OGH 18.02.1997, 14Os4/97
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Feber 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 39 Vr 138/96-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, für den sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis vorbehält.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II), des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (III), des in der Ehe begangenen Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 (§ 203 Abs 1) StGB (IV), des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (V/1/a und 2) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V/1/b) schuldig erkannt.
Darnach hat er
I. mit seiner am geborenen unmündigen Tochter Lucy S*****
1. in der Zeit zwischen 1989 und Herbst 1990 in Friedburg (Oberösterreich) und
2. in der Zeit zwischen dem und dem in Salzburg
wiederholt den außerehelichen Beischlaf unternommen (und vollzogen - US 5);
II. durch die unter I. angeführte Tat sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht;
III. durch die unter I. angeführte Tat eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt;
IV. am 4.Feber 1996 in Wr.Neustadt außer dem Fall des Abs 1 seine Ehegattin Franziska S***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sie zu seinem PKW zerrte, sie in diesen hineinstieß, ihr Schläge und Fußtritte versetzte und sie würgte, zur Duldung des Beischlafes genötigt;
V. in Wr.Neustadt die Franziska S***** durch gefährliche Drohung zu nachstehenden Handlungen oder Unterlassungen zu nötigen versucht, nämlich
1. am
a) indem er sie durch die Äußerung: "Wenn du etwas vom Revolver erzählst, schrecke ich nicht zurück und erschieße die Nina von der Tankstelle aus!" mit dem Tod bedrohte, dazu, von seinem Waffenbesitz nichts zu erwähnen; und
b) durch die Äußerung: "Wenn du nicht nach Ungarn zurückkommst, wird dir und auch den Kindern etwas passieren!", zur gemeinsamen Rückkehr nach Ungarn;
2. am 4.Feber 1996, indem er sie durch die Äußerung: "Wenn du irgendetwas vom Revolver oder davon erzählst, daß ich mit dir geschlafen habe, überlebst du das nicht. Ich werde dich umbringen oder ich kann mir jemanden leisten, der das tut!" mit dem Tod bedrohte, dazu, von seinem Waffenbesitz und der unter IV. angeführten Tat nichts zu erwähnen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Verfahrensrüge (Z 4) hält nicht stand:
Dem Vorwurf, durch Ablehnung der in der Hauptverhandlung vom gestellten Anträge auf Vernehmung weiterer Gutachter sowie der Zeugen Dr.Viktoria G*****, Geza N*****, Petre J*****, Barbara M***** und Angelika S***** daran gehindert worden zu sein, die Unglaubwürdigkeit der Zeuginnen Lucy und Franziska S***** unter Beweis zu stellen, steht das im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde geltende Neuerungsverbot entgegen, welches zur Folge hat, daß bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden. Das in der Beschwerde behauptete Beweisthema wurde indes bei der Antragstellung weder ausdrücklich genannt, noch war es unmißverständlich erkennbar, was nicht zuletzt daraus erhellt, daß, obzwar in der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der beiden Belastungszeuginnen mit keinem Wort Bezug genommen wurde, dennoch keine auf das Ausräumen eines Mißverständnisses über die Zielsetzung der Beweisanträge gerichtete Reaktion des Angeklagten oder seines Verteidigers erfolgt ist (vgl Mayerhofer aaO § 238 E 2 a).
So gesehen betreffen durch den Geschlechtsverkehr bei Lucy S***** allenfalls hervorgerufene "Verletzungen und Beschwerden" keinen für die Entscheidung über die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz relevanten Tatumstand. Davon, daß der Angeklagte einmal während des Geschlechtsverkehrs zusätzlich einen Vibrator in die Scheide seiner Tochter eingeführt habe, sind die Tatrichter, dem Antragsvorbringen folgend, ohnedies nicht ausgegangen.
Mit derselben Begründung fällt die Einvernahme der Zeugen Dr.Viktoria G***** und Geza N***** als unerheblich dahin, weil das Erstgericht an der korrekten Beurkundung der von Lucy S***** am in Anwesenheit dieser Zeugen getätigten Angaben keinen Zweifel gelten ließ.
Auch ging es im Sinne des auf die Einvernahme des Petre J***** abzielenden Beweisantrages davon aus, daß Lucy S***** tatsächlich in einem an diesen gerichteten Schreiben eigene Behauptungen über einen sexuellen Mißbrauch durch den Angeklagten als unrichtig bezeichnete, während etwaige sexuelle Übergriffe gegen Barbara M***** oder Angelika S***** oder eine derartige Behauptung zu dem unter Anklage gestellten Sachverhalt überhaupt nichts auszutragen vermögen.
Weil schließlich über die Glaubwürdigkeit der Zeugin Lucy S***** ohnehin ein fachpsychologisches Gutachten erstattet und Mängel im Sinne der §§ 125 f StPO im Antrag gar nicht behauptet wurden, war auch die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Jugend- und Kinderpsychiatrie entbehrlich, zumal die in der Hauptverhandlung vernommene, als klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin ausgebildete Dr.Rotraut E***** zu allen für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Zeugen aus der Sicht eines Sachverständigen relevanten Kriterien ausführlich Stellung genommen hat (vgl Haller, Das psychiatrische Gutachten 183 bis 187). Hinweise auf eine der Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen vorbehaltene Geisteskrankheit der Zeugin Lucy S***** wurden vom Antragsteller nicht behauptet.
Auch die Mängelrüge (Z 5) schlägt zur Gänze fehl:
Die Tatrichter haben dem schwankenden Aussageverhalten der Zeuginnen Lucy und Franziska S***** bei ihrer Beweiswürdigung breiten Raum gewidmet und auf der Grundlage einer dem Gebot des § 258 Abs 2 StPO entsprechenden kritischen Gesamtschau aller Verfahrensergebnisse unter Einschluß des persönlich gewonnenen Eindrucks und zweier Gutachten aktengetreu, zureichend sowie in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung die den Angeklagten belastenden Deponate dieser beiden Zeuginnen für zutreffend erachtet, ohne noch gehalten gewesen zu sein, jeden einzelnen von den Zeuginnen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Die mit der Verläßlichkeit der beiden Zeuginnen zwanglos in Einklang zu bringenden Abweichungen ihrer Aussagen untereinander wurden einer speziellen Beurteilung unterworfen und dabei insbesondere auf die "überwältigende" (vgl das Gutachten Dris E***** S 353/II) Wirkung geschlechtlichen Mißbrauchs auf Unmündige Bedacht genommen.
Bei verständiger Lesart der Angaben der Zeugin Franziska S***** in der Hauptverhandlung vom (S 119/II) kann zudem kein Zweifel daran bestehen, daß sich die im Zusammenhang mit dem am erstellten Vernehmungsprotokoll (S 163 bis 173/I) erfolgte Bemerkung, das sei "alles frei erfunden", nur auf die den Angeklagten belastenden Angaben der Lucy S***** bezieht, womit es einer Erörterung dieser Textstellen in den Urteilsgründen nicht bedurfte (vgl die Angaben der Zeugin vor dem Untersuchungsrichter S 200/I).
Die zuletzt auf spekulativer Grundlage angestellten Erwägungen über ein Motiv der Franziska S*****, den Angeklagten fälschlich zu belasten, stellen erneut nur einen im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung dar.
Im übrigen haben sich nach Prüfung des weiteren Beschwerdevorbringens an Hand der Akten keine erheblichen Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.
Die demnach teils nicht an den prozessualen Vorschriften ausgerichtete, teils offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).
Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, für den sich der Oberste Gerichtshof eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StGB vorbehält.
Der Auspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über seine Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 39 Vr 138/96-64, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Staatsanwaltes Dr.Jenny, des Angeklagten Karl S***** und des Verteidigers Dr.Weselik zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Beurteilung des vom Angeklagten mit seiner unmündigen Tochter unternommenen außerehelichen Beischlafs (I) auch als Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II) sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, und es wird in der Sache selbst erkannt:
Karl S***** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden strafbaren Handlungen nach §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Berufung zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II), des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (III), des in der Ehe begangenen Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 (§ 203 Abs 1) StGB (IV), des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (V/1/a und 2) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V/1/b) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt.
Darnach hat er (soweit hier noch von Bedeutung)
I. mit seiner am geborenen unmündigen Tochter Lucy S*****
1. in der Zeit zwischen 1989 und Herbst 1990 in Friedburg (Oberösterreich) und
2. in der Zeit zwischen dem und dem in Salzburg
wiederholt den außerehelichen Beischlaf unternommen (und vollzogen - US 5);
II. durch die unter I. angeführte Tat sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht;
III. durch die unter I. angeführte Tat eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 18.Feber 1997, GZ 14 Os 4/97-7, bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen. Im Gerichtstag war somit nur mehr über die vorbehaltene Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO und über die Berufung des Angeklagten zu entscheiden.
Nach ständiger Rechtsprechung kann das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 StGB (II) zwar mit dem Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB, nicht aber mit jenem nach § 211 Abs 2 StGB (III) konkurrieren (Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 23 mwN). Durch die Annahme einer solchen Konkurrenz ist daher das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit dem nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO belastet, was von Amts wegen zu korrigieren war (§ 290 Abs 1 StPO).
Bei der damit erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe nach § 206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB für den gesamten (auch die weiteren im genannten Beschluß des Obersten Gerichtshofs dargestellten strafbaren Handlungen umfassenden) Schuldspruch waren das bislang tadelsfreie Vorleben und der Umstand als mildernd in Rechnung zu stellen, daß die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind. Dem steht das Zusammentreffen dreier Verbrechen mit zwei Vergehen und deren Fortsetzung über einen langen Tatzeitraum als erschwerend gegenüber.
Hält man unter dem Gesichtspunkt der im § 32 Abs 3 StGB aufgeführten Kriterien die viele Jahre hindurch exzessiv ausgelebte sexuelle Rücksichtslosigkeit gegenüber der schutzbefohlenen unmündigen Lucy S***** hinzu, so zeigt sich, daß nur das Verschlimmerungsverbot des § 290 Abs 2 StPO eine Überschreitung der Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren hindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1997:0140OS00004.97.0218.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-71717