OGH 12.07.2005, 4Ob68/05m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei M*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 3 R 16/05a-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 14 Cg 3/05m-5, mit Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab:
Die Beklagte wirbt auf ihrer Homepage und in Prospekten unter Verwendung eines bestimmten Siegels mit der „Österreich Bauernhofgarantie" und der Aussage, Fleisch stamme ausschließlich von österreichischen Bauernhöfen; an Hand des Etiketts auf jeder „Fleischtasse" könne der Kunde die Herkunft des Fleisches lückenlos bis zum Herkunftsbauernhof zurückverfolgen; Name und Adresse des Herkunftsbauernhofs seien (unter anderem) Etikettenbestandteil. Tatsächlich ist eine Rückverfolgbarkeit für den Kunden bei gemischten Produkten - darunter ist Frischfleisch von verschiedenen Tierrassen (etwa Schwein und Rind) und Frischfleisch von verschiedenen Teilen eines Tiers (etwa Schweinebauch und -schopf) in einer Packungseinheit zu verstehen, etwa „Faschiertes gemischt", „Schweinefleisch für Reisfleisch oder Gulasch", „Cevapcici und Pusstalaibchen gewürzt", „Grilltasse mariniert" und „Grillspezialitäten vom Schwein" zu verstehen - nicht möglich, weil ein Herkunftsbauernhof nicht angegeben ist. Dennoch verwendet die Beklagte auch für diese Produkte die Etiketten „Bauernhofgarantie" mit dem Siegel „Österreich Bauernhofgarantie".
Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die Beurteilung der beanstandeten Werbung als zur Irreführung geeignet der Rechtsprechung krass widerspreche. Mit dem Aufdruck des Bauernhofgarantie-Emblems werde zum Ausdruck gebracht, das gemischte Produkt sei ausschließlich aus Fleisch österreichischer Herkunft hergestellt. Diese Aussage sei richtig. Dass bei mit dem Emblem versehenen Fleisch auf dem Etikett grundsätzlich der Herkunftsbauernhof aufgedruckt sei und dass die Beklagte mit diesem Vorzug werbe, begründe keine Irreführungsgefahr. Der Konsument bemerke beim Betrachten des Etiketts eines gemischten Produkts sofort, dass kein Herkunftsbauernhof aufgedruckt ist, sondern statt dessen „Österreichische Qualität". Beachte der Konsument das Etikett nicht, so werde er auch nicht irregeführt.
Die Beklagte macht damit geltend, dass es zu der - wenn das Fleischprodukt tatsächlich aus Österreich stammt - allein zu befürchtenden Irreführung über die Möglichkeit, die Herkunft des Produkts bis zum Bauern zurückzuverfolgen, gar nicht kommen könne. Sie verkennt dabei, dass das Bauernhofgarantie-Emblem nach der durch die Werbung der Beklagten geprägten Vorstellung die Rückverfolgbarkeit der Ware zum Herkunftsbauern gewährleistet. Wer daher ein mit diesem Emblem versehenes Produkt sieht, wird annehmen, dass die Zusicherung, ein österreichisches Produkt zu erhalten, auch überprüft werden kann.
Dieser Irrtum wird nicht schon dadurch aufgeklärt, dass der Herkunftsbauernhof auf dem Etikett nicht angegeben ist. Soweit dies bei der beim Kauf derartiger Produkte vorauszusetzenden (geringen) Aufmerksamkeit überhaupt auffällt und nicht allein das Emblem ins Auge springt, bleibt jedenfalls die nicht von vornherein ausgeschlossene Möglichkeit, dass die Rückverfolgbarkeit durch andere Angaben, wie etwa durch Chargennummern, gewährleistet sei. Die Beklagte hat dazu in erster Instanz nur vorgebracht, sie könne die österreichische Herkunft der Produkte lückenlos nachweisen; dass sie auch den Herkunftsbauernhof (die Herkunftsbauernhöfe) für das konkrete Fleischprodukt angeben könne, hat sie hingegen nicht behauptet.
Nach dem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt kann daher von einer rechtzeitigen Aufklärung des Irrtums über die Rückverfolgbarkeit der Ware zum Herkunftsbauern keine Rede sein. Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang im Übrigen darauf ab, ob die Gefahr besteht, dass trotz Aufklärung des Irrtums das ursprünglich beabsichtigte oder ein anderes Geschäft abgeschlossen wird (4 Ob 2338/96v = ÖBl 1997, 172 - D-SCHULEN unter Hinweis auf EuGH Slg 1992 I 131 - NISSAN).
Zu Punkt 2 des Unterlassungsgebots macht die Beklagte geltend, nach dem bescheinigten Sachverhalt könne ihr nicht verboten werden zu behaupten, die Produkte stammten von Tieren, die ausschließlich in Österreich geboren, gefüttert und geschlachtet wurden. Diese Angaben seien wahr.
Richtig ist, dass das für die Mischprodukte verwendete Fleisch nach dem festgestellten Sachverhalt aus österreichischen landwirtschaftlichen Betrieben stammt. Diese Aussage wird der Beklagten aber auch nicht isoliert verboten. Das Unterlassungsgebot erfasst sie nur soweit, als sie mit der Behauptung verbunden ist, die Rückverfolgbarkeit zum Herkunftsbauernhof sei gewährleistet.
Die Beklagte macht schließlich noch geltend, die Werbeaussage, wonach bei den mit dem Bauernhofgarantie-Emblem versehenen Produkten die Rückverfolgbarkeit zum Herkunftsbauernhof gewährleistet sei, gelte nur für „Fleischtassen", nicht aber auch für „Fleischprodukte", zu denen Mischprodukte zu zählen seien. Selbst wenn aber unter „Fleischtassen" auch Mischprodukte zu verstehen wären, könne dies das begehrte Unterlassungsgebot nicht rechtfertigen. Verboten könnte der Beklagten nur die Behauptung werden, der Konsument finde „auf jeder Fleischtasse" den Herkunftsbauernhof. Ein solches Gebot habe die Klägerin nicht begehrt.
Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, als das Unterlassungsgebot diese - nach dem maßgebenden Verständnis der beteiligten Verkehrskreise - unrichtige Werbeaussage nicht (unmittelbar) erfasst. Daraus folgt aber nicht, dass das begehrte Unterlassungsgebot nicht gerechtfertigt wäre. Es verfolgt den gleichen Zweck. Darf die Beklagte das Bauernhofgarantie-Emblem für Mischprodukte nicht mehr verwenden, so ist - vorausgesetzt, dass auf allen „Fleischtassen" der Herkunftsbauernhof angegeben ist - die Werbeaussage nicht mehr unrichtig.
Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00068.05M.0712.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-74657