OGH 22.10.2021, 8Ob31/21y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. A* und 2. Dr. R*, beide vertreten durch Dr. Klaus Gossi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Siemer – Siegl – Füreder & Partner Rechtsanwälte (OG) in Wien, wegen 92.139,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 30 R 263/20x-78, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Kläger nutzen seit vielen Jahren über ein gemeinsames Verrechnungskonto ohne Überziehungsrahmen das Online-Trading der Beklagten. Am forderten sie eine Transaktionsnummer (TAN) an, um mit ihr eine Bestens-Order zum Kauf von 180.000 Aktien eines bestimmten Unternehmens erteilen zu können. Die Anfrage ging um 9:36:57 Uhr bei der Beklagten ein. Um 9:37 Uhr erhielten sie eine automatisch generierte Kurznachricht der Beklagten mit der TAN und dem Vermerk „Gegenwert ca. EUR 75.420“. Die Kläger gingen deshalb von einem Aktienkurs von 0,419 EUR aus. Dieser hatte von 9:18:22 Uhr bis 9:20:48 Uhr tatsächlich bestanden. Zu einem Kurs im Bereich von 0,50 EUR oder darüber hätten die Kläger den Auftrag nicht erteilt. Nach der Eingabe der TAN durch den Erstkläger wurde die Bestens-Order ohne manuellen Eingriff der Beklagten an den externen Broker weitergeleitet. Zwischen 9:37:28 Uhr und 9:38:22 Uhr wurde das Aktienpaket in drei Tranchen um 92.139,70 EUR angekauft, und zwar 10.000 Aktien zu je 0,488 EUR, 100.000 Aktien zu je 0,50 EUR und 70.000 Aktien zu je 0,529 EUR (zuzüglich Spesen). Durch die Transaktion wurde das Verrechnungskonto um 18.697,17 EUR überzogen.
[2] Z 66 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten in der von den Parteien als Vertragsgrundlage vereinbarten Fassung lautet:
„1.) Das Kreditinstitut darf die Ausführung von Wertpapiergeschäften ganz oder teilweise unterlassen, wenn keine entsprechende Deckung vorhanden ist.
2.) Das Kreditinstitut ist jedoch berechtigt, solche Wertpapiergeschäfte auszuführen, sofern ihm nicht erkennbar ist, dass der Kunde die Durchführung des Auftrags nur bei Deckung wünscht.
3.) Schafft der Kunde trotz Aufforderung keine Deckung an, so ist das Kreditinstitut berechtigt, auf Rechnung des Kunden zum bestmöglichen Preis ein Glattstellungsgeschäft abzuschließen.“
[3] Punkt B.2.6 der zwischen den Parteien als Vertragsgrundlage vereinbarten Geschäftsbedingungen zum Internetbanking lautet:
„Die Erteilung eines Kaufauftrags im Rahmen des Internetbanking ist nur so weit zulässig, als zum Zeitpunkt der Ordererteilung auf dem für den Kaufauftrag gewählten Verrechnungskonto eine für die Ausführung des Auftrags notwendige Deckung (Guthaben oder vereinbarter Überziehungsrahmen) vorhanden ist.“
[4] Die am zwischen dem Erstkläger und der Beklagten abgeschlossene Online-Trader-Kundenvereinbarung sieht unter anderem vor:
„Die Erteilung eines Kaufauftrags im Rahmen des Online-Traders ist nur so weit zulässig, als auf dem für den Kaufauftrag gewählten Verrechnungskonto eine für die Ausführung des Auftrags notwendige Deckung (Guthaben, vereinbarter Überziehungsrahmen) vorhanden ist.“
[5] Die Vorinstanzen wiesen das auf Zahlung von 92.139,70 EUR sA an Schadenersatz Zug um Zug gegen die Übertragung der 180.000 Aktien sowie die Eventualbegehren auf Zahlung von 89.709,70 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden im Zusammenhang mit dem Aktienkauf ab.
[6] Die außerordentliche Revision der Kläger ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Die Kläger sehen einen Verfahrensmangel darin, dass das Berufungsgericht unrichtig davon ausgegangen sei, dass sie sich in der Berufung nicht auf eine Irrtumsanfechtung berufen hätten und die Einwendungen zu § 6 Abs 3 KSchG und zum VKrG nicht ausgeführt hätten.
[8] Richtig ist, dass die Kläger in ihrer Berufung allgemein darauf verweisen, dass ein Irrtum vorlag, der von der Beklagten veranlasst war bzw ihr hätte auffallen müssen. Daraus ist aber für die Kläger wie noch auszuführen sein wird, nichts zu gewinnen.
[9] Zu den Einwendungen nach § 6 Abs 3 KSchG und dem VKrG verwies das Berufungsgericht darauf, dass in der Berufung keine konkreten Anhaltspunkte für Verstöße behauptet wurden. Dies entspricht auch der Wiedergabe der Berufungsausführungen in der Revision, dass die Klausel „unklar/unverständlich“ abgefasst sei und dass die Regelung den „einseitig zwingenden Bestimmungen des VKrG widerspricht, die eine Überziehung/Überschreitung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, welche im konkreten Fall nicht gegeben seien“. Ein relevanter Verfahrensmangel wird daher auch in diesem Punkt nicht aufgezeigt.
[10] 2. Wie die Kläger selbst ausführen hat der Oberste Gerichtshof zu einer der Klausel Z 66 der AGB der Beklagten im Wesentlichen inhaltsgleichen Klausel bereits in der Entscheidung 4 Ob 179/02f Stellung genommen und dargestellt, warum diese nicht als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB anzusehen ist.
[11] Nach ständiger Rechtsprechung kann auch bei Vorliegen auch nur einer eingehend begründeten Vorentscheidung von einer gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden (3 Ob 59/06g uva). Ob die oberstgerichtliche Judikatur älteren oder jüngeren Datums ist, spielt jedenfalls dann keine Rolle, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die Gesetzeslage insoweit nicht geändert hat und auch nicht etwa im Schrifttum inzwischen beachtliche Kritik geäußert wurde (RS0103384 [T2]). Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist dann zu verneinen, sofern nicht der Rechtsmittelwerber mit neuen Argumenten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken kann.
[12] 3. Die Kläger verweisen darauf, dass die Entscheidung nur den Fall vor Augen habe, dass Wertpapiere vom Kunden verkauft werden sollen. Dabei übergehen sie, dass die Entscheidung ausdrücklich auch auf den Fall „der fehlenden Deckung des für die Anschaffung von Wertpapieren erforderlichen Kapitals“ Bezug nimmt.
[13] Weiters sehen sie eine gröbliche Benachteiligung durch die Klausel darin, dass die Beklagte das Konto in beliebiger Höhe belasten könne. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass einer Belastung ein konkreter Auftrag des Kunden in eben diesem Umfang zugrunde zu liegen hat. Es handelt sich daher um eine von der Bank geduldete Kontoüberschreitung, die auch gesetzlich vorgesehen ist (vgl § 23 VKrG). Eine gröbliche Benachteiligung des Kunden ist daraus nicht ableitbar.
[14] 4. Richtig ist, dass die Vorentscheidung nicht ausdrücklich zwischen Überschreitungen bei eingeräumten oder nicht eingeräumten Überziehungsrahmen unterscheidet, die Revision lässt jedoch offen, was aus dieser Unterscheidung folgen soll. Allein der Umstand, dass die Parteien keinen Überziehungsrahmen vereinbart haben, lässt nicht den Schluss zu, dass der Kontoinhaber die Durchführung von ihm erteilter, nicht gedeckter Aufträge grundsätzlich ablehnt. Damit sind aber beide Fälle von der Bestimmung umfasst.
[15] 5. Unabhängig davon, inwieweit die Kläger in ihrer Berufung den Einwand der mangelnden Transparenz dieser Klausel konkretisiert haben, gelingt es auch der Revision nicht, Bedenken iSd § 6 Abs 3 KSchG zu wecken. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der mit der Klausel vermittelte Eindruck, dass der Kunde eine Überziehung durch die Bekanntgabe, keine Durchführung bei fehlender Deckung zu wünschen, verhindern kann, unrichtig sein soll. Richtig ist zwar, dass nach den Feststellungen bei einer „Bestens-Order“ eine Überziehung nicht sicher verhindert werden kann, weil der Kaufpreis vor Erteilung der Order nicht feststeht. Ob das allenfalls dazu führen kann, dass bei entsprechender Klarstellung durch den Kunden keine solche Order ausgeführt werden darf, kann im konkreten Fall letztlich dahingestellt bleiben, weil die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Kläger gerade nicht zu erkennen gegeben haben, dass die Order nur bei Deckung ausgeführt werden darf. Diese Rechtsauffassung ist aber, wie noch darzulegen ist, nicht korrekturbedürftig.
[16] 6. Die Revision wirft der Beklagten weiters die Verletzung von Aufklärungs- und Interessenwahrungspflichten vor. Die Beratungspflichten und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RS0106373).
[17] Das Berufungsgericht ist auf Basis der getroffenen Feststellungen davon ausgegangen, dass die Parteien keine Vereinbarung über die Bekanntgabe von (annähernden) Real-Time-Kursen geschlossen hatten und die Übermittlung ganz aktueller Kurse technisch unmöglich ist. Auf die Anforderung der Kläger auf Übermittlung eines TAN zur Abwicklung einer Bestens-Order hat die Beklagte den ungefähren Wert der Investition beruhend auf einen
15–20 Minuten alten Aktienkurs übermittelt. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte damit keine Aufklärungspflichten im Hinblick auf den Kurs verletzt hat, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.
[18] Auch die Kläger behaupten in der Revision nicht, dass die Beklagte sich zur Bekanntgabe von Real-Time-Kursen verpflichtet hat. Darauf, ob mit der faktischen Bekanntgabe eines ungefähren Ankaufspreises der Eindruck erweckt wird, dass es sich um einen aktuellen Kurs handelt, muss nicht weiter eingegangen werden, weil auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein 15–20 Minuten alter Kurs als „aktuell“ angesehen werden kann, nicht zu beanstanden ist. Dass die Kurse – auch stark – schwanken können ist typischer Inhalt eines solchen Ankaufs und wurde im Übrigen von der Beklagten noch verdeutlicht indem sie nur eine „ca“-Belastung bekanntgab.
[19] 7. Soweit die Kläger eine Pflichtverletzung darin sehen, dass sie von der Beklagten nicht darauf hingewiesen wurden, dass die Durchführung der Order zu einer Kontoüberziehung führt, übergehen sie, dass nach Z 66 Abs 2 der AGB die Beklagte berechtigt ist, Wertpapiergeschäfte auch auszuführen, für die keine Deckung besteht.
[20] Bereits in der Entscheidung 4 Ob 179/02f wurde dazu ausgeführt: „Im Übrigen darf die Bank darauf vertrauen, dass der Kunde einen Wertpapierauftrag in Kenntnis der ihn treffenden Umstände, somit auch in Kenntnis einer allenfalls zunächst fehlenden Deckung erteilt und diesen auch durchgeführt haben möchte. Fälle, in denen der Kunde über die vorhandene Deckung (insbesondere das Vorhandensein der zu veräußernden Wertpapiere) irrt, werden wohl äußerst selten sein. Gibt der Kunde nicht zu erkennen, dass er die Durchführung des Auftrages nur bei entsprechender Deckung wünscht, besteht somit für die Bank keine Unklarheit, die sie zu einer Rückfrage verpflichten würde. Wollte man sie dennoch auch bei klaren Aufträgen zur Rückfrage verpflichten, bedeutete dies eine Überspannung der ihr obliegenden Fürsorge, die regelmäßig auch nicht im Interesse des Kunden gelegen wäre, der eine unverzügliche Ausführung seines Auftrages wünscht.
Die Revision weist auch zutreffend darauf hin, dass die vom Kläger geforderte Prüfpflicht nicht geeignet ist, die angenommenen Interessen des Kunden zu wahren. (…) Das Unterbleiben einer Rückfrage in klaren Auftragsfällen entbehrt daher nicht der sachlichen Rechtfertigung. Es erscheint durchaus sachgerecht, wenn die Bank Aufträge trotz fehlender Deckung durchführen darf, sofern ihr nicht erkennbar ist, dass der Kunde die Durchführung des Auftrags nur bei Deckung wünscht.“
[21] Gerade bei Erteilung einer „Bestens-Order“ soll eine rasche Abwicklung gewährleistet werden, ohne dass ein preisliches Limit gesetzt wird, was nach den Feststellungen auch der Grund war, warum der Erstkläger den Erwerb des gesamten Aktienpakets auf einmal beauftragte. Das führt aber auch dazu, dass der tatsächliche Kaufpreis vor Durchführung der „Bestens-Order“ nicht feststeht. Damit kann aber eine Deckung ebenfalls nicht sicher beurteilt werden. Eine Rückfrage im Hinblick auf die Deckung hätte daher im konkreten Fall weder dem mit der „Bestens-Order“ verfolgten Zweck gedient, noch wäre eine Durchführung mit der Zusage, die „Bestens-Order“ auf den gedeckten Betrag zu beschränken, möglich gewesen.
[22] Vor dem Hintergrund der Vertragslage und der konkreten Auftragssituation ist daher auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass aus der Unterlassung der Bekanntgabe der Unterdeckung der Beklagten kein Vorwurf zu machen ist, nicht zu beanstanden.
[23] 8. Damit ist der Beklagten aber auch nicht vorzuwerfen, einen relevanten Irrtum der Kläger adäquat verursacht zu haben. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass ein Irrtum der Beklagten hätte auffallen müssen.
[24] 9. Entgegen der Darstellung in der Revision war es nach der Bedingungslage auch nicht Aufgabe der Beklagten ein „Signal“ abzufragen oder zu ermöglichen, um klarzustellen, ob eine Durchführung der Order nur bei Deckung gewünscht wird. Auch hier hat das Berufungsgericht überzeugend darauf hingewiesen, dass die Kläger nicht zu erkennen gegeben haben, dass eine Durchführung nur bei Deckung gewünscht wird, der Erstkläger als erfahrener Anleger eine „Bestens-Order“, also eine Order ohne Preislimit erteilt hat, die raschest möglich ausgeführt werden sollte, und schon der von der Beklagten mit der TAN übermittelte ca-Preis die Deckung am Konto überschritten hätte, dessen ungeachtet aber der Auftrag erteilt wurde.
[25] 10. Richtig ist, dass die Beklagte durch eine Sperre der Möglichkeit „Bestens-Order“ zu erteilen, die konkrete Transaktion hätte verhindern können. Warum sie diesen Schritt gegenüber einem erfahrenen Anleger wie dem Erstkläger hätte setzen sollen, lässt sich der Revision nicht entnehmen.
[26] 11. Weshalb das Vorgehen der Beklagten gegen das VKrG verstößt, wurde weder in der Berufung noch in der Revision konkret ausgeführt. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.
[27] 12. Die Vorinstanzen haben richtig darauf hingewiesen, dass die Online-Trader-Kundenvereinbarung in der zitierten Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach Pflichten der Kunden regelt und, nicht der Bank. Dass – wie die Revision argumentiert – damit die Überziehungsmöglichkeit der Bank beschränkt werden soll, ist nicht nachvollziehbar.
[28] 13. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:E133417 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-69354