OGH 20.12.1990, 12Os141/90
Rechtssatz
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Norm | StGB §34 Z1 Fall1 |
RS0091278 | Die Strafbemessungsvorschrift des § 34 Z 1, erster Fall, StGB, wonach es ein besonderer Milderungsgrund ist, wenn der Täter die Tat nach Vollendung des neunzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen hat, ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bei jeder strafbaren Handlung zu beachten und kommt daher auch bei Straßenverkehrsdelikten zum Tragen. Dieser Milderungsgrund ist in seinem Gewicht nur nach Maßgabe der Annäherung an die normierte Altersobergrenze zu relativieren. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Horst Z*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z 2) StGB, AZ U 389/89 des Bezirksgerichtes Neunkirchen, über die vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , AZ 7 Bl 220/90 (= ON 34 der Strafakten), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Verurteilten Horst Z*** und seines Verteidigers Dr. Andreas Wippel zu Recht erkannt:
Spruch
Durch den in der Begründung des Urteils des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgericht vom , AZ 7 Bl 220/90, enthaltenen Ausspruch, daß der Milderungsgrund der Begehung der Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres bei Straßenverkehrsdelikten "nicht vorliegt", ist das Gesetz in der Bestimmung des § 34 Z 1 StGB verletzt.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , GZ U 389/89-24, wurde der am geborene Horst Z*** nach einem von ihm am verschuldeten Verkehrsunfall wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z 2) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Sein Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit fand dabei als mildernder Umstand Berücksichtigung.
Rechtliche Beurteilung
Das Kreisgericht Wr. Neustadt als Berufungsgericht setzte die Strafe in Stattgebung einer (auch zum Vorteil des Angeklagten) von der Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch erhobenen Berufung mit dem im Spruch bezeichneten Urteil auf drei Wochen herab und beseitigte den Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht. In den Entscheidungsgründen führte es dazu folgendes aus:
"Nach ständiger Rechtsprechung kommt bei Verkehrsunfällen im alkoholisierten Zustand den Belangen der Generalprävention dominante Bedeutung zu. Insbesondere bei Alkoholisierungsgraden, die die gesetzliche Toleranzgrenze etwa um das Doppelte und mehr überschreiten, verhindert die Generalprävention die Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe, was auch auf den gegenständlichen Fall zutrifft. Dazu kommt, daß der Angeklagte im Zuge des Beweisverfahrens tatsächlich erst schrittweise unter dem Druck der vorliegenden Beweise größere Trinkmengen zugegeben hat, sodaß dem Beitrag zur Wahrheitsfindung keine besondere Bedeutung zukommt. Aber auch der Milderungsgrund des Alters unter 21 Jahren ist bei Verkehrsunfällen insoferne zu relativieren, als mit der Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen dem Beschuldigten ein erhöhtes Verantwortungsbewußtsein abverlangt werden muß, weshalb nach ständiger Rechtsprechung dieser Milderungsgrund nicht vorliegt. Somit erweist sich, daß den Belangen der Generalprävention, die im Ersturteil keine Erwähnung gefunden haben, primäre Bedeutung doch zukommt, sodaß es des Vollzuges der - schuldangemessen herabgesetzten - Freiheitsstrafe nach den aufgezeigten Gesichtspunkten bedarf und der bedingte Strafausspruch daher aus dem Ersturteil auszuschalten war".
Soweit darin die Rechtsansicht zum Ausdruck kommt, daß der Milderungsgrund der Begehung der Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres bei Straßenverkehrsdelikten nicht in Betracht kommt, steht die eben in extenso wiedergegebene Begründung des Urteiles des Berufungsgerichtes im Widerspruch zur Bestimmung des § 34 Z 1, erster Fall, StGB, wonach es ein besonderer Milderungsgrund ist, wenn der Täter die Tat nach Vollendung des neunzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen hat. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist diese Strafbemessungsvorschrift bei jeder strafbaren Handlung zu beachten und kommt daher auch bei Straßenverkehrsdelikten zum Tragen (Leukauf-Steininger Komm.2 RN 3, Mayerhofer-Rieder StGB3 E 4, Kunst im WK Rz 2, jeweils zu § 34 StGB). Sie ist nur nach Maßgabe der Annäherung an die normierte Altersobergrenze zu relativieren. Die in der aufgezeigten rechtsfehlerhaften Beurteilung der in Rede stehenden Strafzumessungstatsache (§ 281 Abs. 1 Z 11, zweiter Anwendungsfall, StPO) gelegene Gesetzesverletzung war - insoweit in Stattgebung der vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde - festzustellen. Von der in der Beschwerde darüber hinaus beantragten Kassation des Berufungsurteils und der Anordnung einer Erneuerung des Berufungsverfahrens wurde jedoch abgesehen, weil sich aus der Begründung dieses Urteils klar ergibt, daß sich die verfehlte Rechtsansicht nicht zum Nachteil des Angeklagten auf die Entscheidung des Berufungsgerichtes ausgewirkt hat. Es hat nämlich trotz Nichtannahme des Alters unter 21 Jahren als Milderungsgrund (das im Hinblick auf die Überschreitung des 20. Lebensjahres doch nur in eingeschränktem Umfang hätte von Einfluß sein können) und trotz des Hinweises, daß dem (vom Erstgericht als mildernd gewerteten) Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung keine besondere Bedeutung zukommt, er somit nicht wesentlich im Sinne des § 34 Z 17 StGB war, die Strafe ohnedies - und zwar ohne Annahme zusätzlicher mildernder Umstände - reduziert. Die Beseitigung des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht aber hat es - durchaus in Kenntnis des Alters des Angeklagten - primär mit Erfordernissen der Generalprävention begründet, wobei zu bemerken ist, daß bekanntlich gerade jene Altersgruppe, der der Angeklagte angehört, nach der Unfallstatistik besonders gefährdet ist. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher nicht veranlaßt, von dem ihm gemäß § 292, letzter Satz, StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und dem Berufungsgericht eine Strafneubemessung aufzutragen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00141.9.1220.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-70789