OGH 27.02.2003, 2Ob82/02a
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG *****, vertreten durch Endl Pressl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) Michael S*****, 2.) Michael S***** und 3.) Michael S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen EUR 12.649,07 sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 203/01f-8, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 1 Cg 108/01a-4 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei ist Eigentümerin der Lichtwellenleiterverbindung zwischen Radstadt und Mandling, die unter anderem unter dem Grundstück 873/1 KG S***** liegt. Dieses Grundstück steht im Eigentum der Republik Österreich. Hinsichtlich des Kabelverlaufes wurde ein Nutzungsvertrag mit der Grundstückseigentümerin geschlossen. Angrenzend an das Grundstück 873/1 betreibt Albert W***** auf den Grundstücken 102/3 und 108/2 KG S***** einen Schrottplatz. Albert W***** erteilte der erstbeklagten Partei den Auftrag, Drainagearbeiten durchzuführen. Im Zuge dieser Arbeiten wurde auf Höhe des sogenannten Zielpunktes 332 die Lichtwellenleitung abgerissen, wobei die Unterbrechung der Lichtwellenleitung am unmittelbar nach den Grabungsarbeiten der erstbeklagten Partei festgestellt wurde.
Die klagende Partei hat den Kabelschaden behoben, wofür Reparaturkosten in Höhe des Klagebetrages aufgelaufen sind. Die zweit und drittbeklagten Parteien sind persönlich haftende Gesellschafter der erstbeklagten Partei.
Die klagende Partei brachte noch vor, die erstbeklagte Partei sei vor Beginn der Grabungsarbeiten verpflichtet gewesen, Nachforschungen über im Erdreich verlaufende Leitungen anzustellen. Die erstbeklagte Partei treffe eine vertragliche Nebenleistungsverpflichtung gegenüber der klagenden Partei, Kabel und Leitungen, die sich im unmittelbaren Gefahrenbereich befänden, nicht zu beschädigen.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Grabungsarbeiten seien ausschließlich auf den Grundstücken des Albert W***** durchgeführt worden, wobei in der Natur keinerlei Zeichen ersichtlich gewesen seien, wonach erkennbar gewesen wäre, dass auf fremdem Grund gearbeitet werde. Im Zuge der Grabungsarbeiten sei der Baggerfahrer der erstbeklagten Partei auf die Lichtwellenleitung gestoßen. Dieser habe Albert W***** auf das Kabel hingewiesen. Albert W***** habe sodann dem Baggerfahrer gegenüber angegeben, dass es sich um ein altes, nicht mehr in Funktion befindliches Kabel handle und er dieses Kabel zu entfernen habe. Als sich nachträglich herausgestellt habe, dass es sich bei diesem Kabel um eine nach wie vor in Betrieb befindliche Lichtwellenleitung der klagenden Partei handle, habe Albert W***** erklärt, diesen Vorfall seiner Haftpflichtversicherung zu melden. Darüber hinaus habe er zugestanden, die Anweisung zur Durchtrennung des Kabels gegeben zu haben.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es führte rechtlich aus, nach ständiger Rechtsprechung habe der mit Grabungsarbeiten beauftragte Unternehmer die Pflicht, vor Grabungsarbeiten in verbautem Gebiet sich bei den zuständigen Stellen wie Post- und Telegraphenverwaltung, Strom- und Gasversorgungsunternehmen nach dem Verlauf unterirdischer Einbauten zu erkundigen. Unterlasse ein Bauführer bzw sein Bauleiter die Nachfrage, verstoße er gegen die Schutzpflicht zu Gunsten des Dritten, dem durch die Beschädigung von Einbauten ein Schaden entstehe. Eine Schadenersatzpflicht des verantwortlichen Bauführers bestehe auch dann, wenn sich die örtliche Lage einer derartigen Baustelle im unverbauten Gebiet befinde, der Bauführer jedoch Anhaltspunkte für den Kabelverlauf erhalten habe und ihm daher eine Anfrage bei den zuständigen Stellen zumutbar sei. Hier sei die Haftung der beklagten Parteien gegeben. Die unterirdische Kabeltrasse sei zwar im unverbauten Gebiet gelegen, doch sei der Baggerfahrer im Zuge der Grabungsarbeiten auf dieses Kabel gestoßen. Das Kabel sei erst nach einer Besprechung mit Albert W***** beschädigt worden, ohne dass vorher bei der klagenden Partei Erkundigungen eingeholt worden seien, ob das Kabel entfernt werden könne.
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei, änderte diesen Ausspruch aber über Antrag nach § 508 ZPO dahingehend ab, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde.
Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und zitierte auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach selbst Erklärungen von Beamten des öffentlichen Bauherren bei einer Baubesprechung, dass keine Einbauten zu berücksichtigen seien, den Bauführer nicht von der Pflicht zu den üblichen Erhebungen und Anzeigen, wie sie in den branchenbekannten Kabelschutzanweisungen formuliert seien, entheben (6 Ob 736/79). Die erstbeklagte Partei hätte sich daher nicht begnügen dürfen, lediglich die Auskunft des Grundstückseigentümers einzuholen, weil gerade das mit solchen Einrichtungen verbundene gefahrenträchtige Schadensmoment vom Unternehmer im Sinne des § 1299 ABGB besondere Sorgfalt erfordere. Die besondere Diligenzpflicht eines gewissenhaften Bauunternehmers verpflichte diesen, von der Post- und Telegraphenverwaltung oder von den Elektritzitätsunternehmen Auskunft über die genaue Lage und Funktion von Kabeln einzuholen (SZ 46/78). Daran hätte auch nichts geändert, dass für den Baggerfahrer die Eigentumsverhältnisse an der Lichtwellenleiterverbindung nicht sofort erkennbar gewesen wäre, weil ein möglicher und durchaus zumutbarer Anruf bei den zuvor genannten Unternehmen hier Abklärung schaffen hätte können.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, unter welchen Bedingungen von einer qualifizierten Anfrage abgesehen werden könnte, somit zu einem gleichgelagerten Sachverhalt, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773). Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach der mit den Grabungsarbeiten beauftragte Unternehmer die Pflicht hat, sich bei entsprechenden Anhaltspunkten für einen unterirdischen Kabelverlauf vor Grabungsbeginn bei den zuständigen Stellen nach unterirdischen Einbauten zu erkundigen (RIS-Justiz RS0038135). Verletzt der Bauführer diese Nachfragepflicht, so verstößt er gegen Schutzpflichten zugunsten des Dritten, dem durch die Beschädigung von Einbauten ein Schaden erwächst (7 Ob 627/95 mwN). Ein Abweichen des Gerichts zweiters Instanz von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist nicht erkennbar.
Es entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass sich der Bauführer nicht damit begnügen darf, dass die Frage nach dem allfälligen Vorhandensein von Kabeln vom Bauherrn oder vom Grundeigentümer verneint wird (5 Ob 136/72; 2 Ob 224/79; 6 Ob 48/02f).
In diesem Sinne darf sich der Unternehmer bei Freilegen eines unterirdisch verlegten Kabels auch nicht mit der Auskunft des diesbezüglich nicht sachverständigen Grundeigentümers oder Bauherren begnügen, es handle sich um ein altes funktionsloses Kabel. Den Unternehmer hätte vielmehr nach den branchenbekannten Schutzbestimmungen auf kurzem Wege Auskunft beim zuständigen Energieversorgungsunternehmen, bzw bei der Post- und Telegraphenverwaltung über die Funktion des freigelegten Kabels einholen müssen.
Das Berufungsgericht hat die Rechtsfragen im Sinne der vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätze beurteilt; eine im Sinn der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00082.02A.0227.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-73309