OGH 14.02.1973, 5Ob17/73
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Greissinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Winkelmann, Dr. Marold, Dr. Scheiderbauer und Dr. Friedl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Fasching, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Leopold L***** vertreten durch Dr. Alfred Lukesch und Dr. Eduard Pranz, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Übergabe einer Liegenschaft und Übertragung des Eigentumsrechts (Streitwert 100.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 7 R 198/72-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom , GZ 2 a Cg 599/72-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben; dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der Klägerin neuerlich zu entscheiden.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin und der Beklagte sind Geschwister. Ihr Vater, Franz L*****, hat mit Übergabsvertrag vom 2 seine Liegenschaft EZ ***** KG ***** dem Beklagten übergeben. Das Eigentumsrecht des Beklagten ist grundbücherlich einverleibt.
Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin von ihrem Bruder die Übergabe zweier zu der genannten Liegenschaft gehörender Grundstücke – Nr ***** Baufläche mit dem Haus ***** Nr ***** sowie Nr ***** Garten –, ferner die Übertragung des Eigentumsrechtes an diesen beiden Grundstücken. Franz L***** habe der Klägerin, welche von Kindheit an kränklich und nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu erhalten, zur wenigstens teilweisen Sicherstellung ihres Lebensunterhalts versprochen, ihr das Haus ***** Nr ***** zu übergeben. Zu einer tatsächlichen Übergabe sei es aber nicht gekommen, weil die Klägerin noch nicht geheiratet hatte und ihr Vater daher befürchtete, sie würde das Haus allein nicht erhalten können. In der Folge sei dann der Übergabsvertrag vom mit dem Beklagten abgeschlossen worden. Die Klägerin könne sich aber erinnern, dass ihr Vater vor der Unterfertigung dieses Vertrags ausdrücklich erklärt habe, die Klägerin werde im Fall ihrer Verehelichung das Haus ***** Nr ***** von ihrem Bruder bekommen, sie habe deshalb auch den Notariatsakt mitunterfertigt, ohne dessen Inhalt allerdings im Einzelnen zu kennen. Obwohl die Klägerin nun im Oktober 1970 tatsächlich geheiratet habe, verweigere der Beklagte die Übergabe der Liegenschaft.
Der Beklagte wendete ein, dass von einer Zusicherung Franz L*****s, wie sie die Klägerin behauptet, niemals die Rede gewesen sei. Selbst wenn aber eine solche Zusage gemacht worden sein sollte, wäre sie als Schenkungsversprechen ohne wirkliche Übergabe mangels der Form eines Notariatsakts ungültig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Die Liegenschaft EZ ***** KG ***** hatte ursprünglich den Eltern der Parteien gehört. Nach dem Tod der Mutter Leopoldine L***** schloss Franz L***** am mit dem Beklagten einen notariellen Übergabsvertrag (Beilage ./2), mit welchem er die bereits zur Hälfte in seinem Eigentum stehende, zur anderen Hälfte aufgrund der Verlassenschaftsabhandlung nach Leopoldine L***** übernommene Liegenschaft – zu welcher außer dem jetzt von der Klägerin in Anspruch genommenen Haus samt Garten noch mehrere Acker-, Weide- und Weingartengrundstücke im Gesamtausmaß von nicht ganz 1,5 ha gehörten – dem Beklagten übergab. Den Übergabspreis von 13.467,50 S berichtigte der Beklagte durch Zahlung eines mütterlichen Erbteils von 5.000 S an seinen Bruder Karl F*****, Berücksichtigung seiner eigenen Erbteilsforderung von 4.233,75 S sowie Verrechnung eines weiteren Betrags von 4.233,75 S für ein der Klägerin eingeräumtes Wohnungs- und Ausnahmsrecht; das unentgeltliche Wohnungsrecht der Klägerin sollte allerdings im Fall ihrer Verehelichung erlöschen. Außerdem wurde noch für den Übergeber Franz L***** ein lebenslanges Wohnungs-, Fruchtgenuss- und Ausnahmsrecht vereinbart.
Franz L*****, welcher schon seit drei Jahren bettlägrig ist, wird derzeit von der Klägerin betreut. Die ihm zustehenden Ausnahmsleistungen erbringt im Einvernehmen mit dem Beklagten Rosa G*****, eine Schwester der Parteien. Die am geborene Klägerin heiratete am den jetzt 70-jährigen Theodor R*****, welchen sie aufgrund eines Zeitungsinserats kennengelernt hatte. Theodor R***** wohnt in Wien, die Klägerin in *****; beide besuchen einander nur einmal im Monat. Die Klägerin erhält von ihrem Mann keinen Unterhalt, bekommt aber von ihrer Schwester Rosa G***** monatlich 100 S für die Betreuung des Vaters und lebt im Übrigen „von dem, was ihr der Vater übrigläßt“. Der Gatte der Klägerin hatte geglaubt, dass das Haus in ***** der Klägerin gehöre, weil sie ihm gesagt hatte, dass ihr der Vater das Haus gegeben hätte, wenn sie heirate. Theodor R***** erklärte der Klägerin, dass er sie nicht geheiratet hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie gar kein Haus besitze. Die Klägerin sagte deshalb zu ihm, sie werde das Haus noch bekommen. Franz L***** dagegen erklärte, es sei nie davon die Rede gewesen, dass die Klägerin das Haus bekomme. Als die Klägerin nach ihrer Eheschließung den Beklagten darauf ansprach, dass sie das Haus haben wolle, erwiderte der Beklagte, er baue sich ohnehin selbst ein Haus und stehe auf das alte Haus nicht an.
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist ebensowenig wie zwischen Franz L***** und dem Beklagten jemals eine Vereinbarung zustande gekommen, wonach sich der Beklagte verpflichtet hätte, der Klägerin im Fall ihrer Verehelichung das Haus ***** Nr ***** samt Garten zu übergeben.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht einen Anspruch der Klägerin auf Übergabe des Hauses schon deshalb, weil die von ihr behauptete Vereinbarung nicht erwiesen worden sei; davon abgesehen, würde es sich bei dieser angeblichen Zusage ihres Vaters um ein Schenkungsversprechen ohne wirkliche Übergabe handeln, welches mangels Einhaltung der hiefür vorgeschriebenen Form des Notariatsakts unverbindlich wäre.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 50.000 S übersteige. Es hielt, ohne auf die geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung weiter einzugehen, das Klagebegehren schon aus rechtlichen Erwägungen für unbegründet und undurchsetzbar: Rechtsgrund der Klage könne nur ein zwischen dem Beklagten und seinem Vater zum Vorteil der Klägerin abgeschlossener Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB oder ein zeitlich beschränktes Eigentum (Treuhandeigentum) des Beklagten im Sinne des § 358 ABGB sein. In beiden Fällen fehle es aber nicht nur an entsprechendem Tatsachenvorbringen, sondern insbesondere auch an den notwendigen rechtlichen Voraussetzungen. Der unbestrittene Wortlaut des notariellen Übergabsvertrags Beilage ./2 sei nach seiner Natur und seinem Zweck mit dem Prozessstandpunkt der Klägerin schlechthin unvereinbar, weshalb sich auch jede weitere Erörterung in dieser Richtung erübrige. Die behauptete mündliche Zusage des Vaters der Parteien könnte aber nur ein Schenkungsversprechen ohne wirkliche Übergabe begründen, welches mangels eines Notariatsakts rechtsunwirksam wäre. Der Einwand der Klägerin, dass kein Schenkungsversprechen, sondern eine Vertragsbedingung vorliege, welche keiner bestimmten Form bedurft hätte, sei schon deshalb unberechtigt, weil die Klägerin nicht Partnerin des Übergabsvertrags zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder gewesen sei und infolgedessen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit dieses – unbedingt abgeschlossenen – Rechtsgeschäfts nehmen könne.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird von der Klägerin mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag angefochten, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen, allenfalls die Entscheidung der zweiten Instanz dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde.
Der Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.
Im angefochtenen Urteil wird zutreffend ausgeführt, dass als Rechtsgrund des von der Klägerin erhobenen Anspruchs auf Herausgabe der Liegenschaft und Abtretung des bücherlichen Eigentums nur ein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB, allenfalls die Einräumung eines zugunsten der Klägerin zeitlich beschränkten Eigentums an den Beklagten in Betracht kommen. Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, wenn es ein entsprechendes Tatsachenvorbringen der Klägerin in dieser Richtung vermisst: Die Klageerzählung enthält zwar keinerlei Einzelheiten über die angebliche Zusage Franz L*****s gegenüber der Klägerin und insbesondere auch keine ausdrückliche Behauptung über eine vom Beklagten in dieser Richtung übernommene Verpflichtung; dem Vorbringen der Klage, Franz L***** habe vor der Unterfertigung des Übergabsvertrags ausdrücklich erklärt, dass die Klägerin das Haus ***** Nr ***** im Fall ihrer Verehelichung bekommen würde – weshalb die Klägerin den Übergabsvertrag mitunterfertigt habe –, kann aber im Zusammenhang mit der weiteren Behauptung, ihr Vater habe ihr gelegentlich der Unterfertigung des Übergabsvertrags ausdrücklich zugesichert, dass sie im Fall ihrer Verehelichung das genannte Haus „von ihrem Bruder ... zu bekommen habe“, wogegen sich der Beklagte jetzt weigere, „seiner Verpflichtung nachzukommen“, doch immerhin hinlänglich deutlich entnommen werden, dass die Klägerin damit behaupten wollte, der Beklagte habe sich beim Abschluss des Vertrags vom seinem Vater gegenüber zusätzlich verpflichtet, der Klägerin bei ihrer Heirat das Haus und den Garten zu überlassen. Nichts anderes als eine solche neben dem schriftlichen Übergabsvertrag vereinbarte, auf den Zeitpunkt der Verehelichung der Klägerin abgestellte Übergabsverpflichtung des Beklagten meint die Klägerin offenbar auch dort, wo sie – im Rechtsmittelverfahren – von einer „Vertragsbedingung“ spricht, ohne die der Übergabsvertrag nicht zustande gekommen wäre; mit einer „Einflußnahme auf die Wirksamkeit des ohne Bedingung abgeschlossenen Übergabsvertrages“ durch „Geltendmachung von Willensmängeln der Vertragsparteien“ durch die Klägerin hat dieses Vorbringen jedenfalls entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nichts zu tun.
Nicht im Recht ist das Berufungsgericht aber auch, wenn es – insoweit der Hilfsbegründung des Erstgerichts folgend – meint, die von der Klägerin behauptete Übergabszusage wäre auch dann, wenn sie erwiesen wäre als bloßes Schenkungsversprechen ohne Notariatsakt rechtsunwirksam. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom EvBl 1969/253 ausgeführt hat, ist die vertragliche Verpflichtung des Übernehmers einer bäuerlichen Wirtschaft, die Liegenschaft seinerzeit einem Dritten – durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen – zu hinterlassen, ein echter Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB; das „Besitznachfolgerecht“ des Berechtigten wurzelt in dem zwischen dem Übergeber als dem Versprechensempfänger und dem Übernehmer als Versprechenden abgeschlossenen Vertrag. Nur dieses Rechtsverhältnis zwischen den unmittelbaren Vertragspartnern (das sogenannte „Deckungsverhältnis“) ist aber für die Frage der einzuhaltenden Form maßgebend, nicht etwa das „Valutaverhältnis“ zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten oder das „Einlösungsverhältnis“ zwischen diesem und dem Versprechenden (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 224 f, 227 f; Ehrenzweig2 II/1, 201; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 144 f); auch wenn also der Dritte vom Versprechensempfänger beschenkt werden soll, bedarf der zu seinen Gunsten abgeschlossene Vertrag dann nicht der für Schenkungen vorgeschriebenen Form, wenn er selbst formfrei abgeschlossen werden durfte (Gschnitzer in Klang2 aaO 228; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil aaO; zur gleichartigen Regelung des § 328 BGB vgl Heinrichs in Palandt, BGB32, 353 Einführung Vor § 328 Anm 4). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die von der Klägerin behauptete, vom Beklagten angeblich seinem Vater gegenüber übernommenen Verpflichtung zur Übergabe der Liegenschaft selbst dann nicht der Form eines Notariatsakts bedurft hätte, wenn Franz L***** damit der Klägerin eine unentgeltliche Zuwendung hätte machen wollen, kommt es doch, wie ausgeführt, für die Form der Vereinbarung allein auf das Deckungsverhältnis zwischen Franz L***** und dem Beklagten und damit auf den – ohnehin in der Form eines Notariatsakts abgeschlossenen – bäuerlichen Übergabsvertrag vom an.
Mit der Begründung, die von der Klägerin behauptete Übergabszusage sei als formloses Schenkungsversprechen ohne wirkliche Übergabe rechtsunwirksam, kann daher das Klagebegehren nicht abgewiesen werden. Das Berufungsgericht wird sich infolgedessen mit den übrigen Berufungsgründen zu befassen und dann eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin zu fällen haben. Ob es dabei die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung für erforderlich hält, bleibt gemäß § 492 Abs 2 ZPO seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. Bei seiner Entscheidung wird das Berufungsgericht aber jedenfalls beachten müssen, dass die Anleitungspflicht des Richters im Sinne des § 182 ZPO gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien zwar sicherlich nicht so weit geht, dass der Richter gleichsam als Vertreter dieser Parteien aufzutreten hätte – so auch die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung JBl 1971, 204 –, dass aber § 182 Abs 1 ZPO das Gericht auch dann verpflichtet, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen ins Klare zu setzen und auf eine Ergänzung und Vervollständigung mangelhaften Parteienvorbringens hinzuwirken, wenn die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten sind (SZ 41/58; JBl 1970, 623 und viele andere; Fasching II 871 § 182 ZPO Anmerkung 1); eine Verletzung dieser Prozessleitungspflicht durch den Erstrichter muss zur Aufhebung seines Urteils wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens führen (SZ 41/148; 6 Ob 109, 144/72 und andere). Erst dann, wenn nach Erfüllung dieser Prozessleitungspflicht des Richters die vorgetragenen Tatsachenbehauptungen noch nicht ausreichen, um den geltend gemachten Anspruch begründen, kann das Klagebegehren wegen mangelnder Schlüssigkeit abgewiesen werden (JBl 1972, 480 ua).
Der Revision musste daher Folge gegeben werden und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1973:0050OB00017.730.0214.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-74865