Festsetzung der Forschungsförderungsprämie ohne die Voraussetzungen dafür zu erfüllen; Zulässigkeit von Gemeinkostenzuschlägen für die Berechnung der Bemessungsgrundlage
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch UNICONSULT Steuerberatungs GmbH & Co KG, Stadtplatz 9, 5280 Braunau/Inn, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Forschungsprämie § 108c EStG 1988 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Bescheid über die Festsetzung der Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung (§ 108c Abs. 2 Z 1 Einkommensteuergesetz 1988 [EStG 1988] in Verbindung mit § 24 Abs. 6 Körperschaftsteuergesetz 1988 [KStG 1988]) gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO datiert vom wird ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin hat am für das Jahr 2018 eine Forschungsprämie gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) in Höhe von € 18.978,96 für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung geltend gemacht.
Dazu legte die Beschwerdeführerin den Förderungsvertrag vom mit der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) für das Projekt "***A***" für den Zeitraum bis vor.
Darin wurden der Beschwerdeführerin ein Zuschuss der FFG in Höhe von € 74.700,00, ein Bonus für Klein- und Mittelbetriebe des Landes im Weg der FFG in Höhe von € 23.900,00 und ein Darlehen der FFG in Höhe von € 70.100,00 zugesprochen.
Dabei wurden als förderbare Aufwendungen Personalkosten von € 176.548,00, Kosten der Nutzung von Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur € 12.088,00, Sach- und Materialkosten von € 48.125,00 und Reisekosten von € 4.375,00 insgesamt also € 241.136,00 berücksichtigt.
Am teilte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit Mail mit, dass die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zum oben genannten Projekt im Jahr 2017 um € 24.156,90 geringer gewesen seien als die dafür ausbezahlten und zugesagten Förderungen durch die FFG. Dieser Betrag sei noch bei der Forschungsprämie 2018 zu berücksichtigen.
Am teilte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Mail dem Finanzamt mit, dass die Gesamtkosten des Projektes € 229.325,00 betragen hätten. Aufgrund der geringeren Aufwendungen als ursprünglich angenommen, sei die dritte Teilzahlung der Förderung durch die FFG von € 14.940,00 auf € 10.101,00 gekürzt worden. Nach dem Abzug aller Förderbeträge ergebe sich daher eine Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie von € 135.564,00.
Beigelegt war die Kosten- und Förderungsanrechnung der FFG vom , in welcher die genehmigten Kosten von € 241.136,00 den anerkannten Gesamtkosten von € 229.325,00 gegenübergestellt und daraus eine Rückzahlungsverpflichtung für die Überförderung von € 1.180,00 abgeleitet wurde.
Basis dieser Berechnung und des Antrages auf die Forschungsprämie war Aufstellung der Beschwerdeführerin, in welcher die Löhne und Gehälter sowie die Unmittelbaren Aufwendungen für das Projekt um 25 % Gemeinkosten erhöht wurden. Wobei sich aus Löhnen und Gehältern in einer Gesamtsumme von € 147.460,00, unmittelbaren Aufwendungen von € 36.000,00 und 25 % Gemeinkosten über beide Beträge die von der FFG anerkannte Summe von € 229.325,00 ergibt. Abzüglich der steuerfreien Zuwendungen für Forschung und Entwicklung der FFG von € 93.761,00 berechnete die Beschwerdeführerin eine Bemessungsgrundlage für den Forschungsförderungsbeitrag von € 135.564,00 und davon 14 %, also € 18.978,96.
Am teilte das Finanzamt der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Mail mit, dass er die Praxis der FFG, entsprechend des Kostenleitfadens einen Gemeinkostenzuschlag bei Material- und Reisekosten zuzulassen, kenne. Entsprechend der Judikatur, welche einen Gemeinkostenzuschlag in Hinblick auf die Forschungsprämie nur bei den Personalkosten erwähne, könne dies aber steuerlich nicht anerkannt werden. Dementsprechend sei die Forschungsprämie auf € 17.719,00 zu reduzieren.
Dazu nahm die Beschwerdeführerin in der Mail vom Stellung und vertrat die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin Ansicht, dass aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z 1 bis 4 Forschungsprämienverordnung (BGBl. II Nr. 515/2012) sich eine Gleichwertigkeit der Löhne und Gehälter und der auf die Forschung und Entwicklung entfallenden Gemeinkosten ergebe. Auch in den Einkommensteuerrichtlinien (einer nicht bindenden Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen) sei der Begriff der Gemeinkosten sehr weit gefasst. Dort würden alle der Forschung und Entwicklung bei sachgerechter Aufschlüsselung zurechenbaren indirekten Kosten den Gemeinkosten zugerechnet, nur die Vertriebskosten seien ausgeschlossen. Die Gemeinkosten für Forschung und Entwicklung seien nach den Einkommensteuerrichtlinien zu schätzen. Dort werde das Verhältnis der dem Forschungsprojekt zugeordneten Personalkosten zu den gesamten Personalkosten als Maßstab vorgeschlagen. Daraus lasse sich nicht schließen, dass nur für die Personalkosten ein Gemeinkostenzuschlag angesetzt werden dürfe. In einem in den Einkommensteuerrichtlinien angeführten Beispiel würden die Kosten eines allgemeinen Betriebskredites anteilig den Gemeinkosten der Forschung und Entwicklung zugrechnet, was belege, dass die Einkommensteuerrichtlinien Gemeinkosten bei Forschung und Entwicklung zulasse, welche sich nicht auf den Lohnaufwand beziehen würden. Die vom Finanzamt angesprochene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes würde sich bloß auf die Personalkosten als Schätzungsgrundlage des Gemeinkostenanteils beziehen, schließe aber andere Gemeinkosten als Personalkosten nicht aus.
Mit Bescheid datiert vom wurde die Forschungsprämie 2018 der Beschwerdeführerin gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in Verbindung mit § 24 Abs. 6 KStG 1988 (Körperschaftsteuergesetz, BGBl. Nr. 401/1988) gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) mit € 17.719,00 festgesetzt. Das entspricht 14 % der angepassten Bemessungsgrundlage von € 126.564,25.
Die Beschwerdeführerin habe sowohl von den Personal- auch den Material- und Reisekosten auch den Aufwendungen für die Anlagennutzung 25 % als Gemeinkostenzuschlag hinzugerechnet.
Nach der Verwaltungspraxis könnten, wenn keine Kostenrechnung vorliege (im Weg der Schätzung) nur 25 % der Personalkosten als Gemeinkostenzuschlag anerkannt werden, womit sämtliche Gemeinkosten abgedeckt seien. Weitere prozentuelle Aufschläge könnten ohne sachgerechte Kostenaufschlüsselung nicht anerkannt werden, da die Beschwerdeführerin bei Abgabenbegünstigungen eine erhöhte Mitwirkungspflicht treffe. Die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie sei daher um die Gemeinkostenaufschläge für Material- und Reisekosten sowie Anlagennutzung gekürzt worden.
Damit würden die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO vorliegen.
In der Beschwerde gegen den oben beschriebenen Bescheid datiert vom über die Festsetzung der Forschungsprämie 2018 vom wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Kürzung der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie in Hinblick auf das Streichen der Gemeinkostenaufschläge auf Material- und Reisekosten sowie Anlagennutzung. Darin wiederholte die Beschwerdeführerin wörtlich die oben geschilderten Ausführungen aus der E-Mail vom und beantragte die Beschwerde ohne Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 BAO dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Im auch der Beschwerdeführerin übermittelten Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht vom wiederholte das Finanzamt mit kurzen Worten das Vorbringen im angefochtenen Bescheid über die Festsetzung der Forschungsprämie datiert vom .
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat im Zeitraum vom bis ein Forschungsprojekt betrieben, welches von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) für das Projekt gefördert wurde. Im Jahr 2017 hat der von der Beschwerdeführerin errechnete Aufwand für dieses Projekt die Höhe der Fördersumme nicht erreicht, weswegen kein Antrag auf die Berücksichtigung einer Forschungsprämie gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 gestellt wurde.
Für das Jahr 2018 errechnete die Beschwerdeführerin Gesamtaufwendungen für das Forschungsprojekt ohne die von den Fördergeldern gedeckten Beträge mit € 229.325,00, welche von der FFG anerkannt und der ursprünglich zugesagte Förderungsbetrag an diesen niedrigeren Betrag als projektiert angepasst wurde.
Der Gesamtbetrag nach Abzug der Fördermittel von € 229.325,00 setzt sich aus Löhnen und Gehältern (€ 147.460,00) und unmittelbaren Aufwendungen (€ 36.000,00, Material- und Reisekosten) und einem Gemeinkostenzuschlag auf all diese Aufwendungen in Höhe von 25 % zusammen.
Das Finanzamt vertritt die Rechtsansicht dass bei einer Schätzung der Gemeinkosten des Forschungsprojektes mangels detaillierter Kostenrechnung abweichend von der Praxis der FFG ausschließlich von den Personalaufwendungen ein Gemeinkostenzuschlag (und zwar in Höhe von 25 %) zulässig sei und hat entsprechend die Basis für die Berechnung der 14 %-igen Forschungsprämie von € 149.332,16 auf € 126.564,25 gekürzt.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien und den von ihnen vorgelegten Dokumenten sowie dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
§ 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2017 lautet auszugsweise:
"(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 14% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend machen. Die Prämien stellen keine Betriebseinnahmen dar; § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 sind auf sie nicht anwendbar.
(2) Prämienbegünstigt sind:
1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen.
…
(3)Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung)."
§ 1 Forschungsprämienverordnung (Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben), zur Forschungsbestätigung sowie über die Erstellung von Gutachten durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH) in der für 2018 geltenden Fassung (BGBl. II Nr. 515/2012) lautet:
"(1) Der Geltendmachung einer Forschungsprämie sind Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne der Abs. 2 und 3 im Bereich von Forschung und experimenteller Entwicklung (Anhang I) zu Grunde zu legen. Die Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988 sind anzuwenden.
(2) Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung (Anhang I, Teil A) sind:
1. Löhne und Gehälter für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte einschließlich Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Wohnbauförderungsbeiträge und sonstige Personalaufwendungen (beispielsweise freiwillige Sozialleistungen) sowie Vergütungen für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte, die außerhalb eines Dienstverhältnisses tätig werden. Bei Beschäftigten, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, werden die der Arbeitsleistung für Forschung und experimentelle Entwicklung entsprechenden Anteile an diesen Aufwendungen (Ausgaben) herangezogen.
2. Unmittelbare Aufwendungen (Ausgaben) und unmittelbare Investitionen (einschließlich der Anschaffung von Grundstücken), soweit sie nachhaltig Forschung und experimenteller Entwicklung dienen.
3. Finanzierungsaufwendungen (-ausgaben), soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
4. Gemeinkosten, soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
(3) Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne dieser Verordnung, die gemäß § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 an Dritte außer Haus vergeben werden (externe Aufwendungen und Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung, Auftragsforschung), sind keine Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988.
(4) Die Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung eines Wirtschaftsjahres sind in einem nach Maßgabe des Anhanges II zu dieser Verordnung erstellten Verzeichnis darzustellen. Das Verzeichnis hat die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Forschungsprämie zu enthalten. Das Verzeichnis ist auf Verlangen der Abgabenbehörde vorzulegen."
§ 1 Forschungsprämienverordnung lässt, wie auch schon die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, weder durch seinen Wortlaut noch durch den systematischen Aufbau erkennen, dass bei den im § 1 Abs. 2 leg. cit. genannten Kostenarten (Z 1 Löhne und Gehälter, Z 2 unmittelbare Aufwendungen, Z 3 Finanzierungsaufwendungen und Z 4 Gemeinkosten, soweit sie der Forschung und Entwicklung zuzuordnen sind) unterschiedlich zu behandeln seien.
Vielmehr sind diese unterschiedslos als Aufwendungen für Forschung und Entwicklung anzuerkennen.
Diese Rechtsansicht vertritt auch der Verordnungsgeber (das Bundesministerium für Finanzen) in den Einkommensteuerrichtlinien 2000 mit den Worten:
"Der Forschung und Entwicklung zuzuordnende Gemeinkosten sind daher - ohne Beschränkung auf einzelne Kostenarten - alle der Forschung und Entwicklung durch sachgerechte Ermittlung und Aufschlüsselung zurechenbaren indirekten Kosten, sofern die Kosten dem buchhalterischen Aufwand betragsmäßig entsprechen, die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Kosten (unter Berücksichtigung von zum Beispiel § 20 EStG 1988) gegeben ist und keine Vertriebskosten (zum Beispiel Kosten für Werbung oder anteilige Kosten der Vertriebskostenstelle) vorliegen."
Steht also außer Zweifel, dass alle in § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung genannten Arten von Kosten, also auch die zuordenbaren Gemeinkosten, bei der Berechnung der Höhe der Forschungsprämie auf gleiche Weise zu berücksichtigen sind, ist als nächstes zu fragen, wie vorzugehen ist, wenn die Gemeinkosten, mangels sachgerechter Kostenrechnung, nicht exakt festgestellt werden können.
Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof, wie bereits im Erkenntnis vom , 2011/15/0156, wenn auch zur Vorgängerbestimmung zum Forschungsfreibetrages nach § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 133/2003 auseinandergesetzt und sich dabei auf § 1 Abs. 2 Z 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002 bezogen, der wortgleich mit dem § 1 Abs. 2 Z 4 der oben zitierten Forschungsprämienverordnung ist und folgendes festgehalten:
"Nun ist der belangten Behörde zwar einzuräumen, dass es Sache der Beschwerdeführerin ist nachzuweisen, welche Aufwendungen in Zusammenhang mit der Forschung und experimentellen Entwicklung iSd § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 angefallen sind. Im gegenständlichen Fall kann es aber nicht zweifelhaft sein, dass den Projekten, die die belangte Behörde als solche der Forschung und experimentellen Entwicklung eingestuft hat, auch Gemeinkosten iSd § 1 Abs. 2 Z 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002 zuzuordnen sind. Solcherart hätte die belangte Behörde einen Anteil an den Gemeinkosten, die im Verzeichnis nach § 1 Abs. 4 der Verordnung ausgewiesen sind, im Schätzungswege den anerkannten Projekten zuordnen müssen, wofür möglicherweise das Verhältnis der diesen Projekten zugeordneten Personalkosten zu den gesamten Personalkosten (eines Bereichs) Ansatzpunkte bieten kann."
Es ist richtig, dass, wer eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will, bereits im Antrag alle Umstände darzulegen hat, welche es der Abgabenbehörde ermöglichen sollen, die Höhe der abgabenrechtlichen Begünstigung festzustellen (siehe etwa Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, Einkommensteuergesetz, § 68 EStG, Rz 31 und das dort zitierte Erkenntnis des VwGH 2006/14/0028, , in welchem zum Ausdruck gebracht wird, dass beim Geltendmachen abgabenrechtlicher Begünstigungen, dass der Nachweis oder die Glaubhaftmachung eines Sachverhaltes, der unter die Begünstigungsbestimmung fällt, nicht nur durch nachprüfbare Grundaufzeichnungen, sondern auch in anderer Weise erbracht werden kann [mit Hinweis auf Vorjudikatur]). Insofern ist der Abgabenbehörde zuzustimmen.
§ 184 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) lautet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."
Wie auch der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis ausgedrückt hat, sind auch bei abgabenrechtlichen Begünstigungen die Berechnungsgrundlagen (nach § 184 BAO zu schätzen, wenn keine ausreichenden Unterlagen, wie hier eine detaillierte Kostenrechnung, welche die Gemeinkosten auch den Materialkosten, der Anlagennutzung und den Reisekosten zuweist, zu schätzen, wenn keine Zweifel bestehen, dass solche Gemeinkosten entstanden sind.
Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde nicht nur die Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin, sondern auch die Maschinen beziehungsweise Anlagen für die Forschung und Entwicklung genutzt und haben die Arbeitnehmer für diese Zwecke Reisen unternommen.
Das dafür Gemeinkosten wie Reinigung, Heizung oder allgemeine Verwaltung (siehe unten) entstanden sind, liegt auf der Hand und ist bei Forschung und Entwicklung im Regelfall gegeben. Dies spiegelt sich dies auch im Kostenleitfaden der Forschungsförderungsgesellschaft (Version 2.1 gültig ab ) wieder.
Dieser legt in Punkt 1 fest, dass alle dem Projekt zurechenbaren Kosten, die direkt, tatsächlich und zusätzlich (zum herkömmlichen Betriebsaufwand) während des Förderungszeitraums laut Förderungsvertrag entstehen förderbar sind. Nicht förderbar sind etwa Kosten für Repräsentation, Bewirtung, Marketing, Vertrieb und Patenterhaltung. Der Ansatz von kalkulatorischen Kosten ist nicht möglich. Die endgültige Höhe der anerkennbaren Gesamtprojektkosten sowie der Förderung werden erst nach Abschluss des Vorhabens im Zuge der Rechnungsprüfung ermittelt.
Weiter wird darin festgelegt, dass Gemeinkosten mit 25 % der abgerechneten Personalkosten, Kosten für Anlagennutzung, Sachkosten sowie Reisekosten aufgeschlagen werden können, weswegen allgemeine Tätigkeiten von Sekretariat, Controlling, Buchhaltung, Personalverrechnung, Geschäftsführung, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Rechtsberatung, EDV-, Nachrichtenaufwand, Büromaterial, Drucksorten, Arbeitsplatzausstattung (Büromöbel, EDV et cetera), Gebäudeabschreibung, Instandhaltung, Reparatur, Miete und Pacht für allgemeine Flächen, Betriebskosten, Reinigung, Entsorgung, Lizenzgebühren (sofern diese die Unternehmensgrundausstattung betreffen), Verpackungs- und Transportkosten, Fachliteratur, Versicherungen, Steuern, allgemeine Aus- und Weiterbildung nicht als Einzelkosten abgerechnet werden können, was auch die Beschwerdeführerin nicht getan hat.
Dass die unmittelbare Förderung von Forschung und Entwicklung durch die Mittel der Forschungsförderungsgesellschaft und der Forschungsfreibetrag demselben Zweck, nämlich der Steigerung der Forschung und Entwicklung in Österreich dienen, ergibt sich schon rein systematisch daraus, dass sich das Finanzamt bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Forschung und experimentellen Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 vorliegen, nach § 108c Abs. 7 EStG 1988 der Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) bedienen kann (siehe dazu auch Laurenz Wolf, Die freie Beweiswürdigung des FFG-Jahresgutachtens im Abgabenverfahren, taxlex 2023/54, 7-8/2023). Dieses Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung der Abgabenbehörde. Auch die Höhe einer allfälligen Förderung der Forschungsförderungsgesellschaft ist für die Abgabenbehörde nicht bindend. Dennoch ist dies ein bedeutendes Indiz, welches bei der Auswahl der Schätzungsmethode berücksichtigt werden muss.
Wenn also, wie bei der Beschwerdeführerin davon ausgegangen werden muss, dass nicht bloß Personal mit geistiger Anstrengung die Forschung und Entwicklung getragen hat, sondern auch Maschinen und Anlagen dafür genutzt sowie diesbezügliche Reisen unternommen wurden, so muss sich dies auch in der Schätzung der zugehörigen Gemeinkosten nach § 184 BAO wiederspiegeln.
Im oben zitierten Erkenntnis () wird dafür das Verhältnis der Personalkosten für Forschung und Entwicklung im Vergleich zu den gesamten Aufwendungen für das Personal herangezogen.
Die Verfahrensparteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Anteil der Personalkosten für Forschung und Entwicklung für das geförderte Projekt "***A***" 25 % der gesamten Personalaufwendungen betragen hat.
Es ist daher der zitierten Judikatur entsprechend, wenn dieser Prozentsatz auch für die Gemeinkostenanteile der Aufwendungen für Material, Anlagennutzung und Reisen angesetzt wird, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrem ursprünglichen Antrag nach § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 getan hat.
Die Berechnungsgrundlage für die Forschungsprämie 2018 der Beschwerdeführerin ergibt sich daher aus den Materialkosten von € 13.606,36 zuzüglich 25 % Gemeinkostenzuschlag, also € 17.007,95, den Personalkosten von € 101.706,40 zuzüglich 25 % Gemeinkostenzuschlag, also € 127.133,00, den Aufwendungen für die Anlagennutzung von € 5.842,40 zuzüglich 25 % Gemeinkostenzuschlag, also € 7.303,00 und den Reisekosten von € 2.750,40 zuzüglich 25 % Gemeinkostenzuschlag, also € 3.438,00. Diese Gesamtkosten von € 154.881,95 der Fördermittel der Forschungsförderungsgesellschaft ergeben eine Berechnungsgrundlage von € 135.564,05 und damit eine Höhe der Forschungsprämie (von 14 %) € 18.978,97.
Die Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung (§ 108c Abs. 2 Z 1 Einkommensteuergesetz 1988 [EStG 1988] in Verbindung mit § 24 Abs. 6 Körperschaftsteuergesetz 1988 [KStG 1988]) ist daher gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO mit € 18.978,97 richtig berechnet. Das entspricht 14 % der Bemessungsgrundlage von € 135.564,05.
§ 201 BAO lautet:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."
Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung der Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung für das 2018 datiert vom für das Kalenderjahr 2018 beruft sich darauf, dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme von Amts wegen nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ("Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn … Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, … und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte .") und damit die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, nämlich das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel, welche bei richtiger rechtlicher Würdigung einen im Spruch anders lautenden Bescheid für die Forschungsprämie 2018 ergeben hätten, vorhanden gegeben gewesen wären.
Es ist richtig, dass dem Finanzamt beim Erlassen des Bescheides über die Forschungsprämie 2018 am noch nicht bekannt war, dass die Beschwerdeführerin für die Berechnung der Forschungsprämie eine Gemeinkostenzuschlag von 25 % bei den Personal- und Materialkosten, der Anlagennutzung und den Reisekosten vorgenommen hat. Dazu vertrat das Finanzamt im angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht, dass dies nur für die Personalkosten zulässig sei.
Wie oben gezeigt, ist es jedoch im konkreten Fall der Beschwerdeführerin entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () aufgrund des gegebenen Sachverhaltes bei Anwendung der oben gezeigten Schätzungsmethode richtig auch auf Materialkosten, die Anlagennutzung und den Reisekosten ein Gemeinkostenzuschlag von 25 % vorzunehmen. Damit ergibt sich auch unter Berücksichtigung der seit dem Erlassen des Bescheides über die Forschungsprämie für 2018 datiert vom neu hervorgekommen Tatsachen kein im Spruch anders lautender Bescheidinhalt als schon in der Selbstberechnung der Beschwerdeführerin als im Antrag von .
Damit fehlen aber die Voraussetzungen für das Anwenden des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, weswegen der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben war und damit das Verfahren für die Forschungsprämie 2018 der Beschwerdeführerin wieder in den Zustand tritt, in welchem es sich vor dem Erlassen des angefochtenen Bescheides über die Festsetzung einer Forschungsprämie 2018 datiert vom befunden hat (Festsetzung durch Erklärung, Selbstberechnung).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich dieses Erkenntnis auf die Auswahl der richtigen Schätzungsmethode im konkreten Fall beschränkt und dabei die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmend mit der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen angewendet wurde, wurden keine Rechtsfragen berührt, deren Bedeutung über die Entscheidung in diesem Fall hinausgeht.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 Z 1 bis 4 Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012 § 24 Abs. 6 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012 § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100474.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
ZAAAF-72967