1. COFAG-NoAG: Zinsenbescheid nicht mit Begründung bekämpfbar, dass Rückerstattungsbescheid rechtswidrig ist 2. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100032/2025-RS1 | Zinsenbescheide gemäß § 16 COFAG-NoAG sind vom jeweiligen Rückerstattungsbescheid gemäß § 15 COFAG-NoAG abgeleitet. Daraus folgt gemäß § 252 Abs. 2 BAO, dass ein Bescheid über die Verzinsung der Rückerstattung gemäß § 16 COFAG-NoAG nicht mit der Begründung angefochten werden kann, dass der Spruch des Rückerstattungsbescheides gemäß § 15 COFAG-NoAG unrichtig sei. |
Folgerechtssätze | |
RV/3100032/2025-RS2 | wie RV/7103637/2024-RS1 Die in § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG normierte Verzinsung des Rückerstattungsbetrages ab dem Zeitpunkt der Auszahlung ist nach allgemein gültiger Rechtslage nicht verfassungswidrig im Sinne einer Verletzung des Gleichheitssatzes, weil sie keinen atypischen Vermögenseingriff von erheblichem Gewicht darstellt und die Empfänger rechtswidrig bezogener Beihilfen nicht auf eine Zinsenfreiheit oder eine spätere Auslösung des Zinsenlaufes vertrauen durften. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rattacher - Simma Steuerberatungs GmbH, Maximilianstraße 13, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Verzinsung einer Rückerstattung nach dem COFAG-NoAG, Steuernummer ***Bf1-StNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Angelika Aichinger zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde von der beschwerdeführenden Partei (bfP) den von der COFAG geleisteten Fixkostenzuschuss I für den Zeitraum bis in Höhe von 34.685,34 € zurückgefordert.
Mit dem hier gegenständlichen angefochtenen Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der bfP Zinsen gemäß § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG für den Zeitraum bis in Höhe von 4.499,66 € fest. Begründend verwies die belangte Behörde darauf, dass gemäß § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG der Rückerstattungsbetrag ab dem Zeitpunkt der Auszahlung bis zur Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides zu verzinsen sei.
Gegen beide Bescheide wendet sich die am rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der bfP. Darin wendet sie hinsichtlich des Rückforderungsbescheides mit näherer Begründung ein, dass dieser zu Unrecht ergangen sei. Hinsichtlich des hier gegenständlichen Bescheides über die Verzinsung der Rückforderung führt die bfP in ihrer Beschwerde aus, dieser entbehre erstens jeglicher Grundlage, da der zugrundeliegende Rückforderungsanspruch nicht bestehe, und basiere zweitens auf einer verfassungswidrigen Norm, da § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG auf unzulässige Weise in die Vergangenheit zurückwirke. Eine nähere Begründung zur Verfassungswidrigkeit enthält die Beschwerde nicht. In der Beschwerde wurde das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde - wie beantragt ohne vorherige Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - samt Akt und Vorlagebericht ohne neues Vorbringen dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In der mündlichen Verhandlung am verwies die belangte Behörde zur Verfassungswidrigkeit auf das zwischenzeitlich ergangene Erkenntnis . Der Vertreter der bfP erstattete diesbezüglich kein weiteres Vorbringen.
2. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Am wurde an die bfP ein Fixkostenzuschuss I in Höhe von 34.685,34 € ausgezahlt.
Mit Bescheid vom (an diesem Tag in die FinanzOnline-Databox der bfP zugestellt) forderte die belangte Behörde diesen von der bfP zurück.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist unstrittig, weshalb ihn das Bundesfinanzgericht ohne Bedenken seiner Entscheidung zugrunde legen konnte.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
3.1.1. Der Zinsenbescheid ist vom Rückerstattungsbescheid abgeleitet
Gemäß § 14 Abs. 1 letzter Satz COFAG-NoAG gilt ein Rückerstattungsanspruch nach dem 3. Abschnitt des 2. Hauptstückes dieses Gesetzes für Zwecke der Anwendung der Abgabenvorschriften als Abgabe im Sinne des § 3 Abs. 1 BAO. Bescheide über die Festsetzung einer Rückerstattung gemäß § 15 COFAG-NoAG sind folglich Abgabenbescheide im Sinne der §§ 198 ff BAO.
Da der Rückerstattungsbetrag eines solchen Abgabenbescheides über die Festsetzung einer Rückerstattung gemäß § 15 COFAG-NoAG die Bemessungsgrundlage des Bescheides über die Verzinsung dieser Rückerstattung gemäß § 16 COFAG-NoAG darstellt, ist der Zinsenbescheid vom Rückerstattungsbescheid abgeleitet. Das Verhältnis zwischen einem Rückerstattungs- und einem Zinsenbescheid nach dem COFAG-NoAG entspricht somit dem Verhältnis zwischen einem Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid und einem davon abgeleiteten Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO.
Daraus folgt, dass gemäß § 252 Abs. 2 BAO ein Bescheid über die Verzinsung der Rückerstattung gemäß § 16 COFAG-NoAG nicht (erfolgreich) mit der Begründung angefochten werden kann, dass der Spruch des Rückerstattungsbescheides gemäß § 15 COFAG-NoAG unrichtig sei.
Für die bfP stellt dies keinen Rechtsnachteil dar, da jede spätere Änderung oder Aufhebung des Rückerstattungsbescheides im Beschwerdeverfahren gemäß § 295 Abs. 2 oder 3 BAO amtswegig zu einer entsprechenden Änderung oder Aufhebung des Zinsenbescheides zu führen hat. Zufolge § 209a Abs. 2 BAO hat die bfP auch keine Verjährung zu befürchten.
Das Argument der bfP, dass der angefochtene Zinsenbescheid jeglicher Grundlage entbehre, da der zugrundeliegende Rückforderungsanspruch nicht bestehe, kann der bfP somit im Beschwerdeverfahren gegen den Zinsenbescheid nicht zum Erfolg verhelfen.
3.1.2. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 16 COFAG-NoAG
Strittig ist - soweit dies anhand der insoweit recht oberflächlichen Begründung erkennbar ist - ob der Beginn des Zinsenlaufes mit dem Zeitpunkt der Auszahlung gemäß § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG verfassungskonform ist. Die bfP erblickt darin offenbar eine verfassungswidrige Rückwirkung.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es in der österreichischen Rechtsordnung kein allgemeines Verbot rückwirkender Gesetze auf verfassungsrechtlicher Ebene gibt. Ein explizites derartiges Rückwirkungsverbot ist lediglich in der das Strafrecht betreffenden Verfassungsnorm des Art. 7 Abs. 1 EMRK zu finden. Weder das Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG noch die Kundmachungsvorschrift des Art. 49 B-VG oder andere verfassungsrechtliche Bestimmungen untersagen dem Gesetzgeber die Erlassung von Vorschriften, die ein "Vertrauen" des Rechtsunterworfenen auf die bestehende Rechtslage enttäuschen könnten.
Positivrechtlich ist in § 5 ABGB folgender Grundsatz verankert: "Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß." Dieser allgemeine Grundsatz kann zwar als Leitgedanke der österreichischen Rechtsordnung angesehen werden, womit er nach herrschender Ansicht auch für das Steuerrecht von Bedeutung ist. Der einfachgesetzlichen Regelung des § 5 ABGB wird aber durch jede anderslautende rückwirkende Bestimmung derogiert.
Dem einfachen Gesetzgeber ist dabei allerdings nicht freie Hand gegeben. Vielmehr hat der einfache Gesetzgeber bei rückwirkenden Bestimmungen die Schranken des Gleichheitssatzes zu beachten. Gegen diesen verstößt eine Regelung, wenn Abgabepflichtige durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden und nicht besondere Umstände die Rückwirkung verlangen (Tanzer/Unger in BAO 2020/2021 - Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung, 16).
In Bezug auf § 16 COFAG-NoAG mangelt es jedoch an einem solchen berechtigten Vertrauen:
Das österreichische Zivilrecht, dem die gegenständlichen Ansprüche vor Erlassung des COFAG-NoAG unterlagen, sieht nämlich für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 1431 ABGB) - unabhängig von einer etwaigen Vereinbarung - sogenannte Vergütungszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen von 4 % vor (§ 1333 Abs. 1 ABGB iVm § 1000 Abs. 1 ABGB; RIS-Justiz RS0032078: "Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen. Diese Art gesetzlicher Zinsen ist als allgemeine Erscheinung dem ABGB fremd. Für die Rechtsfolgen, die sich aus der Verzögerung der Zahlung ergeben, stellt aber das HfD JGS 1842/592 alle Arten von Zinsen gleich; es ordnet nämlich die Anwendung des § 1333 ABGB an."; z.B. ). Solche Vergütungszinsen unterliegen der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1480 ABGB (vgl. ebenfalls die soeben zitierte OGH-Entscheidung; RIS-Justiz RS0031939). Auch in anderen innerstaatlichen Rechtsbereichen sind Zinsen zum Ausgleich von ungerechtfertigten Vor- oder Nachteilen normiert (im Steuerrecht z.B. in §§ 205 ff BAO, § 212 Abs. 2 BAO und § 212a Abs. 9 BAO).
Folglich konnte kein berechtigtes Vertrauen in die Zinslosigkeit allfälliger Rückforderungen durch die COFAG bestanden haben, in welchem die beschwerdeführende Partei durch die Erlassung des COFAG-NoAG hätte enttäuscht werden können. Auch der Beginn des Zinsenlaufes mit dem Zeitpunkt der Auszahlung entspricht in jeder Hinsicht den zivilrechtlichen Bestimmungen. Dass die Verzinsung gemäß § 16 COFAG-NoAG bezüglich Höhe und Verjährung anders ausgestaltet ist als die oben angeführten zivilrechtlichen Bestimmungen, bewirkt nach Ansicht des erkennenden Gerichts noch keine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung, zumal der Zweck der Verzinsung in der Beseitigung von zu Unrecht erlangten Vorteilen liegt und diese daher dem Gericht aus der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes und dessen abgabenrechtlicher Ausprägung (Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten erscheint. Ob die COFAG die ihr zustehenden Zinsen bei ihren Rückforderungen geltend machte oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Die in § 16 Abs. 1 COFAG-NoAG normierte Verzinsung des Rückerstattungsbetrages ab dem Zeitpunkt der Auszahlung ist folglich insgesamt nicht verfassungswidrig im Sinne einer Verletzung des Gleichheitssatzes oder eines anderen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes, weil sie keinen atypischen Vermögenseingriff von erheblichem Gewicht darstellt und die Empfänger rechtswidrig bezogener Beihilfen nicht auf eine Zinsenfreiheit oder eine spätere Auslösung des Zinsenlaufes vertrauen durften (vgl. ).
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolge des § 252 Abs. 2 BAO ergibt sich unmittelbar aus dieser Bestimmung; an deren Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall zweifelt das erkennende Gericht aufgrund des eindeutigen Wortlautes nicht, weshalb trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung berühren ebenfalls keine vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu lösende Rechtsfrage. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 252 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 15 COFAG-NoAG, COFAG-Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2024 § 16 COFAG-NoAG, COFAG-Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2024 § 1000 Abs. 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 1333 Abs. 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 1431 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100032.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAF-72952