OGH 21.10.2020, 7Ob92/20k
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Mag. A***** S*****, vertreten durch MMMag. Claudia Renner, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch Dr. Kurt Bayr und Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 10.564,72 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 158/19w-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 31 C 16/19w-14, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Zwischen den Parteien besteht ein Eigenheimversicherungsvertrag; die hiefür geltenden Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden, 20P – Eigenheim – Baustein Leitungswasser Plus (AWB 2012), lauten auszugsweise wie folgt:
„… In jeden Schadenfall sind die Kosten für das Einziehen neuer Rohre mitversichert.
Bei Schäden innerhalb des Gebäudes werden die unmittelbar vom Schaden betroffenen Rohre ohne Begrenzung ersetzt.
Bei Schäden außerhalb des Gebäudes beträgt der Rohrersatz max. 15 m.
Werden nach einem Schadenfall Rohre mit einer Länge von mehr als 15 m eingezogen, so wird der Schaden im Verhältnis von 15 m Rohr zur tatsächlich eingezogenen Rohrlänge ersetzt. …“
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses und ließ über Abänderungsantrag des Klägers die ordentliche Revision zu, weil es nicht ausschließen könne, einer im Einzelfall aufzugreifenden Fehlbeurteilung unterlegen zu sein.
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
1. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Nichtigkeit sowie der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) wurden geprüft; sie liegen nicht vor.
2.1. Ein konstitutives Anerkenntnis liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt somit die – nach der Vertrauenstheorie zu beurteilende (RS0032496 [T5]) – Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1], RS0032779 [T4], RS0032541 [T2]). Das konstitutive Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen (RS0032779). Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben sollte, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RS0032496 [T6, T7]). Demgegenüber ist ein deklaratives Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung (RS0032784 [T10]). Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt; es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig oder unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich eine Bereinigungswirkung (RS0110121). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteienwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965, RS0032666). Ein konstitutives Anerkenntnis kann sich auch nur auf den Teil einer Forderung oder deren Höhe (RS0122872) oder allein auf den Anspruchsgrund (vgl RS0032959, RS0040880, RS0032319 [T10]) beziehen. Im Zweifel gilt ein Regulierungsanbot nicht als eigenes (konstitutives) Anerkenntnis des Versicherers dem Grunde nach (RS0032959).
2.2. Eine Deckungszusage kann im Einzelfall auch ein konstitutives Anerkenntnis sein, dies setzt aber das Bestehen einer zwischen den Parteien strittigen Rechtslage voraus (vgl 7 Ob 205/19a, 7 Ob 104/16v [1.2.]).
2.3. Zum Zeitpunkt der Erklärung der Beklagten die Sanierungsarbeiten laut dem Kostenvoranschlag könnten durchgeführt werden, gab es weder Zweifel über den Bestand des Versicherungsschutzes noch Streit der Parteien über den Anspruch des Klägers auf Sanierung oder auch nur über den Umfang der zu ersetzenden Schäden, welche durch ein Anerkenntnis der Beklagten bereinigt hätte werden sollen.
2.4. Die Verneinung eines konstitutiven Anerkenntnisses durch das Berufungsgericht – und daraus folgend die Abweisung des auf Zahlung der Reparaturkosten, für rund 55 lfm Rohre die über die nach den AWB 2012 gedeckten Kosten hinausgehen – entspricht damit den dargelegten Judikaturgrundsätzen. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00092.20K.1021.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-69302