Keine Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG, wenn einem Vorgang nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG (hier Anwachsung nach § 142 UGB) ein Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG (qualifizierte Übertragung von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft) vorausgegangen ist
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102097/2024-RS1 | Eine Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG ist nur bei einer Aufeinanderfolge bestimmter Rechtsvorgänge vorgesehen. Wenn einem Vorgang nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG (Erwerb des Eigentums) ein Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG (Übertragung von mehr als 95% der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter) vorausgegangen ist, liegen die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung nicht vor, weil § 1 Abs. 2a GrEStG in § 1 Abs. 4 GrESrtG nicht genannt wird. Es reicht wegen des Vorranges des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 nicht aus, wenn daneben beim früheren Vorgang grundsätzlich auch die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 erfüllt wären. |
RV/7102097/2024-RS2 | Eine Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG kommt nur bei Rechtsträgeridentität zur Anwendung. Handelt es sich beim 1. Rechtsvorgang um die qualifizierte Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft zwischen Alt- und Neugesellschafter (Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG) fehlt die Personenidentität, wenn später ein Erwerb der Liegenschaft von der Personengesellschaft auf den Gesellschafter erfolgt. Die Lage ist vergleichbar mit dem Fall der Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht im 1. Rechtsvorgang von A (der zB Treugeber für den B ist) auf C und der späteren Übertragung des Eigentums von B an C. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Ilse Rauhofer, die Richterin Mag. Diana Sammer sowie die fachkundigen Laienrichter Alexander Kuba und KommzR Christian Gerzabek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***STB***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (Dienststelle für Sonderzuständigkeiten) vom betreffend Grunderwerbsteuer zu ***ErfNr1***, Steuernummer ***BF1StNr2*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***S*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Anzeige eines Verschmelzungsvertrages zu ***ErfNr1***
Am wurde dem Finanzamt Österreich, kurz FA über FinanzOnline zu ***ErfNr1*** ein zwischen der ***Bf1*** (nunmehrige beschwerdeführende Partei, kurz Bf. oder ***A*** GmbH) und der ***X*** ***B*** GmbH (kurz ***B*** GmbH) abgeschlossener Verschmelzungsvertrag angezeigt und erklärt, dass am ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang zwischen der ***C*** GmbH & Co OG als Veräußerer und der Bf. als Erwerberin erfolgt sei.
Beim Steuersatz wurde erklärt: "Erwerb gem. § 1 Abs.2a u. 3 + Umgründung" und als Bemessungsgrundlage: "Grundvermögen 19.063.009,90"
Der Punkt 10.2 des Verschmelzungsvertrages lautet wie folgt:
"Festgehalten wird, dass die übertragende Gesellschaft zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Verschmelzungsvertrages unbeschränkt haftende Gesellschafterin der ***C*** Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG, ***...*** ist. Durch die Anwachsung des Vermögens der ***C*** Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG wird das Grundstück ***xxx*** auf die übernehmende Gesellschaft übertragen und unterliegt grundsätzlich der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG. Diesem Erwerb ist der Erwerb des 100%-Substanzanteiles an der ***C*** Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG durch die übernehmende Gesellschaft vom vorangegangen. Es findet deshalb im Falle der gegenständlichen Verschmelzung ein Erwerbsvorgang zwischen denselben Personen statt, sodass eine Anrechnung der Grunderwerbsteuer des früheren Erwerbsvorganges nach § 1 Abs. 4 GrEStG 1987 zu erfolgen hat (vgl. UmgrStR 2002, Rz 346). Die Grunderwerbsteuer für diesen Verschmelzungsvorgang beträgt daher EUR Null."
Grunderwerbsteuerbescheid
Nach dem das Finanzamt Ermittlungen über den Grundstückswert durchgeführt hatte, setzte es mit Bescheid vom gegenüber der Bf. unter Hinweis auf den Verschmelzungsvertrag vom gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 GreStG Grunderwerbsteuer iHv € 99.175,15 (0,5% einer Bemessungsgrundlage iHv 19.835.030,01) fest. Die Begründung lautet wie folgt:
"Gemäß § 1 Abs 4 GrEStG erfolgt eine Anrechnung der Grunderwerbsteuer, wenn entweder ein in den Abs 2 und 3 bezeichneter Rechtsvorgang einem Rechtsvorgang im Abs 1 oder wenn ein im Abs 2 bezeichneter Rechtsvorgang einem Rechtsvorgang im Abs 1 vorausgegangen ist. Im gegenständlichen Fall fällt der erste Rechtsvorgang unter den Tatbestand gemäß § 1 Abs 2a GrEStG, da bei einer Personengesellschaft mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Der zweite Rechtsvorgang fällt unter den Tatbestand gemäß § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG, da es sich um eine verschmelzungsbedingte Anwachsung gemäß § 142 UGB handelt. Die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs 4 GrEStG liegen nicht vor und dem Antrag konnte nicht entsprochen werden. Bei der vorgelegten Grundstückswert-Berechnung wurden die Parkplätze nicht berücksichtigt. Laut Bekanntgabe sind 270 Parkplätze vorhanden und als Nutzfläche werden pauschal 12 m2 angesetzt. Daraus ergibt sich eine Nutzfläche für die Parkplätze von 3.240 m2. Der Grundstückswert wurde mittels Pauschalwertmethode ermittelt und beträgt für die Parkplätze € 772.020,11. Daher ergibt sich ein gesamter Grundstückswert für den gegenständlichen Erwerbsvorgang iHv € 19.835.030,01 (€ 19.063.009,90 + € 772,020,11)
Beschwerde
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. am eine Beschwerde ein. Wie angekündigt brachte sie am eine Nachreichung der Beschwerdegründe ein, in der zunächst der Sachverhalt wie folgt dargestellt wurde:
"Im Rahmen eines sog. "Share Deals" kam es im Jahr 2022/2023 zu einem Erwerb der beiden OG- Anteile an der grundstücksbesitzenden "***C*** GmbH & Co OG" (kurz: ***C*** OG) durch die Gesellschaften "***Bf1***" (***...***) (kurz: ***..*** ***A***) und "***..*** ***B*** GmbH" (***...***) (kurz: ***..*** ***B***)
Hierbei wurde ein 100%-Substanzanteil an der ***C*** OG von der ***..*** ***A*** erworben ("Signing" am , "Closing" am ), ein 0%-Substanzanteil (reine Arbeitsgesellschafterstellung) an der ***C*** OG wurde von der ***..*** ***B*** erworben. Die Struktur nach diesen Erwerben ist in Abb. 1 dargestellt
[...]
Für den Erwerbsvorgang (Erwerb des 100%-Substanzanteil an der ***C*** OG durch die ***Bf1***) wurde gemäß § 1 Abs 2a und § 1 Abs 3 GrEStG 1987 am Grunderwerbsteuer in Höhe von 0,5% des steuerlichen Grundstückswertes entrichtet. Die GrESt betrug EUR 95.315,05 und wurde zur Erfassungsnummer ***2*** selbstberechnet (siehe Beilagen Selbstberechnung vom und Überweisungsbeleg vom ).
In weiterer Folge kam es mit Verschmelzungsvertrag vom zu einer Side-Stream Verschmelzung gemäß Art. I UmgrStG rückwirkend zum der ***..*** ***B*** auf die ***..*** ***A***. Die Verschmelzung führte gemäß § 142 UGB zu einer Anwachsung der ***C*** OG bei der übernehmenden Gesellschaft ***..*** ***A*** und damit zu einer Übertragung des Grundstücks der ***C*** OG gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 auf die ***..*** ***A***.
1 Da die Anteile an der OG durch diesen Vorgang untergehen (die Anteile an der OG verbleiben nur eine "juristische Sekunde" zu 100% bei der übernehmenden GmbH und gehen dann durch die Anwachsung unter), liegt hier nach der Judikatur des VwGH (zuletzt ) kein Tatbestand der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs 3 GrEStG 1987 vor. Vielmehr führt die verschmelzungsbedingte Übernahme des Grundstücks der OG durch die übernehmende GmbH zur Erfüllung des GrESt-Tatbestands gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987"
[...]
Zur Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG wurde den Ausführungen des Finanzamtes nach Darstellung der Rechtsgrundlagen und der historischen Entwicklung im Wesentlichen Folgendes entgegengehalten:
"3.1.2. Verhältnis des § 1 Abs 2a GrEStG zu § 1 Abs 3 GrEStG
Beide Bestimmungen sollen verhindern, dass durch den Wechsel der Gesellschafterstruktur einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft eine Grunderwerbsteuerpflicht nur dadurch vermieden wird, dass - anstelle einer Veräußerung eines Grundstücks im Rahmen eines sog. "Asset-Deals" (Kaufvertrag; § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG) - die Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft im Rahmen eines sog. "Share-Deals" veräußert werden.
Die beiden Tatbestände des § 1 Abs 2a und des § 1 Abs 3 GrEStG unterscheiden sich jedoch insoweit, als der Gesellschafterwechsel in Abs 2a leg. cit. voraussetzt, dass mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren ab Zugehörigkeit des Grundstücks zum Gesellschaftsvermögen übergehen. Diese beiden Einschränkungen trifft § 1 Abs 3 GrEStG jedoch nicht, da der Tatbestand des Abs 3 leg. cit. sowohl bei der Übertragung als auch bei der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile des Erwerbers nicht darauf abstellt, ob der Erwerber bereits Gesellschafter der Gesellschaft ist oder nicht. Zusätzlich unterscheiden sich Abs 2a leg. cit. und Abs 3 leg. cit. auch dadurch, dass im Falle des Abs 3 leg. cit. die Grunderwerbsteuer nach hA grundsätzlich mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ("Signing") entsteht, wohingegen diese bei Abs 2a leg. cit. erst bei tatsächlicher Übertragung der Anteile (Verfügungsgeschäft, "Closing") entsteht.
Im Gegensatz zu § 1 Abs 2a GrEStG 1987 schränkt die Bestimmung des § 1 Abs 3 GrEStG 1987 den Anwendungsbereich auf keine bestimmte Rechtsform einer Gesellschaft ein. Somit ist bei materieller Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen auch ein Gesellschafterwechsel einer Personengesellschaft von § 1 Abs 3 GrEStG 1987 umfasst.
Im Falle einer gleichzeitigen Erfüllung beider Normen ist aus dem Gesetzestext abzuleiten, dass § 1 Abs 2a im Verhältnis zu § 1 Abs 3 GrEStG 1987 als "lex specialis" anzuwenden ist, da die Bestimmung des § 1 Abs 3 GrESt 1987 nur dann zur Anwendung gelangt, "soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt". Die Bedeutung und Reichweite dieses Gesetzeswortlautes ist alles andere als klar (siehe dazu unten). Eine gewisse "Vorrangigkeit" der Bestimmung des § 1 Abs 2a soll sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum StRefG 2015/2016 (ErlRV 684 BlgNR XXV. GP) ergeben (Hervorhebungen durch ***Stb***):
"[...]. Es soll ein neuer Erwerbstatbestand aufgenommen werden, der dann zum Tragen kommt, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterstand einer Personengesellschaft dahingehend ändert, dass mindestens 95 % der unmittelbar gehaltenen Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen oder dem Treugeber treuhändig gehaltene Anteile zuzurechnen sind. Die Einführung der 95%-Grenze soll weiters bewirken, dass künftig Anteilsvereinigungen gern. § 1 Abs. 3 auch bei Personengesellschaften denkbar sein sollen. Damit soll ein Gleichklang [Anmerkung: sic] mit den Tatbeständen bei Kapitalgesellschaften geschaffen werden. Wird durch einen Rechtsvorgang sowohl der Tatbestand des § 1 Abs. 2a als auch jener des $ 1 Abs. 3 erfüllt, dann soll klargestellt werden, dass vorrangig der Tatbestand des § 1 Abs. 2a zum Tragen kommt."
Auch diese Formulierungen sind uE alles andere als eindeutig, erschließt sich doch nicht, was die Wortfolge "vorrangig zum Tragen kommt" wirklich bedeuten soll. Offenkundig ist damit NICHT gemeint, dass § 1 Abs 3 durch § 1 Abs 2a vollständig materiell verdrängt wird, ansonsten wäre nicht von "vorrangig zum Tragen kommen" die Rede.
Vielmehr kann offenbar nach Ansicht der erläuternden Bemerkungen "durch einen Rechtsvorgang sowohl der Tatbestand des § 1 Abs 2a als auch jener des § 1 Abs 3 erfüllt" werden. Für die materielle Besteuerung und die Berechnung der GrESt ist aufgrund der "Vorrangigkeit" die GrESt- Berechnung auf Grundlage des § 1 Abs 2a vorzunehmen, wenn beide Regelungen materiell erfüllt sind. Wenn bzw. soweit eine "Besteuerung nach § 1 Abs 2a nicht in Betracht kommt (so ja der Gesetzeswortlaut!), ist (weiterhin) die Regelung des § 1 Abs 3 materiell anwendbar und die GrESt gemäß § 1 Abs 3 zu berechnen. …
Der historische Gesetzgeber hat somit in den EB lediglich zum Ausdruck gebracht, dass § 1 Abs 3 GrEStG 1987 sowohl für Personen- als auch Kapitalgesellschaften anwendbar ist, und durch den § 1 Abs 2a Besteuerungslücken bei Personengesellschaften materiell geschlossen werden sollen, sodass im Ergebnis der Rechtsanwendung ein Gleichklang von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften erzielt wird und KEINE Diskriminierung von Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften gemeint sein kann.
3.1.3. Parallelität der Bestimmungen § 1 Abs 2a und § 1 Abs 3 GrEStG 1987
Da der Gesetzgeber, wie oben ausgeführt, lediglich ein vorrangiges "Zum-Tragen-Kommen" des § 1 Abs 2a gegenüber des § 1 Abs 3 bei Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale vorsieht, besteht weiterhin eine Parallelität der beiden Bestimmungen, die sich auch eindeutig aus der BMF-010206/0094-IV/9/2017(Ergänzung der , BMF-010206/0058_VI/5/2016) ergibt, wie folgendes Beispiel samt Lösung des BMF verdeutlicht (Hervorhebungen durch ***Stb***):
"1.5. Gleichzeitige Erfüllung der Tatbestände gemäß § 1 Abs 2a und Abs 3 GrEStG 1987
An einer grundstücksbesitzenden GmbH & Co KG sind drei Gesellschafter beteiligt:
a) Komplementär (ohne Vermögensbeteiligung)
b) Hauptgesellschafter (Kommanditist mit 99,9%iger Beteiligung)
c) Minderheitsgesellschafter (Kommanditist mit 0,1 %iger Beteiligung)"
1. Vorgang: Übertragung des 99,9%-Anteils des Hauptgesellschafters an einen neuen Kommanditisten.
2 Vorgang: Übertragung des Anteils des Minderheitsgesellschafters an den neuen Hauptgesellschafter
Der erste Erwerbsvorgang erfüllt sowohl den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 als auch den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z 3 GrEStG 1987. Aufgrund der "Vorrangregel" des § 1 Abs. 3 erster Satz GrEStG 1987 ist dieser Sachverhalt nach Abs. 2a leg.cit., somit als qualifizierter Gesellschafterwechsel zu besteuern. Beim zweiten Erwerbsvorgang ist zu beachten, dass nach dem Telos des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 Aufstockungen im Bereich ab 95% nicht zu einer neuerlichen Tatbestandserfüllung führen, es sei denn, es wird der Tatbestand der Übergangsbestimmung des §18 Abs. 2p GrEStG 1987 erfüllt. Der neue Kommanditist hat mit 99,9% bereits das relevante Beteiligungsausmaß von mindestens 95% erworben; somit wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 bereits verwirklicht. Daran ändert es nichts, dass der Erwerb auch § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 erfüllt hat und - der Vorrangregel folgend - nach § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 zu besteuern war; es fällt daher keine weitere Grunderwerbsteuer an."
Durch die im Rahmen dieses Beispiels dargelegte Rechtsansicht des BMF zeigt sich eindeutig die Parallelität und die parallele Anwendbarkeit der beiden Bestimmungen § 1 Abs 3 und § 1 Abs 2a, wonach trotz "Vorranges" des § 1 Abs 2a die Bestimmung des § 1 Abs 3 weiterhin materiellrechtlich vollinhaltlich anwendbar ist und bleibt! In diesem Anwendungsfall geht es um die Auslegung und Anwendung der Übergangsbestimmung des § 18 Abs 2p letzter Satz GrEStG 1987. Dessen hier interessierender letzter Satz lautet wie folgt (Hervorhebungen durch ***Stb***):
"Werden am mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen oder an der Gesellschaft in der Hand einer Person oder einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 gehalten, ist § 1 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 118/2015 auch auf Rechtsvorgänge anzuwenden, sofern dadurch der Prozentsatz verändert wird, aber nicht unter 95% sinkt und bezogen auf diese Anteile nicht bereits ein Tatbestand des § 1 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 118/2015 erfüllt wurde."
Es handelt sich hierbei um eine Regelung, die bei mehrfacher Anwendbarkeit des § 1 Abs 3 aufgrund mehrfachen "Oszillierens" des Beteiligungs-Prozentsatzes zwischen 95% und 100% nach dem neuen GrESt-Regime NICHT zu einer mehrfachen Steuerbelastung führen soll.
Das BMF hat durch das obige Beispiel eindeutig und unzweideutig festgehalten, dass trotz Besteuerung eines Vorganges nach § 1 Abs 2a die Regelung des § 1 Abs 3 anwendbar bleibt und daher die Übergangsbestimmung des § 18 Abs 2p - die ja ausschließlich von § 1 Abs 3 spricht und § 1 Abs 2a gar nicht erwähnt (!) - erfüllt werden kann und wird.
Gleiches gilt auch für den beschwerdegegenständlichen Fall der Anrechnungsbestimmung des § 1 Abs 4 (siehe dazu gleich unten).
Daraus erhellt, dass der "Vorrang" des § 1 Abs 2a vor dem § 1 Abs 3 lediglich die (einmalige) Ermittlung der GrESt bewirken soll, aber in derartigen Konstellationen stets materiell beide Tatbestände erfüllt sind und auch bleiben!
3.2. Anrechnung der GrESt gemäß § 1 Abs 4 GrEStG aus vorangegangenen Erwerbsvorgängen
Dem Gesetzeswortlaut folgend sieht die Differenzbesteuerung nach § 1 Abs 4 GrEStG 1987 vor, dass eine Anrechnung von Grunderwerbsteuer bei Rechtsvorgängen gemäß Abs 1 leg. cit. dann zu erfolgen hat, wenn diesem Rechtsvorgang eine Anteilsvereinigung iSd Abs 2 oder Abs 3 leg. cit. vorausgegangen ist. Wie oben ausgeführt ist die Bestimmung des § 1 Abs 3 GrEStG 1987 auch dann materiellrechtlich erfüllt, wenn gleichzeitig die Bestimmung des § 1 Abs 2a GrEStG 1987 erfüllt ist. Die in § 1 Abs 3 GrEStG 1987 enthaltene Regelung des "vorrangig Zum-Tragen-Kommens" des § 1 Abs. 2a gilt - wie oben dargelegt - nur für die tatbestandliche GrESt-Berechnung, nicht aber für die Anrechnungsbestimmung des § 1 Abs 4.
Die Voraussetzungen der Anrechnungsbestimmung des § 1 Abs 4 sind im konkreten beschwerdegegenständlichen Sachverhalt erfüllt, weil der Ersterwerb des 100%-Substanzanteiles an der ***C*** OG durch die ***..*** ***A*** sowohl den Tatbestand des § 1 Abs 2a als auch jenen des § 1 Abs 3 erfüllt hat. Somit ist bereits nach dem Wortlaut der Anrechnungsbestimmung des § 1 Abs 4 eine Anrechnung des Ersterwerbs der OG-Anteile gemäß § 1 Abs 3 auf den verschmelzungsbedingten Grundstückserwerb (Anwachsung) gemäß § 1 Abs 1 geboten und gegeben.
Diese Auslegung ergibt sich einerseits aus der im obigen Punkt 3.1.2 ausgeführten historischen Gesetzesauslegung (siehe dortige Analyse der Gesetzesmaterialien) und andererseits auch aus systematisch teleologischer Sicht.
Denn in Anbetracht der oben ausgeführten Parallelität der beiden Bestimmungen § 1 Abs 2a und § 1 Abs 3 ergibt sich aus systematisch teleologischer Sicht, dass eine Auslegung des § 1 Abs 4 sachlich nicht gerechtfertigt wäre, die zu einer Ungleichbehandlung zwischen
■ Änderungen des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft iSd § 1 Abs 2a und
■ Änderungen des Gesellschafterbestands von Personen- und Kapitalgesellschaften iSd § 1 Abs 3
führen würde."
Zur Veranschaulichung der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führte die Bf. noch mehre Beispiele an.
Abschließend beantragte die Bf die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit € 3.860,10
(GrESt aus Verschmelzung (§ 1 Abs 1 GrESt) inkl. Grundstückswert Parkplatz € 99.175,15 abzüglich anrechenbare GrESt aus Anteilsübertragung gemäß § 1 Abs 3 GrEStG € 95.315,05, ergibt Differenz von € 3.860,10),
das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung sowie für den Fall der Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Entscheidung durch den gesamten Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Als Beilagen wurden Ausdrucke über die Selbstberechnung vom und ein Überweisungsbeleg vom angeschlossen.
BVE
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom führte das FA zur Begründung Folgendes aus:
"Im Wesentlichen wird in der Beschwerde vorgebracht, dass sowohl der Tatbestand gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG als auch der Tatbestand gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt sind und daher § 1 Abs. 4 GrEStG zur Anwendung gelangt. Allerdings unterliegen solche Rechtsvorgänge nur einer Besteuerung nach Abs. 3 soweit Abs. 2a nicht in Betracht kommt. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung im Abs. 3 geht der Abs. 2a vor. Im gegenständlichen Fall wurde daher aufgrund der Vorrangregel die Besteuerung nach Abs. 2a vorgenommen.
§ 1 Abs. 4 letzter Satz GrEStG lautet: "Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist". Da die Anteilsvereinigung nach Abs. 3 aufgrund der Vorrangregel des Abs. 2a nie der Besteuerung unterzogen wurde, ist keine Anrechnung nach § 1 Abs. 4 möglich.
Nach § 262 Abs. 2 lit. a BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird. Erst in der nachgereichten Begründung vom wurde beantragt von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen und nicht wie gesetzlich vorgesehen bereits in der Beschwerde. Aus diesem Grund ist eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen."
Vorlageantrag
Im Antrag auf Vorlage der Beschwerden ans BFG erstatte die Bf. kein weiteres Vorbringen. Beantragt wurde eine Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Vorlage an das BFG
Mit Vorlagebericht vom (eine Ausfertigung wurden auf der Bf. zu Handen ihrer steuerlichen Vertretung übermittelt) legte das FA das gegenständliche Rechtsmittel dem BFG zur Entscheidung vor. Darin gab das FA eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:
"Es wird auf die Begründungen im Grunderwerbsteuerbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen und wie folgt ergänzend ausgeführt:
Mit dem Verschmelzungsvertrag vom übernimmt die ***Bf1*** die ***X*** ***B*** GmbH. Bei diesem Rechtsvorgang fällt keine Grunderwerbsteuer an, weil die ***X*** ***B*** GmbH keine inländischen Grundstücke besitzt.
Da die beiden Kapitalgesellschaften Gesellschafterinnen der ***C*** Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG sind, kommt es durch die Verschmelzung der beiden Kapitalgesellschaften zu einer verschmelzungsbedingten Anwachsung gemäß § 142 UGB bei der ***Bf1***. Dieser Erwerbsvorgang unterliegt gemäß § 1 Abs. Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer - dies ist unstrittig.
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom (1. Rechtsvorgang) gehen alle Anteile an der ***C*** Grundstücks- Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG auf neue Gesellschafter über. Strittig ist, ob bei der Erfüllung der beiden Tatbestände § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG, die Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG zur Anwendung gelangt.
Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommt zur Anwendung "soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt". Aufgrund dieser ausdrücklichen Vorrangregel wurde klargestellt, dass bei der Erfüllung beider Tatbestände der Tatbestand gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig zum Tragen kommt (Vgl. ErlRV 684 BlgNR XXV. GP, 34 zu Art. 6 Z 1).
Daher erfolgte die Besteuerung des ersten Rechtsvorganges nach § 1 Abs. 2a GrEStG und die Anrechnung der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 4 GrEStG kommt nicht zur Anwendung."
Beweisaufnahme durch das BFG
Durch die zuständige Berichterstatterin wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt mit dem Vorlagebericht elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes sowie durch Abfragen bei FinanzOnline zu ***ErfNr1*** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf
Weiters wurden noch Abfragen bei FinanzOnline zu ErfNr. ***2*** und ErfNr. ***3*** sowie im Firmenbuch und im Grundbuch getätigt.
Mündliche Verhandlung
Zu der am durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat ist für die beschwerdeführende Partei trotz ausgewiesener Ladung (laut Rückschein wurde die Ladung am von einer Arbeitnehmerin der steuerlichen Vertretung übernommen) Niemand erschienen. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass ein Fernbleiben der Durchführung der Verhandlung nicht entgegensteht (§ 274 Abs. 4 BAO) und wurde deshalb die Verhandlung in Abwesenheit der beschwerdeführenden Partei durchgeführt.
Die Vorsitzende und zugleich Berichterstatterin trug die Sache vor und berichtete über die Ergebnisse bereits durchgeführter Beweisaufnahmen wie in der den Anwesenden ausgefolgten Beilage ./1 zur Niederschrift.
Auf die Frage der Vorsitzenden, ob es zum Sachverhalt noch Ergänzungen gibt, antwortete die Vertreterin des FA: "Es gibt nichts zu ergänzen."
Zur rechtlichen Beurteilung verwies das Finanzamt zunächst auf die Schriftsätze im bisherigen Verfahren und ergänzte:
"Wir haben noch ein VwGH-Erkenntnis mitgebracht, dass unsere Ansicht bestärkt, dass § 1 Abs. 2a GrEStG den Vorrang hat. Es handelt sich um , insbesondere die Randziffer 20 sowie den Rechtsatz.
Auch im Artikel Resch in taxlex 2023/91 wird grundsätzlich vom Vorrang der Bestimmung des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgegangen.
Der Steuerschuldner ist bei der Personengesellschaft anders geregelt, weil immer die Personengesellschaft der Steuerschuldner ist. Bei den in § 1 Abs. 4 GrEStG aufgezählten Rechtsvorgängen ist immer der Steuerschuldner ident und damit soll eine Doppelbesteuerung vermieden werden. Unserer Ansicht nach ist eben der Wortlaut eindeutig und es handelt sich um eine Begünstigungsvorschrift."
Das Finanzamt stellte keine weiteren Fragen und Beweisanträge.
Die Vertreterin des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde
Die Vorsitzende verkündete den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.
Mit Email vom teilte die steuerliche Vertretung dem BFG mit, dass der Termin aufgrund eines falschen Kalendereintrages versäumt wurde (Verhandlungstermin war leider mit 19.3. anstelle von 18.3. vorgemerkt).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die ***C*** Grundstücks- Verwaltungsgesellschaft mbH & Co OG (***FN*** - kurz ***C*** OG) war grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft ***xxx***, bestehend aus den Grundstücken ***NR...*** (kurz Liegenschaft).
Der Grundstückswert der Liegenschaft iSd Grundstückswertverordnung betrug bei Verwirklichung des gegenständlichen Erwerbsvorganges € 19.835.030,01.
1. Erwerbsvorgang - besteuert zu ErfNr. ***2***
Gesellschafterinnen der ***C*** OG waren ursprünglich die ***C*** Grundstücksgesellschaft mbH & Co KG (***HRA*** - kurz ***C*** KG Deutschland) mit 100 % der Vermögenseinlage und die ***C*** ***xxx*** Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH (***FN*** - kurz ***C*** GmbH) als reine Arbeitsgesellschafterin.
Im Rahmen eines sog "Share Deals" (Kauf- und Abtretungsvertrag vom ) wurden am (Tag des Closing, siehe dazu die Bestimmung über den Übergang der Geschäftsanteile in Punkt 7.4. des Kauf- und Abtretungsvertrages) die Geschäftsanteile an der grundstücksbesitzenden ***C*** OG
1. von der ***C*** KG Deutschland an die Bf. um einen vorläufigen Kaufpreis iHv € 29.320.495,49 und
2. von der ***C*** GmbH an die ***X*** ***B*** GmbH (***...***, kurz ***B*** GmbH) übertragen. Die ***C*** GmbH war am Vermögen der ***C*** OG nicht beteiligt ist und ist ohne Erhalt einer Abfindung bzw. eines Kaufpreisteils aus der ***C*** OG ausgeschieden.
Die Durchführung der Anteilsübertragung erfolgte wie in den Punkten 3.3.1 und 7.4. des Kauf- und Abtretungsvertrag vorgesehen in folgender Reihenfolge:
- Übergang der Anteile von der ***C*** KG Deutschland an die Bf.
- Eintritt der ***B*** GmbH in die ***C*** OG und 1 logische Sekunde später Austritt der ***C*** GmbH.
Die ***C*** OG blieb weiterhin grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft. Durch den Übergang von mehr als 95 % der Gesellschaftsanteile an der grundstücksbesitzenden ***C*** OG von der ***C*** KG Deutschland auf die Bf. als neue Gesellschafterin kam es lediglich auf Gesellschafterebene es zu einer Änderung und erfolgte damit indirekt ein Übergang vergleichbar einem Wechsel der wirtschaftlichen Verfügungsmacht in Bezug auf die Liegenschaft.
Bereits mit Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages und Erfüllung der Closing Bedingungen wurde für die Bf. ein Anspruch auf Übertragung von 100% der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundstücksbesitzenden ***C*** OG begründet.
Unter ErfNr. ***2*** wurde von der ***RA1*** Rechtsanwälte GmbH für den Geschäftsfall "Kauf- und Abtretungsvertrag, Closing-Protokoll vom " am eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer für 2 Rechtsvorgänge durchgeführt.
Unter "Rechtsvorgang 1" wurde die Bf. als Erwerberin, unter "Rechtsvorgang 2" wurde die ***B*** GmbH als Erwerberin angegeben. Als Veräußerer wurde jeweils die ***C*** OG angegeben und erfolgte die Selbstberechnung jeweils ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv € 9.531.505,00 und einem Steuersatz von 0,5% mit € 47.657,52, ergibt in Summe für beide Rechtsvorgänge € 95.315,04 (siehe dazu die mit der Beschwerde vorgelegten Belege über die Selbstberechnung vom , vom BFG verifiziert durch Abfragen bei FINANZONLINE zu ErfNr. ***2***).
Am wurden € 95.315,05 für die Entrichtung der unter ErfNr. ***2*** selbstberechneten Grunderwerbsteuer von der ***C*** OG an die ***RA1*** Rechtsanwälte GmbH überwiesen.
Der Kauf- und Abtretungsvertrag wurde zusätzlich am von der ***RA2*** Rechtsanwälte GmbH unter ErfNr. ***3*** mit Abgabenerklärung beim Finanzamt angezeigt. Auch hier wurden die ***C*** OG als Veräußerin und die Bf. sowie die ***B*** GmbH als Erwerberinnen genannt. Vom Finanzamt wurde unter der ErfNr ***3*** keine Grunderwerbsteuer festgesetzt. Dieser Geschäftsfall wurde vom FA mit dem Vermerk "Abfall" unter Hinweis auf die bereits unter ErfNr. ***2*** erfolgte Selbstberechnung abgeschlossen.
Verschmelzungsvertrag - Übergang des Vermögens der ***B*** GmbH auf die Bf.
Am schlossen die Bf. als aufnehmende Gesellschaft und die ***B*** GmbH als untergehende Gesellschaft einen Verschmelzungsvertrag (Side-Stream Verschmelzung) unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Art. I UmgrStG ab. Die Verschmelzung fand mit ertragsteuerlicher Rückwirkung auf den , 24.00 Uhr statt.
Mit Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch am ging die ***B*** GmbH unter, ihr gesamtes Vermögen ging auf die Bf. über. Im Vermögen der ***B*** GmbH befand sich keine Liegenschaft und wurde dadurch kein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang verwirklicht
2. Erwerbsvorgang - hier gegenständlich, besteuert zu ***ErfNr1***
Durch die Verschmelzung verblieb bei der ***C*** OG nur mehr eine einzige Gesellschafterin. Dadurch wurde die ***C*** OG aufgelöst und kam es gemäß § 142 UGB zu einer Anwachsung und ging mit der Eintragung im Firmenbuch am ex lege das Vermögen der ***C*** OG (darunter die im Eigentum der OG stehende Liegenschaft) auf die Bf. über. Durch diesen Vermögensübergang von der ***C*** OG auf die Bf. wurde die Bf. außerbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft.
Alleingesellschafterin der Bf und der ***B*** GmbH war die ***X*** GmbH (***...*** - kurz GROSSMUTTER). Die GROSSMUTTER, die Bf. und die ***B*** GmbH bilden keine Gruppe iSd Körperschaftsteuergesetzes.
2. Beweiswürdigung
Diese unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die vom Bundesfinanzgericht eingesehenen Unterlagen sowie das damit im Einklang stehende Vorbringen der Bf. in ihren schriftlichen Eingaben.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtslage
Nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer ua. folgende Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:
Z 1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet;
Z 2. der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist;
…
§ 1 Abs. 2a GrEStG 1987 lautet wie folgt:
"Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt der Steuer eine Änderung des Gesellschafterbestandes dergestalt, dass innerhalb von fünf Jahren mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile sind dem Treugeber zuzurechnen. Ein inländisches Grundstück gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft, wenn sie das Grundstück durch einen Rechtsvorgang gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 erworben hat."
§ 1 Abs. 3 GrEStG 1987 lautet wie folgt
"Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt, außerdem:
1. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 vereinigt werden würden;
2. die Vereinigung von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z 1 vorausgegangen ist;
3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft begründet;
4. der Erwerb von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z 3 vorausgegangen ist.
Treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile sind dem Treugeber zuzurechnen. Ein inländisches Grundstück gehört zum Vermögen einer Gesellschaft, wenn sie das Grundstück durch einen Rechtsvorgang gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 erworben hat.
§ 1 Abs. 4 GrEStG 1987 lautet wie folgt:
Ein im Abs. 1 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm einer der in den Abs. 2 und 3 bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist. Ein im Abs. 2 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm einer der im Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist. Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.
Nach § 1 Abs. 5 GrEStG 1987 unterliegt ein im Abs. 2a bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann, wenn ein in Abs. 2a oder Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Ein im Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ein in Abs. 2a oder Abs. 3 bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Sofern die Rechtsvorgänge nach Abs. 2a oder Abs. 3 in der gleichen Unternehmensgruppe verwirklicht werden, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.
Nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG 1987 beträgt die Steuer bei Vorgängen gemäß § 1 Abs. 2a und 3 oder bei Vorgängen nach dem Umgründungssteuergesetz, wenn die Steuer nicht vom Einheitswert zu berechnen ist, 0,5%.
Nach § 9 GrEStG 1987 sind Steuerschuldner
Z.1. beim Erwerb kraft Gesetzes der bisherige Eigentümer und Erwerber, …
…
Z 3.
a) bei der Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft die Personengesellschaft,
b) bei der Vereinigung von mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen oder einer Gesellschaft in der Hand des Erwerbers, derjenige in dessen Hand die Anteile vereinigt werden,
c) bei der Vereinigung von mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen oder einer Gesellschaft in der Hand einer Unternehmensgruppe, die am Erwerbsvorgang Beteiligten.
4. bei allen übrigen Erwerbsvorgängen
die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen.
§ 6 Abs. 5 UmgrStG lautet wie folgt:
"Werden auf Grund einer Verschmelzung nach § 1 Erwerbsvorgänge nach § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 verwirklicht, so ist die Grunderwerbsteuer gemäß § 4 in Verbindung mit § 7 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 zu berechnen."
Erwägungen
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes löst jeder Erwerbsvorgang selbständig die Grunderwerbsteuerpflicht aus (vgl. ua ), er bildet einen in sich abgeschlossenen Steuerfall.
Grunderwerbsteuerpflichtiger Rechtsvorgang iSd § 1 Abs. 1 Z. 2 bei Anwachsung
Durch das Erkenntnis wurde bestätigt, dass bei Übergang des Gesellschaftsvermögens gemäß § 142 Abs. 1 UGB (Anwachsung) auf den verbleibenden Gesellschafter ein Erwerb der Liegenschaft von der Personengesellschaft (hier die ***C*** OG) und nicht vom zuletzt ausgeschiedenen Gesellschafter (hier die ***B*** GmbH) auf den verbleibenden Gesellschafter (hier die Bf.) stattfindet. Auch wenn nur ein geringer Anteil an einer Personengesellschaft vom vorletzten auf den letzten Gesellschafter übergeht oder der ausscheidenden Gesellschafter ein reiner Arbeitsgesellschafter ist, ist als Mindestbemessungsgrundlage der gesamte Grundstückswert und nicht bloß ein der Beteiligungsquote entsprechender Anteil anzusetzen.
Es ist daher beim gegenständlichen (2.) Rechtsvorgang der Anwachsung gemäß § 142 UGB ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG (Erwerb des Eigentums ohne vorangegangenes Rechtsgeschäft mit Anspruch auf Übereignung der Liegenschaft) von der ***C*** OG an die Bf. erfolgt. Die Höhe des Grundstückswertes blieb im gesamten Verfahren unstrittig und besteht auch für den Senat kein Anlass die Wertermittlung in Frage zu stellen. Vom FA wurde daher im angefochtenen Bescheid zu Recht eine Bemessungsgrundlage iHv € 19.835.030,31 für den gegenständlichen Erwerbsvorgang angesetzt.
Auch der anzuwendende Steuersatz von 0,5% entspricht der Gesetzeslage, weil die Anwachsung hier aufgrund einer Umgründung iSd UmgrStG (Verschmelzung iSd § 1 UmgrStG) stattgefunden hat.
Voraussetzungen einer Differenzbesteuerung nach § 1 Abs 4 GrEStG
Die Differenzbesteuerung nach § 1 Abs 4 GrEStG ist bei Personengesellschaften nach dem Wortlaut der Bestimmung nur vorgesehen, wenn bestimmte Erwerbsvorgänge in einer bestimmten Reihenfolge auftreten.
Bei der Besteuerung eines Rechtsvorganges iSd § 1 Abs. 1 GrEStG (hier iSd § 1 Abs. 1 Z.2 GREStG) ist nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs. 4 GrEStG eine Differenzbesteuerung nur vorgesehen, wenn entweder ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG oder ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgegangen ist. Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG werden darin nicht genannt.
Qualifizierung des früheren (1.) Rechtsvorganges - Vorrang des Tatbestandes nach § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 vor dem des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987
In der vom Finanzamt bei der mündlichen Verhandlung genannten Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen wie Folgt:
"§ 1 Abs. 2a GrEStG 1987 erfasst seinem Wortlaut nach den Gesellschafterwechsel ausschließlich bei Personengesellschaften, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 stellt darauf ab, dass zum "Vermögen einer Gesellschaft" ein inländisches Grundstück gehört und erfasst die Tatbestände der Anteilsvereinigung und der Übertragung von Anteilen. Der Begriff der "Gesellschaft" in § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist im weitesten Sinne zu verstehen. Jede Personenmehrheit, die sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließt und fähig ist, Eigentum an Grundstücken zu erwerben (Rechtsfähigkeit) ist als Gesellschaft iSd § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 1 Abs. 3 GrEStG 1955, BGBl. Nr. 140, fielen unter den Begriff der "Gesellschaft" im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG 1955 nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Personenhandelsgesellschaften (vgl. , mwN). Angesichts der Weiterverwendung des Begriffes der "Gesellschaft" in § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist dies auf Personengesellschaften im Sinne des UGB unverändert zu übertragen. Es ergibt sich somit schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 und entspricht der Rechtsprechung des VwGH, dass diese Bestimmung auf Personengesellschaften und somit auf die Übertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen einer Kommanditgesellschaft anwendbar ist.
Aus den Materialien zum SteuerreformG 2015/2016 (ErlRV 684 BlgNr 25. GP 34) ist abzuleiten, dass es die Intention des Gesetzgebers war, dass die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften sowohl den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987, als auch jenen des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 erfüllen kann. § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 ist dabei subsidiär zu § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 und kommt nur zur Anwendung, soweit nicht die speziell auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Personengesellschaften zugeschnittene Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 anzuwenden ist.
Im gegenständlichen Fall hat die Bf. auf Grund des mit der ***C*** KG Deutschland abgeschlossenen Kauf- und Abtretungsvertrages mit Eintritt der im Vertrag vorgesehenen Bedingungen einen Anspruch auf Übertragung von Anteilen an einer Personengesellschaft (***C*** OG) erworben. Zum Gesellschaftsvermögen der ***C*** OG gehörte unzweifelhaft eine Liegenschaft. Durch die im Vertrag vorgesehene Abfolge beim Wechsel der Arbeitsgesellschafterin - zuerst Eintritt der neuen Arbeitsgesellschafterin und erst eine logische Sekunde danach Austritt der bisherigen Arbeitsgesellschafterin - wurde damals die OG noch nicht aufgelöst und kam es zu keiner Anwachsung nach § 142 UGB und blieb die Liegenschaft unverändert im Eigentum der ***C*** OG. Es fand kein Rechtsvorgang zwischen der ***C*** OG und der Bf. statt, sondern erwarb die Bf. als neue Gesellschafterin von der ***C*** KG Deutschland deren 100 % Vermögenseinlage an der ***C*** OG und kam es durch die Änderung auf Gesellschafterebene in Bezug auf die Liegenschaft nur indirekt zu einem Übergang vergleichbar einem Wechsel der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Mit dem tatsächlichen Übergang von mehr als 95 % der Gesellschaftsanteile an der grundstücksbesitzenden ***C*** OG von der ***C*** KG Deutschland auf die Bf. als neue Gesellschafterin (Verfügungsgeschäft) wurde ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht.
Grundsätzlich wären mit Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages auch die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 1 Abs 3 GrEStG 1987 erfüllt, weil durch dieses Rechtsgeschäft für die Bf. ein Anspruch auf Übertragung von 100% der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundstücksbesitzenden ***C*** OG begründet wurde. Da jedoch auch eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG "in Betracht kam" (siehe oben) unterlag der frühere Erwerb durch den Vorrang des § 1 Abs. 2a GrEStG nur nach diesem Tatbestand der Besteuerung.
Für den 1. Rechtsvorgang ist die Grunderwerbsteuerschuld somit (nur) nach § 1 Abs. 2a GrEStG iVm § 8 Abs. 1 GrEStG mit dem Closing am entstanden.
Steuerschuldnerin hierfür war gemäß § 9 Abs. 3 lit a GrEStG 1987 nur die Personengesellschaft (somit hier die ***C*** OG).
Auch hinsichtlich des Steuerschuldners unterscheiden sich die Tatbestände des § 1 Abs. 2a GrEStG und des § 1 Abs. 3 GrEStG. Wie sich schon aus der Anlehnung der Formulierung an § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ergibt - werden durch § 9 Abs. 3 lit a GrEStG 1987 nur Fälle erfasst, in denen Grunderwerbsteuer aufgrund der Änderung des Gesellschafterbestandes gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1987 ausgelöst wird (vgl. unter Hinweis auf Massoner/Stefaner in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 9 Rz 11). Bei Verwirklichung des Tatbestandes nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist Steuerschuldner gemäß § 9 Abs. 3 lit. b GrEStG 1987 hingegen der Erwerber der Anteile (derjenige in dessen Hand die Anteile vereinigt werden).
Der Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs. 3 GrEStG verlangt, dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG "nicht in Betracht kommt". Durch diese Wortfolge hat der Gesetzgeber ein einschränkendes Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen eines Rechtsvorganges nach § 1 Abs. 3 GrEStG angeordnet.
Für Übertragungen von Anteilen an einer Personengesellschaft gemäß § 1 Abs 2a GrEStG wurde keine Anrechnungsmöglichkeit in § 1 Abs 4 GrEStG aufgenommen. Sollte also ein Erwerber aufgrund des expliziten Vorrangs des § 1 Abs 2a GrEStG keine Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs 3 GrEStG an einer Personengesellschaft verwirklichen, sondern eine Anteilsübertragung gemäß § 1 Abs 2a GrEStG, kommt bei einem späteren Erwerb des Grundstücks nach dem Wortlaut des § 1 Abs 4 GrEStG eine Anrechnung nicht in Betracht. Ob in solchen Fällen der Anwendungsbereich des § 1 Abs 4 GrEStG ausgeweitet werden kann, ist nach der Literatur fraglich (vgl Allram/Pinetz/Klokar in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG § 1 Rz 988 ).
Den von der Bf. genannten Aussagen des BMF kommt für das BFG keine Bindungswirkung zu.
Dem Wesen der GrESt als Rechtsverkehrsteuer ist es immanent, dass allein auf die formale Rechtsträgeridentität abzustellen ist. Steuerpflichtig sind grundsätzlich sowohl Haupt- als auch Ersatztatbestände und lösen nach einander verwirklichte Rechtsvorgänge mehrfach eine Grunderwerbsteuerpflicht aus. Nur ausnahmsweise ist bloß eine Differenzsteuer nach der Bestimmung des § 1 Abs 4 GrEStG festzusetzen und ist dabei eine Grundvoraussetzung, dass beide Rechtsvorgänge zwischen den gleichen Vertragspartnern stattfinden (; 16/2527/80 uam). So hat zB der UFS Linz entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl UmgrStR 2002 Rz 346) entschieden, dass im Falle einer Vereinigung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs 3 GrEStG und der anschließenden errichtenden Umwandlung dieser Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft zweimal GrESt ohne Anrechnung nach § 1 Abs 4 GrEStG anfällt, weil die Anteilsvereinigung die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, bei denen die Anteile vereinigt werden, betrifft, während die anschließende errichtende Umwandlung die Kapitalgesellschaft selbst betrifft (vgl. N. Arnold in Arnold/Bodis (Hrsg), Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 zu § 1 GrEStG, Rz 421 unter Hinweis auf ).
Auch nach der Neufassung der Bestimmung des § 1 Abs. 4 GrEStG durch das StRefG 2015/2016 werden durch die Differenzbesteuerung nicht alle Möglichkeiten der Aufeinanderfolge von Haupt- und Ersatztatbestand erfasst, sondern nur taxativ im Gesetz aufgezählten Fälle.
Die Bestimmung des § 1 Abs 4 GrEStG ist mangels einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung bei der Anteilsvereinigung auf die Fälle der Aufeinanderfolge von rechtlicher und wirtschaftlicher Vereinigung nicht anwendbar. Nicht der Differenzsteuer, sondern der vollen Besteuerung unterliegen daher der Übergang zwischen dem Konzern und einem Konzernunternehmen. Abweichungen ergeben sich lediglich im Rahmen des § 1 Abs 5 GrEStG (idF StRefG 2015/2016) bei Übertragungen in der gleichen Unternehmensgruppe (vgl. N. Arnold in Arnold/Bodis, zu § 1 GrEStG, Rz 431).
Gegen das Vorliegen einer echten Lücke spricht nach Ansicht des erkennenden Senates insbesonders, dass durch das Jahressteuergesetz 2018 nur beim Tatbestand des § 1 Abs. 5 GrEStG, der für Vorgänge in der gleichen Unternehmensgruppe - die hier nicht vorliegt - eine Ausdehnung der Differenzbesteuerung auf Anteilsübertragungsvorgänge bei Personengesellschaften iSd § 1 Abs 2a GrEStG vorgenommen wurde, nicht aber in der Bestimmung des § 1 Abs. 4 GrEStG 1987.
Hier Rechtsvorgänge zwischen unterschiedlichen Rechtsträgern
Wie bereits ausgeführt, setzt nach der ständigen Judikatur des VwGH eine Anwendbarkeit der Bestimmung des § 1 Abs. 4 GrEStG voraus, dass beide Rechtsvorgänge zwischen den gleichen grunderwerbsteuerlichen Rechtsträgern stattfinden (vgl. , -037). Im Grundgedanken soll § 1 Abs 4 GrEStG die wiederholte Besteuerung mehrerer an sich steuerpflichtiger Vorgänge zwischen denselben Rechtsträgern ausschalten.
Die Lage ist hier vergleichbar mit dem Fall der Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht im 1. Rechtsvorgang von A (der zB Treugeber für den B ist) auf C und der späteren Übertragung des Eigentums von B auf C. In dieser Konstellation fehlt nach der ständigen Judikatur die für eine Differenzbesteuerung notwendige Personenidentität (vgl. Allram/Pinetz/Klokar aao, Rz 972).
Hier fand beim 1. Erwerbsvorgang ein Rechtsträgerwechsel nur zwischen der Altgesellschafterin (der ***C*** KG Deutschland) und der Bf. als neue Gesellschafterin statt und erlangte die Bf. erstmals - zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich - eine Art Verfügungsmacht über die im Eigentum der Personengesellschaft stehenden Liegenschaft. Die Personengesellschaft war an diesem Erwerbsvorgang nicht beteiligt, sondern ist sie bei Verwirklichung eines Erwerbsvorganges nach § 1 Abs. 2a GrEStG lediglich auf Grund der Spezialbestimmung des § 9 Z 3a GrEStG Steuerschuldnerin.
Der Rechtsträgerwechsel beim 2. Erwerbsvorgang fand hingegen zwischen der aufgelösten Personengesellschaft (***C*** OG) und der Bf. statt (siehe dazu und die obigen Ausführungen).
Der Senat kam daher zu dem Ergebnis, dass beim 2. Erwerbsvorgang keine Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG vorzunehmen ist.
Nur der Vollständigkeit wird bemerkt, dass die Anrechnungsvorschrift nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Steuer auf die Bemessungsgrundlage des ersten Rechtsvorganges auch tatsächlich beglichen wurde (vgl Allram/Pinetz/Klokar aaO, Rz 973). Nach den von der Bf. vorgelegten Unterlagen erfolgte eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer für einen Erwerb durch die Bf. nur hinsichtlich einer Bemessungsgrundlage iHv € 9.531.505,00 (da bei der Selbstberechnung offenbar auch die ***B*** GmbH als Erwerberin angesehen wurde) und käme daher maximal eine Anrechnung mit diesem Betrag in Betracht.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob es für eine Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 4 GrEStG ausreichend ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 1 Abs 3 GrEStG 1987 "grundsätzlich" auch - dh neben den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG 1987- erfüllt wurden, liegt soweit überblickbar bislang keine Rechtsprechung des VwGH vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 2a GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 3 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102097.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
XAAAF-72985