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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.03.2025, RV/5101790/2018

Pflegegeld ist Heimkosten gegenzurechnen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Schmidt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ALLTAX Revisions- u. Treuhand- gesellschaft m.b.H., Blütenstraße 15 Tür 4, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

- Einkommensteuerbescheid 2016

- Einkommensteuerbescheid 2017

- Beschwerde 2016

- Beschwerde 2017

- Beschwerdevorentscheidung 2016

- Beschwerdevorentscheidung 2017

- Vorlageantrag 2016

- Vorlageantrag 2017

Die Arbeitnehmerveranlagung 2016 vom wurde mit Einkommensteuerbescheid vom erklärungsgemäß veranlagt.

Der Einkommensteuerbescheid vom betreffend das Veranlagungsjahr 2016 wurde gem. § 299 BAO mit der Begründung, dass die Begründung dieses Bescheides eine inhaltliche Rechtswidrigkeit aufweise, die eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe, aufgehoben. Infolgedessen erging am ein abgeänderter Einkommensteuerbescheid 2016, in welchem die geltend gemachten Krankheitskosten für die tageweise Betreuung in einem Demenz-Tageszentrum nicht nur um das aliquote, sondern das gesamte Pflegegeld gekürzt wurden.

Im Einkommensteuerbescheid vom betreffend das Veranlagungsjahr 2017 wurde die Kürzung o.a. Krankheitskosten um das gesamte Pflegegeld analog angewendet.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sowie den Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 brachte die beschwerdeführende Partei mit bzw. rechtzeitig Bescheidbeschwerden ein. Diese richten sich gegen die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom sowie den Abzug des gesamten Pflegegeldes von den außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt.

Zur Begründung führte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen aus:

Das Pflegegeld könne, sofern überhaupt, nur aliquot, nämlich nur für jene Tage, an denen das Tageszentrum besucht wurde, die Betreuungskosten mindern.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom bzw. wurden die gegenständlichen Bescheidbeschwerden als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen führte die belangte Behörde aus:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes () komme bei den gegenständlichen Gesundheitsmaßnahmen die Gegenrechnung mit einem Pflegegeldbezug zum Tragen. Dabei wären die Kosten für das Tageszentrum um das gesamte gewährte Pflegegeld zu kürzen.

Dagegen richten sich die rechtzeitig eingebrachten Vorlageanträge vom bzw. . Im Wesentlichen ergänzt die beschwerdeführende Partei:

Das Pflegegeld umfasse nicht die Therapiekosten, diese seien von § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen umfasst. Der Nichtabzug des Pflegegeldes würde keine "zusätzliche Einkommensminderung" bewirken, nur die tatsächlichen außergewöhnlichen Belastungen würden einkommensmindernd wirken. Der Entscheidung des könne nicht gefolgt werden, da das Pflegegeld keine pauschale Abgeltung, sondern die Abgeltung eines konkreten Pflegebedarfes, in Stunden pro Monat, darstelle (Tagesrichtwerte gemäß Einstufungsverordnung). Eine Kürzung der behinderungsbedingten Krankheitskosten könne demnach nur an den Tagen erfolgen, an dem das Tageszentrum besucht wurde.

Die Bescheidbeschwerden wurden mittels Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und beantragte darin die Abweisung der Beschwerden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei ist am *Datum* geboren und weist einen Grad der Behinderung iHv 80% insbesondere eine Demenzerkrankung auf. Die beschwerdeführende Partei bezieht eine Pension der OÖ Rechtsanwaltskammer sowie der Pensionsversicherungsanstalt. Für das Jahr 2016 und 2017 wurde jeweils Pflegegeld der Stufe III iHv € 5.421,60 geleistet.

In der Arbeitnehmerveranlagung 2016 wurden u.a. behinderungsbedingte Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt iHv € 7.324,07 erklärt. Dieser Betrag setzt sich aus den Betreuungskosten in einem Demenz-Tages-Zentrum (Tageszentrum) für Dezember 2015 bis November 2016 iHv € 9.510,16 abzüglich Haushaltsersparnis (€ -270,48) und Pflegegeld aliquot für 138 Tage (€ -2.049,81) sowie Apothekenkosten für Medikamente iHv € 134,20 zusammen.


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Therapiekosten
Tage
Kosten in Euro
Tageszentrum 12/2015
11
782,56
Tageszentrum 1/2016
11
793,10
Tageszentrum 2/2016
6
432,60
Tageszentrum 3/2016
14
940,80
Tageszentrum 4/2016
12
793,10
Tageszentrum 5/2016
12
796,60
Tageszentrum 6/2016
14
944,30
Tageszentrum 7/2016
9
648,90
Tageszentrum 8/2016
11
782,60
Tageszentrum 9/2016
13
861,70
Tageszentrum 10/2016
11
793,10
Tageszentrum 11/2016
14
940,8
Summe
138
9.510,16

In der Arbeitnehmerveranlagung 2017 wurden u.a. behinderungsbedingte Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt iHv € 13.327,40 erklärt. Dieser Betrag setzt sich aus den Betreuungskosten in einem Demenz-Tages-Zentrum (Tageszentrum) für Dezember 2016 bis November 2017 iHv € 10.728,16 abzüglich Haushaltsersparnis (€ -305,76) und Pflegegeld aliquot für 156 Tage (€ -2.317,18) sowie Kosten für ein Hörgerät iHv € 4.900 und Apothekenkosten für Medikamente iHv € 322,14 zusammen.


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Therapiekosten
Tage
Kosten in Euro
Tageszentrum 12/2016
15
1.009,40
Tageszentrum 1/2017
14
1.026,20
Tageszentrum 2/2017
12
747,40
Tageszentrum 3/2017
11
806,30
Tageszentrum 4/2017
10
733,00
Tageszentrum 5/2017
13
886,80
Tageszentrum 6/2017
12
809,90
Tageszentrum 7/2017
12
806,30
Tageszentrum 8/2017
13
883,20
Tageszentrum 9/2017
12
809,90
Tageszentrum 10/2017
15
1.029,80
Tageszentrum 11/2017
17
1.180,00
Summe
156
10.728,20

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus der vorliegenden Aktenlage und den im elektronischen Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten. Der Grad der Behinderung iHv 80% ist aus den Daten des Bundessozialamtes ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 34 Einkommensteuergesetz 1988
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1.
Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2)Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3)Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4)Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro …………………………………………………………….…….6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ………………………….……………………….8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro ………………………….......................10%.

mehr als 36 400 Euro ……………………………………………..………………………...12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
-
wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106).
(5)
Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.
(6)
Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
[…]
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 EStG 1988
(1)Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
-
durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1.
in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2.
in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
[…]
(3)
Es wird jährlich gewährtbei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von75% bis 84%ein Freibetrag von Euro 435.
[…]
(5)Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
(6)
Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von zwei oder mehreren Arbeitgebern, steht der Freibetrag nur einmal zu.
(7)
Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.
[…]

Die zu den Bestimmungen der §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 - im Folgenden kurz: VO) normiert:

§ 1 (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, ...so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genanntenMehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach
§ 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 4 Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB RollStuhl, Hörgerät,
Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Für die Frage inwieweit und in welcher Höhe das bezogene Pflegegeld von den geltend gemachten behinderungsbedingten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt abzuziehen ist, kommt es darauf an, ob die geltend gemachten Kosten für das Tageszentrum Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen darstellen.

Als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kosten für ärztlich verordnete und unter ärztlicher Leitung absolvierte Kuren, Therapien, Kosten für Medikamente, sofern sie in Zusammenhang mit der Behinderung stehen (z.B. Doralt, EStG, § 35 Tz 17; Jakom, EStG, § 35 Tz 27, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen, eine Glaubhaftmachung genügt nicht ().

Es wird auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes betreffend die gegenständliche Thematik verwiesen:

Dass es sich bei den von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Kosten für die Betreuung in einem Demenz-Tageszentrum nicht um Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen handelt wurde bereits in der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101475/2016 ausreichend geklärt. Darin wurde festgehalten, dass der Zweck des konkreten Tageszentrums auf die Unterstützung pflegender Angehöriger ausgerichtet ist und der sozialen Interaktion der Betroffenen dient.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsste aber die konkrete Heilbehandlung zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sein, was regelmäßig nur dann der Fall ist, wenn entweder ein dies bestätigendes vorfeldweise ausgestelltes ärztliches Zeugnis oder Gutachten vorliegt oder von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung Zuschüsse geleistet werden, weil zur Erlangung eines solchen Zuschusses ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss; für ärztlich verordnete Therapien wird darüber hinaus regelmäßig auch die Einbettung derselben in eine ärztliche Überwachung verlangt (vgl. ). Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Kosten die ausschließlich pflegerischen Aspekten zuzuordnen sind, stellen keine Kosten der Heilbehandlung dar.

Krankheitskosten die nicht Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen sind können unter den Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich; sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (Doralt, EStG, § 34 Tz 38/1 mit Hinweis auf die Judikatur des BFH sowie Tz 78 zu den Krankheitskosten; Jakom, EStG, § 34 Tz 90 mit Hinweis auf 349/56 und ). Krankheitskosten, die mit der eigenen Behinderung des Steuerpflichtigen in Zusammenhang stehen können aber mit Ausnahme der in § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen genannten (im gegenständlichen Fall nicht vorliegenden) Kosten der Heilbehandlung nicht neben den Freibeträgen gemäß § 35 EStG geltend gemacht werden; sollen die tatsächlich angefallenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, so müssen sämtliche Kosten nachgewiesen werden (siehe neuerlich Doralt, EStG, § 34 Tz 78). Bei Gesundheitsmaßnahmen, die nicht unter § 4 der VO fallen, kommt § 34 Abs. 6 fünfter und sechster Teilstrich EStG und damit die Gegenverrechnung mit einem Pflegegeldbezug zum Tragen. Auch bei derartigen Kosten bedarf es zudem eines entsprechenden Nachweises bezüglich der sonstigen Voraussetzungen des § 34 EStG. (vgl. ).

Die geltend gemachten Kosten für die Tagesbetreuungsstätte wurden unstreitig durch die Krankheit der beschwerdeführenden Partei verursacht und sind daher aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Eine weitergehende Erörterung dieser Umstände erübrigt sich im vorliegenden Fall, da die Notwendigkeit der entsprechenden Aufwendungen eindeutig und unzweifelhaft feststeht. Es genügt, wenn die krankheitsbedingten Maßnahmen den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen, d.h. zu lindern oder das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern oder zu verlangsamen (vgl. auch dazu Jakom, EStG, § 34 Tz 90 mit Hinweis auf und BFH , III R 296/84).

Es wird anerkannt, dass die angebotenen Maßnahmen der Tagesbetreuungsstätte darauf abzielen, das Fortschreiten der Demenz der beschwerdeführenden Partei zu hemmen.

Zweck des Bundespflegegeldgesetzes ist es, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen ( mit Hinweis auf ).

Im Erkenntnis vom führte der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des , weiter aus: "Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben sohin bei Interpretation von Regelungen der VO, die eine steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen ohne Gegenverrechnung mit pflegebedingten Geldbezügen ermöglichen, Tatbestandsmerkmalen über deren Begriffskern hinaus einen weiten Inhalt beigemessen, wenn Aufwendungen betroffen waren, bei denen es nicht offenkundig auf der Hand liegt, dass sie durch die bezogenen pflegebedingten Geldleistungen abgegolten werden sollen."

Der OGH (zB ; ) sprach bereits mehrfach aus, dass das Pflegegeld pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abgelten und dem Pflegebedürftigen die notwendige Betreuung und Hilfe sichern sowie dessen Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen, verbessern soll.

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 776 BlgNR 18. GP 25) soll das Pflegegeld dazu dienen, Pflegeleistungen "einkaufen" zu können. Für pflegebedürftige Menschen werde dadurch die Wahlmöglichkeit zwischen Betreuung und Hilfe in häuslicher Pflege durch den Einkauf von persönlicher Assistenz und der stationären Pflege erweitert. Das Pflegegeld solle es den Betroffenen ermöglichen, sich die erforderlichen Pflegemaßnahmen selbst zu organisieren. Es könne damit nur als Beitrag zu den pflegebedingten Mehraufwendungen verstanden werden. Die Zuordnung zu den einzelnen Pflegegeldstufen erfolge nach der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz (BPGG) und orientiere sich am Zeitaufwand für bestimmte angeführte Pflegeleistungen (§ 1 der Einstufungsverordnung). Das Pflegegeld diene der Sicherung der Betreuung und Hilfe und solle jene Mehrbelastungen zumindest teilweise abgelten, die durch die Inanspruchnahme von notwendigen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen durch dritte Personen erwachsen. Aufwendungen des unterhaltsberechtigten Pflegegeldbeziehers für Therapie, Kleidung und Wäsche seien als krankheitsbedingter, durch das Pflegegeld nicht gedeckter Sachaufwand zu behandeln; insoweit liege eine Doppelversorgung des Pflegegeldbeziehers nicht vor.

In den Informationsunterlagen des Tageszentrums wird darauf hingewiesen, dass das umfassende Angebot nicht nur eine liebevolle und professionelle Betreuung von Menschen mit Demenz sicherstellt, sondern auch pflegenden Angehörigen gezielt Entlastung, fachliche Beratung und Austausch ermöglicht. Das Angebot umfasst eine strukturierte, bedürfnisorientierte Tagesbetreuung, bei der individuell abgestimmte Freizeit- und Alltagsaktivitäten - etwa Gedächtnis- und Beschäftigungstraining, Spiele, gemeinsames Kochen, Gymnastik, Erinnerungsgruppen, Musik- und kreatives Gestalten - in einer ruhigen, familiären Umgebung angeboten werden. Neben der Begleitung und Unterstützung bei der Körperpflege, den Mahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Kaffee/Jause) sowie Spaziergängen und Ausflügen wird auf Wunsch auch eine halbtägige Betreuung realisiert. Darüber hinaus erhalten Angehörige, die überwiegend die Pflege und Betreuung übernehmen, wertvolle Hilfestellungen von Demenz-Experten der Tagesbestreuungsstätte. Dies dient dazu, die Kommunikation zu fördern, soziale Kontakte zu intensivieren und den Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen - als Ergänzung zu bestehenden mobilen Diensten (vgl. www.website.at).

Die hier anfallenden finanziellen Aufwendungen zählen somit eindeutig zu den pflegebedingten Mehrauslagen, deren Abgeltung durch entsprechende Pflegegeldleistungen vorgesehen ist. Gleichzeitig ist anerkannt, dass über diese Leistungen hinausgehende Kosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden können.

Die Berücksichtigung des gesamten Pflegegeldes bei der Berechnung der Krankheitskosten ist daher rechtsrichtig.

Die Kosten für das Hörgerät iHv 4.900 Euro fallen als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel unter § 4 VO über außergewöhnliche Belastungen.

Für den Zeitraum 12/2015 bis 11/2016 waren somit Kosten für das Tageszentrum iHv 9.510,16 Euro abzüglich Haushaltsersparnis iHv 270,48 Euro und Pflegegeld iHv 5.421,60 Euro anzuerkennen. Unter Berücksichtigung der Kosten für Medikamente aus der Apotheke iHv 134,20 Euro ergeben sich insgesamt außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt iHv 3.952,28 Euro für das Veranlagungsjahr 2016.

Für den Zeitraum 12/2016 bis 11/2017 waren somit Kosten für das Tageszentrum iHv 10.728,20 Euro Euro abzüglich Haushaltsersparnis iHv 305,76 Euro und Pflegegeld iHv 5.421,60 Euro anzuerkennen. Unter Berücksichtigung der Kosten für Medikamente aus der Apotheke iHv 322,14 Euro sowie den Kosten für ein Hörgerät iHv 4.900 Euro ergeben sich insgesamt außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt iHv 10.222.98 Euro für das Veranlagungsjahr 2017.

Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom und infolgedessen Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides 2016 zum sowie der Einkommensteuerbescheid 2017vom erweisen sich somit als rechtmäßig.

Demzufolge waren die gegenständlichen Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall wurde der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt und daher ist eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5101790.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
YAAAF-72976