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OGH 24.06.1986, 11Os51/86

OGH 24.06.1986, 11Os51/86

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Wendelin T*** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 2 e Vr 5.113/85-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Hauptmann als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Vogel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB betreffenden Punkt 2 des Schuldspruches sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Wendelin T*** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegende Verbrechen des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 (neun) Jahren verurteilt. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld wird zurückgewiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Schuhmacher Wendelin T*** des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilsspruches) und des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am in Wien (1) der Bankangestellten Gerlinde Z*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einen Bargeldbetrag von 97.670 S (der R*** W***, Filiale Strebersdorfer Platz) mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er gegen Gerlinde Z*** (nach den Urteilsfeststellungen auch gegen deren Kollegin Edith BÄK) eine Pistolenattrappe richtete, sich äußerte "Stehenbleiben, keinen Alarm auslösen, sonst gibt's Tote !", Geld forderte und mit der Beute flüchtete, und (2) Edith BÄK - die sogleich die Verfolgung aufgenommen hatte (US 4 unten) - durch gefährliche Drohung zur Abstandnahme von seiner (weiteren) Verfolgung genötigt zu haben, indem er gegen sie die Pistolenattrappe in Anschlag brachte und ihr zurief: "Verschwind' oder es knallt !".

In seiner gegen dieses Urteil gerichteten, als "Berufung wegen Nichtigkeit" deklarierten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte Wendelin T*** formell den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO, der Sache nach jedoch jenen der Z 10 dieser Gesetzesstelle geltend, indem er vorbringt, sein vom Erstgericht als Nötigung beurteiltes Tatverhalten (Punkt 2 des Urteilsspruches) sei durch die Verurteilung wegen Verbrechens des Raubes mitabgegolten.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rechtsrüge ist im Ergebnis begründet:

Zwar kommt es - der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider - nicht darauf an, ob das Opfer ungeachtet der sofort aufgenommenen Verfolgung des Täters den Gewahrsam an der Beute bereits durch deren Abnötigung verloren hatte, der Raub also in formeller Hinsicht vollendet war (was vorliegend im Sinn von Zipf, WrK, § 142 StGB Rz. 6 sowie Kienapfel, BT II, RN 20 zu dieser Gesetzesstelle, zu bejahen ist). Nicht gesondert zuzurechnen ist nämlich insbesondere auch die der Abnötigung (Sachwegnahme) unmittelbar folgende Phase, in welcher der Räuber seine Beute gegen das nacheilende Opfer mit den Mitteln des § 142 StGB verteidigt (siehe - jeweils zu § 142 StGB - Kienapfel, BT II, RN 94; Leukauf-Steininger 2 RN 48). Gesonderter Beurteilung unterliegen allerdings nicht nur auf die Abnötigung folgende Tathandlungen, welche sich gegen Dritte richten (SSt. 46/11), sondern auch jene, die zwar gegen das Raubopfer gerichtet sind, aber auf einem vollkommen selbständigen Entschluß des Täters zu einer neuerlichen Beeinträchtigung beruhen, sofern hiedurch (auch) andere - vom Raub nicht betroffene - Rechtsgüter

erfaßt werden (SSt. 52/50 = EvBl. 1982/55 = ÖJZ-LSK 1981/185 zu

§ 143 zweiter Satz StGB; RZ 1979/63 = ÖJZ-LSK 1979/215 zu § 142 Abs. 1 StGB; vgl. die Kritik Burgstallers an SSt. 47/26 = ÖJZ-LSK 1976/213 zu § 142 StGB in JBl. 1978, 463), oder das für die Erlangung der Sachherrschaft (und für deren unmittelbar anschließende Behauptung gegen das Opfer) erforderliche Ausmaß der Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit überschritten wird oder kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Sachbemächtigung besteht (vgl. die E ÖJZ-LSK 1976/383 zu § 142 StGB; EvBl. 1978/7 und deren - nur insoweit zustimmende - Erörterung durch Burgstaller in JBl. 1978, 460 f).

Begriffswesentlich für die Annahme einer solchen der Konsumtion durch die Haupttat zugänglichen Nachtat ist also, daß es sich bei letzterer um eine Deliktsverwirklichung handelt, die der anderen - der Haupttat - nachfolgt und den rechtswidrigen Erfolg derselben aufrechterhält, sichert oder auswertet. Die Straflosigkeit einer solchen Nachtat hängt davon ab, daß sie sich gegen dasselbe Rechtsgut richtet wie die Haupttat und keinen über diesen hinausreichenden Schaden bewirkt (vgl. SSt. 50/24). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Angeklagte mit der zuletzt gegen das ihm nacheilende Raubopfer BÄK angewendeten Drohung (Punkt 2 des Urteilsspruches) nur seine ungehinderte Flucht unter Mitnahme des abgenötigten Bargeldes zu erzwingen suchte; eine Beschränkung seines Vorsatzes dahin, daß dieser die Sicherung der mitgeführten Beute nicht umfaßt hätte, ist dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen und hätte aus dem Akteninhalt auch nicht festgestellt werden können. Die abermalige Beeinträchtigung der persönlichen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Raubopfers Edith BÄK durch den Angeklagten hatte sohin ersichtlich zum Ziel, sich im Besitz der Raubbeute zu behaupten und ging in ihrer Intensität über das mit der Verfolgung dieses Zieles notwendigerweise verbundene Ausmaß nicht hinaus. Nach den Urteilsfeststellungen war auch ein unmittelbarer Zusammenhang dieser Tat mit der Sachbemächtigung gegeben, zumal der enge Konnex eines solchen Geschehens jedenfalls so lange fortbesteht, als sich der Täter - wie hier - veranlaßt sieht, die Mittel des § 142 StGB gegen das Raubopfer neuerlich einzusetzen, um den begangenen Raub auch materiell vollenden, d.h. die Beute in Sicherheit bringen zu können. Da sohin das Verhalten des Angeklagten auf der Flucht gegenüber der ihn verfolgenden Edith BÄK nur die letzte Phase des rechtlich als Einheit zu wertenden Gesamtgeschehens bildete, beruht die diesbezügliche gesonderte Beurteilung durch das Erstgericht als Vergehen der Nötigung auf einem Rechtsirrtum (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO).

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Folge zu geben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB betreffenden Punkt 2 des Schuldspruches sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO für die verbleibende Tathandlung des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB mit einer Strafneubemessung vorzugehen. Hiebei wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägigen Vorstrafen sowie den Umstand, daß der Angeklagte auf der Flucht neuerlich gefährlich drohte, als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber keinen Umstand als mildernd.

Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erschien, insbesonders in Anbetracht der spezifischen einschlägigen mehrjährigen Vorstrafe des Angeklagten wegen Raubes, eine Freiheitsstrafe von neun Jahren dem Tatunrecht, der Schuld und der Täterpersönlichkeit des Wendelin T*** adäquat.

Die Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaft wurde aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Mit seiner Berufung (wegen Strafe) war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel im Schöffengerichtsverfahren vom Gesetz (§§ 280, 283 Abs. 1 StPO) nicht vorgesehen ist (§§ 296 Abs. 2, 294 Abs. 4 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00051.86.0624.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-70566