Differenzzahlung und Haushaltszugehörigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Tschechien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Ausgleichszahlung ab Dezember 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert, der Antrag auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) wird für die Monate November 2018 bis Jänner 2019 abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Antrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Familienbeihilfe ab Dezember 2015 für das Kind ***1***. Im Antrag gab er u.a. seine Adresse in ***6***, den Namen der Kindesmutter sowie deren Adresse in ***2*** und das Verwandtschaftsverhältnis des Beschwerdeführers zum Kind (Pflegekind) an. Zudem enthielt der Antrag weitere Angaben zum Kind (geboren im April 2010, wohnhaft beim Antragsteller, Besuch der Mittelschule in ***6***).
2. Nach einem Ermittlungsverfahren wies das Finanzamt mit Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausgleichszahlung (wohl richtig Differenzzahlung) für das Kind ***1*** ab Dezember 2015 ab. Das Kind sei weder das leibliche noch Adoptiv-, Enkel-, Stief- oder Pflegekind und somit kein Kind iSd FLAG 1967.
3. In der Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor, faktisch könne sehr wohl bei dem Kind ***1*** von einer Eigenschaft als Pflegekind ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer lebe schon seit Jahren im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter und bilde mit ihr eine Lebensgemeinschaft, welche eine wirtschaftliche und stabile Basis für das Leben des Kindes darstelle. Der gemeinsame Haushalt werde durch eidesstattliche Erklärungen der Nachbarn bescheinigt und liege daher zweifellos vor. In den nächsten Tagen würden die Hauptwohnsitze vereinigt. Der leibliche Vater habe das Kind während des gesamten Anspruchszeitraumes lediglich einmal monatlich und ohne Übernachtung besucht bzw. gesehen. Er beantrage daher die Zuerkennung der Familienleistungen.
4. Nach einem weiteren Ermittlungsverfahren wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Begründend führte es aus, der Beschwerdeführer habe lediglich angegeben, er würde eine "gesunde Vater-Sohn-Beziehung" pflegen. Es liege nur eine eidesstattliche Erklärung des Bürgermeisters vor, dass der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter und dem Kind seit zusammenleben würde. Die tschechische Behörde habe dem Finanzamt jedoch mehrmals mitgeteilt, dass erst seit eine eheähnliche Gemeinschaft mit der Kindesmutter und somit ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind bestehe. Er werde auch erst ab Antragstellung in Tschechien () als mitveranlagte Person geführt, weshalb nicht schon vorher von einer Haushaltsgemeinschaft ausgegangen werden könne. Die Anerkennung als Pflegeelternteil erfolge somit ab , die Zuerkennung der Differenzzahlung erfolge im Zuge der Beschwerdeerledigung.
5. Im Schreiben vom gab der Beschwerdeführer an, dass er selbstverständlich damit einverstanden sei, dass ihm die Familienleistungen für Zeiträume nicht zustünden, in denen es keine Beschäftigung in Österreich gegeben habe.
6. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte vor, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das Bestehen seines Anspruches auf Familienbeihilfe seit Dezember 2015 verneint werde. Er lebe seit mit seiner Partnerin und deren Sohn im gemeinsamen Haushalt.
Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, da vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass er ab Dezember 2015 mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die eidesstattlichen Erklärungen der Nachbarn und des Bürgermeisters seien keine Glaubhaftmachung, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bei seiner Lebensgefährtin gelebt habe. Erst ab Oktober 2021 bestehe ein Anspruch.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer ist tschechischer Staatsbürger und war im strittigen Zeitraum bis an der Adresse ***2*** und danach an der Adresse ***3*** behördlich gemeldet (siehe Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom ). In Österreich hatte er weder einen Haupt- noch einen Nebenwohnsitz (siehe Auskunft des Zentralen Melderegisters vom ).
2. Das Kind ***1***, geboren im April 2010, wohnte im Streitzeitraum in einem Haushalt mit seiner Mutter ***4***, der nach deren Scheidung vom Kindesvater im Jahr 2014 dessen Obsorge anvertraut wurde. Der leibliche Vater ***5*** war in dieser Zeit unterhaltspflichtig. Die Mutter war im strittigen Zeitraum in Tschechien erwerbstätig (siehe Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom ).
Die haushaltsführende Mutter hat zugunsten des Beschwerdeführers auf die ihr vorrangig zustehenden österreichischen Familienleistungen verzichtet (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ).
Über eine Erwerbstätigkeit des leiblichen Vaters des Kindes ist den tschechischen Behörden nichts bekannt (siehe Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom ).
3. Der Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin ***4*** und deren Kind ***1*** leben zumindest seit Dezember 2015 in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an der Adresse ***3***.
4. Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum bis Mitte Oktober 2018 (bis auf wenige Tage) durchgehend in Österreich als Arbeitnehmer beschäftigt. Danach war er von Mitte Februar 2019 bis Anfang Jänner 2020, von Ende Februar bis Ende November 2020 und ab April 2021 nichtselbständig in Österreich tätig (siehe Versicherungsdatenauszug vom ).
Der Beschwerdeführer bezog im Streitzeitraum in folgenden Zeiträumen Arbeitslosenunterstützung in Tschechien: von 23. März bis , von bis und von 3. Jänner bis (siehe Potvrzeni des Úřad práce České republiky - krajská pobpčka v Brně vom ).
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:
1. a. Der Beschwerdeführer war im strittigen Zeitraum bis an der Adresse ***2*** und danach an der Adresse ***3*** behördlich gemeldet (siehe Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom ).
Das Kind ***1*** und dessen Mutter wohnen unzweifelhaft seit in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer an der Adresse ***3*** (siehe Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom ). Darüber besteht auch zwischen den Parteien Einigkeit. Für das Kind ***1*** werden dem Beschwerdeführer als dessen Pflegevater ab Oktober 2021 Familienleistungen gewährt.
b. Strittig ist im hier zu entscheidenden Fall, ob der Beschwerdeführer mit der Mutter des Kindes ***1*** auch schon davor in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hat. Der Beschwerdeführer beantragt die Familienleistung ab Dezember 2015.
Fest steht, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin an unterschiedlichen Adressen behördlich gemeldet waren (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ), erst ab sind beide zusammen an der gleichen Adresse gemeldet.
Meldebestätigungen stellen lediglich ein - widerlegbares - Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft dar, sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse (Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bzw. -zugehörigkeit) zu liefern ().
c. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (). Die Beweislast für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, hat der Antragsteller (vgl. ; ).
Nach der Rechtsprechung liegt eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei (eine in den Hintergrund tretende amtswegige Ermittlungspflicht) auch dann vor, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben; die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht ist in dem Maße höher, als die behördlichen Ermittlungsmöglichkeiten geringer sind (; ). Diesfalls bestehe somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht, eine Beweismittelbeschaffungspflicht und eine Vorsorgepflicht ().
Eine erhöhte Mitwirkungspflicht besteht weiters, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (zB ; ; ; ), die nur der Abgabepflichtige aufklären kann, oder wenn die Behauptungen des Abgabepflichtigen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; ; ).
d. Nachdem der tschechische Staat in der Antwort zur Entscheidung über die Zuständigkeit vom angegeben hat, dass der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter und dem Kind (mindestens) seit zusammenlebt, hat das Finanzamt diese Angabe als den Zeitpunkt angesehen, an dem die drei genannten Personen einen gemeinsamen Haushalt begründet haben; davor habe der Beschwerdeführer nach der Ansicht des Finanzamtes einen eigenen Haushalt gehabt.
e. Der Beschwerdeführer behauptet im Vorlageantrag, dass er bereits seit mit der Mutter von ***1*** in einem Haushalt gewohnt hat. Zum Beweis legte er Erklärungen von zwei Nachbarn sowie eine Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde ***6*** sowie Kontendaten eines auf ihn lautenden Kontos vor.
Die beiden Nachbarn erklären gleichlautend, dass der Beschwerdeführer, das Kind ***1*** und dessen Mutter seit mehr als sieben Jahren dauerhaft an der Adresse ***3*** wohnhaft gewesen seien. Beide handschriftlichen Erklärungen wurden von derselben Person geschrieben, das Schriftbild ist identisch. Lediglich die persönlichen Daten der Erklärenden weisen ein anderes Schriftbild auf. Bei den auf den Erklärungen angegebenen Adressen handelt es sich laut Google Maps um Grundstücke direkt neben der angegebenen Adresse. Weitere Unterlagen der Nachbarn wie Ausweisdokumente oder ähnliches wurde den Bestätigungen nicht beigelegt. Das Bundesfinanzgericht kann daher nicht feststellen, ob die auf den Bestätigungen angeführten Personen tatsächlich an den angeführten Adressen wohnen und ob die Unterschriften, die sich auf den Bestätigungen befinden, tatsächlich von den angeführten Personen stammen. Demnach können die Bestätigungen im vorliegenden Fall nichts zur Wahrheitsfindung beitragen.
Anders verhält es sich mit dem Schreiben des Bürgermeisters von ***6*** vom . In diesem bestätigt dieser, dass der Beschwerdeführer, das Kind ***1*** und dessen Mutter ab an der Adresse ***3*** zusammenleben. Die Gemeinde ***6*** hat ca. 2.300 Einwohner (Stand Jänner 2023; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/***6***_u_***2***; abgefragt am ) und den auf der Bestätigung Unterzeichnenden seit 2009 als Bürgermeister. Es ist auch durchaus plausibel, dass der Bürgermeister der Gemeinde jene Einwohner seiner Gemeinde kennt, die schon seit Jahren dort wohnen. Außerdem würde keine mit einer öffentlichen Funktion betraute Person eine derartige Erklärung auf dem offiziellen Briefpapier der Gemeinde ausstellen. Es handelt sich bei der Bestätigung um eine öffentliche Urkunde. Das Bundesfinanzgericht hat daher keine Veranlassung, am Wahrheitsgehalt der Bestätigung des Bürgermeisters zu zweifeln. Hinzukommt, dass das Finanzamt keinerlei Grund angegeben hat, aus welchem Grund der Inhalt der Bestätigung des Bürgermeisters nicht den Tatsachen entsprechen sollte.
Im Streitzeitraum war zudem folgende Rechtslage in Tschechien gültig (vgl. ): Das Institut des ständigen Wohnsitzes, welchen die Bürger angeben, ist im Gesetz Nr. 133/2000 über die Erfassung der Einwohner und der Geburtsidentifikationsnummern sowie über Änderung bestimmter Gesetze (Gesetz über die Erfassung der Einwohner) in der jeweils gültigen Fassung, geregelt. Die derzeitige gesetzliche Regelung geht vom Recht des Bürgers auf einen ständigen Wohnsitz in der Tschechischen Republik aus und im Einklang damit gilt, dass bei jeder Person, die mit ständigem Wohnsitz auf dem Gebiet der Tschechischen Republik gemeldet ist, die Meldung des ständigen Wohnsitzes so lange gilt, bis sie diese selbst, aus eigenem Willen, beendet hat. Das Gesetz über die Erfassung der Einwohner verpflichtet den Bürger nicht, sich am Ort seines ständigen Wohnsitzes aufzuhalten, noch den ständigen Wohnsitz an dem Ort zu melden, an welchem er faktisch wohnt. Die Angabe der Adresse des ständigen Wohnsitzes hat nur einen Erfassungscharakter und gemäß den Bestimmungen des § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die Erfassung der Einwohner ergeben sich aus der Meldung des ständigen Wohnsitzes eines Bürgers keine Rechte an dem Objekt oder in Bezug auf den Eigentümer der Immobilie. Die tschechische Rechtsordnung sieht im Gesetz über die Erfassung der Einwohner kein Institut der 'Meldung des Hauptwohnsitzes' oder der 'Meldung eines Nebenwohnsitzes' vor. Der Bürger ist nicht verpflichtet, den ständigen Wohnsitz an dem Ort zu melden, an welchem er faktisch wohnt, noch besteht eine Verpflichtung, sich am Ort des ständigen Wohnsitzes aufzuhalten. Der Bürger hat das Recht, an mehreren Orten aufhältig zu sein, er kann jedoch nur an einem Ort einen ständigen Wohnsitz haben, diese Angabe wird dann im Agenda-Informationssystem der Einwohnererfassung geführt - damit wird dem Institut des ständigen Wohnsitzes Erfassungscharakter gegeben.
Die Angaben der tschechischen Behörden auf dem Formular E411 geben die behördliche Meldung der Wohnsitze des Beschwerdeführers, dessen Lebensgefährtin und deren Kindes wieder, dieser kommt jedoch lediglich ein Erfassungscharakter zu. Da ein tschechischer Bürger nicht verpflichtet ist, den ständigen Wohnsitz an dem Ort zu melden, an welchem er faktisch wohnt, kommt den Angaben am Formular E411 höchstens - ähnlich der Meldung im österreichischen Melderegister - Indizwirkung und der Bescheinigung des Bürgermeisters ein höherer Beweiswert zu. Im Übrigen haben die tschechischen Behörden im Formular E411 (vom ) angegeben, dass die Kindesmutter "mindestens" seit mit dem Beschwerdeführer zusammen lebt ("***4*** žije nejméně od s druhem ***Bf1***"). Wie bereits oben ausgeführt, ist es plausibel, dass der Bürgermeister einer etwas über 2.000-Einwohner-Gemeinde seine langjährigen Einwohner kennt und weiß, wer mit wem zusammen einen Haushalt bildet und seit wann sie wo in seiner Gemeinde wohnt.
Dasselbe gilt für die Anschrift des Kindes ***1*** und dessen Mutter, wonach sie an der Anschrift ***7*** wohnen. Der Mutter wurde nach der Scheidung vom Kindesvater das Sorgerecht zugesprochen. Dass sie mit ihrem Kind einen Haushalt teilt, ist daher nicht in Zweifel zu ziehen. Aus den vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom vorgelegten SIPO-Zahlungsbelegen geht zudem hervor, dass sie zumindest seit Dezember 2015 an der Adresse ***3*** wohnt, was wiederum die Angaben des Bürgermeisters bestätigen.
Wenn das Finanzamt in der Stellungnahme vom ausführt, dass es nicht der Lebenserfahrung entspreche, dass der Beschwerdeführer bei seiner Mutter gemeldet sei, obwohl er nach seinen Angaben bereits über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn in einem gemeinsamen Haushalt lebe, sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Meldung des ständigen Wohnsitzes so lange gilt, bis die Person die Meldung selbst, aus eigenem Willen, beendet hat. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist nicht ausgeschlossen, dass dies erst nach mehreren Jahren, wie im vorliegenden Fall nach mehr als sieben Jahren (Februar 2014 bis Oktober 2021), erfolgt, wenn ein tschechischer Bürger keine Veranlassung und keine Verpflichtung hat, sich seinem Wohnsitz entsprechend anzumelden.
f. Zum Beweis, dass ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind und dessen Mutter bestanden hat, hat der Beschwerdeführer in der Vorhaltsbeantwortung vom Daten eines auf ihn lautenden Kontos vorgelegt. Darauf befindet sich der handschriftliche Vermerk "Betriebskosten Haus von mir getragen". Aus dem vorgelegten Dokument geht für den Zeitraum bis hervor, dass beginnend ab April 2018 immer Mitte des Monats eine Zahlung per Lastschrift "SIPO" vom Konto abgebucht wurde. Ein genauerer Verwendungszweck und somit der Umstand, dass es sich tatsächlich um die Betriebskosten des Hauses ***3*** gehandelt hat, war zunächst nicht ersichtlich.
In der Vorhaltsbeantwortung vom legte der Beschwerdeführer weitere Zahlungsbelege vor. Auf den SIPO-Zahlungsbelegen ist als Kundin bzw. Zahlerin die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers mit der Adresse ***3*** angeführt. Es handelt sich um die Belege der Česká pošta für die Monate Dezember 2015, August 2016, Februar 2017, Juni 2018, Dezember 2019, Dezember 2020 und Juni 2021. Bezahlt wurden in diesen Monaten in einem Betrag Strom, Rundfunkgebühr, Fernsehgebühr, Gas und Wasser. Betreffend die Monate Dezember 2015, August 2016 und Februar 2017 wurde der Betrag in bar einbezahlt ("Zpúsob platby: Hotovost" bedeutet "Zahlungsart: Kassa/Bargeld"), in den Monaten Juni 2018, Dezember 2019, Dezember 2020 und Juni 2021 erfolgte die Bezahlung "bargeldlos" (am Beleg "bezhotovost").
Weiters legte der Beschwerdeführer Kontodokumente seiner beiden Konten bei der ČSOB und der Raiffeisenbank a.s. vor, denen zu entnehmen ist, dass in den eben genannten Monaten Abgänge jeweils in derselben Höhe verbucht wurden, die den jeweils bezahlten Beträgen für Strom, Rundfunkgebühr, Fernsehgebühr, Gas und Wasser entsprachen. In den Monaten August 2016 und Februar 2017 erfolgte ein Ausgang der jeweiligen Beträge mittels Kartenzahlungstransaktionen ("Transakce platební kartou") jeweils bei der Tschechischen Postbank ("Misto: CESKA POSTA"), in den Monaten Dezember 2020 und Juni 2021 ist auf dem Ausdruck der Raiffeisenbank a.s. beim jeweiligen Transaktionstyp ("Typ transakce") vermerkt: "Forderungen gegenüber SIPO, Zahlung per Lastschrift SIPO" ("Pohledávky ze SIPO, Úhrada Inkaso-SIPO").
g. Dazu gibt das Finanzamt am folgende Stellungnahme ab: "Die am vorgelegten Bankauszüge der Raiffeisen Bank zeigen monatliche Zahlungen von:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
5.103,00 CZK | ab April 2018 |
5.353,00 CZK | ab Juni 2019 |
5.473,00 CZK (Ausnahme: 5.163 CZK im Dez. 2020) | ab Juni 2020 |
Der Betrag iHv 5.160 CZK des Kontoauszuges ČSOB, Transaktion vom stimmt mit dem Betrag auf dem Auszug der Post vom August 2016 ("Srpen 2016") überein.
Gleiches gilt für Betrag iHv 4.960 CZK des Kontoauszugs ČSOB, Transaktion vom 23.02.20217. Dieser Betrag stimmt mit dem Auszug der Post vom Februar 2017 ("Únor 2017) überein (abzgl. 20 CZK Gebühr).
Aus dem Kontoauszug der Raiffeisenbank ist die Transaktion vom mit einem Betrag in Höhe von 5.163,00 ersichtlich. Diese Transaktion stimmt mit dem Betrag am Auszug der Post vom Dezember 2020 ("Prosinec 2020") überein.
Gleiches gilt für den Betrag iHv 5.583 CZK, welcher am Raiffeisenbankkonto am abgebucht wurde. Dieser Betrag stimmt mit dem Betrag am Auszug der Post vom Juni 2021 ("Červen 2021") überein." Das Finanzamt führt weiter aus, dass aus den Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass die Zahlungen tatsächlich die Betriebskosten betreffen und diese tatsächlich dem Konto der Lebensgefährtin zufließen würden.
h. Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes haben ergeben, dass das SIPO ("Soustředěné Inkaso Plateb Obyvatelstva", auf Deutsch "Zentralisierte Erhebung der Zahlungen der Bevölkerung") das Gebühreneinzugsinkasso der Tschechischen Postbank ist. Bei einer Postfiliale wird eine SIPO-Nummer beantragt und die Tschechische Post zieht das Geld wie bei der Lastschrift vom Konto ein und verteilt die Zahlungen an die SIPO-Empfängerbanken. Wer in Tschechien ein Konto hat und damit regelmäßige Ausgaben zu zahlen hat, kann Bankeinzug vereinbaren. Oder der Gesamtbetrag wird zuvor bei der Post eingezahlt. Das SIPO wird ausschließlich für regelmäßige Zahlungen benutzt. Die Tschechen bezahlen auf diese Art Strom-, Gas-, Telefon- und andere Rechnungen (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/SIPO_(Zahlungsverkehr) und https://www.czech-tourist.de/geldverkehr.htm; beide abgefragt am ).
In Zusammenschau mit den Unterlagen aus der Vorhaltsbeantwortung vom hat der Beschwerdeführer damit belegt, dass er jedenfalls zwischen April 2018 und Februar 2021 lückenlos sowie für Juni 2021 unter Verwendung der Zahlungsmöglichkeit SIPO die monatlichen Kosten für Strom, Rundfunkgebühr, Fernsehgebühr, Gas und Wasser für den Haushalt ***3*** getragen hat.
Die Beträge auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten SIPO-Zahlungsbelegen stimmen mit dem von ihm gezahlten Beträgen überein (siehe auch Stellungnahme des Finanzamtes vom ) und auf den Zahlungsbelegen ist neben dem Namen seiner Lebensgefährtin die Adresse ***3*** angeführt.
Zudem hat der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht, dass er auch schon davor die monatlichen Kosten für Strom, Rundfunkgebühr, Fernsehgebühr, Gas und Wasser für den Haushalt ***3*** bezahlt hat. So hat er Kontobelege vorgelegt, aus denen zu entnehmen ist, dass er bspw. im August 2016 und im Februar 2017 bei der Tschechischen Post den Betrag mit Kartenzahlung eingezahlt hat, der den monatlichen Kosten für Strom, Rundfunkgebühr, Fernsehgebühr, Gas und Wasser entspricht, die seiner Lebensgefährtin an der Adresse ***3*** verrechnet wurden.
i. Insgesamt ergibt sich somit, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Bestätigung des Bürgermeisters des Ortes Dobšice, dass der Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin ***4*** und deren Kind ***1*** zumindest seit Dezember 2015 in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an der Adresse ***3*** leben.
2. Im Vorlagebericht geht das Finanzamt davon aus, dass die Kindesmutter keine Verzichtserklärung abgegeben hat. Dies ist nicht richtig. Mit Vorhalt vom hat das Finanzamt dem Beschwerdeführer ebendiese Verzichtserklärung abverlangt und langte diese mit der Vorhaltsbeantwortung am beim Finanzamt ein.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
1. Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in den hier anzuwendenden Fassungen (im Folgenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004) definiert für Zwecke dieser Verordnung folgende Ausdrücke:
"a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;
…
i) "Familienangehöriger":
1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;
...
j) "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;..."
Gemäß Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt diese gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen (persönlicher Geltungsbereich).
Und gemäß Artikel 3 Abs. 1 lit j der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt diese für alle Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen (sachlicher Geltungsbereich).
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Gemäß Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel (Abs. 1). Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheiten, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken (Abs. 2). Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt: eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats (Abs. 3 lit a) und jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats (Abs. 3 lit e).
Eine Person hat gemäß Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Die Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen nach Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lauten:
"(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
…
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird. …"
2. Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, so setzt nach Art 59 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden Verordnung Nr. 987/2009) der Träger, der die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monats gewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monats fort.
Gemäß Artikel 60 Abs. 1 Verordnung Nr. 987/2009 werden die Familienleistungen bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.
3. Der Beschwerdeführer ist tschechischer Staatsbürger und damit Unionsbürger. Aus diesem Grund ist er gemäß § 53 Abs. 1 FLAG 1967 österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die innerstaatlichen Normen werden zugleich durch die unionsrechtlichen Regelungen überlagert.
4. Die Kindesmutter war im Streitzeitraum in Tschechien beschäftigt und ihr Sohn hat durchgehend in Tschechien gewohnt.
Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum bis Mitte Oktober 2018 und wieder ab Mitte Februar 2019 bis auf wenige Tage durchgehend bei unterschiedlichen Arbeitgebern in Österreich beschäftigt. In der Zeit, in der er nicht in Österreich beschäftigt war, hat er in Tschechien Arbeitslosengeld bezogen. Für die Monate November 2018, Dezember 2018 und Jänner 2019 liegt somit jedenfalls kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor und ist Österreich nicht zur Zahlung von Familienleistungen verpflichtet.
In der Eingabe vom stimmt der Beschwerdeführer dieser Beurteilung insofern zu, als er "selbstverständlich damit einverstanden [ist], dass [ihm] die Leistung für Zeiträume nicht zusteht, in denen es keine Beschäftigung in AT gegeben hat".
In der restlichen Zeit liegt ein staatenübergreifender Sachverhalt vor, weshalb die Verordnungen (EG) 883/2004 und 987/2009 anzuwenden sind.
5. Nach den Prioritätsregeln des Artikel 68 VO (EG) 883/2004 ist vorrangig der Beschäftigungsstaat zuständig; sind beide Elternteile beschäftigt, richtet sich die vorrangige Zuständigkeit nach dem Wohnort des Kindes. Der vorrangige Beschäftigungsstaat, also dort, wo das Kind wohnt, leistet die Familienleistung in voller Höhe. Im nachrangigen Beschäftigungsstaat besteht ein Anspruch auf Familienleistungen.
Artikel 1 VO (EG) 883/2004 definiert Familienangehörige als jene Personen, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistung gewährt wird, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt wird. Eine Aufzählung der Familienangehörigen findet sich in § 2 Abs. 3 FLAG 1967. Demnach sind Kinder einer Person deren Nachkommen, Wahlkinder und deren Nachkommen, Stiefkinder und Pflegekinder.
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom , 2008/15/0314, ausgesprochen, dass "nach § 186 ABGB Pflegeeltern Personen sind, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Demnach schreibt das Gesetz zwei Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft vor, nämlich die tatsächliche Betreuung und eine bestimmte Qualität der Bindung. Bei Vorliegen beider Komponenten ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben. Auch Einzelpersonen kann die Pflegeelterneigenschaft zuteil werden (§ 186a Abs. 1 ABGB). Dass die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Person bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung als Pflegeelternteil gilt, entspricht der herrschenden Auffassung."
6. § 2 Abs. 2 FLAG 1967 i.V.m. § 2 Abs. 3 FLAG 1967 und § 2a FLAG 1967 regelt die Reihenfolge des Anspruchs nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967. So hat die haushaltsführende Mutter vorrangigen Anspruch auf Familienleistungen. Diese Regelung ist auch bei unionsrechtlich zu beurteilenden Sachverhalten zu beachten (vgl. , m.w.N.).
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens hat die Mutter zugunsten des Beschwerdeführers gemäß § 2a FLAG 1967 auf ihren vorrangigen Anspruch verzichtet.
7. Anspruch auf Familienbeihilfe hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an.
Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (zB Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt (nochmals ).
Der Beschwerdeführer hat zumindest seit Dezember 2015 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn in einem Haushalt gewohnt, weshalb daher grundsätzlich ein Anspruch auf Familienleistungen besteht (ausgenommen der in Pkt 4 genannte Zeitraum, in dem keine Beschäftigung in Österreich vorgelegen ist). Der Beschwerdeführer hat daher für den Zeitraum Dezember 2015 bis Oktober 2018 und Februar 2019 bis September 2021 Anspruch auf Familienleistungen.
Wenn das Finanzamt in der Stellungnahme vom anführt, ein tägliches Pendeln zu einigen der Arbeitgeber des Beschwerdeführers erscheine aufgrund der großen Entfernung nicht glaubhaft, insbesondere zu jenem, bei dem er seit April 2021 beschäftigt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer angibt, er habe bei notwendigen Übernachtungen in einer Schlafstelle des Arbeitgebers genächtigt. Im Übrigen gewährt das Finanzamt selbst bei weiterhin aufrechtem Arbeitsverhältnis an einen vom Wohnort weit entfernten Arbeitsplatz seit Oktober 2021 Familienleistungen.
Zudem schließt eine Abwesenheit des Beschwerdeführers aufgrund etwa einer wöchentlichen Pendlerei zu seinem Arbeitsplatz in Österreich seine Eigenschaft als Pflegevater nicht aus und beendet dieser Umstand auch nicht einen gemeinsamen Haushalt. Dass die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Person bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung als Pflegeelternteil gilt, entspricht der herrschenden Auffassung (vgl. ).
Das Bundesfinanzgericht hat keinerlei Veranlassung daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer im hier strittigen Fall nicht auch die tatsächliche Betreuung des Kindes (teilweise) besorgt hat. Hinzu kommt, dass er im Streitzeitraum zum Kind seiner Lebensgefährtin eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung hatte bzw. aufgebaut hat. Etwas anderes behauptet auch das Finanzamt nicht.
Da der Beschwerdeführer für den Zeitraum Dezember 2015 bis Oktober 2018 und Februar 2019 bis September 2021 Anspruch auf Familienleistungen hat, ist der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) für die Monate November 2018 bis Jänner 2019 abgewiesen wird.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100767.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
AAAAF-72997