Suchen Hilfe
OGH 27.05.2003, 1Ob115/03y

OGH 27.05.2003, 1Ob115/03y

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS0118681
Jedenfalls dann, wenn in einem Scheidungsverfahren auf eine Antragstellung nach § 98 EheG Bezug genommen wurde, besteht im Verfahren über einen solchen Antrag ein derartiger Sachzusammenhang mit dem Scheidungsverfahren, dass die dort erteilten Vollmachten auch im Verfahren nach § 98 EheG Gültigkeit haben.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Anna Maria R*****, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wider den Antragsgegner Stefan R*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Ausspruchs nach § 98 EheG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 137/03y-23, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Taxenbach vom , GZ 2 C 12/01i-17, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Rekursgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde am gemäß § 55a EheG geschieden. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen. In der Verhandlungstagsatzung vom  hatten die Parteien vereinbart, dass der Antragsgegner bei einem Kreditinstitut aushaftende, von den Parteien (gemeinsam) aufgenommene und zum mit EUR 27.515,92 aushaftende Darlehensverbindlichkeiten allein zurückzahlen werde, und er sich um die Haftungsfreilassung der Antragstellerin bemühen werde. Allenfalls werde die Antragstellerin für bestimmte Verbindlichkeiten - die Kontonummern wurden ziffernmäßig angeführt - einen Antrag nach § 98 EheG dahin einbringen, dass der Antragsgegner Hauptschuldner und sie selbst Ausfallsbürgin werden sollten.

Am beantragte die Antragstellerin, gemäß § 98 EheG mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass "zur Zahlung" bestimmter Kreditverbindlichkeiten der Antragsgegner Hauptschuldner und die Antragstellerin Ausfallsbürgin sei. In diesem Antrag scheint ein Konto auf, das in der am geschlossenen Vereinbarung nicht genannt ist.

Das Erstgericht sprach antragsgemäß aus, dass der Antragsgegner für die im Antrag genannten Kreditverbindlichkeiten Hauptschuldner und die Antragstellerin (lediglich) Ausfallsbürgin sei.

Der dagegen erhobene Rekurs des Antragsgegners hatte nur zum Inhalt, dass aus dem ansonsten unbekämpft gebliebenen Ausspruch nach § 98 EheG jene Kontoverbindlichkeit, die in der Vereinbarung vom  nicht genannt worden war, ausgeschaltet werde.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das nunmehr zuständige Erstgericht legte den vom Antragsgegner gegen diese Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorlage erfolgte zu Unrecht:

Rechtliche Beurteilung

Der Ausspruch nach § 98 EheG ist rein vermögensrechtlicher Natur, führt er doch dazu, dass bestimmte Kreditverbindlichkeiten vorrangig von einem der Schuldner und erst subsidiär vom anderen, zur Zahlung verpflichteten Ehegatten zu zahlen sind; er betrifft also - ebenso wie der Aufteilungsanspruch geschiedener Ehegatten (EFSlg 67.422) - einen reinen Geldanspruch. Nun hatte das Rekursgericht lediglich darüber zu entscheiden, ob ein Ausspruch nach § 98 EheG auch über ein ganz bestimmtes Konto zu erfolgen habe. Besteht der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag - hier: Haftung als Hauptschuldner bzw Ausfallsbürge für einen Geldbetrag -, dann hat das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt oder nicht. An diesem für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses maßgeblichen Ausspruch mangelt es, und es ist im Übrigen auch dem Akt nicht zu entnehmen, wie hoch jene Zahlungsverpflichtung sein sollte, zu deren Erfüllung der Antragsgegner - seiner Meinung nach zu Unrecht - als Hauptschuldner heranzuziehen sei. Das Rekursgericht wird daher nach Durchführung der gebotenen Erhebungen den vom Gesetz geforderten Ausspruch gemäß § 13 Abs 2 AußStrG nachzuholen haben. Die weitere, durch die Revisionsrekursanträge bedingte Vorgangsweise wird nach dem über den Wert des Entscheidungsgegenstands zu treffenden Ausspruch auszurichten sein.

Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Rekursgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Anna Maria R*****, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wider den Antragsgegner Stefan R*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Ausspruchs nach § 98 EheG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 137/03y-23, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Taxenbach vom , GZ 2 C 12/01i-17, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird aufgehoben; diesem wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde am gemäß § 55a EheG geschieden. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen. In der Verhandlungstagsatzung vom hatten die Parteien vereinbart, dass der Antragsgegner bei einem Kreditinstitut aushaftende, von den Parteien (gemeinsam) aufgenommene und zum mit 27.515,92 EUR aushaftende Darlehensverbindlichkeiten allein zurückzahlen werde, und er sich um die Haftungsfreilassung der Antragstellerin bemühen werde. Allenfalls werde die Antragstellerin für bestimmte Verbindlichkeiten - die Kontonummern wurden ziffernmäßig angeführt - einen Antrag nach § 98 EheG dahin einbringen, dass der Antragsgegner Hauptschuldner und sie selbst Ausfallsbürgin werden sollten.

Am beantragte die Antragstellerin, gemäß § 98 EheG mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass "zur Zahlung" bestimmter Kreditverbindlichkeiten der Antragsgegner Hauptschuldner und die Antragstellerin Ausfallsbürgin sei. In diesem Antrag scheint ein Konto auf, das in der am geschlossenen Vereinbarung nicht genannt ist.

Das Erstgericht sprach antragsgemäß aus, dass der Antragsgegner für die im Antrag genannten Kreditverbindlichkeiten Hauptschuldner und die Antragstellerin (lediglich) Ausfallsbürgin sei. Der dagegen erhobene Rekurs des Antragsgegners hat nur zum Inhalt, dass aus dem sonst unbekämpft gebliebenen Ausspruch nach § 98 EheG jene Kontoverbindlichkeit, die in der Vereinbarung vom nicht genannt wurde, ausgeschaltet werde.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück und sprach

-

im Wege aufgetragener Ergänzung - aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR nicht übersteige; letztlich wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt. Das Verfahren nach § 98 EheG sei von dem nach § 55a EheG durchgeführten Ehescheidungsverfahren zu trennen. Das Vollmachtsverhältnis zu den Antragsgegnervertretern im Ehescheidungsstreit erstrecke sich nicht auf das über Antrag nach § 98 EheG abgeführte Verfahren. Es habe daher keiner Zustellung an die ursprünglichen - und auch nunmehrigen

-

Rechtsvertreter des Antragsgegners bedurft, vielmehr sei die Rekursfrist durch die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Antragsgegner selbst in Lauf gesetzt worden. Im Zeitpunkt der Einbringung des Rekurses sei die 14-tägige Rekursfrist des § 11 Abs 1 AußStrG aber längst verstrichen gewesen. Der angefochtene Beschluss lasse sich auch nicht mehr ohne Nachteil für Dritte abändern. Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Für die Frage, ob die Entscheidung über den Antrag nach § 98 EheG rechtswirksam dem Antragsgegner zugestellt wurde oder ob die Zustellung an die von ihm im Ehescheidungsverfahren bevollmächtigten Rechtsanwälte zu erfolgen gehabt hätte, ist der auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwendende (Gitschthaler in Rechberger ZPO2 Rz 6 zu § 93 mwN) § 93 Abs 1 ZPO maßgeblich. Gemäß § 93 Abs 1 ZPO haben alle einen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen - solange die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses dem Gericht nicht im Sinne des § 36 Abs 1 ZPO formgerecht angezeigt wurde - an den früher namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Die Berechtigung zur Empfangnahme von Zustellungen - und damit verbunden die Verpflichtung des Gerichts, an den bevollmächtigten Rechtsanwalt zuzustellen - erstreckt sich grundsätzlich nur auf jenes Verfahren, in dem die Bevollmächtigung erteilt wurde; sie erstreckt sich jedoch auch auf die mit diesem Verfahren unmittelbar zusammenhängenden Streitigkeiten, die vom gesetzlichen Umfang der einem Rechtsanwalt erteilten Prozessvollmacht gedeckt sind (3 Ob 190/98g; SZ 68/32; vgl JBl 1988, 654).

Entgegen der Meinung des Rekursgerichts steht der Antrag der Antragstellerin gemäß § 98 EheG in einem so engen Zusammenhang mit dem nach § 55a EheG abgewickelten Ehescheidungsverfahren, dass sich die in diesem Verfahren erteilte Bevollmächtigung auch auf das Verfahren nach § 98 EheG erstreckt. Schon in der in der Verhandlungstagsatzung vom geschlossenen Vereinbarung kamen die Parteien überein, dass die Antragstellerin unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag gemäß § 98 EheG einbringen werde, was in der Folge auch geschehen ist. Der enge Sachzusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren kann daher nicht geleugnet werden, mag auch das Verfahren über einen Antrag nach § 98 EheG ein an sich selbständiges Verfahren eigener Art darstellen. Dagegen spricht auch nicht, dass dieser Antrag erst etwa sieben Monate nach Abschluss der Vereinbarung vom eingebracht wurde, war die Antragstellung doch von verschiedenen Faktoren abhängig gemacht worden (zum Ganzen vgl SZ 68/32).

War nun die den Antragsgegnervertretern im Ehescheidungsverfahren erteilte Prozessvollmacht auch für das anschließende Verfahren nach § 98 EheG wirksam, dann hätte die erstinstanzliche Entscheidung sogleich an diese Rechtsanwälte zugestellt werden müssen. Da dies nicht geschah, begann die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der Entscheidung des Erstgerichts an die Rechtsvertreter des Antragsgegners - am - zu laufen; die Zustellung dieser Entscheidung an den Antragsgegner persönlich ist dagegen ohne Bedeutung (EFSlg 37.165; 34.838 uva). Der am zur Post gegebene Rekurs wurde somit rechtzeitig erhoben.

Das Rekursgericht hat seine Entscheidung lediglich damit begründet, dass der Rekurs verspätet eingebracht worden sei. Dies trifft - wie eben ausgeführt - nicht zu, und das Gericht zweiter Instanz wird sich deshalb mit den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers meritorisch auseinandersetzen müssen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 234 AußStrG, denn diese Bestimmung umfasst - wie aus § 229 Abs 1 AußStrG abzuleiten ist - auch die im Rahmen eines Antrags nach § 98 EheG auflaufenden Kosten.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00115.03Y.0527.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-72183