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OGH 14.04.2009, 5Ob53/09v

OGH 14.04.2009, 5Ob53/09v

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Stefan S*****, vertreten durch die Mutter Elke S*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, unter Beteiligung des Vaters Wolfgang L*****, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 7/09t-U38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom , GZ 3 P 382/06w-U32, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 7 Ob 223/08g, eine Wortfolge in § 42 sowie § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Für eine kieferorthopädische Behandlung des Minderjährigen besteht ein Sonderbedarf von insgesamt 3.730 EUR.

Der für den Minderjährigen geldunterhaltspflichtige Vater soll über Antrag der Mutter zum Ersatz dieser Sonderkosten verpflichtet werden. Er bezahlt einen monatlichen Unterhalt von 300 EUR. Außer für den minderjährigen Stefan ist er noch für ein weiteres, am geborenes Kind sorgepflichtig. Seit ist er auch noch für seine Gattin Martina L***** sorgepflichtig, die ab diesem Zeitpunkt Kinderbetreuungsgeld bezieht. Wolfgang L***** hat ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.930 EUR inklusive der anteiligen Sonderzahlungen.

Der Vater wendete sich gegen die Verpflichtung zu weiteren Zahlungen mit dem Hinweis auf seine sonstigen Unterhaltspflichten. Beide Vorinstanzen verpflichteten den Vater, zusätzlich zum laufenden Unterhalt einen Betrag von 280 EUR an Sonderbedarf für das erste Jahr der kieferorthopädischen Behandlung des Minderjährigen zu zahlen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Beide Vorinstanzen gingen davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld der nunmehrigen Ehegattin des unterhaltspflichtigen Vaters für dessen Unterhaltspflicht nicht zu berücksichtigen sei. Es wurde daher ein Abzug von drei Prozentpunkten für die Ehefrau des Unterhaltspflichtigen berechnet. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Nichtanrechnung des Kinderbetreuungsgeldes als Einkommen des betreuenden Elternteils im Hinblick auf das vom Obersten Gerichtshof eingeleitete Prüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht völlig von der Hand zu weisen seien.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung. Es stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Kindes aus erster Ehe dar, wenn das Kinderbetreuungsgeld der Gattin des Unterhaltspflichtigen nicht als Einkommen gewertet werde. In einem gleichgelagerten Fall habe der Oberste Gerichtshof dem Verfassungsgerichtshof diese entscheidende Frage zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit der Bestimmung vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Minderjährigen ist von Amts wegen zu unterbrechen.

Die hier zu beurteilenden Bestimmungen des KBGG idF BGBl I 2007/76 lauten wie folgt:

„§ 42 Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche.

§ 43 Abs 1: Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß § 290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl Nr 79/1896 nicht pfändbar."

Der 7. Senat des Obersten Gerichtshofs hat mit Beschluss vom , AZ 7 Ob 223/08g, beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) beantragt, in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" und § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, hilfsweise in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" als verfassungswidrig aufzuheben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seien auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Demgemäß habe der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, dass das nach dem KBGG idF BGBl I 2001/103 bezogene Kinderbetreuungsgeld, das an die Stelle des Karenzgeldes getreten sei, ebenso als Einkommen zu gelten habe und nicht zu einer Verkürzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des beziehenden Elternteils führe. Weiters werde vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass jener Elternteil, der seine Unterhaltsverpflichtung Kindern aus zweiter Ehe durch deren vollständige Betreuung im Haushalt erbringt, seine Lebensverhältnisse so gestalten müsse, dass er sowohl seiner Geldalimentationspflicht als auch seiner Betreuungspflicht angemessen nachkommen könne. Die Unterhaltsansprüche von Kindern seien grundsätzlich gleichrangig. Es laufe dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Kindern aus zweiter Ehe volle Unterhaltsleistung in Form der häuslichen Betreuung zu Teil werden lasse, während er den Kindern aus der ersten Ehe den Geldunterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit verwehre.

Der Bestand der angefochtenen Wortfolge ist auch im vorliegenden Fall präjudiziell, wäre doch im Fall der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof das von der nunmehrigen Ehegattin des Vaters bezogene Kinderbetreuungsgeld als deren Einkommen zu betrachten, was auf die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem Kind aus erster Ehe Auswirkungen entfaltete.

Gemäß § 25 Abs 2 Z 2 AußStrG kann das Verfahren ganz oder zum Teil von Amts wegen oder auf Antrag unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich ist und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.

Der Zweck dieser Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinn der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - trifft auch im vorliegenden Fall zu (vgl 4 Ob 42/02h; 1 Ob 224/08k), wenngleich eine Unterbrechung wegen eines vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahrens nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Eine andere Vorgangsweise würde eine unsachliche Verschiedenbehandlung bewirken, könnte doch der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmung die Wirkung der Aufhebung nicht über den Anlassfall hinaus erstrecken (vgl den zu 4 Ob 42/02h entschiedenen Fall). Deshalb ist das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung durch den Senat 7 des Obersten Gerichtshofs zu unterbrechen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen Stefan S*****, vertreten durch die Mutter Elke S*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen Unterhalt über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 7/09t-U38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom , GZ 3 P 382/06w-U32, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen haben den geldunterhaltspflichtigen Vater Wolfgang L***** verpflichtet, an Sonderbedarf einmalig einen Kostenanteil einer notwendigen kieferorthopädischen Behandlung des Minderjährigen in Höhe von 280 EUR zusätzlich zu seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung zu bezahlen. Ein darüberhinausgehendes Begehren wurde mit der Begründung abgewiesen, die Leistungsfähigkeit des Vaters sei ua durch dessen Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Gattin ohne Berücksichtigung des von ihr bezogenen Kinderbetreuungsgeldes erschöpft.

Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig erklärt, weil noch nicht abschließend geklärt sei, ob sich die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seiner jetzigen Ehefrau durch deren Bezug eines Kinderbetreuungsgeldes für ein weiteres Kind vermindere. Im Hinblick auf ein vom Obersten Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof eingeleitetes Prüfungsverfahren bedürfe die Rechtsfrage, wie die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" in § 42 KBGG in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu beurteilen sei, der Klärung. Der Minderjährige hat gegen den Beschluss des Rekursgerichts Revisionsrekurs erhoben und darin einen Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts erweist sich der ordentliche Revisionsrekurs als nicht zulässig:

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 7 Ob 223/08g, eine Wortfolge in § 42 sowie § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 9/09-12, G 42/09-8 die Anträge gemäß Art 140 B-VG, soweit sie § 42 KBGG betrafen, abgewiesen.

Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldes sei die finanzielle Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinn einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das Kinderbetreuungsgeld solle dabei nur jenen Eltern gewährt werden, die bereit seien, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder gänzlich aufzugeben (vgl auch ua). Dem Gesetzgeber stehe es von Verfassungs wegen frei, eine Transferleistung dieser Art, die nur eine begrenzte Zeit hindurch gewährt werde und einen Betrag von 14,53 EUR bis 26,60 EUR täglich (je nach Bezugsdauer) nicht überschreiten könne, dem betreuenden Elternteil „vorzubehalten" und Personen (Kinder), die dem betreuenden Elternteil gegenüber unterhaltsberechtigt sind, von einer Partizipation daran auszuschließen. Die Ansprüche der geldunterhaltsberechtigten Kinder würden durch eine solche Regelung nicht anders berührt, als hätte der betreuende Elternteil seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit gegenüber naturalunterhaltsberechtigten Kindern vorübergehend gänzlich eingestellt. Die Entscheidung, die Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit einzustellen, sei nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspannungstheorie unter Berücksichtigung der Einengung der Erwerbsmöglichkeiten durch Betreuungspflichten für Kleinkinder zu beurteilen.

§ 42 KBGG sei daher kein verfassungswidriger Inhalt beizumessen und zwar weder in dem Fall, dass das Kinderbetreuungsgeld beim beziehenden Elternteil in die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Unterhaltsverpflichtung einzubeziehen sei, noch bestünde eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, § 42 KBGG in dem Sinn zu interpretieren, dass die Vorschrift auf Unterhaltsverpflichtungen überhaupt nicht anwendbar sei.

Welcher Inhalt der Vorschrift beizulegen sei, hätten die Zivilgerichte zu entscheiden.

Damit ist jene Rechtsfrage, die vom Rekursgericht als erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG beurteilt wurde, im folgenden Sinn geklärt:

Das von der jetzigen Gattin des geldunterhaltspflichtigen Vaters bezogene Kinderbetreuungsgeld mindert nicht deren Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehegatten, sodass bei Errechnung der Leistungsfähigkeit des geldunterhaltspflichtigen Vaters für den Sonderbedarf des minderjährigen Antragstellers von seiner vollen Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Gattin auszugehen war. In diesem Sinn haben die Vorinstanzen entschieden.

Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG liegen darüber hinaus nicht vor. Das hatte zur Zurückweisung des Rechtsmittels des minderjährigen Antragstellers zu führen.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00053.09V.0414.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-75075