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OGH 28.03.2019, 9ObA24/19y

OGH 28.03.2019, 9ObA24/19y

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Peter Schleinbach in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** G*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang C.M. Burger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Entlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 56/18y-29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war seit 2003 beim Beklagten als Eismaschinenfahrer tätig und mit der Betreuung der Kältemaschine für den Eislaufplatz befasst. Um die Benützung der Eisfläche am Folgetag zu gewährleisten, kommt dabei dem Nachtdienst besondere Bedeutung zu (temperaturabhängiges Ein-/Ausschalten der Kälteanlage; Schneeräumung und Glättung der Eisfläche bei Schneefall und Schneeregen zur Verhinderung von anfrierendem Schneematsch, Raureif etc). In der Nacht von 30. 11. auf versah der Kläger den Nachtdienst. Als es um etwa 22:00 Uhr zu schneien begann, begannen er und ein Kollege die Eisfläche zu säubern. Gegen 1:00 Uhr ließ der Schneefall nach, der Kollege ging nach Hause. Um 2:30 Uhr schaltete der Kläger die Kälteanlage ein und kontrollierte danach die Eisfläche nicht mehr. Zwischen 3:00 und 4:00 Uhr setzte regelmäßiger Schneefall ein, der die Räumung der Eisfläche erforderlich gemacht hätte. Zwischen 5:00 und 6:00 Uhr ging der Schneefall in Schneeregen über. Der sich bildende Schneematsch begann aufgrund der eingeschalteten Kälteanlage an der Eisfläche festzufrieren. Der Kläger verließ um 5:30 Uhr den Eislaufplatz. Daraufhin begannen Kollegen des Klägers die Eisfläche, die sich in einem schlechten Zustand befand, vom Schneematsch zu befreien. Der gesamte Eislaufplatz war erst um 12:00 Uhr benutzbar. Wäre der Eislaufplatz schon bei Einsetzen des Schneefalls laufend gereinigt worden, wäre die Eisfläche bei Öffnung des Platzes um 9:00 Uhr in benutzbarem Zustand gewesen. Der Beklagte, der den Kläger bereits 2006 und 2012 wegen vernachlässigter Kontrollen der Eisfläche verwarnt hatte, sprach ihm beim nächsten Dienstantritt die – hier von ihm bekämpfte – Entlassung aus.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Das gilt auch für die vom Kläger vermisste Einvernahme von Zeugen, die er im erstinstanzlichen Verfahren nicht zum nun genannten Thema (Verwarnung) geführt hatte.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte

vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des

Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298 ua). Abgesehen von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz rechtfertigt dies die Zulässigkeit der Revision nicht (RIS-Justiz RS0106298 [T7] uva). Dies ist auch hier nicht der Fall:

Der Kläger meint, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handle, wann ein Arbeitnehmer mit der Räumung beginnt und ab wann die Kühlanlage eingeschaltet wird; diesbezügliche Fehler seien noch keine beharrliche Pflichtverletzung. Nach den Feststellungen lag die Pflichtverletzung aber nicht in einer verfehlten Ermessensentscheidung, sondern in seiner gänzlichen Untätigkeit von 2:30 Uhr bis zum Verlassen des Einlaufplatzes um 5:30 Uhr.

Dass der nachfolgende Kollege bei der Räumung des Platzes am Morgen auffallend langsam gewesen sei, findet in den Feststellungen keine Deckung.

Aus der Entscheidung 9 ObA 89/16b („einmalige, Jahre zurückliegende Verwarnung wegen eines anders gelagerten Sachverhalts“) mussten die Vorinstanzen noch nicht auf eine Bedeutungslosigkeit der hier festgestellten Verwarnungen schließen, weil sie hier aufgrund vergleichbarer Verfehlungen des Klägers erfolgt waren.

Da dem Kläger gerade als langjährigem Mitarbeiter und aufgrund der vorangegangen einschlägigen Verwarnungen bewusst sein musste, welche Folgen eine unterlassene Kontrolle der Eisfläche in der Nacht haben kann und dass nicht geringfügiger Schneefall eine umgehende Reaktion erfordert, haben die Vorinstanzen auch bei der Beurteilung der Frage der „beharrlichen Pflichtenvernachlässigung“ iSd § 82 lit f GewO (vgl RIS-Justiz RS0029746 ua) den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum nicht verlassen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00024.19Y.0328.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-69595