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OGH 17.06.2004, 2Ob140/04h

OGH 17.06.2004, 2Ob140/04h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Prettenhofer & Jandl, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Mathias M*****, und 2. Dr. Julia M*****, beide vertreten durch Dr. Johann Buchner & Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 13.860 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom , GZ 11 R 18/04d-18, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 2 Cg 88/03f-8, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens bleibt vorbehalten.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt von den Beklagten für die Vermittlung eines Kaufvertrages über die Liegenschaft 1130 ***** EUR 13.860 sA als Maklergebühr. In der mündlichen Streitverhandlung vom verkündete das Erstgericht das klageabweisende Urteil. Dem Klagevertreter wurde am die Protokollabschrift und am die gekürzte Urteilsausfertigung zugestellt. Am forderte der Beklagtenvertreter den Klagevertreter per Fax auf, den zugesprochenen Kostenbetrag an ihn zu überweisen. Mit Fax vom replizierte der Klagevertreter, dass das Prozessgericht "offenbar irrtümlich" eine gekürzte Urteilsausfertigung erlassen habe, obwohl er die Berufung fristgerecht angemeldet habe. Am stellte die Konzipientin des Klagevertreters fest, dass eine Berufungsanmeldung nicht aktenkundig ist.

Mit Antrag vom (Postaufgabe) begehrte die klagende Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsanmeldung.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom (ON 12) den Antrag der klagenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Berufung - rechtskräftig - zurück. Am (Postaufgabe) erhob die klagende Partei Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes vom , zugestellt am .

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung der klagenden Partei zurück. Es ging davon aus, dass der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsanmeldung rechtskräftig abgewiesen wurde und erörterte weiters, dass nach § 461 Abs 2 ZPO gegen ein in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündetes Urteil Berufung nur von einer Partei erhoben werden könne, die diese sofort nach der Verkündung des Urteils mündlich oder binnen 14 Tagen ab der Zustellung der Protokollsabschrift über jene Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung, in der das Urteil verkündet worden sei, in einem bei dem Prozessgericht erster Instanz überreichten Schriftsatz angemeldet habe. Voraussetzung der Zulässigkeit der Berufung sei daher die fristgerechte Anmeldung der Berufung. Nach der Aktenlage sei zwar die Berufungsanmeldung am eingeschrieben zur Post gegeben worden, befinde sich aber nicht im Akt. Mit Wiedereinsetzungsantrag vom  sei erstmals eine aktenkundige Berufungsanmeldung vorgenommen worden. Diese sei infolge Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet.

Auch aus dem Umstand, dass nach der Aktenlage die ursprüngliche Berufungsanmeldung (vom ) eingeschrieben zur Post gegeben worden sei, sei für den Standpunkt der Berufungswerberin nichts gewonnen. Es entspreche zwar der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich habe und es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen sei, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen sei, und dass die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers wirke. Diese Grundsätze hätten zur Voraussetzung, dass überhaupt eine zu den Akten gelangte Parteienerklärung vorliege. Liege nach dem Akteninhalt gar kein Rechtsmittel vor, könne dieses auch nicht die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich haben. Da die am zru Post gegebene Berufungsanmeldung - aus welchen Gründen immer - nie in der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt sei, sei auf sie auch nicht Bedacht zu nehmen. Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom vorgenommene Berufungsanmeldung sei verspätet.

Mangels rechtzeitiger Anmeldung sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn zu beheben und dem Erstgericht eine Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Die beklagten Parteien haben Rekursbeantwortung erstattet.

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht die Berufung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat.

Die Rekursbeantwortung ist aber unzulässig, weil der Rekurs gegen einen derartigen Beschluss des Rekursgerichtes einseitig ist (RIS-Justiz RS0098745).

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die Berufungsanmeldung "nach der Aktenlage am  eingeschrieben zur Post gegeben" worden sei, sich jedoch nicht im Gerichtsakt befinde und nicht in der zuständigen Abteilung eingelangt sei. Dies reiche aus, um die rechtzeitige Postaufgabe und somit die Wahrung der Rechtsmittelfrist nachzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist grundsätzlich zu folgen.

Das Berufungsgericht hat unter Berufung auf die Entscheidung 5 Ob 510/93 ausgesprochen, die Vermutung der Rechtzeitigkeit eines eingebrachten Rechtsmittels bestehe nur für ein tatsächlich im Akt erliegendes Rechtsmittel.

In dieser Entscheidung (teilweise veröffentlicht in Jus 1993/Z/1316) wird aber weiters ausgesprochen, eine Partei, die behauptet, das Rechtsmittel zur Post gegeben zu haben, sei verhalten, die Postaufgabe in der für Postsendungen vorgesehenen Art, nämlich durch die Vorlage der postamtlichen Bestätigung über die rechtzeitige Aufgabe der Sendung oder durch eine Auskunft des Aufgabepostamtes nachzuweisen, falls die aufgegebene Sendung nicht zu den Akten gelangt ist. Auf eine andere Art könne die Postaufgabe nicht nachgewiesen werden, weil nach der Bestimmung des § 89 GOG die Post als "verlängerter Arm des Gerichtes" empfangsberechtigt und damit die Annahme des Schriftstückes durch die Post innerhalb der laufenden Frist rechtzeitig sei. Unterbleibe eine solche postalische Behandlung, bzw lasse sie sich postamtlich nachweisen, so gelte das Schriftstück als nicht rechtzeitig eingelangt.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Berufungsanmeldung der klagenden Partei am , also rechtzeitig, eingeschrieben zur Post gegeben wurde, sich aber aus unaufklärbaren Gründen nicht im Akt befindet.

Damit hat die klagende Partei den in der Entscheidung 5 Ob 510/93 dargelegten Erfordernissen über die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels - hier der Berufungsanmeldung - entsprochen und nachgewiesen, die Berufungsanmeldung rechtzeitig zur Post - als dem verlängerten Arm des Gerichtes - gegeben zu haben. Die Berufung ist daher nicht absolut unzulässig.

Das Berufungsgericht wird daher über die Berufung zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00140.04H.0617.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-72821