OGH 28.04.1999, 3Ob84/99w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sara-Karma F*****, geboren am , infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Christine F*****, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 1 RM 81/98x-41, womit infolge Rekurses der Mutter der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom , GZ 11 P 14/98z-36, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird unterbrochen.
2. Das Bezirksgericht Döbling als zuständiges Pflegschaftsgericht wird gemäß § 6a ZPO davon verständigt, daß sich bei der Revisionsrekurswerberin Christine ***** Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf das vorliegende Pflegschaftsverfahren ergeben haben.
Text
Begründung:
Nach dem zur Erziehungsfähigkeit der Mutter eingeholten Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Werner L***** vom (ON 10) leidet diese unter einer paranoiden Schizophrenie, welche am Untersuchungstag völlig unbehandelt war. Diese Diagnose steht im Einklang mit den aktenkundigen Eindrücken einer Sozialpädagogin sowie eines Begutachtungsberichtes der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters vom sowie eines Kurzbefundes derselben Klinik vom (jeweils ON 1). Auch die von der Mutter eingebrachten Schriftsätze (zB der verspätete Rekurs ON 38) und der vorliegende Revisionsrekurs deuten keineswegs darauf hin, daß sie in der Lage wäre, ihre Verfahrensrechte ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Es liegen daher im Hinblick auf die Revisionsrekurswerberin Verdachtsmomente vor, die auf ein Fehlen ihrer Prozeßfähigkeit infolge einer psychischen Krankheit hinweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, daß auch im Verfahren außer Streitsachen die §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß anzuwenden sind (SZ 49/156; 8 Ob 605/85; EFSlg 73.319; RZ 1996/43, 144 = EFSlg
79.432. Nichts anderes kann aber dann für § 6a ZPO gelten (so auch Maurer, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis**2, Rz 7 zu § 6a ZPO, für die Parteien; allgemein Gitschthaler, Die Verständigungspflicht des § 6a ZPO idF des SachwG und ihre Auswirkungen, JBl 1992, 291, und die von ihm in FN 12 zit L), der den Weg vorgibt, wie eine Prozeßunfähigkeit im Sinne des § 6 Abs 2 ZPO saniert werden kann. Für das Verfahren zur Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens gemäß §§ 229 ff AußStrG wurde bereits in der (insoweit nicht veröffentlichten) Entscheidung 2 Ob 564/88 gegen ein solches Vorgehen eines Rekursgerichtes kein Einwand erhoben. Die Anwendung von § 6a ZPO im Revisionsverfahren wurde vom Obersten Gerichtshof bereits bejaht (SSV-NF 6/57; allgemein für alle Rechtsmittelgerichte von Gitschthaler, aaO bei FN 16; nunmehr auch Maurer, aaO Rz 15), für eine andere Beurteilung im Revisionsrekursverfahren nach dem AußStrG sind keine Gründe erkennbar.
Es ist somit nach § 6a vorzugehen. Hiezu hat der erkennende Senat in der Entscheidung 3 Ob 2322/96h mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, daß in einem solchen Fall das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO zu unterbrechen ist. Für den Anwendungsbereich des § 6a ZPO muß dies auch im Verfahren außer Streitsachen gelten, wenngleich in diesem Verfahren die Unterbrechung in der Rechtsprechung im allgemeinen als nicht zulässig angesehen wird (s RIS-Justiz RS0006448; für die Zulässigkeit des "Innehaltens" aber etwa Miet 39.817; EF 55.367 je mwN). Es war daher die Unterbrechung des Verfahrens, das über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter der Pflegebefohlenen durchzuführen ist, anzuordnen.
Das nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter (§ 109 Abs 1 JN) als Pflegschaftsgericht zuständige Bezirksgericht Döbling wird zu beurteilen haben, ob es im Fall der Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters angesichts der Dringlichkeit des gegenständlichen Verfahrens für dieses einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG bestellt.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Zechner und Dr. Sailer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sara-Karma F*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Rekurs der Mutter Christine F*****, vertreten durch die einstweilige Sachwalterin Dr. Renate Pfenningstorff, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 RM 81/98x-41, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Das unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.
2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss vom ordnete das Erstgericht die volle Erziehung für die minderjährige Sara-Karma bis zur Rechtskraft der Entscheidung an und übertrug mit dieser Rechtskraft die volle Obsorge an die mütterlichen Großeltern, denen es verbot, das Kind jemals allein in Gegenwart der Mutter zu belassen oder ihr allein zu überlassen. Das Erstgericht stellte bei der Mutter auf Grund eines psychiatrischen Gutachtens eine - von ihr allerdings gut "kaschierte" - paranoide Schizophrenie und eine hohe Neigung, ihr Kind von der Umwelt abzukapseln, fest. Daraus folgerte es eine Unfähigkeit der Mutter, ohne Gefährdung des Kindeswohls ihren Rechten und Pflichten im Rahmen der Obsorge zu entsprechen Dieser Beschluss wurde der Mutter am zugestellt.
Ihrem am bei Gericht überreichten Rekurs gab ein Rekurssenat desselben Gerichtes nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Obsorgefragen einheitlich sei.
Aus Anlass ihres Revisionsrekurses übermittelte der erkennende Senat den Akt dem für die Mutter zuständigen Pflegschaftsgericht. Dieses bestellte mit Beschluss vom eine einstweilige Sachwalterin zur Vertretung der Mutter in diesem Verfahren. Diese genehmigte sämtliche Rechtsmittel der Mutter.
Demnach ist nunmehr der Unterbrechungsgrund weggefallen und das Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs fortzusetzen.
Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht daraus, dass der - nunmehr genehmigte - Rekurs der Mutter gegen den erstinstanzlichen Beschluss nach der Aktenlage verspätet gewesen und auch nicht nach § 11 AußStrG behandelt werden hätte können, haben doch die Eltern der Mutter, denen die Obsorge übertragen wurde, dadurch auch Rechte erworben (vgl § 144 S 1 ABGB). Jedenfalls im Zweifel ist aber - was ihr mangels Auswirkung auf andere Verfahren nicht schaden kann - davon auszugehen, dass der Mutter bereits im Zeitpunkt der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung die Prozessfähigkeit fehlte, wie aus dem am Tag der Beschlussausfertigung vom Erstrichter angefertigten Amtsvermerk zu schließen ist. Damit konnte die in der Folge vorgenommene Zustellung den Beginn der Rekursfrist nicht bewirken, weshalb der Rekurs im Ergebnis doch rechtzeitig war.
In ihrem, im Wesentlichen nur aus glossierenden Bemerkungen auf einer Kopie der Rekursentscheidung bestehenden Revisionsrekurs, wird, weil darin Rechtsausführungen nicht erkennbar sind, keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht. Eine auffallende Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes, das sich auf auch auf eine einheitliche (wenngleich von ihm nicht zitierte) Rechtsprechung stützen konnte (vgl etwa zu vorläufigen Maßnahmen die E 129., 142. und 143. sowie zur Übertragung der Obsorge die E zu 2. und 3. je zu § 176 in MGA ABGB35), wird darin nicht dargtan und ist darin auch nicht zu erkennen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1999:0030OB00084.99W.0428.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-73849