OGH 05.06.1984, 10Os61/84
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Friedrich, Dr. Lachner sowie Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann A wegen des Vergehens nach § 14 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom , AZ. 9 Bs 215/83, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des angeklagt gewesenen Hermann A und dessen Vertreters Rechtsanwalt Dr. Hans Maxwald zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren zum AZ. 8 c E Vr 90/81 des Kreisgerichtes Steyr gegen Hermann A wegen des Vergehens nach § 14 Abs. 1 DSchG. verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , AZ. 9 Bs 215/83, das Gesetz in dieser Bestimmung.
Text
Gründe:
I. Mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom , GZ. 8 c
E Vr 90/81-49, wurde der am geborene Kaufmann Hermann A des Vergehens nach § 14 Abs. 1 DSchG. schuldig erkannt, weil er in Enns entgegen den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 dieses Gesetzes ein Denkmal, nämlich das mit Bescheid vom unter Denkmalschutz gestellte Haus Hauptplatz Nr. 6, zerstört habe, indem er ohne schriftliche Bewilligung des Bundesdenkmalamtes und ohne Vorliegen einer Gefahr im Verzug am Abbrucharbeiten in Richtung einer 'Totalentkernung' des Hauses anordnete und in der Folge bis durchführen ließ.
Das Erstgericht ging dabei von folgendem - zusammengefaßt wiedergegebenen - Sachverhalt aus:
Mit (rechtskräftigem) Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom
wurde festgestellt, daß die Erhaltung des Bürgerhauses Enns, Hauptplatz Nr. 6, gemäß §§ 1 und 3 DSchG. (Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 533, in der damals geltenden Fassung BGBl. 1959/92) im öffentlichen Interesse gelegen ist. Die Stellung unter Denkmalschutz (wegen seiner künstlerischen Bedeutung - S. 49/I) wurde vor allem damit begründet, daß es sich um ein vornehmes Bürgerhaus handelt, das im Kern ins 16. Jahrhundert datiert, wobei insbesondere die gesamte (spätbarocke) Fassade und ein Raum im Erdgeschoß, der mit einem stuckierten Netzrippengewölbe ausgestattet ist, bemerkenswert sind (S. 2/II).
Hermann A erwarb dieses Haus - zusammen mit seiner Gattin (vgl. S. 63, 98/I u.a.) - im Jahre 1979 vom Kaufmann Fritz B, der die im § 4 Abs. 4
DSchG. (i.d.F. BGBl. 1978/167) vorgeschriebene Anzeige der Veräußerung beim Bundesdenkmalamt unterlassen hat.
Um das Haus zu revitalisieren und einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen, ließ Hermann A von Ing. Wolfgang C einen Bauplan ausarbeiten, der u.a. die Abtragung der Mauern, Gewölbe und Decken im Bereiche des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses vorsah. Bei der am durchgeführten Bauverhandlung erklärte der Vertreter des Bundesdenkmalamtes, daß der vorgelegte Einreichplan für eine Prüfung durch das Bundesdenkmalamt nicht geeignet sei, weil ihm die Bestandsituation nicht entnommen werden könne. Er regte daher die Nachreichung eines Bestandplanes an, gab aber gleichzeitig unter Hinweis darauf, daß der Kern des Objektes noch spätmittelalterlich und die bauästhetisch wertvollen Gewölbe im Erdgeschloß und Obergeschoß renaissancezeitlich seien, sowie auf die künstlerische Bedeutung der durch Stuckleisten besetzten Grate zu bedenken, daß eine denkmalbehördliche Zustimmung zur beabsichtigten Bauführung nicht in Aussicht gestellt werden könne, weil die vorgelegte Planung eine totale Entkernung des Hauses vorsehe, die Substanz im Inneren aber besonderen Denkmalwert besitze und darüber hinaus durch eine Totalentkernung auch bautechnische Probleme für den Bestand der äußeren Mauern gegeben seien (S. 3, 4/II). In der Nacht zum herrschte im Raume Enns starker Schneefall, wodurch ein Teil des Dachstuhls des Hauses eingedrückt wurde. Bei der dadurch bedingten Entfernung von Dachsparren stürzten Träme auf die darunterliegende Gewölbedecke und durchschlugen diese, sodaß im Scheitelbereich des Gewölbes eine Öffnung im Ausmaß von etwa 2 x 3 m entstand.
Der bei den Aufräumungsarbeiten beschäftigte Polier Alois D verständigte Hermann A, der sich hierauf an Ort und Stelle von der Situation überzeugte.
In Kenntnis des bestehenden Denkmalschutzes und der ablehnenden Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes zu einer Entkernung des Gebäudes benützte er die Situation, welche ihm geeignet erschien, die angestrebte Totalentkernung unter dem Vorwand einer Gefahr im Verzuge (§§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 dritter Satz DSchG.) durchzuführen, und gab den Auftrag, das beschädigte Gewölbe abzutragen, was nach seiner Einschätzung (und in übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen) durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen hätte vermieden werden können. Dabei nahm er billigend in Kauf, daß durch die Abtragungsarbeiten am Gewölbe auch die Innenmauern und die anderen Decken beschädigt werden könnten und möglicherweise ebenfalls abgetragen werden müßten. Bis ließ Hermann A nicht nur das durchgeschlagene Gewölbe, sondern den gesamten Innenkern des Hauses entfernen. Erst nach Beendigung dieser Arbeiten und Beseitigung des Schuttes verständigte er das Stadtbauamt Enns von den durchgeführten Abbrucharbeiten (S. 4-6/II).
Diesen Sachverhalt beurteilte das Kreisgericht Steyr unbeschadet dessen, daß die Außenmauern des Objektes vom Abbruch nicht betroffen waren, als vorsätzliches Zerstören eines Denkmals im Sinne des § 14 Abs. 1 DSchG., weil das gesamte Gebäude (und nicht bloß die Fassade) denkmalgeschützt gewesen seien und weil die Totalentkernung eines Gebäudes, welches dadurch seiner Funktion als Haus nicht mehr gerecht werde, dessen Zerstörung gleichkomme (S. 14, 15/II).
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht gab der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a (§ 489 Abs. 1) StPO. gestützten Berufung des Angeklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und sprach Hermann A vom Anklagevorwurf, entgegen den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 DSchG. ein Denkmal zerstört zu haben, gemäß § 259 Z. 3
StPO. frei (ON. 56/II).
Ausgehend von den Urteilsannahmen des Erstgerichtes vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß beim Vergehen nach § 14 Abs. 1 DSchG.
in Ansehung der Frage, ob eine Sache als Denkmal zerstört worden sei, der Gedanke des Denkmalschutzes im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 dieses Gesetzes im Vordergrund stehe. Es sei daher von Fall zu Fall zu prüfen, ob durch den inkriminierten Eingriff bereits der wesentliche Denkmalcharakter der betreffenden Sache vernichtet wurde oder noch nicht. Lediglich im ersten Fall liege ein gerichtlich strafbares Vergehen nach § 14 Abs. 1 DSchG. vor, ansonsten aber nur eine 'Veränderung' des Denkmals (im Sinne der Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs. 2 DSchG.). Auch wenn stets dem Spruche und nicht der Begründung eines Bescheides zu entnehmen sei, was von der Unterschutzstellung umfaßt werde, könne daher bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob der Angeklagte Hermann A ein Denkmal im Sinne des § 14 Abs. 1 DSchG. 'zerstört' oder lediglich eine bestimmungswidrige 'Veränderung' daran vorgenommen habe, der Gesamtinhalt des Bescheides nicht außer Betracht bleiben; dieser sei vielmehr insoweit als Entscheidungshilfe heranzuziehen (S. 58/II).
Demgemäß zog das Berufungsgericht über die Urteilsfeststellungen des Erstgerichtes hinaus auch die Begründung des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom , Zahl 8550/70 (S. 47-49/I), als Entscheidungsgrundlage heran und traf ergänzend folgende Konstatierungen:
In der Begründung des genannten Bescheides werde ausgeführt, daß sich das beschriebene (unter Denkmalschutz gestellte) Objekt durch folgende Eigeschaften auszeichne: 'Eckhaus, Hauptplatz-Bräuergasse. Ein im Kern in das 16. Jahrhundert datierender Bau, dessen breite, dreigeschossige, fünfachsige Fassade aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt. Das Erdgeschoß ist durch segmentbogige Auslagen neuzeitlich adaptiert, die Haustüren sind in der dritten Achse von links. Der Fassadenspiegel ist von Pilastern und horizontalen Bändern eingefaßt und durch ein Kranzgesimse abgeschlossen. Zwischen den Fensterachsen gliedern Pilaster in großer Ordnung. Die von Faschen eingerahmten Fenster des ersten Stockes sind durch in Voluten gipfelnden Verdachungen bekrönt; im zweiten Stock tragen die Fenster geschwungene Gesimse. Die Sohlbänke zieren Stuckbehänge mit Lambrequins und Scheibenfries. Die Seitenfront zur Bräuergasse wiederholt über drei Achsen das Schema der Hauptfassade, weitere zwei Achsen sind um ein Geschoß niedriger.
Die Fenster sind durchwegs nur von einfachen Faschen gerahmt, das Erdgeschoß ist gebändert. Die gesamte Fassade wirkt in ihrer einfachen, vornehmen Gliederung sehr elegant und zeigt in spätbarockem Nachklang schon klassizistische Tendenzen. Bemerkenswert ist ein Raum im Erdgeschoß, der mit einem stuckiertem Netzrippengewölbe ausgestattet ist.' Weiters werde in der Begründung des Bescheides noch angeführt: 'Es steht somit fest, daß das in Rede stehende Objekt künstlerische Bedeutung besitzt, sohin als Denkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes zu betrachten ist.' Das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Denkmals sei wie folgt begründet worden: 'Ein vornehmes Bürgerhaus, das im Kern ins 16. Jahrhundert datiert und mit seiner spätbarocken Fassade mit der großen Pilasterordnung besonders elegant wirkt. Die Situierung an der Südwest-Ecke des Ennser Hauptplatzes läßt das Gebäude optisch besonders hervortreten und besonders wichtig für das Gesamtbild des Platzes erscheinen.' Dieser Bescheid zeige, daß zwar (naturgemäß) das ganze Objekt unter Denkmalschutz gestellt worden, das Hauptgewicht - abgesehen von dem Raum im Erdgeschoß mit stuckiertem Netzrippengewölbe - jedoch eindeutig auf der erhaltenswerten Fassade und der Bedeutung des Hauses für das Gesamtbild des Ennser Hauptplatzes gelegen sei. Lege man diese Wertung des Bundesdenkmalamtes selbst zugrunde, so zeige sich, daß die festgestellte Tathandlung des Angeklagten noch nicht als eine Zerstörung des Denkmals gemäß § 14 Abs. 1
DSchG. zu beurteilen sei.
Von einer Zerstörung im Sinne dieser Gesetzesstelle könne nämlich erst dann gesprochen werden, wenn durch den Eingriff in den Bestand eines Objektes dessen wesentliche Denkmaleigenschaft verloren gegangen sei. Davon könne jedoch beim Bürgerhaus Enns, Hauptplatz Nr. 6, auch wenn der Angeklagte vorsätzlich verbotswidrig dessen Totalentkernung bewirkt habe, noch nicht gesprochen werden. Nach außen hin sei nämlich die unter dem Aspekt des Denkmalschutzes besonders schützenswerte Fassade zur Gänze erhalten geblieben. An dieser rechtlichen Betrachtungsweise könne auch der Umstand nichts ändern, daß Vertreter des Bundesdenkmalamtes zum einen bereits anläßlich der Bauverhandlung bemüht waren, besonders auch auf den Denkmalcharakter des Gesamtkomplexes zu verweisen, und zum anderen nach dem festgestellten Tatverhalten des Angeklagten, mit den Tatsachen konfrontiert, sogar einer Fassadenveränderung in der Bräuergasse zustimmten.
II. In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde vertrat die Generalprokuratur ursprünglich die Ansicht, das Oberlandesgericht Linz sei bei diesem Freispruch von einer prinzipiell (und nicht bloß fallbezogen) unrichtigen Auslegung des Begriffs 'Zerstören eines Denkmals' ausgegangen; diesen Standpunkt begründete sie wie folgt:
'Verfehlt sei insbesondere die Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes, wonach bei Beurteilung der Rechtsfrage, ob Hermann A ein Denkmal im Sinne des § 14 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes zerstört oder allenfalls (lediglich) vorsätzlich eine ` bestimmungswidrige Veränderung` eines solchen Denkmales vorgenommen habe (AS. 58/ Bd. II), ` der gesamte Bescheidinhalt` (in der Bedeutung von Spruch und Begründung) heranzuziehen sei. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Verwaltungsbehörde, im gegenständlichen Fall also ` Denkmal` im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1
DenkmalschutzG. sei, bestimme sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides; eine den Inhalt des Bescheides allenfalls modifizierende Wirkung komme einer dem Bescheid beigegebenen Begründung nicht zu. Bloß dann, wenn der Spruch eines rechtskräftigen Bescheides, nur für sich betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offenlasse, könne die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Das allein könne dem auch vom Oberlandesgericht Linz zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zahl 839/76, Sammlung 9112, ÖJZ. 1977, S. 412 f. A, 159 f., entnommen werden. Bei dem hier zu beurteilenden Bescheid vom , Zahl 8550/70, sei dies jedoch keineswegs der Fall. Das ohne weitere Modifikation den Bestimmungen der §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes unterworfene Objekt sei sowohl seiner topographischen Bezeichnung (Enns, Hauptplatz 6) als auch seiner Einlagezahl im Grundbuch nach (EZ. 133, Grundstück Nr. 41 der KG. Enns) genau umschrieben. Damit sei es aber zur Gänze von der im Bescheid verfügten Maßnahme erfaßt (vgl. VwGH. , Zahl 1113/77 = E. 48 in Helfgott, Denkmalschutzgesetz), wenn auch die dem Bescheid beigegebene Begründung in Ansehung der Prüfung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Hauses, die ausschließlich nach geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Gesichtspunkten zu erfolgen habe, in erster Linie - doch keineswegs ausschließlich (vgl. die Würdigung: ` Den im Kern in das 16. Jahrhundert datierenden Bau` mit einem ` im Erdgeschoß gelegenen Raum, der mit einem stuckierten Netzrippengewölbe ausgestattet ist` ) - auf Merkmale der Fassade abstelle. Denn nur wenn die Unterschutzstellung auch alle Teile des Gebäudes mitumfasse, deren Bestand Voraussetzung für den weiteren Bestand jener Teile sei, an deren Erhaltung wegen ihrer nach dem Par 1 DenkmalschutzG. qualifizierten Bedeutung im besonderen öffentliches Interesse bestehe, erscheine die Erreichung des auf die Erhaltung eines vorhandenen Denkmalbestandes abzielenden Zweckes des Denkmalschutzgesetzes (vgl. VwGH. , Z. 2134/74; ÖJZ. 1976, S. 27 A 47) gewährleistet (vgl. dazu auch VwGH. , 82/12/0070 = ÖJZ. 1984, S. 76).
Andernfalls stünde es nämlich - wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , Z. 1891/75 (ÖJZ. 1977, S. 52 A 21-23, JBl.
1978, S. 273 ff.) klar zum Ausdruck bringe - im Belieben des Eigentümers, etwa das für sich allein keine Denkmaleigenschaften aufweisende Dach eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes ersatzlos zu zerstören. Damit aber wäre dem Eigentümer die Möglichkeit eingeräumt, durch eine von ihm gesetzte positive Handlung auch die baldige Zerstörung der unter Schutz gestellten Hausteile, also des Denkmals, herbeizuführen. Solches hintanzuhalten bzw. von einer vorherigen (schriftlichen) Zustimmung des Bundesdenkmalamtes abhängig zu machen (§ 5 Abs. 1 DenkmalschutzG.), sei sohin der wesentliche Sinn des geltenden Denkmalschutzgesetzes. Verfehlt sei daher die Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes, daß ` von Fall zu Fall zu prüfen` sei, ` ob durch den inkriminierten Eingriff bereits der wesentliche Denkmalcharakter vernichtet wurde oder nicht` , und nur ` im ersteren Fall die gerichtliche Zuständigkeit nach dem § 14 Abs. 1 DenkmalschutzG. gegeben` sei (AS. 58/Band II).
Dem Begriff ` Zerstören` komme - anders als bei bloßer Beschädigung im Sinn der §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 3 StGB. (vgl. LSt 2 , RN. 9 zu § 126
StGB.) - unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzgesetzes mit Beziehung auf den unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand - fallbezogen das ` Bürgerhaus Enns, Hauptplatz 6` und nicht bloß körperliche Teile dieses Gebäudes wie etwa die Fassaden oder ` ein Raum im Erdgeschoß, der mit einem stuckierten Netzrippengewölbe ausgestattet ist` - keine andere (einschränkende) Bedeutung zu, als nach den allgemeinen Bestimmungen über die Sachbeschädigung in den §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 3 StGB., welche allerdings das Zerstören, Beschädigen, Verunstalten oder Unbrauchbarmachen einer fremden, sohin nicht dem Täter gehörenden (unter Denkmalschutz stehenden) Sache, pönalisieren.
Zerstören sei aber ein dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommener, jedermann verständlicher und darum keiner Erklärung bedürfender Begriff, ein sogenanntes deskriptives Tatbestandsmerkmal, dessen Umschreibung sich erübrige, weil sie sich nur in Synonyma erschöpfen könnte (vgl. LSK. 1980/81; 13 Os 75/82 = EvBl.
1983/60; 13 Os 83/83). Zu Recht sei das Kreisgericht Steyr davon ausgegangen, daß die (vorsätzliche) Totalentkernung des Bürgerhauses Enns, Hauptplatz 6, unter Einschluß der Abtragung des durch ein Naturereignis und die nachfolgenden ` Aufräumungsarbeiten` zufällig beschädigten, Denkmaleigenschaften aufweisenden Netzrippengewölbes im Erdgeschoß - welchem Umstand das Oberlandesgericht keine entscheidungswesentliche Bedeutung zumesse (AS. 60/Band II) - einer Zerstörung des Hauses (und somit des Denkmals) gleichkomme (AS. 15/Band II). Denn nach den vom Angeklagten veranlaßten substanzvernichtenden Devastierungen sei von dem denkmalgeschützten Objekt nichts übriggeblieben, was im gewöhnlichen Sprachgebrauch noch als ` Bürgerhaus` bezeichnet werden könnte. Vielmehr sei durch die Totalentkernung des Gebäudes auch die (von der Zerstörung tätergewollt verschont gebliebene) Fassade als letzter überrest des einstmals ` vornehmen Bürgerhauses` in ihrem Bestand konkret gefährdet gewesen (vgl. AS. 406; 420, 423/Band I).' Dementsprechend wurde mit der Wahrungsbeschwerde in ihrer ursprünglichen schriftlichen Fassung die Feststellung angestrebt, daß 'das freisprechende Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , AZ.
9 Bs 215/83 (= GZ. 8 c E Vr 90/81-56 des Kreisgerichtes Steyr) infolge rechtsirriger Auslegung des Begriffes ` Zerstören eines Denkmals` das Gesetz in der Bestimmung des § 14 Abs. 1 DenkmalschutzG.' verletze. Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung hat der Vertreter der Generalprokuratur allerdings den Urteilsantrag dahin modifiziert, daß in diesem die Worte 'infolge rechtsirriger Auslegung des Begriffes ` Zerstören eines Denkmals` ' zu entfallen haben. Begehrt wird demnach nur mehr die Feststellung, daß das Oberlandesgericht das Gesetz (§ 14 Abs. 1 DSchG.) unrichtig angewendet hat.
Rechtliche Beurteilung
III. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Gemäß § 14 Abs. 1 DSchG. ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer gerichtliche Strafe bedroht ist, vom Gericht zu bestrafen, wer - vorsätzlich (Art. I Abs. 1 StRAnpG.) - entgegen den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 dieses Gesetzes ein Denkmal 'zerstört'; einer Zerstörung ist gleichzuhalten, wenn der Eigentümer oder der sonstige für die Instandhaltung Verantwortliche die Durchführung der für den Bestand des Denkmals unbedingt notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen in der offenbaren Absicht, es zu zerstören, unterläßt. Hingegen wird, sofern diese Handlung nicht gerichtlich strafbar ist, nach § 14 Abs. 2 DSchG. von der Verwaltungsbehörde bestraft, wer vorsätzlich entgegen den zuvor angeführten Bestimmungen 'Veränderungen' an einem Denkmal vornimmt. Unter diesem Aspekt ist demnach im Hinblick auf die Zielrichtung der Wahrungsbeschwerde vorerst die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals 'Zerstören eines Denkmals' in Abgrenzung von jenem einer bloßen 'Veränderung' daran zu klären. (Die Wirksamkeit der jeweiligen Subsidiaritätsklausel in bezug auf §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 3 StGB. dagegen kann hier ungeprüft bleiben, weil insoweit eine Gesetzesverletzung nicht geltend gemacht wird und eine solche - mangels der Möglichkeit einer durch sie verursachten Benachteiligung des Angeklagten - auch von Amts wegen nicht aufgegriffen werden könnte.) Dabei geht die Generalprokuratur vorerst gewiß zutreffend davon aus, daß der Begriff 'Zerstören' in § 14 Abs. 1 DSchG. im gleichen Sinn auszulegen ist wie in § 125 StGB.; darnach wird sohin in beiden Tatbeständen eine solche Beeinträchtigung der stofflichen Unversehrtheit einer Sache umschrieben, die zur gänzlichen Aufhebung von deren bestimmungsgemäßer Brauchbarkeit führt (Kienapfel, BT II, RN. 29, Bertel im WK., RN. 3, 4, Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN. 5, 6, jeweils zu § 125 StGB.).
Gerade durch die Objektbezogenheit dieser bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit einer Sache als Angriffsziel gewinnt aber der in Rede stehende Begriff, der Beschwerdeauffassung zuwider, in § 125 StGB. einerseits und in § 14 Abs. 1
DSchG. anderseits letztlich sehr wohl einen durchaus verschiedenen Bedeutungsgehalt: als Objekt der (durch ihr Zerstören zu bewirkenden vollständigen) Brauchbarkeits- -Ausschaltung wird die Sache im einen Fall mit Rücksicht auf ihre Eigenschaft als Gebrauchsgegenstand, im anderen dagegen im Hinblick auf jene als Denkmal im Sinn des § 1 Abs. 1 DSchG. erfaßt.
Durch die Vollständigkeit der Ausschaltung ihrer (solcherart jeweils spezifischen) Brauchbarkeit hinwieder unterscheidet sich das Zerstören einer Sache sowohl von ihrer bloßen Beschädigung (als alternative Begehungsart des Vergehens nach § 125 StGB.) als auch von ihrer bloßen Veränderung (als Tathandlung der Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs. 2 DSchG.).
Dementsprechend ist es durchaus denkbar, daß die Beeinträchtigung der stofflichen Substanz eines Hauses in einem Fall zwar dessen Brauchbarkeit als Denkmal, nicht aber auch dessen Verwendbarkeit als Wohnobjekt zur Gänze beseitigt, sodaß es als Denkmal zerstört (§ 14 Abs. 1 DSchG.) und als Haus nur beschädigt (§ 125 StGB.) wird, wie etwa bei einer vollständigen Vernichtung aller für die Zwecke des konkreten Denkmalschutzes bedeutsamen Teile unter gleichzeitiger Schonung anderer, für Wohnzwecke geeigneter Räumlichkeiten, und daß sie umgekehrt in einem anderen Fall zwar einen weiteren Gebrauch des Gebäudes als Wohnobjekt, nicht aber dessen bestehende Funktion als Denkmal vollständig ausschließt, sodaß es als Haus zerstört (Par 125 StGB.) und als Denkmal bloß verändert (§ 14 Abs. 2 DSchG.) wird, wie etwa bei einer 'Totalentkernung' dann, wenn das Objekt ausschließlich wegen der künstlerischen Gestaltung allein der Fassade unter Denkmalschutz steht.
Maßgebendes Kriterium dafür, ob eine Sache im Sinn des § 14 Abs. 1 DSchG. als Denkmal zerstört (oder bloß verändert) wurde, ist demnach entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Rechtsansicht in der Tat die Frage, ob das betreffende Objekt vom Gesichtspunkt der Vorschriften über den Denkmalschutz noch mit den übrig gebliebenen Resten gleichgestellt (VerwGH. vom , Zl. 2121/59) - oder mit anderen Worten: ob noch von einer Identität des vorhandenen, gleichwohl veränderten Objekts mit dem seinerzeit unter Schutz gestellten als Denkmal gesprochen - werden kann oder ob demgegenüber bereits ein vollständiger Untergang jenes Objekts als Denkmal angenommen werden muß.
Bei der Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit eines inkriminierten Verhaltens nach der in Rede stehenden Strafbestimmung in Ansehung dieses Kriteriums (Zerstörung als Denkmal) ist daher, wie das Oberlandesgericht Linz richtig erkannt hat, sehr wohl in jedem einzelnen Fall festzustellen, ob dadurch der für die Unterstellung wesentlich gewesene individuelle Denkmal-Charakter des in seiner stofflichen Unversehrtheit beeinträchtigten Objekts zur Gänze vernichtet und damit die Identität des Denkmals als solche bereits erloschen ist oder noch nicht; auf die (sonstige) Gebrauchs-Funktion der betreffenden Sache kommt es dabei nicht notwendigerweise entscheidend an.
Demgemäß reicht die Ermittlung der grundbücherlichen und topographischen Bezeichnung eines unter Schutz gestellten Objekts zur Prüfung der Frage, ob dieses als Denkmal zerstört wurde, der Beschwerdeauffassung zuwider nicht aus;
zudem wird auch von der Generalprokuratur gar nicht verkannt, daß regelmäßig nicht alle Teile eines Gebäudes für die Erreichung des auf die Erhaltung eines vorhandenen Denkmalbestandes abzielenden Zweckes des DSchG. von Bedeutung sind. Bei welchen Gebäudeteilen dies im jeweiligen Einzelfall tatsächlich zutrifft, ist aber dem Spruch des betreffenden Bescheides (§ 3 Abs. 1 DSchG.) allein in aller Regel nicht zu entnehmen.
Auch darin ist sohin dem Oberlandesgericht Linz beizupflichten, daß zur Klärung der (mit jener nach der bloßen Identität des Objekts an sich nicht identen) Frage, welche Fakten in concreto die Identität des Denkmals als solchen ausmachen, in Ansehung dessen zu prüfen ist, ob sie durch das inkriminierte Tatverhalten zur Gänze vernichtet wurde, regelmäßig auf den gesamten Bescheidinhalt zurückzugreifen ist.
Eine von der Generalprokuratur zunächst angenommene prinzipiell irrige Auslegung des Begriffs 'Zerstören eines Denkmals' ist daher im vorliegenden Fall dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Im Ergebnis allerdings war die mit der Wahrungsbeschwerde relevierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz, wie der Generalprokuratur einzuräumen ist, tatsächlich verfehlt.
Denn dem nach dem Gesagten maßgebenden Inhalt des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom , Zl 8550/70, zufolge wurde die Identität des tatgegenständlichen 'Bürgerhauses' in Enns, Hauptplatz Nr. 6, als Denkmal insgesamt - unbeschadet der speziellen Erhaltungswürdigkeit der Fassade und eines (bei der inkriminierten 'Totalentkernung' vernichteten) Raumes im Erdgeschoß - entscheidend dadurch geprägt, daß es sich um einen 'im Kern in das 16. Jh. datierenden Bau' handelte: diese im konkreten Fall für die Identität des Gebäudes als Denkmal ausschlaggebend gewesene Eigenschaft ist durch das Tatverhalten des (seinerzeitigen) Angeklagten unwiederbringlich vernichtet worden, sodaß insoweit ungeachtet der Erhaltung der Fassade und deren Wiederverwendung bei der (von vornherein derart geplant gewesenen) nachfolgenden Adaptierung des Objekts keineswegs mehr von der Vornahme bloßer 'Veränderungen' an einem und demselben (weiterbestehenden) Denkmal (§ 14 Abs. 2 DSchG.) gesprochen werden kann (vgl. abermals das VwGH.- Erkenntnis vom , Zl. 2121/59-2), sondern - auch nach den vom Berufungsgericht zutreffend entwickelten Kriterien - jedenfalls anzunehmen ist, daß hiedurch das Gebäude in seiner Identität als Denkmal vollständig vernichtet, also im Sinn des § 14 Abs. 1 DSchG. 'zerstört' wurde.
Bei jener Fehlbeurteilung handelt es sich indessen nicht um eine generell rechtsirrige Auslegung des Begriffs 'Zerstören eines Denkmals', sondern lediglich um die (bei an sich richtiger Gesetzesauslegung bloß) fallbezogene Verkennung der für die Identität des in seiner Substanz beeinträchtigten Gebäudes als Denkmal im Einzelfall maßgebend gewesenen Kriterien infolge einer verfehlten Ausdeutung des zuvor erörterten Bescheides. Der Beschwerde war daher, wenngleich aus anderen als den darin angestellten Erwägungen, Folge zu geben und die dem Berufungsgericht unterlaufene - dem angeklagt gewesenen Hermann A nicht zum Nachteil gereichende - Gesetzesverletzung festzustellen.
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00061.84.0605.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-70191