OGH 23.09.1986, 11Os115/86
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Bernhard B*** wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a, c und e PornG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichts vom , GZ 3 b Vr 1.749/84-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Edelmann zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch und einen Verfallsausspruch nach § 4 Abs. 1 PornG enthaltenden) Urteil wurde der am geborene kaufmännische Angestellte Bernhard B*** des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a, c und e PornG schuldig erkannt, weil er am in Wien in gewinnsüchtiger Absicht (unzüchtige) Druckwerke und Videokassetten zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hielt, anderen anbot und teilweise überließ bzw. in Druckwerken bekanntgab, wie und von wem unzüchtige Gegenstände erworben werden können. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Ersichtlich mit Beziehung auf seine leugnende Verantwortung meint der Beschwerdeführer, dem Urteil seien Feststellungen des Inhaltes nicht zu entnehmen, daß er unzüchtige Druckwerke und Videokassetten anderen angeboten und zum Teil überlassen bzw. daß er in Druckwerken bekanntgegeben habe, wie und von wem unzüchtige Gegenstände erworben werden könnten. Demgemäß habe der Schuldspruch (auch) wegen Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. c und e PornG zu entfallen.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesem Vorbringen setzt sich der Beschwerdeführer über jene Urteilsfeststellungen hinweg, wonach nicht nur das Fehlen von 20 Kassetten "auf bereits erfolgte (ein Anbieten voraussetzende) Verkäufe zurückzuführen ist" (S 186), sondern insbes. auch die im Punkt I des Urteilsspruchs angeführten Tatobjekte Kunden angeboten worden waren (S 178), und wonach die (unzüchtigen) Videokassettenhüllen "ersichtlich machen, von wem bzw. durch wen sie erworben werden können" (S 182). Solcherart bringt er aber den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten an dem gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis verlangt, daß dem Erstgericht dabei ein Rechtsirrtum unterlief, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Gleiches gilt für die Beschwerdebehauptung, dem Urteil sei nur zu entnehmen, daß die inkriminierten Videokassetten, Kassettenhüllen, Kataloge und Prospekte "in Regalen eingeschlichtet waren", nicht aber, daß diese Gegenstände zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten wurden. Denn mit diesem Einwand übergeht der Beschwerdeführer neuerlich die ausdrückliche Feststellung, daß ein Vorrätighalten zum gewinnbringenden Verkauf vorlag (S 178) sowie auch den ua aus der erwähnten Konstatierung über den Verkauf von 20 Videokassetten (denkmöglich und lebensnah) gezogenen Schluß des Erstgerichtes, wonach die "sichergestellten Kassetten sehr wohl bereits zur Verbreitung bestimmt waren" (S 186), die Videokassettenhüllen und Werbeprospekte "zumindest dazu dienten, Grundlagen für Kundenbestellungen zu bilden", und die - nach Umfang und Art ihrer Gestaltung - "praktisch den Charakter eigener Pornomagazine" aufweisenden Kataloge gleichfalls "für den Kundenkreis, sohin zur weiteren Verbreitung in gewinnsüchtiger Absicht bestimmt waren" (S 187). Davon abgesehen kommt dem vom Beschwerdeführer (urteilsfremd) ins Treffen geführten Argument, er habe als Vertreter eines Großhandelsunternehmens die inkriminierten Gegenstände nur "gelagert", um sie - zu einem späteren Zeitpunkt - an Händler (sogenannte Videothekare) weiterzugeben, sodaß es an dem "im Gesetz vorgesehenen" Zusammenhang "mit der Verbreitung dieser Videokassetten" mangle, keine Bedeutung zu. Denn Vorrätighalten ist das Besitzen von Tatobjekten zu einem bestimmten Verwendungszweck, nämlich dem Verbreiten (Leukauf-Steininger, Nebengesetze 2 , Anm. C zu § 1 PornG): Die auf gewinnsüchtige Absicht abstellende Bestimmung des § 1 PornG richtet sich schon gegen die in die Wege geleitete tatsächliche Verbreitung pornografischen Materials insbesondere durch Händler (EvBl. 1972/154). Ihre ratio ist die Unterbindung gerade des Handels mit unzüchtigem Material (EvBl. 1972/341). Es kommt daher nicht darauf an, ob sich der Täter unmittelbar an den Konsumenten unzüchtiger Erzeugnisse wendet oder sich zur Verbreitung eines Einzelhändlers bedient.
Neuerdings nicht auf den Urteilssachverhalt stellt der Beschwerdeführer mit dem Einwand ab, soweit die im Urteilsspruch bezeichneten Videokassetten auch Zeichentrickfilme enthielten, könnten sie schon deshalb nicht als unzüchtig im Sinn des § 1 PornG beurteilt werden, weil die dem Zeichentrickfilm eigene schematisierte Darstellung nicht mehr "lebensreal und zeitnah" sei. Denn abgesehen davon, daß die jeweils mit einem Zeichentrickpornofilm beginnenden und mit Realpornofilmen fortsetzenden Videokassetten als einheitliches Ganzes angesehen werden müssen (vgl. S 179) und das Erstgericht den Schuldspruch ohnedies in allen Fällen auch auf den (unzüchtigen) Inhalt der Realpornofilme stützt und nur bei zwei der insgesamt sieben verschiedenen Videokassetten illustrativ erwähnt, daß "bereits" (S 180; "schon" S 181) der Trickfilm Darstellungen gleichgeschlechtlichen Unzuchttreibens zeigt, übergeht der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, wonach die Trickfilmdarstellungen "äußerst realistisch gezeichnet sind" (S 181). Bei der (urteilsfremden) Behauptung, die Videokassette "Lollypop und reife Früchte" zeige nur "flüchtige Berührungen", es fehle an der Darstellung "intensiven (länger währenden und unmittelbaren) Körperkontaktes im Bereich der Geschlechtsteile" ignoriert der Beschwerdeführer die Urteilsannahme, daß dieser Videofilm "Darstellungen lesbischen Unzuchttreibens wie Austausch von Zungenküssen, Massieren der Brüste und Lecken derselben, Streicheln des Geschlechtsteiles und Lecken des Körpers im Bereich derselben" enthält (S 181).
Auch mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, die inkriminierten Videokassettenhüllen, Kataloge und Werbeprospekte zeigten zwar gleichgeschlechtliche Betätigungen, "es könne aber nicht gesagt werden, daß beischlafähnliche oder sonstige nicht bloß flüchtige Manipulationen am Geschlechtsteil des Unzuchtspartners, intensive Körperkontakte, die länger währen und unmittelbar sind, festzustellen wären", läßt der Beschwerdeführer die gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes ("Darstellungen lesbischen Unzuchttreibens, insbesondere Lecken des Geschlechtsteiles; S 181,
182) außer acht. Mit seiner Ansicht, bildliche Darstellungen wären als Momentaufnahmen ("Augenblickswiedergabe") nur "sehr schwer" geeignet, das (normative) Tatbestandsmerkmal der Unzüchtigkeit "im Sinne der Auslegung harter Pornographie" zu verwirklichen, weil eine intensive, nämlich länger währende Körperberührung nicht in Erscheinung trete, verkennt er, daß gerade das Bild in seiner Unveränderlichkeit dem Augenblick Dauer verleiht und (fallbezogen) infolge seiner verzerrten, auf sich selbst reduzierten und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelösten Darstellung gleichgeschlechtlicher Unzucht (Lecken des Geschlechtsteils) im sozial integrierten Durchschnittsbetrachter die Empfindung der Unerträglichkeit auslöst. Dem Urteil haftet daher auch insoweit kein Rechtsirrtum an.
Der Anregung, die Strafnorm des § 1 PornG gemäß dem Art. 89 Abs. 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, konnte der Oberste Gerichtshof nicht nähertreten, weil der Begriff "unzüchtig" im Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes und seinem Zweck einer einheitlichen Auslegung zugänglich ist (11 Os 199/83). Soweit der Beschwerdeführer aber die nach der jüngeren Rechtsprechung herrschende Auslegung des Unzuchtsbegriffes ablehnt und mit der Behauptung einer "Wertungsänderung" im Sexualbereich insbesondere für Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht eine "neue Interpretation" verlangt, ist ihm zu erwidern, daß für ein Abgehen von der in der Entscheidung des verstärkten Senates vom , 12 Os 111/80 (= SSt. 51/51 = EvBl. 1981/52 = ÖJZ-LSK 1981/32), zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung kein Anlaß besteht, zumal auch der Beschwerdeführer hier zur Stützung seines Standpunktes keine nicht schon bisher berücksichtigten Umstände zu nennen vermag.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 1 Abs. 2 PornG unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 150 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es weder einen Erschwerungs- noch einen Milderungsumstand an. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte ersichtlich (S 199) die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und - wie im Gerichtstag klargestellt - die Gewährung der bedingten Nachsicht der Geldstrafe an.
Auch der Berufung kommt Berechtigung nicht zu.
Unter Berücksichtigung des Umfanges der vom Schuldspruch erfaßten pornographischen Erzeugnisse erweist sich die vom Erstgericht bestimmte Anzahl der Tagessätze nicht als reduktionsbedürftig. Von einer äußerst geringen negativen Wirkung der vom Rechtsmittelwerber zu verantwortenden Tathandlungen kann - der in der Berufung vertretenen Ansicht zuwider - nach Lage des Falls nicht gesprochen werden.
Einer bedingten Nachsicht der Geldstrafe stehen spezialpräventive Überlegungen entgegen.
Aus den aufgezeigten Gründen war mithin auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00115.86.0923.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-70280