die Anfechtung verfristet.
Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren gestützt auf § 30 Abs 1 Z 3 KO wegen Begünstigung im Umfang von S 1,864.767,10 statt, nachdem bereits im ersten Rechtsgang ein auf andere Anfechtungstatbestände gestütztes Klagebegehren über S 349.999,90 sA rechtskräftig abgewiesen worden war. Es folgerte rechtlich aus den einleitend wiedergegebenen Feststellungen, dass der Beklagten die Absicht des Gemeinschuldners, sie vor anderen Gläubigern zu bevorzugen, bekannt sein musste. Diese Absicht setze kein besonderes Wohlwollen des Gemeinschuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner voraus, sondern liege auch dann vor, wenn rechtliche Schritte durch Sicherstellungen oder Befriedigungen hintangehalten werden sollten. Die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners sei erwiesen und habe der beklagten Bank bei gehöriger Sorgfalt und entsprechenden Erkundigungen spätestens ab Juni 1992 auffallen müssen. Bereits im Jahre 1990 habe der Gemeinschuldner gegen einen Treuhandauftrag verstoßen und es sei auch zu erheblichen Zahlungsverzögerungen gekommen. 1991 habe er dann sein Konto bei der Beklagten weit überzogen und verschiedene Zusagen im Zusammenhang mit der Rückführung nicht eingehalten. Aus dem Grundbuchsauszug betreffend die Liegenschaft des Gemeinschuldners in Kitzbühel habe der Beklagten bekannt sein müssen, dass dieser weitere größere Verbindlichkeiten hatte. Sie habe sich aber kein umfassendes Bild über die Situation des Gemeinschuldners gemacht, sondern diesen unter Androhung, die Ehegattin als Bürgin heranzuziehen, zur Zahlung veranlasst. Durch die Beseitigung der Gemeinschuldnerhandlung werde auch eine Verbesserung der Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger gereicht, da die verwendeten Treuhandgelder sich mit dem Eigentum des Gemeinschuldners vermengt hätten. Die vom Gemeinschuldner zur Befriedigung der Beklagten herangezogenen Kredite des Gemeinschuldners bei einer anderen Bank, seien nicht nur zur Abdeckung der Verbindlichkeiten bei der beklagten Bank gewidmet gewesen.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es führte aus, dass die Banken, da es sich nicht um deklarierte Treuhandkonten gehandelt habe, zur Aufrechnung ihrer Forderungen gegen den Gemeinschuldner als Kontoinhaber mit den überwiesenen Treuhandgeldern berechtigt gewesen seien. Die Befriedigung der Beklagten sei auch nicht aus Mitteln erfolgt, die dem Gemeinschuldner ausdrücklich nur zu diesem Zweck gewährt worden seien.
Die Beklagte habe nun entsprechende Nachforschungen über die Vermögenssituation des späteren Gemeinschuldners nicht weiter betrieben. Die Besicherung der Kreditforderung durch die frühere Ehegattin des Beklagten habe bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Situation außer Betracht zu bleiben. Eine von ihm erst im Juli 1990 zu laufen beginnende für die zu Gunsten der Beklagten vinkulierte Lebensversicherung habe seine Bonität nicht wesentlich verbessern können. Die Beklagte habe es unterlassen, auf die Vorlage der Jahresabschlüsse zu dringen, obwohl ihr vertraglich sogar die Möglichkeit der Fälligstellung bei Verletzung dieser Verpflichtungen zugestanden sei. Aus diesen wäre auch der wachsende Zinsaufwand des späteren Gemeinschuldners ersichtlich gewesen. Es hätte der Beklagten auffallen müssen, dass der Gemeinschuldner die Zahlungen an sie ua deshalb leistete, um die Geltendmachung der Mithaftung gegenüber seiner Ehegattin zu vermeiden. Auch aus den Schwierigkeiten sei die Einmahnung der Zahlungen, des Saldos des Kontos und der Belastungen der Liegenschaft des späteren Gemeinschuldners habe die Beklagte ausreichende Anhaltspunkte für dessen Zahlungsunfähigkeit erlangen können. Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da insbesondere zur Frage der Anfechtung von Zahlungen, die unter treuwidriger Verwendung von Treuhandgeldern geleistet wurden, nur teilweise eine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei gegen dieses Urteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sie keine Rechsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
Vorweg macht es die Revision als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, dass dem Antrag der beklagten Partei auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet des Rechnungswesens nicht stattgegeben wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch in der Revision nicht neuerlich vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend gemacht werden (vgl etwa Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 503, RIS-Justiz RS0106371 oder OGH 7 Ob 11/00v). Davon, dass eine Abgrenzung der verschiedenen Quellen des Geldes nicht mehr möglich ist, und diese Gelder in einer nicht mehr nachvollziehbaren Weise vermengt wurden, ist das Erstgericht aber ausgegangen; ebenso davon, dass andere Banken dem späteren Gemeinschuldner weitere Kredite einräumten und dieser daher über eigene Mittel verfügte. Soweit die Revisionswerberin diesen Vorwurf auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsrüge verstanden wissen will, geht diese nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Bei Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass davon auszugehen ist, dass der Beklagten die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners bekannt sein musste und sie ihre Erkundigungspflichten verletzte. Die Beklagte argumentiert im Wesentlichen damit, dass sie mit dem Gemeinschuldner gar keine laufende Geschäftsbeziehung mehr gehabt habe und dieser einem besonderen vertrauenswürdigen Personenkreis, und zwar dem der Rechtsanwälte angehört habe.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seinem Beschluss vom zu 3 Ob 104/m betreffend denselben Gemeinschuldner dargetan hat, stellt die Frage die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung wie hier unter dem Aspekt, inwieweit die Beklagte unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ihre Erkundigungspflichten verletzt hat, regelmäßig keine Rechtfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. Unter Berücksichtigung dieser abweichenden Aspekte des Einzelfalles kann auch darin, dass die Vorinstanzen die Anfechtungsansprüche gegen eine andere Bank in dem anderen Verfahren abwiesen, hier aber stattgaben, keine die Rechtssicherheit gefährdete auffallende Fehlbeurteilung gesehen werden. Anders als in dem zu 3 Ob 104/99m erfassten Anfechtungsverfahren steht hier auch ausdrücklich fest, dass der Beklagten bekannt war, dass der Gemeinschuldner Treugelder widmungswidrig verwendete. Eine weitere Besonderheit liegt weiters darin, dass die Beklagte über die Haftungserklärung der damaligen Ehegattin des Gemeinschuldners verfügte und offensichtlich war, dass der Gemeinschuldner die Beklagte deshalb vorrangig befriedigte, um eine Inanspruchnahme seiner früheren Ehegattin zu vermeiden. Trotzdem hat die Beklagte nur auf die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen ihr gegenüber gedrungen, ohne auch nur zu versuchen, sich einen Überblick über die Vermögenssituation des Gemeinschuldners zu verschaffen, was ihr im Hinblick auf die ihr eingeräumten besonderen Offenlegungsverpflichtungen des Gemeinschuldners aber leicht möglich gewesen wäre. Dem Argument der Zugehörigkeit des Gemeinschuldners zu einem besonderen Personenkreis kommt schon deshalb keine Relevanz zu, da der Gemeinschuldner schon im Hinblick auf die für die Beklagten bekannten Verstöße gegen Treuhandverpflichtungen keine besondere Vertrauenswürdigkeit mehr genießen konnte.
Insgesamt zeigt die Revision also keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb sie zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 40 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, weshalb diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war (vgl etwa 3 Ob 104/99m).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2000:0070OB00194.99A.0628.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-75774