OGH 05.07.2007, 12Os81/07i
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Schwab als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Safet M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Robert K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom , AZ 9 Bs 174/07t (GZ 23 Ur 149/06z-254 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Robert K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Beim Landesgericht für Strafsachen Graz ist unter dem AZ 23 Ur 149/06z gegen mehrere Beschuldigte ein Strafverfahren wegen §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 156 Abs 1 und 2, 153d Abs 1 und 2, 153e Abs 1 Z 1 und 2, 159 Abs 1 und Abs 5 Z 4 und 5, 161 Abs 1 und 278a StGB, 33 FinStrG anhängig.
Diesem liegt der im angefochtenen Beschluss zusammengefasst wiedergegebene Verdacht der Gründung von Unternehmen, insbesondere im Baugewerbe, durch Mitglieder einer kriminellen Organisation zu Grunde, die tatplanmäßig im Wesentlichen keine Abgaben wie Sozialversicherungsbeiträge und Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz abführten sowie auch keine privaten Verbindlichkeiten erfüllten und einen Großteil der Einnahmen nach Bezahlung der - teilweise unangemeldet - beschäftigten Arbeiter nicht dem Firmenvermögen zufließen ließen, sondern selbst (als Organisationsmitglieder) vereinnahmten. Darüber hinaus sollen Scheinlohnbestätigungen zur Erlangung von Leistungen der Krankenversicherung und - jeweils nach dem Konkurs der Gesellschaften - Insolvenz-Ausfallgeld sowie Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe sowie fingierte Rechnungen zur (vorgetäuschten) Minimierung der Gewinne anderer Unternehmen ausgestellt worden sein. Nach dem Konkurs der überschuldeten Unternehmen wurden nach den Verdachtsannahmen - teilweise mit denselben Arbeitern - unmittelbar neue Gesellschaften nach demselben Muster und insbesondere mit derselben Zielsetzung gegründet.
Um die Mitglieder der Organisation anonym zu halten, sollen großteils ausländische sach- und sprachunkundige Personen als geschäftsführende Gesellschafter der juristischen Personen eingesetzt worden sein, die im Konkursfall in ihre Heimat zurückkehrten und daher im Inland nicht mehr greifbar sind. Zur Verhinderung der Nachvollziehbarkeit von Zahlungsflüssen erfolgten von den Geschäftskonten keine Überweisungen, sondern lediglich Barbehebungen ohne Führung entsprechende Geschäftsbücher. Die faktischen Geschäftsführer bzw die Organisationsmitglieder sollten zur Erschwerung der Verfolgbarkeit, bzw um unentdeckt zu bleiben, darüber hinaus auf verschiedene Namen angemeldete Mobiltelefone verwenden. Wenn überhaupt seien Verantwortliche lediglich als Arbeiter angemeldet worden. Mit Beschluss vom wurde gegen Robert K***** wegen §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 156 Abs 1 und Abs 2, 153d Abs 1 und Abs 2, 153e Abs 1 Z 1 und Abs 2, 159 Abs 1 und Abs 5 Z 4 und 5 (iVm § 161 Abs 1), 278a StGB teilweise iVm §§ 12 dritter Fall, 15 StGB und § 33 Abs 1 und Abs 2 FinStrG teilweise iVm § 11 FinStrG die Voruntersuchung eingeleitet und die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO verhängt (ON 132 f/XII). Am wurde die Untersuchungshaft nunmehr gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO fortgesetzt (ON 230/XV). Mit Beschluss vom ordnete der Untersuchungsrichter neuerlich aus diesen Haftgründen die Fortsetzung der Untersuchungshaft an und begründete den dringenden Tatverdacht ausschließlich nach § 278a StGB (ON 320/XIX).
Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss vom nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO an.
Den dringenden Tatverdacht in Richtung §§ 278a, 156 Abs 1 und 2 StGB (die Voruntersuchung wegen § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB betreffend die S***** GmbH wurde antragsgemäß am eingeleitet - vgl S 3w iVm S 3v verso des Antrags- und Verfügungsbogens) begründete das Beschwerdegericht mit der Kenntnis der Vernetzung der beiden inzwischen wegen Insolvenz aufgelösten Gesellschaften, in denen Robert K****** beschäftigt war (S***** GmbH und K***** GmbH), im Rahmen der kriminellen Organisation und der Abrechnung bei der K***** GmbH über in Wien aufhältige, abgesondert verfolgte Beschuldigte. Die Kenntnis dieser Vernetzung sei insbesondere durch Telefonate mit dem Mitbeschuldigten Hido S***** (TÜ 3961 vom - S 569/IV) und dem weiteren Mitbeschuldigten Amir H***** (TÜ 161 und 617 - S 745/IV) indiziert (BS 6 f).
Die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei lediglich als Büroangestellter bei den Unternehmen S***** GmbH und K***** GmbH beschäftigt gewesen, erachtete das Oberlandesgericht aufgrund der fehlenden Geschäftsbücher und -unterlagen, des seltenen Auftretens des pro-forma-Geschäftsführers der K***** GmbH und des Kontaktes des Beschwerdeführers mit der Lohnbuchhalterin für widerlegt. Hingegen sei seine faktische Geschäftsführertätigkeit bei der S***** GmbH sowie ein entsprechender Tatbeitrag bei der K***** GmbH aufgrund seiner Kontakte mit dem in Wien abgesondert verfolgten Fadil K***** (alias F*****), der für Unternehmensgründungen und Behördenwege zuständig sein soll, und insbesondere in Anbetracht der Ergebnisse der Telefonüberwachung, wonach er nichts zu befürchten habe, weil er lediglich als Angestellter gemeldet sei (TÜ 3961 - S 569/IV), indiziert. Desgleichen spreche das Ergebnis der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung, bei welcher das Faxgerät der S***** GmbH sowie ein Blankofirmenpapier und eine Arbeits- und Lohnbestätigung eines Arbeiters der K***** GmbH sichergestellt werden konnte, für seine faktische Geschäftsführertätigkeit. Der Schädigungsvorsatz in Richtung § 156 StGB ergebe sich durch den jeweils sofortigen Abzug sämtlicher Einnahmen der Gesellschaften, die gleichzeitige Erhöhung der Passiva sowie das rasche Aufeinanderfolgen der Konkurseröffnungen über das Vermögen beider Gesellschaften.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich die einen dringenden Tatverdacht und das Vorliegen von Haftgründen bestreitende Grundrechtsbeschwerde des Robert K*****, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Soweit der Beschuldigte auf die Begründung im Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom auf Fortsetzung der Untersuchungshaft Bezug nimmt, geht dieses Vorbringen ins Leere, weil eine anfechtbare erstinstanzliche Entscheidung nicht den Prüfungsgegenstand des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens bildet. Bezüglich des angefochtenen Beschlusses des Oberlandesgerichts Graz bringt der Rechtsmittelwerber vor, es mangle an Beweisergebnissen zum Tatverdacht, wonach er über den Verwendungszweck der Gesellschaften und ihre Vernetzung im Rahmen einer kriminellen Organisation Kenntnis gehabt habe. Insbesondere sei er auf den vom Oberlandesgericht Graz zitierten Aktenseiten (gemeint offensichtlich S 99/III; 565/IV; 933/IV; 257/XVI; 111 in ON 257/XVI) nicht einmal erwähnt. Selbst die weiteren, bereits resümierend interpretierten Telefongespräche (gemeint offensichtlich S 567 bis 569/IV; 739 bis 745/IV) seien nicht geeignet, einen Tatverdacht zu begründen, weil sie lediglich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Büroangestellter geführt worden seien.
Demgegenüber ergibt sich aber aus den vom Oberlandesgericht Graz zitierten Aktenpassagen, dass der Beschuldigte zu den gleichfalls verfolgten Marko C***** und Velja N***** über den Mitbeschuldigten Hido S***** Kontakte unterhalten haben soll (vgl S 567/IV). Mit den vom Oberlandesgericht zitierten übrigen Verfahrensergebnissen, bei denen sich sein Name nicht findet (vgl S 99/III; 933/IV; 257/XVI; 111 in ON 257/XVI), untermauerte aber das Rechtsmittelgericht anhand dieser Aktenstellen lediglich die hinter den Genannten stehende Provisionspraxis.
Die Kenntnis des Beschwerdeführers von der Vernetzung der Unternehmen im Rahmen der kriminellen Organisation stützte das Oberlandesgericht auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung (vgl S 567 bis 569/IV; 739 bis 745/IV). Aus diesen (hinsichtlich TÜ 406, 434, 976, 2178 und 2279 identen) Protokollen erschloss das Beschwerdegericht die Anmeldepraxis von Personen bei den involvierten Unternehmen und die (mangels entsprechender Aufzeichnungen) verschleiernde und undurchsichtige Geldgebarung sowie das - auch von anderen Organisationsebenen (vgl TÜ 8087 - S 257/XVI) erfolgte - Einlangen von Zahlungen. Insbesondere stützte sich der Gerichtshof II. Instanz aber auf die Telefonate des Beschwerdeführers vom (TÜ 3961 - S 569/IV) und die von ihm geführten Gespräche vom (TÜ 161 - S 745/IV) sowie vom (TÜ 617 - S 745/IV), aus welchen die Praxis des nahtlosen Überganges von in Konkurs befindlichen Unternehmen in parallel bzw neugegründete abgeleitet wurde, ohne damit Gesetzen logischen Denkens oder allgemeiner Lebenserfahrung zu widersprechen.
Das Vorbringen, die Ergebnisse der Telefonüberwachung seien lediglich resümierend und interpretierend im Akt wiedergegeben, ist zunächst dahingehend zu relativieren, dass ein erheblicher Teil dieser Telefonate ohnedies im Ordner „TÜ Protokolle III, Hido S***** (angemeldet auf G***** Danijela)" im gesamten Umfang nachzulesen ist (vgl die dort mit TÜ 976, 2103, 2150, 2178, 2279, 2443, 3961 und 4102 bezeichneten Gespräche). Im Übrigen kritisiert die Beschwerde den Beweiswert der vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen ohne einen relevanten Begründungsmangel oder sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Verdachtsannahmen aufzuzeigen, zumal mit dem Hinweis auf die zusammenfassende Darstellung nicht einmal behauptet wird, dass die resümierenden Wiedergaben der Gesprächsinhalte inhaltlich unrichtig wären.
Eine Unvollständigkeit hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdegerichtes, wonach Geschäftsbücher oder sonstige Geschäftsunterlagen nicht vorgefunden werden konnten (BS 7), liegt nicht vor, weil es sich bei den in der Grundrechtsbeschwerde genannten, im Akt erliegenden Dokumenten der K***** GmbH (Band IX, ON 67) nicht um eine geordnete Buchhaltung handelt, sondern lediglich um vereinzelte Arbeitsbestätigungen, Arbeitsstundenaufzeichnungen, Anmeldungen zur Sozialversicherung, auszugsweise Kontobewegungen und Ähnliches. Demgegenüber bezog sich das Beschwerdegericht hinsichtlich des Fehlens entsprechender Geschäftsbücher auf die entsprechenden Berichte der Masseverwalter (BS 7 - S 239/XVIII; S 507/IX). Das substratlose Vorbringen, auch die weiteren Ausführungen des Oberlandesgerichtes Graz können weder einen Tatverdacht noch einen Vorwurf gegen den Beschuldigten begründen, ist mangels Konkretisierung einer Erwiderung nicht zugänglich.
Hinsichtlich der Haftgründe prüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der im § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahr darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich angenommen darstellt (vgl RIS-Justiz RS0117806). Bereits in Ansehung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr zeigt Robert K***** mit dem bloßen Hinweis, dass die Gegenstand der Voruntersuchung bildende kriminelle Organisation „zerschlagen" worden und daher eine Tatwiederholung verunmöglicht sei, keine Willkür des Gerichtshofes II. Instanz auf, nach dessen Ausführungen die Gefahr der Begehung neuerlicher Straftaten mit schweren Folgen wie jene in den angelasteten Delikten daraus resultiert, dass der Rechtsmittelwerber mehrfach delinquierte und zur Zeit seiner Festnahme bereits wieder bei einem abermals Gegenstand von sicherheitsbehördlichen Ermittlungen bildenden Unternehmen, nämlich der am errichteten S*****-GmbH, gegen die von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse am der Konkursantrag gestellt wurde, als „Angestellter" gemeldet war und er zudem nach wie vor Komplementär in der K***** KG ist. Da schon die Annahme eines einzigen Haftgrundes die Fortsetzung der Untersuchungshaft rechtfertigt, bedürfte das Vorbringen gegen den Haftgrund der Fluchtgefahr keiner weiteren Erörterung (vgl RIS-Justiz RS0061196). Dessen Vorliegen wurde im Übrigen entgegen der das Fehlen einer Begründung monierenden Beschwerde in Abwägung der (infolge eines hinsichtlich seiner Person abgelaufenen Aufenthaltstitels eingeschränkten) sozialen Bindungen im Inland mit dem Eigentum an einer Liegenschaft samt Haus in seinem Herkunftsland Bosnien-Herzogowina im Zusammenhalt mit der im Fall eines Schuldspruchs anzunehmenden Straferwartung untermauert und solcherart ebenfalls nicht bloß willkürlich angenommen.
Robert K***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2007:0120OS00081.07I.0705.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-71050