OGH 15.05.2019, 9Ob4/19g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J*, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Tanja Lorenz, Rechtsanwältin in Linz, wegen Räumung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 223/18i-33, mit dem aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom , GZ 2 C 430/17h-29, für nichtig erklärt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Sachentscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden. Mit Antrag vom beantragte der Kläger die Durchführung eines Aufteilungsverfahrens. In diesem Antrag brachte er vor, dass die Liegenschaft, auf der sich auch die Ehewohnung befinde, nicht der Aufteilung unterliege. Sie sei von ihm im Erbweg erworben worden. Die Beklagte machte in ihrer Äußerung dazu geltend, dass die Liegenschaft sehr wohl der Aufteilung unterliege.
Das Aufteilungsverfahren wurde mit Vergleich vom beendet.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Räumung der bisherigen Ehewohnung und bringt vor, er sei alleiniger Eigentümer der Liegenschaft EZ *, Grundbuch *, auf der ein Geschäfts- und Wohnhaus errichtet sei und in dem sich die bisherige Ehewohnung befinde. Diese unterliege gemäß § 82 Abs 2 EheG nicht der Aufteilung, da sie von ihm in die Ehe eingebracht, jedenfalls aber von Todes wegen erworben worden sei. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf weitere Benützung und sei darauf auch nicht dringend angewiesen.
Die Beklagte bestreitet und bringt vor, dass die Liegenschaft und die Ehewohnung in die Aufteilungsmasse fallen, unabhängig davon, in wessen grundbücherlichem oder außerbücherlichem Eigentum sie stehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es qualifizierte die Liegenschaft als eheliche Errungenschaft, die zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehöre und daher Teil der Aufteilungsmasse sei. Die Beklagte verfüge über keine ausreichende gleichwertige Unterkunft, weshalb ihr ein Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB zukomme.
Das Berufungsgericht hob das Verfahren und die Entscheidung des Erstgerichts aus Anlass der Berufung des Klägers als nichtig auf und sprach aus, dass über das Räumungsbegehren im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten von einem Rechtsstreit betroffen sei, solle zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Verfahren außer Streitsachen geklärt werden; nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, könnten Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten im streitigen Verfahren geführt werden. Dieser Vorrang gelte auch für die Ehewohnung. Die Rechtssache sei daher gemäß § 40a JN in das anhängige Außerstreitverfahren zu überweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die inhaltliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.
1. Beschlüsse des Berufungsgerichts, womit das Urteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung ins außerstreitige Verfahren überwiesen werden, sind analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar (RS0041890, RS0043890). Der Rekurs ist daher zulässig.
2. Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (RS0013639). Gehört ein im Streitverfahren geltend gemachter Anspruch in Wahrheit in das Außerstreitverfahren, so ist gemäß § 40a JN vorzugehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RS0046861).
3. Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem Aufteilungsverfahren Vorrang zu. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, können Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RS0111605).
4. Allerdings ist die Überweisung streitiger Rechtssachen, in denen Ansprüche zwischen ehemaligen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse geltend gemacht werden, an das Außerstreitgericht nur innerhalb der Einjahresfrist des § 95 EheG bzw bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens möglich (RS0008531).
Im vorliegenden Fall ist das Aufteilungsverfahren durch den Vergleich vom beendet worden.
5. Maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidung über die Prozessvoraussetzungen ist stets die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl §§ 29, 41, 42, 43 JN; G. Kodek in Fasching/Konecny² § 261 Rz 58); so ist zB bei der Zuständigkeitsentscheidung auf eine mittlerweile erfolgte Klagseinschränkung Bedacht zu nehmen. Das frühere Fehlen einer Prozessvoraussetzung ist daher unschädlich, wenn sie im Lauf des Verfahrens eingetreten ist. Daher ist etwa die Unzuständigkeitseinrede zu verwerfen, wenn die Zuständigkeitsvoraussetzungen nachträglich eingetreten sind, mögen diese auch in der Folge wieder weggefallen sein. Weiters reicht für die Zulässigkeit des Rechtswegs aus, dass dieser erst während des Verfahrens eröffnet wurde. In diesem Sinne ist daher die durch den Abschluss des Aufteilungsverfahrens eingetretene Änderung der Sachlage vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen (vgl 6 Ob 98/09v mwN).
6. Im Hinblick auf die zwischenzeitige Beendigung des Aufteilungsverfahrens besteht für eine Verweisung in das Außerstreitverfahren auch deshalb kein Raum, weil die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche dadurch gerade nicht im – bereits beendeten – Aufteilungsverfahren geprüft werden können, während andererseits durch die Verweisung der bisherige Prozessaufwand im Streitverfahren vernichtet würde. Daher sprechen auch prozessökonomische Erwägungen dafür, die mittlerweilige Beendigung des Aufteilungsverfahrens auch noch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof aufzugreifen (6 Ob 98/09v).
7. Dem Rekurs des Klägers war daher Folge zu geben und der Beschluss des Berufungsgerichts ersatzlos zu beheben. Da sich das Berufungsgericht bisher mit den in der Berufung vorgebrachten Argumenten nicht auseinandergesetzt hat, war die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf § 52 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag.
Korn und Dr.
Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J*****, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Mag. Tanja Lorenz, Rechtsanwältin in Linz, wegen Räumung, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Schriftsatz vom („Zurückziehung“) wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat gab dem Rekurs des Klägers mit Beschluss vom Folge, hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf und trug dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über die Berufung des Klägers auf.
Nach Entscheidung und Abgabe des Aktes an die Kanzlei zur Ausfertigung ist die Zurückziehung eines Rechtsmittels nicht mehr zulässig (§§ 513, 484 ZPO; RS0042029; RS0104364). Der Schriftsatz vom ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2019:E125597 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-69529