Vermietung einer Sportanlage durch eine Gemeinde
Rechtssätze
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RV/7103473/2023-RS1 | Ein entgeltlicher Bestandvertrag liegt nicht erst dann vor, wenn neben den Betriebskosten eine - nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelte - "AfA-Komponente" an den Eigentümer gezahlt wird. |
RV/7103473/2023-RS2 | Entgeltlichkeit eines Bestandvertrages liegt dann nicht vor, wenn das bedungene Entgelt so niedrig ist, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht ins Gewicht fällt. Ein derartiger "Anerkennungszins" wird dann angenommen, wenn das bedungene Entgelt nicht mehr als etwa 10 % des ortsüblichen Entgelts (wobei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist), ausmacht (; , 7 Ob 218/14f; , 10 Ob 26/13s; , 1 Ob 132/08f). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Hinsichtlich des Verfahrensgangs vor belangten Behörde (va Außenprüfung, Bescheide und Außenprüfungsbericht) und die Einwendungen im Rahmen der Beschwerde der ***Bf1*** (beschwerdeführenden Partei, Bf1) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom , RV/7104711/2014 verwiesen.
Dieses Erkenntnis des BFG wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0082 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil das BFG keine Feststellungen zur Höhe des marktüblichen Mietzinses zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses über die streitgegenständliche Sportanlage getroffen hatte. Diese Feststellungen sind jedoch im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines entgeltlichen Bestandvertrages gemäß § 1090 ABGB und darauf aufbauend eines entgeltlichen Leistungsaustausches, der seinerseits zum Vorsteuerabzug berechtigt, entscheidungsrelevant.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die ***Bf1*** (Beschwerdeführerin, Bf.) errichtete in den Jahren 2002 bis 2006 eine neue Sport- und Freizeitanlage. Die Gesamtinvestitionskosten resultierend aus dem Grundstückserwerb und den Errichtungskosten der Anlagen betrug 1.878.063,12 €.
Die Bf. verzichtete gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 6 Abs.1 Z 27 UStG und machte in den Jahren 2003 bis 2007 insgesamt Vorsteuerbeträge in der Gesamthöhe von 295.754,09 € geltend.
Die Sport- und Freizeitanlage vermiete die Bf. auf Basis des am abgeschlossenen Mietvertrages um einen jährlichen Mietzins von 13.550,00 € inklusive Betriebskosten und öffentlicher Abgaben von rund 2.600 € (Kanal, Wasser, Abwasser, Müll und Gebäudeversicherung) zuzüglich 20% Umsatzsteuer (sohin 16.260,00 € brutto) an den Verein, wobei die erste Mietzahlung am - nach Fertigstellung - zu entrichten war. Die Miete ist wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 2000 bezogen auf Jänner 2006.
Auf das vereinbarte Mietentgelt wurden die bei der Errichtung der Sportanlage bis inklusive 2006 erbrachten Eigenleistungen der Vereinsmitglieder in Höhe von 150.000,00 € in den Jahren 2006 bis 2017 zu je einem 1/12 (sohin jährlich 12.500 €) als Mietvorauszahlungen angerechnet. Energie- und Telefonkosten waren vom Verein zu tragen.
Ein marktübliches Mietentgelt für vergleichbare Sportanlagen im Jahr des Abschlusses des Mietvertrages (2003) konnte mangels Vorliegens von geeigneten Vergleichsobjekten nicht festgestellt werden.
Ausgehend von der Judikatur des VwGH zur Vermietung von Grundstücken an nahestehende Personen (; , Ra 2019/13/0041; , Ro 2023/15/0008) kann das marktübliche Mietentgelt bei Vermietung eines Objektes durch einen nur am Mietertrag interessierten Investor unter Anwendung eines 3-5 % igen Renditesatzes auf die Gesamtinvestition errechnet werden (Renditemiete). Wendet man diese Formel im gegenständlichen Fall auf die Gesamtinvestitionskosten von 1.878.063,12 € an, ergibt sich eine kalkulatorische Jahresmarktmiete für ein gut rentierliches Objekt von 56.341,89 € bis 93.903,15 €.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Mietvertrag, aus den der Bp vorgelegten Belegen woraus die Anschaffungskosten abgeleitet werden konnten, den Verwaltungsakten und dem grundsätzlich übereinstimmenden Parteienvorbringen.
Die Errechnung der kalkulatorischen Jahresmiete durch das BFG folgt der zitierten Judikatur des VwGH im Zusammenhang mit der Vermietung von Grundstücken durch Körperschaften an nahestehenden Personen und wurde lediglich als Vergleichsgröße errechnet.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art iSd § 2 Körperschaftsteuergesetzes 1988 (KStG), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 KStG von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne des UStG gilt jedoch stets ua. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.
Aus dieser gesetzlichen Fiktion ergibt sich, dass die Unternehmereigenschaft auch dann begründet wird, wenn sich die Tätigkeit wirtschaftlich nicht heraushebt und nicht von wirtschaftlichem Gewicht ist (). Maßgebend für diese Beurteilung ist, dass ein Bestandvertrag nach § 1090 ABGB vorliegt (; , 2012/15/0145), wobei zivilrechtliches Hauptkriterium eines Bestandvertrages seine Entgeltlichkeit ist, wofür ein bloßer Kostenbeitrag oder der Ersatz der Betriebskosten nicht ausreicht ().
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist für die Frage, ob die Nutzungsüberlassung ungeachtet eines dem Eigentümer zu zahlenden Geldbetrags noch als unentgeltlich iSd § 981 ABGB zu qualifizieren ist, zunächst darauf abzustellen, ob die vom Nutzungsberechtigten übernommenen Kosten ihrer Natur nach aus dem Gebrauch resultieren (wie etwa für Warmwasser, Heizung, Lift etc.) oder ob sie den Liegenschaftseigentümer unabhängig von jedem Gebrauch der Liegenschaft aufgrund seiner Eigentümerstellung treffen (wie etwa Grundsteuer, Bankgebühren, Versicherungskosten etc.). Nur die Übernahme der Kosten der zweiten Art stellt Entgelt dar (; , 7 Ob 218/14f).
Unabhängig davon liegt aber dann keine Entgeltlichkeit vor, wenn das bedungene Entgelt so niedrig ist, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht ins Gewicht fällt (, mwN). Ein derartiger "Anerkennungszins" wurde von der Rechtsprechung angenommen, wenn das bedungene Entgelt nicht mehr als etwa 10 % des ortsüblichen Entgelts (wobei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist), ausmacht (; , 7 Ob 218/14f; , 10 Ob 26/13s; , 1 Ob 132/08f).
Die Beurteilung der Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit kann somit nur erfolgen, wenn das bedungene Entgelt dem ortsüblichen Mietzins, der für das Objekt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erzielbar gewesen wäre, gegenübergestellt wird ().
Daraus ist jedenfalls abzuleiten, dass ein entgeltlicher Bestandvertrag nicht erst dann vorliegt, wenn neben den Betriebskosten eine - nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelte - "AfA-Komponente" an den Eigentümer gezahlt wird. (). Die diesbezügliche, in Rz 265 Umsatzsteuerrichtlinien idF des Wartungserlasses 2007 näher ausgeführte, Verwaltungspraxis nach der die belangte Behörde im gegenständlichen Fall eine unternehmerische Tätigkeit als nicht gegeben ansah, erweist sich sohin als unzutreffend.
Ausgehend von der Judikatur des OGH, welche von Entgeltlichkeit eines Bestandvertrages ausgeht, wenn zumindest 10% des ortsüblichen Entgelts geleistet werden, müsste im gegenständlichen Fall im Jahr 2003 (Abschlusszeitpunkt des Mietvertrages) das ortsübliche Netto-Jahresmietentgelt das 10-fache der vereinbarten Nettomiete von 13.550,00 € sohin 135.500,00 € überstiegen haben. Eine derart hohe Marktmiete im Jahr 2003 kann aber schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die kalkulatorische Marktmiete für gut rentierliche Mietobjekte maximal 94.000,00 € betragen würde. Eine durchschnittliche Freizeit- und Sportanlage im ländlichen Bereich ist aber keinesfalls geeignet entsprechend hohe Renditen zu erzielen bzw. um derart hohe Entgelte vermietet zu werden da sich der Markt für solche Objekte - sofern ein solcher überhaupt besteht - auf einige wenige potentielle Mieter beschränkt. Eine niedrige Nachfrage wirkt sich erfahrungsgemäß preisdämpfend aus und lässt Monatsmieten für eine Sportanlage jenseits 10.000,00 € im Einzugsgebiet der Bf. als nicht erzielbar erscheinen.
Unter Zugrundlegung der Judikatur des OGH und des VwGH erweist sich sohin der hier zu beurteilende Vertrag als entgeltlicher Bestandvertrag, da kein bloßer Anerkennungszins und auch keine bloße Abdeckung der Betriebskosten der Bf. erfolgte. Die Vermietung der Sportanlage stellt sohin einen fiktiven Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG und damit eine unternehmerische Tätigkeit der Bf. dar.
Selbst wenn man - der Argumentation der belangten Behörde folgend - zum Ergebnis gelangen würde, dass kein entgeltlicher Bestandvertrag vorliegt, wäre für den Streitzeitraum 2011 für die belangte Behörde nichts gewonnen. Diesfalls wäre der Vorsteuerabzug in den Jahren 2003 bis 2007 mangels unternehmerischer Tätigkeit zu versagen gewesen. Eine Änderung der Verhältnisse die für den Vorsteuerabzug iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 maßgeblich waren liegt nämlich auch in diesem Fall im Jahr 2011 nicht vor.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Vorsteuerkorrektur iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 iHv 147.877,05 € erweist sich daher ebenso als unrichtig, wie die Kürzung der geltend gemachten Vorsteuern iHv. 82,07 € und die Kürzung der Entgelte um 3.477,56 €.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt hier nicht vor, da die Frage der Anerkennung eines Mietverhältnisses einer Körperschaft öffentlichen Rechts für den Bereich der Umsatzsteuer durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ( mwN.) eindeutig geklärt ist und diese Entscheidung dieser Judikatur folgt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 981 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1090 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103473.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-72957