Familienbeihilfe; Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht bescheinigt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend (erhöhte) Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte über FinanzOnline und mit dem Formular "Beih 3" die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab .
Als erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung gab sie "PTSD, Sozialphobie" an.
Das Finanzamt wies die Anträge mit den angefochtenen Bescheiden vom für die Zeiträume ab Oktober 2023 ab.
Dies mit der Begründung, dass die volljährige Bf. Anspruch auf Familienbeihilfe habe, wenn sie wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Bei der Bf. treffe dies nicht zu. Laut einem ärztlichen Sachverständigengutachten nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) des Sozialministeriumservice vom sei die Bf. nicht dauernd erwerbsunfähig.
Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung werde als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da der Bf. die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom wies das Finanzamt nach Einholung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom , VOB: ***GA2***, mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet ab.
Da sich die Bf. seit Oktober 2023 weder in Berufsausbildung befinde, noch eine Erwerbsunfähigkeit bestätigt worden sei, bestehe mangels Vorliegens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Da kein Anspruch auf den Grundbetrag bestehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht gewährt werden.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf., die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
Die Bf. brachte zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor:
"Bei der Beschwerdevorentscheidung wurden meiner Meinung nach, meine gesamte Situation nicht richtig beurteilt. Ich bin der Meinung, dass ich aufgrund meiner vorliegenden Befunde (siehe Anhang), derzeit und über 6 Monate nicht im Stande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen. Wesentlicher Grund dafür ist, dass meine gesundheitliche Beeinträchtigung mehr als 6 Monate dauern wird und mich in meiner Funktionsfähigkeit negativ beeinflusst.
Somit möchte ich auch festhalten, dass meine Untersuchung unzureichend war.
Ich ersuche somit nachdrücklich um eine erneute Prüfung meines Antrags auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe. Zugleich bitte ich um eine erneute Untersuchung durch eine sachverständige Person, diesmal jedoch durch einen unabhängigen Begutachter/Arzt, da die Zusammenarbeit mit der Sachverständigengutachterin nichtgepasst hat. Somit soll ein objektives Ergebnis gewährleistet werden (letztes persönliches Sachverständigengutachten erfolgte am ).
Auch möchte ich festhalten, dass von den bisher 2 durchgeführten Sachverständigengutachten, nur ein Sachverständigengutachten persönlich war (siehe Anhang/am ) und das darauffolgende Sachverständigengutachten (siehe Anhang/am ) aufgrund der Aktenlage erfolgt ist. Ich finde, dass meine Situation nur aufgrund von Aktenlage unzureichend bewertet worden ist.
Eckpunkte zu meiner Situation:
Ich möchte ausführlich darlegen, dass sich meine Lebenssituation erheblich verschlechtert hat und die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeinhilfe eine essenzielle Existenzunterstützung für mich sind.
Ich konnte für das Sachverständigengutachten 09/23 (siehe Anhang) noch keine aktuellen Befunde vorzeigen, da ich damals noch wegen Geldmangel noch in keiner psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung war und somit die Diagnose auf Burn-Out noch nicht gestellt werden konnte. Auch konnte ich mir finanziell keinen psychiatrischen Wahlarzt und Psychotherapie leisten und die Wartezeit auf einen Kassenarzt war damals und ist noch immer immens lange. Ich war auf Wartelisten für Kassenärzte, aber da diese überlastet sind, habe ich nie einen Platz bekommen. Aufgrund dessen, habe ich mich trotz schwieriger finanzieller Situation, für eine Psychiatrischen Facharzt, der ein Wahlarzt ist, entschieden (in Behandlung seit ).
Seit meinem letzten Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe, hat sich meine Existenzkrise, insbesondere in Bezug auf die Wohnsituation, drastisch verschärft. Die Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie haben zusätzlichen Druck erzeugt und meine bestehenden Diagnosen wurden durch die fehlende psychologische Begleitung verstärkt, auch bedingt durch Geldmangel und lange Wartezeiten auf Unterstützung.
Mein letztes Arbeitsverhältnis musste ich aufgrund meines verschlechterten psychischen Zustands, im Jahr 2023 nach 1,5 Jahren beenden. Seit dem bin ich beschäftigungslos und beim AMS gemeldet.
Seit nehme ich Beratungsangebot bei c'mon17 wahr. Es ist ein Beratungs- und Unterstützungsangebot zur beruflichen Integration von jungen Erwachsenen von 15 bis 25 Jahren. Ziel ist es, in der gemeinsamen Arbeit mit meiner Case Managerin, eine passende Beschäftigungsmöglichkeit, welche meinen individuellen Bedürfnissen entspricht, zu finden. Die Zielsetzung ist die Stabilisierung und Begleitung von mir als Teilnehmerin.
Seit befinde ich mich in der Schulungsmaßnahme "All In One" von FAB. Dort erhalte ich individuelle Betreuung, mit dem Ziel an meiner Stabilität zu arbeiten und meine nächsten wichtigen Schritte in Richtung Beschäftigung und Gesundung zu sichern.
Ich habe einen psychiatrischen Reha-Antrag bewilligt bekommen (PVA) (siehe Anhang); wesentlicher Grund dafür, ist die vorliegende Diagnose "Burnout" (siehe Schreiben Psychiaterin im Anhang)
Für einen Psychotherapieplatz bin ich auf der Warteliste der *********.
Eine berufsdiagnostische Testung/BBRZ fand 2023 im Juli statt. Dabei wird aufgrund meiner derzeitigen psychischen schlechten Lage, eine Stabilisierungsmaßnahme empfohlen (Durchführung einer psychiatrischen Reha, sowie nachfolgend eine engmaschige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung) (siehe beiliegend).
Meine Bemühungen um Stabilität und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sind evident. Jedoch bedarf es für mich Zeit, wieder die nötige Stabilität zu erlangen.
Die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe sind für mich nicht nur eine Existenzsicherung, sondern tragen maßgeblich zur psychosozialen Stabilität bei."
In einem zwischenzeitlich erstellten weiteren Gutachten nach der Einschätzungsverordnung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom , VOB: ***GA3***, wurde bei der Bf. ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., vorliegend ab März 2019, sowie eine seit November 2023 vorliegende voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf.) vollendete das 21. Lebensjahr am ***GebDat***. Sie begann im August 2017 eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau und absolvierte im November 2019 erfolgreich die Lehrabschlussprüfung. Von bis war sie als Büroangestellte erwerbstätig. Eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 wurde in der Folge nicht mehr absolviert.
Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass bei der Bf. bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H., vorliegend ab März 2019, zwar eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorliegt, eine solche zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung jedoch nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.
2. Beweiswürdigung
Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere aus den im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ (Sozialministeriumservice) erstellten Sachverständigengutachten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, nämlich der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, für einen (zeitlich unbegrenzten) Familienbeihilfenanspruch vorliegt.
Der Bf. wurde eine zu einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt.
Dies ergibt sich im Wesentlichen aus den von der belangten Behörde angeforderten medizinischen Sachverständigengutachten (nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, vom , VOB: ***GA1***, vom , VOB: ***GA2***, und vom , VOB: ***GA3***.
Im zuletzt erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten (Aktengutachten) vom heißt es auszugsweise:
"[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
neuerliche Prüfung betr. Weiterbestehen der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab 10/2023
auf Grund der im Beschwerdeverfahren neu vorgelegten Befunde.
Alle vorliegenden Befunde werden eingesehen , relevante Auszüge davon folgend
angeführt.
Vorgutachten ***Dr1*** vom , GdB 40%, ab 9/2023,
Posttraumatische Belastungsstörung, Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung,
eingeschränkte Belastbarkeit beschrieben, keine aktuellen Fachbefunde
dazu vorliegend, keine Dauermedikation, keine Dauertherapie,
therapeutische Maßnahmen dazu sind nicht ausgeschöpft,
Abgeschlossene Lehre, Anstellung am 1. Arbeitsmarkt bis 1/2023; DEU - NEIN:
Arbeitsfähigkeit am 1. Arbeitsmarkt gegeben. Stabilisierungsmaßnahmen wurden bisher
nicht in Anspruch genommen.
Fachbefund Psychiatrie ***Dr2*** jeweils vom und
:
Diagnosen:
Sozialphobie, V.a. komb. PSST (ängsl. vermeident, emotional instabil)
V.a. PTSD
Erschöpfungssyndrom/Burn out.........unter neu etablierter Medikation Verbesserung der
Schlafqualität. Alltag sei besser bewältigbar, Panikattacken weitgehend
sistiert.....Belastbarkeit werde tendenziell besser.....anhaltend Gedankenkreisen, Ängste,
insgesamt Besserung der depressiven Symptomatik, anhaltend unzureichende
psychosoziale Belastbarkeit, Antrieb wechselnd, AUF weiter.
Sertralin 75mg 1-0-0-0
Trittico 150mg 0-0-0-1
Quetialan XR ret. 50mg 0-0-1
Pantip 20mg 1-0-0, PT auf der Warteliste, psychosoziale Rehabilitation;
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
GdB 50% ab 03/2019 nun durchgehend anrechenbar, laut Fachbefund Psychiatrie ***Dr2*** jeweils vom und ;
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den
Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2023
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Arbeitsunfähigkeit laut Fachbefund Psychiatrie ***Dr2*** ab 11/2023 bestätigt;
REHA Aufenthalt vorgesehen, Stabilisierung noch nicht vorliegend;
Gutachten erstellt am von ***Dr1***
Gutachten vidiert am von ***Dr3***"
Im Vorgutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, vom , VOB: ***GA2*** (Aktengutachten), heißt es auszugsweise:
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Beschwerde auf das Vorgutachten ***Dr4***;
FLAG Vorgutachten ***Dr4*** vom , GdB40%
Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Anpassungsstörung. Keine
Therapie, GdB 40 liegt vor seit: 09/2023,
GdB 50 liegt vor seit: 03/2019,
GdB 20 liegt vor seit: 03/2018,
GdB 50 liegt vor seit: 06/2015;
DEU - NEIN: Grundsätzlich am freien Arbeitsmarkt einsetzbar. Psychische
Stabilisierungsmaßnahmen noch
erforderlich;
Befund BBRZ aus dem Vorgutachten:
Arbeitsmedizinisches Gutachten BBRZ ***** vom :
Psychiatrischerseits werden regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische
Behandlungen empfohlen. Insgesamt ist die Kundin aber im erlernten Beruf als
Einzelhandelskauffrau aufgrund ihrer sozialen Ängste psychiatrischerseits nicht mehr
einsetzbar. Es wird eine berufliche Umstellung empfohlen. Zuvor wäre aber eine
Stabilisierungsmaßnahme zu empfehlen;
Bericht Berufsdiagnostisches Zentrum ***** vom :
Diagnosen:
Posttraumatische Belastungsstörung - ICD-10: F43.1
Vordiagnostizierter Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung (Borderline,
ängstlich vermeidend, dependent) - ICD-10: F61
Rezidivierende Lumbalgie ohne Bewegungseinschränkung, ohne radikuläre Reiz- und
Ausfallssymptomatik - ICD-10: M54
Geschätzter GdB; 40 %;
Persönlicher sozialer Kontext:
* Arbeitslos seit 05.2023 tatsächlich letztes DV bis: 01.2023
* bestehende geringfügige Dienstverhältnisse: keine
* Betreuungspflichten: Nein
* Ansuchen I/BU-Pension, Klageverfahren; keine
* Bisherige Unterstützungsangebote: Imbus für Jugendliche (2020)
* Höchste abgeschlossene Schulbildung: Lehrabschluss Einzelhandelskauffrau im
Bereich Einrichtung 2019
Berufslaufbahn It Angabe der Kundin:
2022 - 2023 Büroangestellte, ***N*** über Digital Pioneer,
Lehre zur Einzelhandelskauffrau Einrichtungsberatung, 2017 - 2019 ***X***;
Dienstverhältnisse unter drei Monaten, sowie geringfügige Beschäftigungen wurden nicht berücksichtigt.
Eine psychiatrische Reha habe sie noch nie absolviert. Aktuell nehme die Kundin aufgrund
ihres Umzuges weder
Psychotherapie in Anspruch noch sei sie bei einer Fachärztin / einem Facharzt für
Psychiatrie angebunden. Psychopharmaka nehme sie ebenfalls keine ein. Rückhalt
bekomme sie von ihrer Mutter und von ihrem Partner,
Im Rahmen dar klinisch-psychologischen Untersuchung ergeben sich Hinweise auf eine
reduzierte psychische Belastbarkeit. Eine medizinische Beratung wurde vereinbart.
Nach erfolgter Stabilisierung sind Hilfs- und Anlerntätigkeiten ohne Nachtarbeit,
ohne Wechselschicht sowie ohne Publikumsverkehr teilzeitig mit 25 Wochenstunden
gegeben;
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
keine,
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den
Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Arbeitsfähigkeit am 1. Arbeitsmarkt gegeben. Stabilisierungsmaßnahmen wurden bisher nicht in Anspruch genommen.
[…]
Gutachten erstellt am von ***Dr1***
Gutachten vidiert am von ***Dr3***"
In einem weiteren Vorgutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, vom , VOB: ***GA1*** (mit Untersuchung), heißt es auszugsweise:
[…]
Anamnese:
Verlaufskontrolle VGA 2016 und 2020 50% wegen depressiver Anpassungsstörung.
Bereits seit 2014 Suizidversuch, 3x stationär,
Volkschule, Hauptschulbesuch, dann Versuch HTL, wurde wegen Mobbing abgebrochen.
Sozialphobie, Depressio damals schon vorliegend. Dann Besuch polytechnischer Lehrgang,
dieser wurde wegen Selbstmordversuch abgebrochen, damals anamnestisch stationärer
Krankenhaus Aufenthalt im ****** Krankenhaus. Anschließend konnte jedoch
der
polytechnische Lehrgang positiv abgeschlossen werden. Anschließend Betreuung in der
Work Box und Produktionsschule, immer wieder laufend fachärztliche Betreuung durch ***Dr5***. Seit auch wöchentlich Psychotherapie bei der Psychotherapeutin
***Dr6***. Zuletzt Wechsel der fachärztlichen Betreuung
von ***Dr5*** zu ***Dr7***.
In den letzten 3 a keine Therapie (medikamentös- psychotherapeutisch) wegen Umzug und
Geldmangel.
Nach Umzug 2020 ist es ihr gut gegangen (digital pioneers). 11/2a entlohnte Arbeit;
Betreuung über IMBUS:
Psychische Rehabilitation geplant, noch nicht angesucht.
Unterstützung durch Case Management
[…]
Sozialanamnese:
Gelernte Einrichtungsberaterin, AMS seit 2/2023
Wohnt mit Lebenspartner in eigener Wohnung.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2023-07-28 BBRZ Berufsdiagnostisches Zentrum: Grundsätzlich am allg. Arbeitsmarkt
ersetzbar. Aktuell noch keine ausreichende psych. Stabilität.
Untersuchungsbefund:
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbstden Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Grundsätzlich am freien Arbeitsmarkt einsetzbar. Psychische Stabilisierungsmaßnahmen noch
erforderlich.
[…]
Gutachten erstellt am von ***Dr4***
Gutachten vidiert am von ***Dr1***"
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (siehe etwa , oder ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind sohin die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. etwa ; und , mwN).
Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als schlüssig und vollständig anzusehen sind.
Die medizinische Sachverständige des Sozialministeriumservice stellte im Drittgutachten vom einen Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., vorliegend ab März 2019 fest.
Die Bf. vollendete das 21. Lebensjahr am ***GebDat***. Sie begann im August 2017 eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau und absolvierte im November 2019 erfolgreich die Lehrabschlussprüfung. Von bis war sie als Büroangestellte erwerbstätig. Eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 wurde in der Folge nicht mehr absolviert.
Nach einem von der Bf. vorgelegten arbeitsmedizinischen Gutachten des BBRZ Österreich vom sei sie grundsätzlich am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Auch ein von der Bf. vorgelegter Bericht "Berufsdiagnostisches Zentrum" des BBRZ Österreich vom gelangte zur Feststellung, dass sie grundsätzlich am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei, jedoch aktuell keine ausreichende psychische Stabilität, ein Dienstverhältnis anzutreten, gegeben sei. Erforderlich sei eine Stabilisierungsmaßnahme.
Für die Beurteilung der Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist entscheidend, ob die Person trotz der festgestellten körperlichen oder geistigen Behinderung in der Lage ist, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, mit der sie sich den Unterhalt verschaffen kann. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob die festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigung so gravierend ist, dass eine solche Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Die ärztlich festgestellte Erkrankung ist damit der zentrale Faktor, der eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, begründen muss (). Dazu kommt, dass psychische Krankheiten häufig einen schleichenden oder variierenden Verlauf nehmen. Auch der medizinische Sachverständige kann aufgrund seines Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, ist auch der medizinisch Sachverständige auf Indizien, insbesondere in der Vergangenheit erstellte ärztliche Befunde angewiesen, die Rückschlüsse darauf ziehen lassen, zu welchem Zeitpunkt die Erkrankung eingetreten ist bzw. ab wann eine Erwerbstätigkeit im aufgezeigten Sinn nicht mehr möglich ist (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 32).
Ein Gutachten zu der vorliegenden Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.
In den angeführten ärztlichen Sachverständigengutachten vom und vom wurde der Bf. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht zugestanden.
Im Drittgutachten vom wurde ihr schließlich eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde im zuletzt angeführten Gutachten jedoch erst ab November 2023 angenommen. Dies unter Bezugnahme auf den Fachbefund Psychiatrie ***Dr2*** vom und , demzufolge eine Arbeitsunfähigkeit weiterhin bestehe.
In der Beschwerde und im Vorlageantrag stellt die Bf. ihr ernsthaftes Bemühen um eine Stabilisierung ihres Gesundheitszustanden sowie um eine Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausführlich dar. Es kommt jedoch bei der Beurteilung des Beihilfenanspruchs im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 einzig auf den Zeitpunkt an, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt ().
Dieser Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall dem Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom (Drittgutachten) entsprechend mit anzunehmen. Die ärztliche Sachverständige hat die von der Bf. vorgelegten Befunde berücksichtigt und insbesondere den vorgelegten Befund vom und einer Fachärztin für Psychiatrie zur Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit herangezogen.
Die Bf. hat nicht aufgezeigt, aufgrund welcher weiterer Beweismittel (Befunde) die Sachverständige des Sozialministeriumservice zum Ergebnis hätte kommen müssen, eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit als Folge einer körperlichen oder geistigen Behinderung wäre bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten. Sowohl das von der Bf. vorgelegte arbeitsmedizinische Gutachten des BBRZ Österreich vom als auch der Bericht "Berufsdiagnostisches Zentrum" des BBRZ Österreich vom sahen die Bf. zu damaligen Zeitpunkt als grundsätzlich am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar an. Auch war die Bf. von bis als Büroangestellte erwerbstätig.
Vor diesem Hintergrund hat das Sozialministeriumservice die Frage, ob die Erkrankung der Bf. bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres dazu geführt hat, dass sie voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, schlüssig verneint.
Die vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten sind daher schlüssig und vollständig, sodass das Bundesfinanzgericht diese Bescheinigungen des Sozialministeriumservice dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde zu legen hat.
Der Einwand im Vorlageantrag, dass im Zuge der Erstellung der Gutachten vom und keine Untersuchung stattgefunden habe, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da es den ärztlichen Sachverständigen überlassen bleibt, ob sie bei der Gutachtenserstellung eine medizinische Untersuchung für erforderlich halten oder und die vorgelegten Unterlagen und Befunde für eine Beurteilung als ausreichend erachten. Auch ein Aktengutachten kann daher ausreichend sein. Der Sachverständige hat sich bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat, um ein verlässliches Gutachten abzugeben. Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab (). Weshalb bei einer Beurteilung eines medizinischen Zustandsbildes, das in der Vergangenheit liegt, eine persönliche Untersuchung der Bf. geeigneter gewesen wäre, über die von der Gutachterin herangezogenen ärztlichen Befunde hinaus den Sachverhalt näher aufzuklären, wird im Vorlageantrag nicht aufgezeigt. Zudem wurde die Bf. im Rahmen des Vorgutachtens vom auch eingehend untersucht.
3. Rechtslage und rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.
§ 6 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 lauten:
"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).
(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden."
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).
Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht für minderjährige (§ 6 Abs. 1) und volljährige (§ 6 Abs. 2) Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs. 5; sog "Sozialwaisen"; vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 6 Rz 2).
§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 regelt (bezüglich des Eigenanspruches), unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt werden kann.
Dieser steht für volljährige Kinder bzw. volljährigen Kindern zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 17).
Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - im Beschwerdefall nicht relevant - während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 18 u. 19).
Die Bf. wurde im angeführten medizinischen Gutachten des Sozialministeriumservice vom eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt.
Das Gutachten wurde, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt, als schlüssig und vollständig erachtet, sodass das Bundesfinanzgericht an dieses vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten gebunden ist.
Liegen - wie gegenständlich - die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für den Bezug des Grundbetrages an Familienbeihilfe nicht vor, kann auch der Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 nicht gewährt werden.
Die Abweisungen der Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung erweisen sich daher als zu Recht erfolgt.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das vorliegende Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung, ob bei der Bf. eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr vorlag. Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren, ist eine Revision nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100497.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAF-72955