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OGH 13.07.1993, 5Ob509/93

OGH 13.07.1993, 5Ob509/93

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Judith G*****, geboren am , ***** vertreten durch die Mutter Maria Hermine G*****, Lehrerin, ebendort, diese vertreten durch Dr.Herwig Hammerer und Dr.Alois Autherith, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 4.Feber 1993, GZ 2 R 220/92-84, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom , GZ P 95/90-76, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in Ansehung der Abweisung des Begehrens auf Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom bis bestätigt, im übrigen aber dahin abgeändert, daß der mj.Judith G*****, geboren am , für die Zeit vom bis ein monatlicher Unterhaltsvorschuß in der Höhe von 50 % des Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 f ASVG), das sind im Jahre 1992 monatlich S

2.156 und im Jahre 1993 monatlich S 2.322, gewährt wird.

Die erforderlichen weiteren Anordnungen hat das Erstgericht zu treffen.

Text

Begründung:

Die minderjährige Judith G***** befindet sich (nunmehr wieder) in Obsorge ihrer Mutter (ON 61; vorher auf Grund der einstweiligen Verfügung ON 47 in Pflege und Erziehung der Mutter).

Mit Antrag vom (ON 48) begehrte die Minderjährige, ihren Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.100,- zu verpflichten. Dieser Antrag wurde am mit der Begründung zurückgezogen, der Vater sei unbekannten Aufenthaltes; es mögen der Minderjährigen daher Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG gewährt werden (ON 55).

In der Folge stellte sich heraus, daß der Vater jedenfalls eine Zeit lang wieder in Österreich bekannten Aufenthaltes war. Er erschien am beim Erstgericht (ON 59 und 62) und gab mit Schreiben vom eine neue, im Inland gelegene Anschrift bekannt (ON 63). Später kündigte der Vater dem Gericht seine beabsichtigte Ausreise nach Teneriffa an (ON 65) und teilte dem Gericht schließlich seine Anschrift in Teneriffa mit (ON 68 a). In der Zwischenzeit begehrte die Minderjährige abermals, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.100,- zu verpflichten (ON 60), wogegen sich der Vater aussprach (ON 65).

Mit Beschluß vom (ON 70) gab das Erstgericht dem Unterhaltsbegehren der Minderjährigen statt und ordnete mit Zustellersuchen vom (ON 71) die Zustellung dieses Beschlusses an den in Teneriffa aufhältigen Vater im Rechtshilfeweg an. Ein Zustellnachweis ist bisher nicht eingelangt, doch teilte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof mit Note vom mit, daß der Vater in dem gegen den Beschluß ON 70 erhobenen Rekurs behauptete, daß ihm die Beschlußausfertigung am in Teneriffa zugestellt worden sei.

Mit Schriftssatz vom begehrte die Minderjährige, über ihren Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (ON 55) zu entscheiden (ON 75).

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, der Vater sei mit Beschluß ON 70 bereits zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet worden, sodaß der Tatbestand des Nichtgelingens der Unterhaltsfestsetzung als Voraussetzung für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG nicht erfüllt sei, wenngleich der Unterhaltsfestsetzungsbeschluß noch nicht rechtskräftig sei.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen sei zunächst (ON 55) darauf gestützt worden, daß der unterhaltspflichtige Vater unbekannten Aufenthaltes sei. Dies habe sich als unrichtig herausgestellt (ON 59), was allein schon zur Abweisung des Antrages führen müßte.

Im Schriftssatz ON 75 sei zwar das Begehren auf Unterhaltsvorschuß auch darauf gestützt worden, daß der Beschluß ON 70 dem Vater noch nicht habe zugestellt werden können. Damit sei jedoch für die Antragstellerin nichts gewonnen, weil es auf die Rechtskraft des Unterhaltsfeststellungsbeschlusses nicht ankomme, eine Unterhaltsfestsetzung selbst jedoch nicht mißlungen sei. Das Rekursgericht teile nicht die Ansicht Knolls (Kommentar zum Unterhaltsvorschußgesetz, Rz 13 zu § 4 Z 2 UVG), daß zum Gelingen der Unterhaltsfestsetzung auch die Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses, also seine Zustellung an den Unterhaltsschuldner erforderlich sei. Die Wendungen "Festsetzung des Unterhaltsbeitrags" bzw. "Erhöhung des Unterhaltsbeitrags" bedeuten schlicht die Beschlußfassung durch das Pflegschaftsgericht: Schon mit der Beschlußfassung sei das Gelingen der Unterhaltsfestsetzung bzw. Unterhaltserhöhung zu bejahen und demnach eine Unterhaltsvorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG nicht mehr möglich.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - erst dann nicht mehr zulässig ist, wenn ein vollstreckbarer Exekutionstitel vorliegt, oder schon dann nicht, wenn der (erhöhte) Unterhaltsbeitrag beschlußmäßig festgesetzt ist.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß ihrem Antrag vom 9.(13.)1.1992 auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses gemäß § 4 Z 2 UVG Folge gegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Die Minderjährige leitete zunächst das Nichtgelingen einer Unterhaltsfestsetzung und damit ihren Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG von der objektiv unrichtigen Behauptung ab, der unterhaltspflichtige Vater sei unbekannten Aufenthaltes und es werde daher der von ihr seinerzeit gestellte Unterhaltsfestsetzungsantrag zurückgezogen (ON 55). Dieser Antrag war daher keine geeignete Grundlage für die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen, das darauf gestützte Begehren daher abweisungsreif. Da gemäß § 8 UVG Unterhaltsvorschüsse nur ab Beginn des Monats, in dem das Kind dies begehrt, zuerkannt werden können, gebühren aus den dargelegten Gründen für die Zeit vom bis (neuer Antrag ON 75 bei Gericht eingelangt am ) keine Unterhaltsvorschüsse. Insoweit war daher dem Revisionsrekurs schon aus den dargelegten Gründen der Erfolg zu versagen.

Über den neu gestellten Unterhaltsfestsetzungsantrag vom (ON 60) war bereits am (ON 70) entschieden worden; allerdings konnte dieser Beschluß nach der Aktenlage (eigene Angabe des Unterhaltspflichtigen im dagegen erhobenen Rekurs; Zustellausweis noch nicht eingelangt) erst am zugestellt werden. Es bleibt also zu prüfen, ob

a) die Beschlußfassung als solche (ohne daß diese - wegen Fehlens der Zustellung - wirksam geworden wäre) bereits ein Gelingen der Unterhaltsfestsetzung darstellt (und daher die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG auf Grund eines später gestellten Antrages ausschließt), sowie verneinendenfalls,

b) eine lange Verfahrensdauer überhaupt bzw. im besonderen in der hier gegebenen konkreten Erscheinungsform die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG rechtfertigt.

Gemäß § 4 Z 2 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch zu gewähren, wenn die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages nicht gelingt, außer der Unterhaltsschuldner ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung nicht imstande. Daraus folgt zunächst, daß eine wie immer gelungene Titelschöpfung der Vorschußgewährung nach dieser Gesetzesstelle entgegensteht (Knoll, Kommentar zum UVG, 31 Rz 8). Zweifellos ist die Festsetzung eines Unterhaltsbeitrages gelungen, auch wenn der betreffende Beschluß noch nicht rechtskräftig ist, weil § 4 Z 2 UVG nicht auf die Vollstreckbarkeit (wie § 4 Z 1 UVG oder § 3 Z 1 UVG) und als regelmäßige Voraussetzung dafür auf die Rechtskraft der Entscheidung abstellt.

Andererseits kann solange von einem Gelingen der Festsetzung des Unterhaltsbeitrages nicht gesprochen werden, als nur der innergerichtliche Vorgang der Beschlußfassung selbst - wenn auch mit Bindung des entscheidenden Organs durch Abgabe an die Geschäftsstelle

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gegeben, die Wirksamkeit mangels Zustellung jedoch noch nicht eingetreten ist. Ein den Parteien - vor allem dem Unterhaltsschuldner

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gegenüber unwirksamer Beschluß stellt keine gelungene Festsetzung des Unterhaltsbeitrages dar; dies folgt schon aus dem Begriff der Unwirksamkeit: Ein unwirksamer Beschluß schafft den Rechtsunterworfenen gegenüber insoweit keine andere Rechtslage als gar kein Beschluß. Der erkennende Senat folgt daher der Lehrmeinung (Knoll, aaO, 31 Rz 8), daß von einer gelungenen Titelschöpfung erst aber der Existenz des Titels, dh ab seiner Rechtswirksamkeit, die - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - erst mit Zustellung der Entscheidung eintritt, gesprochen werden kann.

§ 4 Z 2 UVG stellt auf das Gelingen einer Unterhaltsfestsetzung ab, sieht aber nicht die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen schlechthin für die Dauer des Verfahrens über den Unterhaltsfestsetzungsantrag vor. Ein "Nichtgelingen" setzt nämlich ein Bemühen darum voraus:

Worauf gar nicht hingearbeitet wird, kann weder gelingen noch mißlingen. Sachgerechtes Bemühen bedeutet in diesem Zusammenhang das Betreiben des für die Unterhaltsfestsetzung vorgesehenen Verfahrens. Das Nichtgelingen ist daher so zu verstehen, daß die Unterhaltsfestsetzung in einem Zeitraum nicht erfolgt, in welchem allgemein mit einer Entscheidung gerechnet werden kann. Daraus folgt weiter, daß auch während eines laufenden Unterhaltsfestsetzungsverfahrens, in dem wegen auf Seite des Unterhaltsschuldners gelegenen Verfahrensverzögerungen mit einer Entscheidung in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann, eine Unterhaltsvorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG möglich ist (Knoll, aaO, 32 Rz 11; so auch die Judikatur des LGZ Wien - EFSlg 63.668, 66.603, 66.604 ua).

In der hier zu beurteilenden Rechtssache waren zur Zeit der (neuerlichen) Antragstellung auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (ON 75) seit Einbringung des Unterhaltsantrages schon ein halbes Jahr, vor allem aber seit der Beschlußfassung schon fast vier Monate vergangen, ohne daß absehbar war, ob bzw wann die Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses im Rechtshilfeweg bewirkt werden könnte. Tatsächlich ist ein Zustellnachweis bis heute nicht eingelangt. Die Zustellung selbst erfolgte - nach den Angaben des Unterhaltspflichtigen in seinem Rekurs gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluß - erst am , also ca ein Jahr nach Einleitung des Verfahrens und ca 10 Monate nach Beschlußfassung. Nach dem Verfahrensstand zur Zeit des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen waren daher die Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG erfüllt. Allenfalls hätte bei damaliger sofortiger Entscheidung die Vorschußgewährung auf ein halbes Jahr erfolgen können, um die Entwicklung des Zustellvorganges abzuwarten und erforderlichenfalls den Unterhaltsvorschuß weiterzugewähren.

Die Tatsache, daß inzwischen infolge (vermutlich) erfolgter Zustellung die Unterhaltsfestsetzung gelang, hindert nicht die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen für die Zeit ab Antragstellung, die bei sofortiger, der Sachlage nach richtiger Entscheidung damals hätte erfolgen sollen. Das Kind, dem Unterhaltsvorschüsse zustehen, darf nicht durch eine zunächst unrichtige Entscheidung wegen der in der Zwischenzeit geänderten Verhältnisse um seinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gebracht werden. Der erkennende Senat teilt daher nicht die in EFSlg 49.066 veröffentlichte andere Rechtsansicht eines Rekursgerichtes. Er will daher auch nicht die von Knoll, aaO, 31 Rz 8, ganz allgemein geäußerte Meinung, daß eine gelungene Titelschöpfung zur Abweisung des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG zu führen hat, auch für den Fall als richtig anerkennen, in dem an sich bei richtiger und rechtzeitiger Entscheidung ein Unterhaltsvorschuß zuzuerkennen gewesen wäre.

Der Höhe nach richten sich die Unterhaltsvorschüsse nach § 6 Abs 2 Z 2 UVG (s die in JABl 1992/3 und 1993/6 veröffentlichten Beträge).

Die erforderlichen Anordnungen (§ 13 UVG) hat in analoger Anwendung des § 527 Abs 1 ZPO das Erstgericht zu treffen (1 Ob 503/91).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1993:0050OB00509.93.0713.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-75054