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OGH 27.01.2021, 7Ob188/20b

OGH 27.01.2021, 7Ob188/20b

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. M***** I***** und 2. M***** I*****, beide *****, vertreten durch Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Z*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 392.936,78 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 36/20y-80, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass jener Ofen, von dem die letztlich den Brand auslösende Hitze ausgegangen ist, bereits vor Abschluss der zugrundliegenden Versicherungsverträge aufgestellt worden sei und schon aus diesem Grund durch das Aufstellen des Ofens keine – nachträgliche – Gefahrenerhöhung vorgelegen haben könne. Aus dieser Annahme leitet die Beklagte eine Aktenwidrigkeit und einen Mangel des Berufungsverfahrens ab, doch werden damit keine – zumal entscheidungswesentlichen – Fehler des Berufungsgerichts aufgezeigt:

[2] 1.1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RS0043347). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht besagte Tatsachenannahme lediglich aus der Versicherungspolizze Blg ./A abgeleitet hat. Dass sich dieser Schluss nicht auch für die Haushaltsversicherung aus der Versicherungspolizze Blg ./C ableiten lässt, hat das Berufungsgericht offensichtlich schlicht übersehen, diese Urkunde dabei aber nicht aktenwidrig wiedergegeben.

[3] 1.2. Der Vorwurf der Beklagten, das Berufungsgericht habe eine erstmals in der Berufungsbeantwortung aufgestellte Behauptung der Kläger und damit eine unzulässige Neuerung überschießend berücksichtigt, ist jedenfalls insoweit unberechtigt, als die Kläger bereits vor dem Erstgericht behauptet haben, dass „zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ./A die Öfen montiert gewesen seien“, weshalb von einer Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 VersVG nicht gesprochen werden könne.

[4] 1.3. Ob das Berufungsgericht die zuvor wiedergegebene, von der Beklagten bestrittene Behauptung – trotz offensichtlich gegenteiliger Annahme einer nachträglichen Gefahrenerhöhung durch das Erstgericht und ohne Erörterung im Berufungsverfahren – allein aufgrund der Versicherungspolizze Blg ./A mangelfrei als Tatsachengrundlage heranziehen durfte, kann im Übrigen dahinstehen. Ein solcher Verfahrensmangel ist nämlich nur dann aufzugreifen, wenn er entscheidungswesentlich wäre (vgl etwa 1 Ob 39/15i; 5 Ob 160/09d [zur Aktenwidrigkeit]), was aus darzustellenden rechtlichen Erwägungen nicht zutrifft.

[5] 2. Als erhebliche Rechtsfrage macht die Beklagte geltend, dass eine nachträgliche Gefahrenerhöhung nicht schon – allein – durch das – einschlägigen Bestimmungen und der Einbauanleitung widersprechende – Aufstellen des Ofens, sondern dieses Verhalten erst zusammen mit der Inbetriebnahme (dem Beheizen) des Ofens die Gefahrenerhöhung begründe. Ob aber – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – eine (nachträgliche) Gefahrenerhöhung vorlag und wodurch diese objektiv begründet (vollendet) wurde, ist rechtlich deshalb nicht relevant, weil bereits das Erstgericht zutreffend erkannte, dass eine solche Gefahrenerhöhung den Klägern nicht als subjektiv schuldhaft vorwerfbar wäre:

[6] 2.1. Der Versicherer ist nach § 25 Abs 1 VersVG im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs 1 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt. Nach § 25 Abs 2 Satz 1 VersVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs 1 VersVG bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht. Die Beklagte räumt in ihrer Revision selbst ein, dass ein Verschulden im Sinn des § 25 VersVG (nur dann) vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen musste, dass die von ihm veranlasste Änderung der gefahrenerheblichen Umstände den Schadenseintritt generell wahrscheinlicher macht (RS0080473).

[7] 2.3. Der – einzige objektive – Fehler des Erstklägers beim Aufstellen des Ofens bestand darin, dass er dabei einen zu geringen Abstand zwischen dem Ofen und der angrenzenden Raumwand einhielt. Dabei ist allerdings nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts, die die Beklagte in entscheidenden Punkten übergeht, maßgeblich, dass der Erstkläger die Situierung des Anschlusses des Ofens an den Rauchfang an Ort und Stelle mit dem Rauchfangkehrer besprach und nach dessen Vorgaben vornahm, wobei er von diesem keinerlei Hinweis im Sinn eines zur Wand einzuhaltenden Mindestabstands erhielt. Nach der Aufstellanleitung, war zwar ein Abstand von 20 cm zu brennbarem Material einzuhalten, doch war dem Erstkläger vom Maurer mitgeteilt worden, dass der an der angrenzenden Wand aufgebrachte Lehmputz eben nicht brennbar sei. Wenn der Erstkläger nach diesen von ihm bei einem Fachmann (Handwerker) eingeholten Informationen die Gefahr einer Wärmeleitung auf das hinter dem Verputz gelegene Dämmmaterial nicht erkannte, dann ist ihm dies – wie schon vom Erstgericht zutreffend erkannt – nicht als Verschulden anzulasten.

[8] 3. Im Ergebnis zeigt die Beklagte somit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00188.20B.0127.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-69199