Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.03.2025, RV/3100108/2025

Pauschbetrag für Diätverpflegung bei Zöliakie

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
Bei diagnostizierter Zöliakie steht der Pauschbetrag für Diätverpflegung für "Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids" von EUR 70.00 pro Monat zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert: Die Einkommensteuer 2023 wird für ein Einkommen von 26.432,01 mit EUR 697,00 festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen und die Ermittlung der festgesetzten Abgabe sind am Ende der Entscheidungsgründe dargestellt und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung (L1) für das Jahr 2023 ein und beantragte darin unter anderem den Freibetrag für Behinderung aufgrund eines Grades der Behinderung von 30 % und den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen "Zuckerkrankheit, Tuberkulose, Zöliakie, Aids". Das Finanzamt setzte mit Einkommensteuerbescheid vom die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 26.768,01 mit EUR 798,00 fest. Es berücksichtigte dabei den Freibetrag wegen eigener Behinderung und den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen "Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit".

In ihrer Beschwerde vom beantragte die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung des "Pauschalbetrages für Zöliakie" und legte einen Befund vom vor, in dem unter anderem Folgendes vermerkt ist: "…Befund: chron. Gastritis, Cardiainsuffizienz, Histo: Zöliakie March Typ 3 c; Therapie(vorschlag): strikt gliadinfreie Diät…". Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete dies wie folgt: "Laut der Bestätigung des Sozialministeriumservice besteht bei Ihnen eine Diätverpflegung aufgrund einer Magenkrankheit, bzw. anderen inneren Erkrankungen…".

In ihrem Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin weiter vor: "…Im ärztlichen Sachverständigengutachten im Auftrag des Sozialministeriumsservice … vom … wird sogar ausdrücklich Zöliakie gutachterlich festgehalten. Es handelt sich … um einen Dauerzustand, wie aus dem Gutachten zu entnehmen ist. Es gilt als medizinisch gesichert, dass ich unter Zöliakie leide, was Herr Dr. … mit seinem Attest vom nochmals ausdrücklich bestätigt.". Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung. Es brachte unter anderem weiter vor, dass dem vorliegenden Gutachten des Bundessozialamtes vom zu entnehmen sei, dass die Bf. bereits seit dem Jahr 2013 an einem Darmleiden erkrankt ist und daraus eine Behinderung iHv 30 % resultiert und auch eine Diätverpflegung für diese Erkrankung einzuhalten ist. Seit dem Erstantrag im Jahr 2013 sei kein Verfahren zur Neufestsetzung des Grades der Behinderung durchgeführt worden. Das vorgelegte Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin vom bescheinige zwar die Art der Beschwerden, nicht aber die Art der notwendigen Diät.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin leidet an Zöliakie. Dieser Umstand ist zwischen den Parteien unstrittig und durch den Akteninhalt zweifelsfrei belegt (vgl. Befund Dr.is A vom - Aktenstück 5; Ärztliches Sachverständigengutachten im Auftrag des Bundessozialamtes Dr.is B vom - Aktenstück 6; Attest Dr.is C vom - Aktenstück 9).

Die Beschwerdeführerin muss aufgrund der bei ihr bestehenden Zöliakie Diät einhalten (vgl. Befund Dr.is A vom - Aktenstück 5: "Therapie(vorschlag): strikt gliadinfreie Diät"; Ärztliches Sachverständigengutachten im Auftrag des Bundessozialamtes Dr.is B vom - Aktenstück 6: "Darmleiden… Zöliakie… Erstdiagnose 2/2013; Diät notwendig").

2. Beweiswürdigung

Nicht erwiesen ist, dass die Beschwerdeführerin an Lactoseintoleranz leiden würde. Die diesbezügliche Annahme des Finanzamtes, welche im Schriftverkehr mit dem Sozialministeriumservice (Aktenstücke 7 und 10) zum Ausdruck kommt, ist keinem der vorgelegten ärztlichen Befunde oder Gutachten zu entnehmen.

Die Notwendigkeit der Einhaltung einer streng gliadinfreien Diät bei Zöliakie erachtet das Bundesfinanzgericht als notorische Tatsache: "Die Zöliakie ist eine durch Glutenunverträglichkeit verursachte langfristige Autoimmunerkrankung, die hauptsächlich den Dünndarm betrifft. Sie ist im eigentlichen Sinn keine Allergie, sondern eine chronische Entzündung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Bestandteile von Gluten, dem vor allem in den Körnern (Samen) vieler Getreidesorten vorkommenden Klebereiweiß. Auch andere Organe können betroffen sein. Die Glutenunverträglichkeit ist zum Teil erblich, kann derzeit nicht ursächlich behandelt werden und bleibt lebenslang bestehen. … Die Behandlung der Zöliakie besteht derzeit ausschließlich aus einer glutenfreien Ernährung." (https://de.wikipedia.org/wiki/Zöliakie Abfragedatum ).

"Bei Zöliakie führt das Kleberweiß aus Getreide - auch Gluten genannt - zu einer Entzündung und Schädigung der Dünndarmschleimhaut der Betroffenen. … Die durch Gluten verursachten Schäden im Dünndarm bilden sich bei einer strikt glutenfreien Ernährung wieder zurück. Betroffene können unter einer konsequenten glutenfreien Ernährung ein beschwerdefreies Leben führen." (https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/allergie/nahrungsmittelallergie/zoeliakie.html#was-ist-zoeliakie Abfragedatum 5.3.2.205).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist ausschließlich, ob der Beschwerdeführerin pauschale Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei "Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids" von EUR 70,00 oder bei "Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit" von EUR 42,00 pro Monat zustehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids EUR 70,00 pro Monat, bei Gallen-, Leber oder Nierenkrankheit EUR 51,00 pro Monat und bei Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit EUR 42,00 pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

Die Notwendigkeit der Einhaltung einer gliadinfreien Diät bei bestehender Zöliakie ist für die Beschwerdeführerin einerseits durch ärztliche Befunde und Gutachten zweifelsfrei erwiesen (einen Nachweis fordernd etwa Peyerl in Jakom, EStG, 17.A., 2024, Rz 23 zu § 35 mwN; vgl. ; ) und kann andererseits als notorische Tatsache angesehen werden. Der Umstand, dass im Ärztlichen Sachverständigengutachten im Auftrag des Bundessozialamtes (nunmehr: Sozialministeriumservice) die Krankendiätverpflegung wegen "Erkrankungen des Verdauungssystems" und nicht wegen "Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids" angekreuzt ist, zeigt einen inneren Widerspruch dieses Gutachtens auf, zumal an anderer Stelle der Vermerk "Diät notwendig" im Zusammenhang mit der (einzigen aktenkundigen) Diagnose Zöliakie und dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 % angeführt wird. Dieser Umstand entfaltet aber im Sinn des oben Ausgeführten keine Bindungswirkung für das Finanzamt oder das Bundesfinanzgericht. Im übrigen wäre entsprechend dem klaren Wortlaut der Verordnung (§ 2 Abs. 1 letzter Satz der VO Außergewöhnliche Belastungen) auch beim - vom Finanzamt augenscheinlich angenommenen - Zusammentreffen mehrerer Krankheiten der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen gewesen.

Das Beschwerdebegehren ist daher berechtigt. Die Einkommensteuer 2023 wird wie folgt festgesetzt:

[...]

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Diesem Erkenntnis beruht auf der Abwägung von Sachverhaltselementen, deren rechtliche Würdigung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100108.2025

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAF-72946