Suchen Hilfe
OGH 03.03.1994, 2Ob509/94

OGH 03.03.1994, 2Ob509/94

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Paul R*****, vertreten durch Dr.Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Gerlinde R*****, vertreten durch Dipl.Dolm.Dr.Gertraud Guschlbauer-Lepolt, Rechtsanwältin in Leoben, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom , GZ R 803/93-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom , GZ 2 F 8/91-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom rechtskräftig geschieden und gemäß § 61 Abs 3 EheG das Alleinverschulden der Antragsgegnerin an der Zerrüttung ausgesprochen.

Der Antragsteller begehrt, das eheliche Gebrauchsvermögen in der Form zu teilen, daß ihm das Reihenhaus in T*****, H*****weg 41, zugewiesen und gegenüber dem Vermieter des Objektes die Begründung seiner Hauptmietrechte angeordnet werde. Er brachte dazu vor, Eigentümerin dieses Objektes sei die W*****-GmbH in L***** *****, die Antragsgegnerin sei Hauptmieterin. Diese habe die Mietrechte unter Außerachtlassung seiner Ansprüche zugunsten ihres Lebensgefährten zurückgelegt; es liege eine Scheinkündigung vor, welche nichtig sei. Selbst wenn man den Lebensgefährten der Antragsgegnerin (Siegfried K*****) als rechtmäßigen Mieter ansehen würde, bestünde der Aufteilungsanspruch fort, da im Falle einer Auflösung des Mietverhältnisses das Objekt an den Antragsteller trotz Widmung als Dienstwohnung zugewiesen werden könnte. Die Zuweisung wäre im Wege eines "Kontingentabtausches" mit der Stadtgemeinde T***** möglich. Aufgrund der getätigten Investitionen stünden ihm aber jedenfalls zumindest 100.000 S zu; in diesem Umfang werde eventualiter eine Ausgleichszahlung begehrt.

Die Antragsgegnerin wandte ein, ihr sei bei Abschluß der Ehe als Angestellte der V***** die Wohnung als Dienstwohnung zugewiesen worden. Sie sei mit einer Zuweisung der Dienstwohnung durch die V***** an Siegfried K*****, der ebenfalls Angestellter dieses Unternehmens sei, per einverstanden gewesen. Eine Zuteilung der Wohnung an den Antragsteller sei gemäß § 88 EheG nicht möglich. Der Mietvertrag sei im April 1989 einvernehmlich gelöst worden, die Antragsgegnerin habe die Wohnung aufgrund der finanziellen Belastung aufgeben müssen. Der Antragsteller habe nie Maßnahmen nach § 97 ABGB gesetzt. Einer Zuweisung der Wohnung an Betriebsfremde wäre nie zugestimmt worden.

Letztlich verzichtete die Antragsgegnerin auf die weitere Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und erklärte sich bereit, dieses in das Eigentum des Antagstellers zu übertragen. Auf die Zuteilung der ehemals gemeinsamen Ehewohnung lege sie keinerlei Wert.

Das Erstgericht übertrug die in der ehemals gemeinsamen Ehewohnung befindlichen Hausrats- und Einrichtungsgegenstände ins Alleineigentum des Antragstellers, sein Antrag auf Zuweisung des Reihenhauses samt Gartenanteil und PKW-Abstellplatz, in eventu auf Leistung einer Ausgleichszahlung von 100.000 S, wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte fest, daß es sich bei der ehemals gemeinsamen Ehewohnung um eine "werksgebundene Wohnung" handle, für die die V***** GmbH aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Vermieterin das Einweisungsrecht habe; derartige Wohnungen seien zur Deckung des Wohnbedarfes der Mitarbeiter vorgesehen.

Mangels einer gemäß § 88 EheG erforderlichen Zustimmung des Dienstgebers könne diese Wohnung dem Antragsteller nicht zugewiesen werden.

Das vom Antragsteller angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung, es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht verwies darauf, daß die Antragsgegnerin ihr Mietverhältnis mit der Vermieterin per aufgekündigt und Siegfried K***** am einen Mietvertrag abgeschlossen habe. Eine Wohnung, an der der ehemals verfügungsberechtigte Ehepartner seine Rechte bereits (durch Aufkündigung oder Veräußerung) verloren habe, könne mangels Verteilungsmasse nicht mehr aufgeteilt werden (EFSlg 50.260; EvBl 1990/95). Dem Antrag des Mannes auf Zuweisung des beanspruchten Reihenhauses könne damit ebenso wie dem Begehren auf Zuerkennung eines entsprechenden Ausgleichsbetrages nicht entsprochen werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil es an einer klärenden höchstgerichtlichen Judikatur zu Sachverhalten wie dem vorliegenden mangle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung an den Antragsteller vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Der Rekursgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 16 Abs 3 AußStrG, § 510 Abs 3 ZPO).

Der Rekursgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung kann in einem Revisionsrekurs nicht geltend gemacht werden (§ 15 AußStrG).

Im übrigen vertritt der Antragsteller in seinem Rechtsmittel die Ansicht, die Antragsgegnerin habe auf einen Aufteilungsanspruch verzichtet, weil sie erklärt habe, auf die Zuteilung der Ehewohnung keinerlei Wert mehr zu legen. Mangels eines dem Gesuch des Antragstellers entgegengerichteten Antrags hätte antragstattgebend entschieden werden müssen, die Antragsgegnerin habe kein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Vorinstanzen hätten auch nicht beachtet, daß ein Scheingeschäft vorliege und stünde dem Antragsteller schließlich ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadenersatzanspruch zu.

Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung vom , 7 Ob 691/85 (EFSlg 50.260) sei nicht einschlägig, sie setze sich mit dem Grundsatz, daß der Anspruch nach § 97 ABGB im Falle rechtzeitiger Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG im Aufteilungsanspruch des Ehegatten fortbestehe und auch der geschiedene Ehegatte einem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren diesen Anspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Aufteilungsbegehren entgegenhalten könne, nicht auseinander.

Diese Ausführungen sind lediglich zum Teil zutreffend:

Es trifft zwar zu, daß bei rechtzeitiger Antragstellung nach §§ 81 ff EheG der Anspruch nach § 97 ABGB im Aufteilungsanspruch fortlebt und auch der geschiedene Ehegatte einem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren diesen Anspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Aufteilungsbegehren entgegenhalten kann (SZ 58/126; JBl 1987, 518 ua). An Wohnungen, an denen der ehemals verfügungsberechtigte Ehepartner seine Rechte aber bereits verloren hat (etwa durch Aufkündigung oder Veräußerung) kann ein Weiterwirken in der beschriebenen Weise mangels Verteilungsmasse nicht in Betracht kommen. Die Zuweisung einer Ehewohnung nach § 87 Abs 2 EheG wirkt ex nunc, sie kann daher nicht rückwirkend Rechtsverhältnisse gestalten (EFSlg 50.260; EvBl 1990/95). Diese Ansicht der Rechtsprechung wird auch von der Lehre gebilligt (Pichler in Rummel2, Rz 9 zu § 97 ABGB; Schwimann in Schwimann, § 97 ABGB Rz 15); von ihr abzugehen besteht kein Anlaß. Auf die Frage, ob dem Antragsteller Schadenersatzansprüche zustehen und ob auf diese Weise Naturalrestitution begehrt werden kann, ist hier nicht einzugehen, weil ein derartiger Anspruch nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens ist.

Dessen ungeachtet erweist sich die Rechtssache aber noch nicht als spruchreif, weil der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, die Zurücklegung der Mietrechte durch die Antragsgegnerin sei im Zusammenwirken mit ihrem Lebensgefährten und dem Vermieter nur zum Schein erfolgt, um den Antragsgegner um seine Rechte zu bringen. Zum Beweise dieses Vorbringens war auch ein Beweisanbot gestellt worden. Dieser Einwand ist grundsätzlich relevant, weil im Falle einer Scheinkündigung davon auszugehen wäre, daß die Mietrechte nach wie vor der Antragsgegnerin zustünden, so daß auch eine Zuweisung der Bestandrechte nach § 87 Abs 2 EheG an den Antragsteller möglich wäre. Eine zum Schein erfolgte Vertragsauflösung wäre dann anzunehmen, wenn sie dem wahren Willen der Parteien nicht entspricht und die Beendigung des Bestandverhältnisses nur den Zweck hatte, den Antragsteller um seinen Aufteilungsanspruch zu bringen (vgl MietSlg 22.075). Das Erstgericht hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt und darüber keine Feststellungen getroffen, weil es von der Rechtsansicht ausging, gemäß § 88 EheG bedürfte es der Zustimmung des Dienstgebers, um die Wohnung dem Antragsteller zuzuweisen und Hauptmietrechte begründen zu können. Diesbezüglich hat sich das Erstgericht aber weder mit der Frage auseinandergesetzt, ob überhaupt die Ehewohnung aufgrund eines Dienstverhältnisses benutzt oder das Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis begründet wurde (zum Begriff der Dienstwohnung im Sinne des § 88 Abs 1 erster Halbsatz EheG siehe Pichler in Rummel2, Rz 1 zu § 88 EheG), noch hat es bedacht, daß die Dienstwohnung grundsätzlich auch gegen den Willen des Dienstgebers jenem Ehegatten, der nicht Dienstnehmer ist, zugeteilt werden kann (SZ 53/48; EvBl 1981/148). Zusammenfassend erweisen sich sohin die Feststellungen der Vorinstanzen als nicht ausreichend, um den Anspruch des Antragstellers beurteilen zu können.

Unrichtig ist die vom Antragsteller vertretene Ansicht, die Wohnung sei schon allein deshalb ihm zuzuweisen, weil die Antragsgegnerin sich nicht mehr dagegen aussprach. Einerseits ist auch bei Einigkeit beider Ehegatten über die Zuweisung einer nach § 88 EheG qualifizierten Ehewohnung an den betriebsfremden Eheteil über die Rechtfertigung einer ablehnenden Haltung des wohnungsvergebenden Dritten im außerstreitigen Aufteilungsverfahren nach den §§ 229 ff AußStrG zu entscheiden (EvBl 1984/92; MietSlg XXXVII/21 EFSlg 48.999/4), anderseits kann eine Wohnung, die nicht mehr in der Aufteilungsmasse vorhanden ist, nicht zugewiesen werden.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich daher das Erstgericht mit den Fragen der Scheinkündigung bzw des Vorliegens einer Dienstwohnung und einer gerechtfertigten Verweigerung der Zustimmung des Dienstgebers auseinanderzusetzen und darüber Feststellungen zu treffen haben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 234 AußStrG; die dort gebotene Billigkeitsentscheidung ist aufgrund der Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen derzeit noch nicht möglich.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1994:0020OB00509.94.0303.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-73161