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OGH 29.04.2021, 9ObA3/21p

OGH 29.04.2021, 9ObA3/21p

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. K*, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.920 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 45/20x-20, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 15 Cga 9/20v-16, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 530 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.341,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt und 715 EUR Pauschalgebühren) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger war bei der Beklagten von bis als Unternehmensberater beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung. Die Beklagte ist Teil einer Unternehmensgruppe, die in 50 Ländern im Bereich Unternehmensberatung tätig ist.

[2] Vor der Beschäftigung bei der Beklagten, deren Sitz sich in Österreich befindet, war der Kläger bereits einige Zeit als Unternehmensberater bei einer deutschen Schwestergesellschaft der Beklagten angestellt. Der schriftliche Arbeitsvertrag bei der Beklagten wurde dem Kläger von der Beklagten übermittelt und nicht näher besprochen. Die Formulierungen waren dem Kläger aus seiner früheren Angestelltentätigkeit bei der deutschen Gesellschaft bekannt. Unter anderem finden sich im Arbeitsvertrag folgende Klauseln:

„13. Wettbewerbsverbot:

Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Zeit von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder mittelbar noch unmittelbar für ein Unternehmen tätig zu werden, das im Wettbewerb mit der Gesellschaft steht. Er verpflichtet sich im gleichen Maße, nicht ein solches Unternehmen zu errichten oder zu erwerben, weder unmittelbar noch mittelbar, an der Gründung oder an dem Betrieb eines solchen Unternehmens mitzuwirken sowie sich an einem solchen Unternehmen – ganz gleich in welcher Rechtsform – finanziell zu beteiligen. Der Erwerb von im öffentlichen Handel befindlichen Aktien ist davon ausgeschlossen.

Als Unternehmen, welches im Wettbewerb mit der Gesellschaft steht, ist jedes Unternehmen anzusehen, dass gleichartige oder ähnliche Dienstleistungen wie die Gesellschaft anbietet, insbesondere Schulungen und Veranstaltungen in der K*-Methode (einschließlich Verschwendungseliminierung) durch Führungskräfte und Mitarbeiter, Gruppenarbeit, Just-in-Time und deren Elemente, Total Quality Control inkl. Anwendung der 7 QC Tools, Total Productive Maintenance und deren Elemente, etc.).

Das Wettbewerbsverbot bezieht sich auf die Mitgliedsstaaten der europäischen Union und in jedem Fall auf das Gebiet Österreich und tritt am in Kraft.

Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes erhält der Mitarbeiter eine monatliche Entschädigung in Höhe von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge. Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Sollte eine der vorstehenden Bestimmungen gegen die gesetzliche Mindestregelung verstoßen, so tritt an ihre Stelle die gesetzliche Regelung.

Sollte der Mitarbeiter dem Wettbewerbsverbot zuwider handeln, kann die Gesellschaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von 5 Monatsgehältern verlangen. Als Monatsgehalt gilt die in den letzten 12 Monaten vor dem Ausscheiden durchschnittlich bezogene monatliche Vergütung. Im Fall eines Dauerverstoßes ist diese Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt. Weitergehende Ansprüche der Gesellschaft wegen des Wettbewerbsverstoßes bleiben unberührt.

(…)

18. Anwendbares Recht, Erfüllungsort

Dieser Vertrag unterliegt dem Österreichischen Recht und dem anzuwendenden Kollektivvertrag.“

[3] Mit Schreiben vom kündigte der Kläger den Dienstvertrag zum . Die Beklagte lehnte in der Folge unter Hinweis darauf, dass es sich um eine Arbeitnehmerkündigung handle, eine Entschädigungszahlung auf Basis von Punkt 13 des Arbeitsvertrags ab.

[4] Der Kläger ist seit bei dem von ihm gegenüber der Beklagten genannten Unternehmen als Angestellter beschäftigt. Er ist als Projektleiter für die globale Implementierung des Lean-Managements tätig. Er verdient ca 11.000 EUR brutto zwölf mal pro Jahr. Bei der Beklagten bezog er ein Vollzeitgehalt von 8.000 EUR brutto 14 mal jährlich.

[5] Der Kläger begehrt die Zahlung von 5.920 EUR sA und bringt vor, er sei verpflichtet für die Zeit von einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses keine Konkurrenztätigkeit auszuüben. Für die Dauer des Wettbewerbsverbots habe er einen Anspruch auf Entschädigung von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge. Eine Vereinbarung über eine Anrechnung eines anderweitigen Erwerbs beziehe sich aufgrund der Vertragsschablone offenbar auf deutsches Recht. Im österreichischen Recht existiere eine solche Anrechnungsbestimmung nicht. Er mache zunächst nur die Entschädigung für Mai 2019 geltend.

[6] Die Beklagte bestreitet und bringt vor, der Kläger habe die Beklagte um einen Verzicht auf die vertragliche Konkurrenzklausel ersucht, da im Raum gestanden sei, dass der Kunde der Beklagten, zu dem der Kläger gewechselt habe, von der vertraglichen Konkurrenzklausel erfasst sei. Dem sei zugestimmt worden. Darüber hinaus solle die Konkurrenzklausel nur einen Verdienstentgang des Klägers im Fall einer Arbeitgeberkündigung kompensieren. Jedenfalls sei das anderweitig verdiente Entgelt anzurechnen.

[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger habe sich keiner Verletzung des Wettbewerbsverbotes schuldig gemacht, da das Unternehmen, bei dem er nunmehr tätig sei, kein Konkurrenzunternehmen der Beklagten sei. Nach der Vereinbarung habe er Anspruch auf eine monatliche Entschädigung in Höhe von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge, der nicht an das Vorliegen einer Dienstgeberkündigung geknüpft sei. Hinsichtlich einer Anrechnung anderweitigen Erwerbs werde auf das Gesetz verwiesen. Eine gesetzliche Regelung über eine Anrechnung finde sich in Österreich aber nicht. Damit sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die begehrte Entschädigungszahlung zu leisten.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Parteien hätten auch für den Fall einer Dienstnehmerkündigung eine freiwillige Gewährung einer Karenzabgeltung vereinbart. Zur Auslegung der Vereinbarung sei aber auch die Entstehungsgeschichte heranzuziehen. Wenn nach der österreichischen Rechtslage für den Fall einer Dienstnehmerkündigung keine Verpflichtung zur Gewährung einer Karenzabgeltung bestehe, könne den Parteien nicht ernsthaft unterstellt werden, damit für den Fall einer solchen Beendigung eine vom Einkommen des Arbeitnehmers völlig unabhängige Karenzabgeltung vorzusehen. Dabei könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Wort „Entschädigung“ nicht zufällig und ohne Bedeutungsgehalt verwendet werde und sich die wortidente Klausel bereits im ehemaligen Arbeitsvertrag des Klägers zur deutschen Gesellschaft gefunden habe. Das Wort „Entschädigung“ deute darauf hin, dass es auf die Einkommensminderung durch das Wettbewerbsverbot ankomme. Eine solche liege aber nicht vor, da der Kläger bei seinem neuen Arbeitgeber sogar mehr verdiene. Damit bestehe aber auch für die Zuerkennung einer Entschädigung kein Anwendungsbereich.

[9] Die außerordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, da Fragen der Vertragsauslegung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

[10] Der Kläger beantragt in seiner außerordentlichen Revision das Ersturteil wiederherzustellen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die außerordentliche Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.

[13] 1. Voranzustellen ist, dass nach Punkt 18 der Vereinbarung der Parteien unstrittig auf das Vertragsverhältnis österreichisches Recht anzuwenden ist.

[14] 2. In Punkt 13 des Arbeitsvertrags haben die Parteien ein Wettbewerbsverbot vereinbart, nach dem der Kläger verpflichtet ist, für die Zeit von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei keinem Unternehmen tätig zu werden, das im Wettbewerb mit der Beklagten steht. Dieser Verpflichtung hat der Kläger nach den Feststellungen entsprochen. Einen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot durch die Beklagte hat das Verfahren nicht ergeben.

[15] 3. Gemäß § 37 Abs 2 AngG kann der Arbeitgeber die durch eine Konkurrenzklausel begründeten Rechte gegen den Angestellten nicht geltend machen, wenn er selbst das Dienstverhältnis aufgelöst hat, es sei denn, der Angestellte hat durch schuldbares Verhalten hiezu begründeten Anlass gegeben oder der Arbeitgeber hat bei der Auflösung erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das diesem zuletzt zukommende Entgelt zu leisten.

[16] Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsverhältnis nicht durch Arbeitgeberkündigung, sondern durch Arbeitnehmerkündigung geendet. Durch diese Art der Beendigung bleibt eine Konkurrenzklausel grundsätzlich aufrecht, ohne dass es einer Erklärung des Arbeitgebers im Sinn des § 37 Abs 2 AngG bedurft hätte. Dessen ungeachtet steht es den Parteien des Arbeitsvertrags frei, auch für diesen Fall die Zahlung einer Abgeltung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots vorzusehen. Auch wenn eine Karenzabgeltung nicht generell, sondern nur im Zusammenhang mit § 37 Abs 2 Fall 2 AngG gewährt werden muss, können darüber hinaus freiwillige Abgeltungszahlungen vereinbart werden (Reissner in ZellKomm3 § 37 AngG Rz 24). Dabei ist es der Disposition der Parteien anheim gestellt, in den nicht von § 37 AngG geregelten Fällen eine (freiwillige und zusätzliche) auch niedrigere Karenzentschädigung vorzusehen (vgl 9 ObA 4/93).

[17] Da die Vereinbarung zwischen den Parteien für die „Entschädigungszahlung“ gerade nicht auf eine besondere Beendigungsart abstellt, ist sie grundsätzlich für die Dauer des Wettbewerbsverbots auch in den nicht in § 37 Abs 2 AngG geregelten Fällen der Vertragsbeendigung zu leisten.

[18] 4. Der Dienstvertrag sieht vor, dass eine monatliche Entschädigung von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge zu leisten ist. Zur Frage der Anrechnung eines anderweitigen Erwerbs wird auf die „gesetzlichen Bestimmungen“ verwiesen.

[19] Im hier anzuwendenden österreichischen Recht ist im Zusammenhang mit der Konkurrenzklausel bzw dem Wettbewerbsverbot keine Anrechnung vorgesehen. Nach der Rechtsprechung zu § 37 Abs 2 AngG muss der Arbeitnehmer sich auf das, was ihm der Arbeitgeber für die Einhaltung der Konkurrenzabrede bezahlt, nicht anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben verabsäumt hat. Eine analoge Anwendung des § 1155 ABGB kommt nicht in Betracht, da es sich um einen Anspruch auf Entschädigung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt. Die Entschädigung soll dem Arbeitnehmer dafür gewährt werden, dass er an die Konkurrenzklausel gebunden ist und daher seine Arbeitskraft nur beschränkt verwerten kann (14 Ob 187/86).

[20] 5. Das Berufungsgericht leitet wie auch die Beklagte in der Revisionsbeantwortung aus der Verwendung des Wortes „Entschädigung“ und der Übernahme dieser Klausel aus dem mit dem Kläger früher abgeschlossenen Dienstvertrag, der dem deutschen Recht unterlag, die Vereinbarung einer Anrechnung anderweitigen Verdienstes ab.

[21] Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner jeweiligen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehenzubleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017915).

[22] Allein aus dem Wort „Entschädigung“ lässt sich für die Anrechnung noch nichts gewinnen. Entschädigung wird, wie dargelegt, dafür geleistet, dass der Mitarbeiter das Wettbewerbsverbot einhält und damit seine Arbeitskraft nicht uneingeschränkt einsetzen kann. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer unter Beachtung eines Konkurrenzverbots einer Beschäftigung nachgeht, sagt nichts darüber aus, welchen (allenfalls höheren) Verdienst er ohne diese Beschränkung hätte erzielen können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die „Entschädigung“ nur 74 % der zuletzt gewährten Bezüge ausmacht, also einen allfälligen Verlust nicht 1:1 ausgleicht.

[23] Ein Rückschluss vom Begriff „Entschädigung“ auf Zulässigkeit und Umfang einer Anrechnung ist aber auch nicht erforderlich, da diesbezüglich zwischen den Parteien eine ausdrückliche Regelung besteht, nämlich dahingehend, dass sich die Anrechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen richtet.

[24] Nun sieht das österreichische Recht im gegenständlichen Kontext keine Anrechnung vor. Da in dem von der österreichischen Beklagten formulierten Vertrag ausdrücklich die Anwendbarkeit österreichischen Rechts festgelegt wurde, musste ein redlicher Erklärungsempfänger diesen Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen, auch wenn die Formulierung der Klausel aus Arbeitsverträgen aus dem deutschen Rechtsbereich übernommen wurde, nicht so verstehen, dass damit auf deutsche Anrechnungsbestimmungen verwiesen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Anrechnung wie im Vertrag festgelegt nach den österreichischen gesetzlichen Regeln zu richten hat, dementsprechend keine Anrechnung zu erfolgen hat.

[25] Es kommt daher für den Entschädigungsanspruch nicht darauf an, ob und was der Kläger bei seinem neuen Arbeitgeber verdient.

[26] 6. Der außerordentlichen Revision des Klägers war daher Folge zu geben und das klagsstattgebende Ersturteil wiederherzustellen.

[27] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:E131728
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-69602