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OGH 25.11.2020, 7Ob167/20i

OGH 25.11.2020, 7Ob167/20i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** G*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei V***** L*****, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann LL.M., Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 19.234,47 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 205/19p-82, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 20 Cg 8/19g-76, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht sprach über Abänderungsantrag des Beklagten nachträglich aus, dass die ordentliche Revision „zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Tilgungswirkung einer unbestimmt gewidmeten Teilzahlung durch den Haftpflichtversicherer des Schuldners im Rahmen der Regulierungsvollmacht und einer späteren konkreten Tilgungserklärung des Gläubigers“ zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der Senat hat die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1. Das Berufungsgericht hat sich mit den Berufungsausführungen des Beklagten zum Schmerzengeldzuspruch – zwar äußerst knapp, aber gerade noch nachvollziehbar – befasst.

1.2. Das der Teilzahlung nachfolgende Schreiben des Klagevertreters ist für deren Widmung nicht relevant, sodass dahin gestellt bleiben kann, ob der Beklagte – wie er in der Revision behauptet – durch den Verweis des Berufungsgerichts auf diese Urkunde überrascht sein konnte.

2.1. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass das Schmerzengeld grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein soll, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Soweit sich der Beklagte gegen die Ausmittlung des Schmerzengeldes mit dem zusammengefassten Argument wendet, für künftige Folgen sei kein Ersatz zu leisten, weil diese nicht nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten und bloß fiktive Beeinträchtigungen seien, befindet er sich im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung. Der Anspruch auf Schmerzengeld besteht im Sinn der in erster Linie vorzunehmenden Globalbemessung auch zur Abgeltung der künftig wahrscheinlich auftretenden Schmerzen. Auch künftige Folgen sind daher unter dem Gesichtspunkt des gewöhnlichen Laufs der Dinge zu beurteilen. Was in dem dafür maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz als Folge vorhersehbar und in den Auswirkungen überschaubar ist, ist dabei im Globalbetrag zu berücksichtigen. Nur dann etwa, wenn die künftige Durchführung einer kosmetischen Operation im Verfahren weder behauptet noch hervorgekommen ist, dürfen wegen der bestehenden Ungewissheit ihres Eintritts im Rahmen der Globalbemessung Schmerzengeldansprüche noch nicht berücksichtigt werden (5 Ob 182/99x mwN). Dagegen sind vorhersehbare künftige Operationen und Therapien in die Globalbemessung einzubeziehen (vgl 9 Ob 97/09v). Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin eine kieferorthopädische Behandlung sowie eine plastische Narbenkorrektur vornehmen lassen wird und das Erstgericht konnte auch die daraus jeweils resultierenden Schmerzen feststellen, weshalb die aus diesen Maßnahmen resultierenden Beeinträchtigungen bei der Globalbemessung des Schmerzengeldes zu berücksichtigen waren. Die vom Beklagten dagegen ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 233/06p ist nicht einschlägig, lag dieser doch ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde.

2.2. Soweit der Beklagte den Willen der Klägerin zur künftigen Durchführung der zuvor bezeichneten Behandlungen bestreitet und die Bemessung des Schmerzengeldes ohne deren Berücksichtigung vornehmen will, geht er nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen aus. Die Revision ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

3.1. Ob im konkreten Einzelfall eine schlüssige Widmung (hier: der Zahlung von pauschal 5.000 EUR) anzunehmen ist, ist – wie im Allgemeinen die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen – grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage, zumal die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung bzw die Schlüssigkeit eines Verhaltens (hier: des Haftpflichtversicherers im Rahmen seiner Regulierungsvollmacht) regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung hat, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung vor, die im Interesse der Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (4 Ob 101/04p). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

3.2. Auf das Schreiben des Klagevertreters vom , in dem dieser (ua) restliches Schmerzengeld, Zahnsanierungs- und Therapiekosten geltend machte, antwortete der Rechtsvertreter des Haftpflichtversicherers mit Schreiben vom sinngemäß, dass diese Beträge, weil die Maßnahmen erst in ein bis zwei Jahren durchgeführt würden, noch nicht fällig seien. Darauf ersuchte der Klagevertreter mit Schreiben vom um Zahlung der geltend gemachten Beträge „ausgenommen künftige Behandlungs-, Therapiekosten und Schmerzengeld“. Wenn die Vorinstanzen insbesondere auf der Grundlage dieses Schriftwechsels eine Einigung dahin erkannten, dass die nach diesen Schreiben vom Haftpflichtversicherer geleistete Zahlung (ua) nicht auf Schmerzengeld anzurechnen sei, ist darin keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Einzelfallbeurteilung zu erkennen.

4.1. Der Beklagte zeigt damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist somit nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00167.20I.1125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-69163