OGH 20.04.2018, 7Ob7/18g
Rechtssatz
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RS0132272 | Das HeimAufG ist auf eine Nachsorgeeinrichtung für aus dem Maßnahmenvollzug Entlassene nicht anwendbar. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des Bewohners P***** R*****, geboren ***** 1990, pA ***** GmbH, *****, vertreten durch den Nö Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung (Bewohnervertreter Dr. M***** H***** LL.M.), 3300 Amstetten, Lorenz-Dorrer-Straße 6, vertreten durch Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwalt in Wien, Sachwalterin M***** R*****, Einrichtungsleiter P***** A*****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Vereins gegen den Beschluss des Landesgerichts Sankt Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 451/17x-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom , GZ 17 HA 4/17w-2, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag des Vereins gemäß § 11 HeimAufG auf Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen, der von den Vorinstanzen mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen wurde.
Die zurückweisende Entscheidung des Erstgerichts wurde dem Verein und dem Bewohner persönlich zugestellt. Der Rekurs des Vereins wurde ohne Zustellungen unmittelbar dem Rekursgericht vorgelegt. Die Rekursentscheidung wiederum hat das Erstgericht an den Verein und den Bewohner persönlich zustellt. Der Revisionsrekurs des nunmehr anwaltlich vertretenen Vereins wurde ohne vorherige Zustellungen sofort vorgelegt.
Der Gesetzgeber hat dem Bewohner und dem Bewohnervertreter voneinander unabhängige Verfahrensrechte eingeräumt (vgl 7 Ob 15/12z mwN; RIS-Justiz RS0124523). Gemäß Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 3 P 60/12y-12, ist aber die Mutter des Bewohners als Sachwalterin zu dessen Vertretung vor Ämtern und Behörden gemäß § 268 Abs 3 Z 2 ABGB berufen.
Das Erstgericht wird für die Zustellung der verfahrensrelevanten Schriftstücke und Beschlüsse an die Sachwalterin zu sorgen und den Akt erst mit von dieser erhobenen Rechtsmitteln oder nach Ablauf der ihr zustehenden Rechtsmittelfristen wieder vorzulegen haben.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des Bewohners P* R*, geboren * 1990, pA C* GmbH, *, vertreten durch den Nö Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung (Bewohnervertreter Dr. M* H*), 3300 Amstetten, Lorenz-Dorrer-Straße 6, vertreten durch Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwalt in Wien, gerichtliche Erwachsenenvertreterin M* R*, Einrichtungsleiter P* A*, über den Revisionsrekurs des Vereins gegen den Beschluss des Landesgerichts Sankt Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 451/17x-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom , GZ 17 HA 4/17w-2, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Bewohner wurde mit Urteil des Landesgerichts S* als Schöffengericht vom , GZ *, gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Dem lag zugrunde, dass er am unter Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruht, nämlich einer leichten Intelligenzminderung mit behandlungsbedürftiger Verhaltensstörung mit deutlichen Anteilen eines frühkindlichen Autismus, im geschlossenen Bereich einer psychiatrischen Krankenhausabteilung auf eine Pflegehelferin zulief, ihren Oberkörper erfasste und mit voller Wucht und Körperkraft gegen die Wand drückte, wodurch das Opfer eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt, nämlich Frakturen der 7. und 8. Rippe (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB).
Nach Unterbrechung der Unterbringung im Ausmaß von einem Monat ab und Aufenthalt in der „Behinderteneinrichtung Verein C*, Landesklinikum M*“ (in der „ein sozialer Empfangsraum gefunden [wurde], bei dem keine entsprechende Reizüberflutung stattfindet und stabile Verhältnisse gewährleistet sind“), wurde mit Beschluss des Strafvollzugsgerichts vom , GZ *, der Bewohner am gemäß § 47 StGB bedingt entlassen, wobei die Probezeit nach § 48 Abs 2 StGB mit fünf Jahren bestimmt wurde; ihm wurden gleichzeitig folgende Weisungen erteilt:
1. Wohnsitznahme in der genannten Behinderteneinrichtung;
2. Einnahme einer psychopharmakologischen Medikation unter fachärztlicher Kontrolle;
3. Regelmäßige Behandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie zur Verlaufskontrolle;
4. Unaufgeforderter Nachweis der Einhaltung der Weisungen gegenüber dem Gericht der zu 1. aufgetragenen Maßnahme binnen sieben Tagen und der übrigen Maßnahmen in vierteljährlichen Abständen.
Der Bewohner wurde daraufhin in der genannten Einrichtung aufgenommen. Sie wird von einer gemeinnützigen GmbH auf dem Gelände des – auf die Behandlung psychischer Erkrankungen spezialisierten – Landesklinikums M* betrieben und ist nach ihrem Konzept eine privat geführte Nachsorgeeinrichtung von im Maßnahmenvollzug untergebrachten Personen.
Mit Schriftsatz vom stellte der Verein den Antrag gemäß § 11 HeimAufG auf Überprüfung der am Bewohner vorgenommenen Freiheitsbeschränkungen, nämlich „körperlicher Zugriff/Festhalten; versperrte Tür; psychopharmakologische Dauertherapie mittels Cisordinal Depot (3 Wo.), Rivotril, Zeldox, Seroquel, Nozinan, Atarax; psychopharmakologische Einzelfalltherapie mittels Risperdal“. Festhalten und Türe Versperren hätten ihre Grundlage nicht in der strafgerichtlichen Weisung. Mit der Medikation werde zumindest auch die Eindämmung von Verhaltensauffälligkeiten bezweckt. Insgesamt lägen Freiheitsbeschränkungen nach dem HeimAufG vor.
Das Erstgericht wies den Überprüfungsantrag wegen Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs zurück. Gemäß § 179a Abs 1 StVG könne einem Rechtsbrecher, der bedingt entlassen werde, die Weisung erteilt werden, sich weiterhin einer psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Einrichtung Aufenthalt zu nehmen. Verstöße gegen im Rahmen der Unterbrechung der Unterbringung erteilte Auflagen fielen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in die Zuständigkeit des Strafvollzugs und könnten durch Widerruf der Unterbrechung geahndet werden. Insoweit bleibe auch während der Unterbrechung das strafvollzugsrechtliche Kontrollregime aufrecht. Gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG entscheide das Vollzugsgericht unter anderem über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen, wie beispielsweise auch Weisungen. Gleiches gelte auch für Weisungen, die aus Anlass der bedingten Entlassung aus einer Maßnahme erteilt wurden. Gemäß § 53 Abs 2 StGB sei eine mutwillige Nichtbefolgung einer Weisung trotz förmlicher Mahnung auch ein Grund für einen Widerruf einer bedingten Entlassung. Auch hier sei somit das strafvollzugsgerichtliche Kontrollregime weiterhin aufrecht. Entsprechender Rechtsschutz sei durch das Vollzugsgericht unter Zugrundelegung der einschlägigen Bestimmungen des StVG zu gewähren. Aus der einrichtungsbezogenen Abgrenzung des Geltungsbereichs des HeimAufG folge, dass der Aufenthalt des Bewohners in der gegenständlichen Einrichtung nicht dem HeimAufG unterliege. Das angerufene (Zivil-)Gericht sei daher nicht zuständig.
Über Rekurs des Vereins (sowie nunmehr der Mutter und gerichtlichen Erwachsenenvertreterin des Bewohners) bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Zwar sei der vorliegende Sachverhalt mit dem zu 7 Ob 19/17w entschiedenen nicht ident, weil es dort um die Unterbrechung eines Maßnahmenvollzugs gegangen sei, während hier der Bewohner bereits aus dem Maßnahmenvollzug bedingt entlassen worden sei. Dennoch stünden die Maßnahmen im Zusammenhang mit den vom Strafvollzugsgericht erteilten Weisungen, zumal sich der Bewohner ausschließlich deshalb in der Einrichtung aufhalte, weil ihm die entsprechenden Weisungen erteilt worden seien. Da die Probezeit mit fünf Jahren bestimmt worden sei, wäre er in diesem Zeitraum verpflichtet, diesen Weisungen Folge zu leisten; ein Verstoß gegen diese Weisungen sei vom Strafvollzugsgericht zu ahnden. Aufgrund der Weisungen bleibe das strafvollzugsrechtliche Kontrollregime aufrecht. Damit seien aber auch die vom Bewohner zur Überprüfung beantragten Freiheitsbeschränkungen und psychopharmakologischen Behandlungen dem Strafvollzug zuzuordnen, sodass es Sache des Bewohners sei, beim örtlich zuständigen Strafvollzugsgericht nach den einschlägigen Bestimmungen des StVG die Überprüfung der von der konkreten Nachsorgeeinrichtung ergriffenen Freiheitsbeschränkungen zu beantragen. Zudem habe der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass nach § 2 Abs 2 HeimAufG dieses Bundesgesetz unter anderem nicht auf Anstalten für geistig abnorme und entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher anzuwenden sei. Er habe weiters auf die Materialien verwiesen, wonach die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausschließlich nach strafrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen sei und auch Nachsorgeeinrichtungen (um eine solche handle es sich hier) einschließlich psychosozialer Dienste (und medizinisch technische Dienste) nicht vom Gesetz erfasst seien. Zusammenfassend sei daher weder das HeimAufG inhaltlich anzuwenden, noch sei das angerufene Gericht zuständig.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht dazu geäußert habe, ob nach bedingter Entlassung im Zusammenhang mit dem weisungsgebundenen Aufenthalt des Bewohners in einer Nachsorgeeinrichtung des Strafvollzugs freiheitsbeschränkende Maßnahmen vom Vollzugsgericht oder vom Heimaufenthaltsgericht zu überprüfen seien.
Während die gerichtliche Erwachsenenvertreterin die ihr gegenüber ergangene gleichlautende Rekursentscheidung unangefochten ließ, erhob der Verein Revisionsrekurs mit einem Aufhebungsantrag. Die zu überprüfenden Freiheitsbeschränkungen hätten weder ihre Grundlage in den Weisungen des Strafvollzugsgerichts noch seien sie Sanktionen für Verstöße gegen ein strafgerichtlich auferlegtes Verhalten. Sie würden vielmehr nur der unmittelbaren Gefahrenabwehr während krankheitsbedingter krisenhafter Zustände des Bewohners dienen. Die Weisung umfasse dagegen nur die Wohnsitznahme, die Einnahme psychopharmakologischer Medikation und die Sicherstellung fachärztlicher Behandlung. Die darüber hinausgehenden Maßnahmen dem Strafvollzug zuzuordnen, liefe darauf hinaus, den Strafvollzug zu privatisieren, indem die Einrichtung zum „verlängerten Arm der Justiz“ gemacht werde. Auch die konkrete Medikation unterliege nicht der Kontrolle des Strafvollzugsgerichts, müsse aber den Bestimmungen des HeimAufG entsprechen. Weisungen seien auch an den Bewohner und nicht an die Einrichtung gerichtet, sie würden keine Grundlage für die Mitarbeiter der Einrichtung darstellen, den Aufenthalt des Bewohners zwangsweise durchzusetzen. Ob sich dieser weisungskonform oder weisungswidrig verhalte, obliege seiner freien Entscheidung. Der Maßnahmenvollzug sei nicht unterbrochen, sondern mit der bedingten Entlassung beendet und könne daher nicht fortwirken. Die Einrichtung bezeichne sich zwar als „Forensik-Nachsorgeeinrichtung“, sei jedoch keine Nachsorgeeinrichtung, sondern eine „stationäre Einrichtung zur Pflege und Betreuung von mindestens drei psychisch Kranken“ und unterliege daher dem HeimAufG. Sie nehme nicht nur Personen aus dem Maßnahmenvollzug auf, sondern auch andere Personen (gegenwärtig eine Person) mit besonderem psychiatrischem Betreuungsbedarf ohne „strafrechtlichen Hintergrund“. Wenn die gegenständlichen Freiheitsbeschränkungen nicht nach den Regeln des HeimAufG kontrolliert werden könnten, bliebe eine menschen- und grundrechtlich bedenkliche Rechtsschutzlücke, weil eine Überprüfung nach dem StVG „nicht möglich“ sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn nach § 21 Abs 1 StGB das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
2.1. Die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher ist nach § 158 Abs 1 StVG in dafür besonders bestimmten Anstalten oder Außenstellen der Anstalten zu vollziehen (vgl VwGH 2006/10/0221). Nach § 158 Abs 4 StVG darf die Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie vollzogen werden.
2.2. § 167a Abs 2 StVG sieht für den Vollzug der Unterbringung von nach § 21 Abs 1 StGB (nicht jedoch nach § 21 Abs 2 StGB: 6 Ob 220/97i = RIS-Justiz RS0110008) verurteilten geistig abnormen Rechtsbrechern durch Aufnahme in öffentliche Krankenanstalten für Psychiatrie vor, dass in diesem Fall die §§ 33 bis 38 UbG unter anderem mit der Maßgabe sinngemäß gelten, dass anstelle des Unterbringungsgerichts das Vollzugsgericht (vgl §§ 16, 162 Abs 1, 179 Abs 1 StVG) entscheidet (Z 1) und dass Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, des Verkehrs mit der Außenwelt oder eines sonstigen Rechts auch zulässig sind, soweit sie zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des § 21 Abs 1 StGB notwendig sind (Z 2).
Durch diese Zuständigkeitsregelung sollen unterschiedliche Beurteilungen zwischen Zivil- und Strafgericht hintangehalten werden, zumal eine Anhaltung hier auch dann stattfindet, wenn sie aus rein unterbringungsrechtlicher Sicht weder notwendig noch zulässig wäre (Pieber in WK² § 162 StVG [2014] Rz 32, unter Hinweis auf ErläutRV 946 BlgNR 18. GP 40 [zur Strafvollzugsnovelle 1993, BGBl 1993/799]); es sind die spezifischen Zwecke der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu berücksichtigen (Pieber in WK² § 162 StVG [2014] Rz 32). Im Fall des Maßnahmenvollzugs in einer öffentlichen Krankenanstalt für Psychiatrie nach § 167a StVG entscheidet somit das Vollzugsgericht über sämtliche Beschränkungen von Rechten; ein darüber hinausgehender Rechtsschutz durch Beschwerde gegen Entscheidungen oder Anordnungen des Krankenhauspersonals wegen Verletzung subjektiver Rechte nach § 120 StVG besteht für den Untergebrachten nicht (Pieber in WK² § 162 StVG [2014] Rz 34).
3.1. Aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sind die Eingewiesenen stets nur unter Bestimmung einer Probezeit bedingt zu entlassen (§ 47 Abs 1 StGB).
3.2. Wird ein Rechtsbrecher aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen, so hat das Gericht ihm Weisungen zu erteilen oder Bewährungshilfe anzuordnen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um ihn von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten (§ 50 Abs 1 StGB).
Als Weisungen kommen Gebote und Verbote in Betracht, deren Beachtung geeignet scheint, den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten (§ 51 Abs 1 StGB).
Nach § 179a Abs 1 StVG können einem Rechtsbrecher die Weisungen, sich weiterhin einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (§ 51 Abs 3 StGB) oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen (§ 51 Abs 2 StGB), auch mit der Maßgabe erteilt werden, dass die Behandlung oder die sozialtherapeutische Betreuung für den Verurteilten unentgeltlich unter anderem durch eine sozialtherapeutische Wohneinrichtung durchgeführt wird, die sich zur Durchführung solcher Behandlungen und Betreuungen dem Bundesministerium für Justiz gegenüber verpflichtet hat.
3.3. Das Gericht hat während der Probezeit Weisungen auch nachträglich zu erteilen oder erteilte Weisungen zu ändern oder aufzuheben, soweit dies nach § 50 StGB geboten scheint (§ 51 Abs 4 StGB).
3.4. Wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt, hat das Gericht die bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn dies nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 2 StGB).
Die bedingte Entlassung aus einer der in den §§ 21 bis 23 StGB bezeichneten Anstalten ist unter den im § 53 StGB genannten Voraussetzungen zu widerrufen, wenn sich aus den dort genannten Umständen ergibt, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, noch besteht (§ 54 Abs 1 StGB).
4. Das HeimAufG regelt die Voraussetzungen und die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen, Behindertenheimen sowie in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können. Der Geltungsbereich des HeimAufG wird daher einrichtungsbezogen abgegrenzt (RIS-Justiz RS0122132).
Nach § 2 Abs 2 HeimAufG ist dieses Bundesgesetz aber unter anderem nicht auf Anstalten für geistig abnorme und entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher anzuwenden. Die Materialien zum HeimAufG (ErläutRV 353 BlgNR 22. GP 8) verweisen hiezu darauf, dass die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausschließlich nach den strafrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen ist und auch Nachsorgeeinrichtungen (einschließlich psychosozialer Dienste) und medizinisch-technische Dienste nicht vom Gesetz erfasst sind (7 Ob 19/17w mwN; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II [2017] § 2 HeimAufG Rz 28).
5.1. Der Fachsenat hat zu 7 Ob 19/17w = RIS-Justiz RS0131336 ausgesprochen, dass sich ein nach § 21 Abs 1 StGB Untergebrachter während einer Unterbrechung des Maßnahmenvollzugs nach § 166 Z 2 StVG und seines daraus resultierenden Aufenthalts in einer Einrichtung zwar nicht (mehr) im Maßnahmenvollzug befindet, dieser aber insofern fortwirkt, als Verstöße gegen in seinem Rahmen erteilte Auflagen von der Strafvollzugsbehörde durch Widerruf der Unterbrechung geahndet werden können. Solche Verstöße fallen daher in den Bereich und die Zuständigkeit des Strafvollzugs, sodass insoweit trotz Unterbrechung das strafvollzugsrechtliche Kontrollregime aufrecht bleibt. Zur Überprüfung iSd HeimAufG beantragte, angeblich freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind daher noch dem Maßnahmenvollzug zuzuordnen.
5.2. Die vom Revisionsrekurs ins Treffen geführten, teils die Entscheidungskritik von Bürger/Halmich (Geltungsbereich des HeimAufG bei Unterbrechung des Maßnahmenvollzugs in Pflege- und Betreuungseinrichtungen, iFamZ 2017, 253) wiedergebenden Argumente überzeugen vor diesem Hintergrund nicht.
Dass die Beurteilung weisungskonformen Verhaltens nicht dem Strafvollzugsregime unterliegen und dieses erst im Zeitpunkt des Widerrufs „allenfalls wieder aufleben“ sollte, ist nicht nachvollziehbar, zumal es – wie dargelegt – gerade Aufgabe des Vollzugsgerichts ist, zu prüfen, ob das Verhalten des Verurteilten Anlass zu Maßnahmen nach den §§ 53 f StGB gibt. Daraus folgt auch keine „Privatisierung des Straf-/Maßnahmenvollzugs“, zumal eine konkrete Ermächtigung zu bestimmten Maßnahmen aus der Weisung, sich in der Einrichtung aufzuhalten und – auch medikamentös – behandeln zu lassen, nicht abzuleiten ist, wie der Revisionsrekurs selbst erkennt. Sehr wohl ist daraus aber abzuleiten, dass ein Aufenthalt stattzufinden und dort eine Behandlung zu erfolgen hat, die den Zwecken des Maßnahmenvollzugs (vgl § 164 Abs 1 StVG) gerecht werden; ob die bedingte Entlassung überhaupt oder in dieser Form aufrecht bleiben kann, ist an StGB und StVG zu messen und vom Vollzugsgericht zu beurteilen, nicht jedoch von den Zivilgerichten nach dem HeimAufG.
Dass der Gesetzgeber mit „Nachsorgeeinrichtungen“ nur solche ambulanter Natur gemeint hätte, ist den erwähnten Materialien zu § 2 Abs 2 HeimAufG gerade nicht zu entnehmen (arg: „Nachsorgeeinrichtungen [einschließlich psychosozialer Dienste]“).
Ob sich die Mitarbeiter der Einrichtung sonst gesetzeskonform verhalten, kann im Rahmen der allgemeinen Gesetze überprüft werden, sodass eine Regelungslücke, die den Bewohner „um jeden Rechtsschutz bringen“ würde, nicht vorliegt. Im Übrigen ist es nicht Sache der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers, den Regelungsbereich des HeimAufG festzulegen (vgl RIS-Justiz RS0075803).
5.3. Der Fachsenat hält somit an der zu 7 Ob 19/17w vertretenen Auffassung zum Weiterbestehen des strafvollzugsrechtlichen Kontrollregimes auch für die Dauer der Probezeit bei bedingter Entlassung fest (vgl Bürger/Halmich aaO 256), gilt doch auch hier, dass das Strafvollzugsgericht prüfen muss, ob Verstöße des Rechtsbrechers gegen die Weisungen vorliegen und ob sie letztlich zum Widerruf der bedingten Entlassung führen.
6. Zusammengefasst gilt:
Ein nach § 21 Abs 1 StGB Verurteilter befindet sich nach bedingter Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug und während seines weisungsgemäßen Aufenthalts in einer Nachbetreuungseinrichtung zwar nicht mehr im Maßnahmenvollzug. Dieser wirkt aber insofern fort, als Verstöße gegen in seinem Rahmen erteilte Weisungen vom Vollzugsgericht durch bis zum Widerruf der bedingten Entlassung gehende Maßnahmen geahndet werden können. Das HeimAufG ist auf eine Nachsorgeeinrichtung für bedingt aus dem Maßnahmenvollzug Entlassene nicht anwendbar.
7. Dem Revisionsrekurs des Vereins gegen die a-limine-litis-Zurückweisung seines Antrags war daher nicht Folge zu geben.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00007.18G.0420.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-69280