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OGH 25.06.2019, 9ObA54/19k

OGH 25.06.2019, 9ObA54/19k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Helmut Frick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Dr. Michael Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 62/18y-44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Frage, ob eine Versetzung des Dienstnehmers im Sinn einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, ist zwischen der dienstvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 101 ArbVG zu unterscheiden (9 ObA 3/18h Pkt 1.1.).

2.1. Für die dienstvertragliche Beurteilung der Versetzung ist nur entscheidend, ob sich die Anordnung des Dienstgebers (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers im Rahmen der Weisungsbefugnis bewegt, die sich aus dem Dienstvertrag oder aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt. Eine Versetzung ist nur innerhalb der durch den Dienstvertrag gegebenen Grenzen zulässig. Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit allgemein und steckt damit einen weiteren oder engeren Rahmen der vom Dienstnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeit ab. Andere als die so vereinbarten Dienste braucht der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zu leisten (RS0021472; RS0029509).

2.2. Ob die Änderung des Tätigkeitsbereichs durch den Dienstvertrag gedeckt ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen. Da es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, begründet die Auslegung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0029509 [T8]). Die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, mit denen die Versetzung des bei der Beklagten beschäftigten Klägers als vom Dienstvertrag gedeckt bejaht wurde, bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung zur Vertragsauslegung.

2.3. Die Beklagte hat sich im Dienstvertrag mit dem Kläger vorbehalten, den Kläger jederzeit zur Erfüllung anderer Aufgaben, die seiner Ausbildung entsprechen, in eine ihrer anderen Dienststellen zu versetzen. Der Kläger verpflichtete sich im Dienstvertrag, nach Weisung der Beklagten an sämtlichen zur Dienstleistung zugewiesenen Dienstorten in Niederösterreich Dienst zu leisten.

Der Kläger benötigt in seinem neuen Aufgabengebiet, das er seit November 2016 innehat, jene Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch in der vor seiner Versetzung ausgeübten Tätigkeit verlangt waren. Die neue Leitungstätigkeit erfordert ebenso juristische, organisatorische und wirtschaftliche Kenntnisse, die sich der Kläger nicht nur durch seine Ausbildung als Jurist, sondern auch durch seine langjährige Tätigkeit bei der Beklagten angeeignet hat.

3. Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, die neue Verwendung des Klägers sei – iSd § 6 der hier anzuwendenden Dienstordnung – seinen Fähigkeiten angemessen, begegnet beim Senat keinen Bedenken. Eine im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf.

4. Im Zuge einer früheren Übersiedlung der Beklagen von Wien nach St. Pölten im Jahr 2006 war dem Kläger angeboten worden, das Dienstverhältnis in Anwendung eines dafür abgeschlossenen Sozialplans einvernehmlich aufzulösen. Der Kläger hatte dieses Angebot aber nicht angenommen, sondern seine Tätigkeit in St. Pölten weisungsgemäß aufgenommen. Entgegen der Ansicht des Klägers war für diese Versetzung seine Zustimmung aufgrund der im Dienstvertrag vereinbarten Versetzungsmöglichkeit (Niederösterreich) nicht erforderlich und diese war von der Beklagten vor Anordnung des Dienstortwechsels auch nicht eingeholt worden. Die vom Kläger gewünschte Auslegung des für seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Schreibens der Beklagten vom , er habe die von der Beklagten geforderte Zustimmung zum Dienstortwechsel erteilt, weshalb der Dienstort St. Pölten zum neuen Inhalt des Dienstvertrags geworden sei, berücksichtigt nicht das Gesamtverhalten der Parteien im Zuge der Betriebsverlegung und den Zweck der von ihnen in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen iSd § 914 ABGB (vgl RS0110838; RS0017807).

5. Nach den bindenden Feststellungen hat der Betriebsrat der Beklagten in seiner Sitzung vom der – unstrittig verschlechternden – Versetzung des Klägers ausdrücklich zugestimmt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Betriebsratsmitglieder hätten für ihre Entscheidung ausreichende Kenntnisse über die künftige Tätigkeit des Klägers und Organisation der neuen Dienststelle gehabt, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vertretbar. Dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre, ist unrichtig. Die in der außerordentlichen Revision angeführte Rechtsprechung (insb 9 ObA 77/91) besagt bloß, dass im Voraus erteilte generelle Zustimmungen des Betriebsrats zu verschlechternden Versetzungen mit § 101 ArbVG unvereinbar sind. Nach Lehre und Rechtsprechung muss nämlich die Zustimmung des Betriebsrats ausdrücklich und konkret auf ein Dienstverhältnis hin formuliert werden (Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 38; 9 ObA 101/12m). Eine unzulässige generelle „Vorratszustimmung“ des Betriebsrats liegt hier aber nicht vor.

6. Die vom Kläger relevierte Rechtsfrage, ob nicht nur eine Versetzung, die sich aus einem (einseitigen) Gestaltungsvorbehalt des Dienstgebers ergibt (vgl Goricnik in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III5 § 101 Rz 28; Reissner in ZellHB AV-Klauseln Rz 15.36), sondern auch eine vom Dienstvertrag gedeckte Versetzung im Einzelfall einer Zulässigkeits- und Ausübungskontrolle nach Billigkeits- und Zumutbarkeitskriterien (Sachlichkeit, Treu und Glauben) unterliegt (vgl Mair in Reissner/Neumayr, ZellHB AV-Klauseln Rz 46.25 ff; Kietaibl/Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 879 ABGB Rz 34), braucht hier nicht näher untersucht zu werden. Die vom Kläger behauptete wirtschaftliche Schlechterstellung durch die Versetzung infolge höherer Fahrtkosten vom Wohnort Wien zum neuen Dienstort Amstetten (anstelle bisher St. Pölten) hat jedenfalls unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls nicht zur Folge, dass die Versetzung durch die Beklagte unsachlich oder wider Treu und Glauben erfolgt wäre.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00054.19K.0625.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-69620