OGH 08.04.2021, 5Ob55/21f
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS0133825 | Ein zu Recht nach § 364c ABGB vereinbartes und verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen einem Stiefgroßelternteil und seinem Stiefenkel verliert nicht schon allein aufgrund des Todes des diese Schwägerschaft vermittelnden Großelternteils seine dingliche Wirkung. Es ist daher nicht bloß aufgrund einer Sterbeurkunde nach § 136 Abs 1 GBG, sondern nur aufgrund einer grundbuchsfähigen Löschungserklärung des Berechtigten zu löschen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin J*****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ ***** KG *****, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , AZ 23 R 91/20a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , TZ 4751/2020, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrte unter Vorlage der Sterbeurkunde ihres verbotsberechtigen Großvaters, der Heiratsurkunde ihrer Eltern, der Geburtsurkunde ihrer Mutter und ihrer eigenen Geburtsurkunde die Einverleibung der Löschung des für ihren Großvater und dessen Gattin einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots ob der ihr gehörigen Liegenschaft.
[2] Das Erstgericht bewilligte die Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbots für den verstorbenen Großvater der Antragstellerin, wies das Löschungsbegehren in Bezug auf ihre Stiefgroßmutter jedoch ab.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob ein eingetragenes Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen Stiefgroßelternteil und Stiefenkel schon aufgrund des Todes des leiblichen Großelternteils zu löschen sei.
[4] Dagegen richtet sich der schriftlich fristgerecht bei der Einlaufstelle des Erstgerichts eingebrachte Revisionsrekurs der Antragstellerin.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Oberste Gerichtshof ist derzeit noch nicht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.
[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats des Obersten Gerichtshofs für Grundbuchsachen sind gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 Rechtsanwälte und Notare – nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten – auch im Grundbuchverfahren zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet (RIS-Justiz RS0128921). Dessen ungeachtet hat der Vertreter der Rechtsmittelwerberin den Revisionsrekurs beim Erstgericht überreicht und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht. Er hat weder behauptet noch bescheinigt, dass die konkreten technischen Möglichkeiten dafür im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorgelegen wären. Dass und warum der Vertreter der Rechtsmittelwerberin keine der in der ERV-Verfahrensautomation Justiz (VJ) bestehenden Möglichkeiten (vgl RS0128921; 5 Ob 53/13z) technisch wahrnehmen hätte können, ist aus der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
[7] 2. Die in § 89c Abs 5 GOG genannten ERV-Teilnehmer müssen den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete führt – als Verletzung einer zwingenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG) – zu einem Verbesserungsverfahren und beim Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe (RS0128266; RS0128921).
[8] 3. Zur Durchführung dieses Verbesserungsverfahrens (vgl RS0128921 [T2]; 5 Ob 210/19x) sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin J*, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , AZ 23 R 91/20a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , TZ 4751/2020, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist aufgrund des Kaufvertrags vom Miteigentümerin von Liegenschaftsanteilen verbunden mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und einem KFZ-Abstellplatz. Aufgrund der am gleichen Tag geschlossenen Vereinbarung mit ihrem Großvater und dessen Gattin, der „Stiefgroßmutter“ der Antragstellerin, war ob dieser Liegenschaftsanteile das Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten des Großvaters der Antragstellerin und dessen Gattin einverleibt.
[2] Die Antragstellerin begehrte unter Vorlage der Sterbeurkunde ihres Großvaters, der Heiratsurkunde ihrer Eltern, der Geburtsurkunde ihrer Mutter und ihrer eigenen Geburtsurkunde die Einverleibung der Löschung des für ihren Großvater und dessen Gattin einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots. Die Schwägerschaft zu der mit ihr nicht blutsverwandten Gattin ihres Großvaters sei durch dessen Tod am weggefallen, weshalb auch das zu deren Gunsten einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot „wegen Wegfalls der Bezugsperson im Sinn des § 364c ABGB“ zu löschen sei.
[3] Das Erstgericht bewilligte die Löschung des Verbots für den Großvater der Antragstellerin und wies das Löschungsbegehren in Bezug auf ihre Stiefgroßmutter ab. Zwar könne nach dem Tod des leiblichen Elternteils ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen Stiefeltern und Stiefkindern nicht mehr neu begründet werden. Ein bereits eingetragenes Verbot sei aber in analoger Anwendung der Rechtsprechung zum Weiterbestehen des zwischen Ehegatten vereinbarten Verbots im Fall der Scheidung nicht allein wegen des Todes des leiblichen Elternteils oder Großelternteils zu löschen. Hierfür bedürfe es einer verbücherungsfähigen Löschungsurkunde.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Gemäß § 364c ABGB wirke ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gegen Dritte, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegeeltern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buch eingetragen worden sei. Ein Verwandtschaftsverhältnis über mehrere Stufen hinweg wie zwischen Großeltern und Enkelkindern reiche aus. In analoger Ausdehnung dieses Kreises der begünstigten Personen zähle die ständige Rechtsprechung auch Stiefeltern und -kinder zum Personenkreis des § 364c ABGB, sodass das Belastungs- und Veräußerungsverbot nicht nur für den Großvater der Antragstellerin, sondern auch für dessen Gattin zu Recht einverleibt worden sei. Zwar erlösche das Angehörigenverhältnis zwischen Stiefelternteil und Stiefkind mit Auflösung der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Stiefelternteil, sodass die spätere Verdinglichung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots ausgeschlossen sei. Dies bedeute aber noch nicht, dass bei Wegfall der Schwägerschaft das bereits eingetragene Verbot nur aufgrund des Todes des leiblichen Eltern- oder Großelternteils gelöscht werden könne. Nach der Rechtsprechung verliere nämlich auch ein zwischen Ehegatten wirksam vereinbartes und verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot durch die Scheidung seine dingliche Rechtswirkung nicht. Allein der Umstand, dass § 364c ABGB Ehegatten ausdrücklich nenne, das Verbot zwischen Stiefeltern und Stiefkindern hingegen nur aufgrund von Analogie anerkannt sei, rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung. Ob die finanziellen Mittel für die Anschaffung der Eigentumswohnung der Antragstellerin allein vom Großvater stammten oder allenfalls auch die Stiefgroßmutter etwa durch die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft dazu beigetragen habe, dass ihr Gatte diese Mittel zur Verfügung stellen habe können und auch sie daher ein Interesse am Fortbestand des Belastungs- und Veräußerungsverbots haben könnte, sei im Grundbuchsverfahren nicht relevant. Fragen der Auslegung des die Eintragungsgrundlage bildenden Vertrags seien nicht Gegenstand des Grundbuchsverfahrens.
[5] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, mit der Frage, ob ein eingetragenes Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen Stiefeltern (Stiefgroßeltern) und Stiefkind (Stiefenkel) schon aufgrund des Todes des leiblichen (Groß-)Elternteils zu löschen sei, habe sich der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht auseinandergesetzt.
[6] Dagegen richtet sich der – über Auftrag des Obersten Gerichtshofs fristgerecht durch Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr verbesserte – Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin anstrebt, dass dem Antrag auf Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbots auch hinsichtlich ihrer Stiefgroßmutter stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[8] 1. Die Antragstellerin macht zusammengefasst geltend, mit dem Ableben ihres Großvaters sei jegliche familiäre Beziehung zur Stiefgroßmutter erloschen. Da schon die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots für die Stiefgroßmutter extensiver Gesetzesauslegung bedürfe, sei im Hinblick auf das aus der Urkundensammlung ersichtliche Motiv dieses Verbots laut Vereinbarung vom zu berücksichtigen, dass jegliche Schutzwürdigkeit der Verbotsberechtigten weggefallen sei. Dazu liege ein sekundärer Feststellungsmangel vor. Zu bedenken sei auch die Intention des Gesetzgebers, Liegenschaftsbesitz nicht immerwährend dem Markt zu entziehen, sodass das Belastungs- und Veräußerungsverbot nach § 364c ABGB auf einen engen Personenkreis zu begrenzen sei. Einer Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung durch das Grundbuchsgericht bedürfe es nicht.
[9] Dem ist nicht zu folgen.
[10] 2.1. Der erkennende Senat hält die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 zweiter Satz AußStrG iVm § 126 Abs 3 GBG). Zu ergänzen bleibt:
[11] 2.2. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 364c letzter Satz ABGB) wirkt ein vertragliches oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot (nur) dann gegen Dritte, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im Grundbuch eingetragen wird. Diese Ausnahme des § 364c ABGB von der prinzipiellen Verfügungsfreiheit des Liegenschaftseigentümers dient der Erhaltung des Familienbesitzes; die Begründung eines Belastungs- oder Veräußerungsverbots mit Drittwirkung durch grundbücherliche Eintragung setzt daher ein familiäres Verhältnis zwischen den Beteiligten im Sinn des § 364c ABGB voraus (5 Ob 143/17s; RIS-Justiz RS0010722).
[12] 2.3. Während Schwiegereltern und -kinder in § 364c ABGB ausdrücklich genannt sind, zählt die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in analoger Ausdehnung dieses Kreises der begünstigten Personen auch Stiefeltern und -kinder zum Personenkreis des § 364c ABGB (5 Ob 143/17s; 2 Ob 34/15m; vgl RS0109934; RS0124550;). Dies wird damit begründet, dass der offenkundige Zweck der Bestimmung, nämlich die Erhaltung des Familienbesitzes, die analoge Anwendung auf Stiefkinder und Stiefeltern als geboten erscheinen lässt, weil nur dies den Widerspruch vermeidet, dass Pflegekinder und deren Ehegatten unter die Bestimmung fallen, die leiblichen Kinder des anderen Ehegatten dagegen nicht. Wer zur Familie gehört, bestimmt sich demnach nicht ausschließlich durch Satzungen, sondern zunehmend durch die Intensität des Zusammenlebens und des Zusammengehörigkeitsgefühls (5 Ob 143/17s; 5 Ob 104/98z). Eine familiäre Verbundenheit zwischen Stiefeltern und -kindern bzw Pflegeeltern und -kindern ist danach nicht anders zu beurteilen als zwischen Schwiegereltern und -kindern (5 Ob 143/17s). Das Kriterium der Intensität des Zusammenlebens allein ist aber nicht ausschlaggebend, weil Geschwister – unbestritten – nicht unter die Privilegierung des § 364c ABGB fallen und außerdem die ursprüngliche Intention zur Einführung der Bestimmung die Möglichkeit der Erhaltung des Familienbesitzes war, diese aber zugunsten der Freiheit des Liegenschaftsverkehrs nur im eingeschränkten Umfang ermöglicht werden sollte (5 Ob 143/17s; 2 Ob 34/15m mwN).
[13] 2.4. In dem zu 5 Ob 253/08d entschiedenen Fall war die Stiefmutter vertraglich begünstigt und wurde im Sinn dieser Rechtsprechung zum (durch Analogie erweiterten) Kreis der Angehörigen nach § 364c zweiter Satz ABGB gezählt. Dass diese Grundsätze auch für die Stiefgroßmutter anwendbar sind – zumal Verwandtschaftsverhältnisse über mehrere Stufen hinweg für die Verbücherung des Rechts dann genügen, wenn auf jeder Ebene dazwischen ein begünstigtes Verhältnis vorliegt (1 Ob 146/35 = Zbl 1935/290) - ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig. Umstritten ist die Frage der Auswirkungen der Auflösung des das Verhältnis nach § 364c ABGB begründenden familiären Bandes (hier: zwischen dem Großvater der Antragstellerin und dessen Gattin) durch Tod.
[14] 2.5. Grundsätzlich wird diese Form der zwischen einem Ehegatten und dem Verwandten des anderen bestehenden Schwägerschaft (§ 40 Satz 3 ABGB) durch den Tatbestand der Ehe begründet (5 Ob 143/17s). Die Frage, ob die Schwägerschaft und die von ihr ausgelösten Rechtsfolgen mit der Auflösung der sie begründenden Ehe erlöschen, regelt das Gesetz nicht generell. Nach herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erlischt das Schwägerschaftsverhältnis mit der Auflösung der sie begründenden Ehe, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet (RS0116994). Auch die Geltung dieses von der Rechtsprechung vertretenen Grundsatzes zieht die Revisionsrekurswerberin nicht in Zweifel, die sich auf den Wegfall des Schwägerschaftsverhältnisses als Begründung für ihren Grundbuchsantrag vielmehr ausdrücklich bezieht.
[15] 3.1. Mit den Rechtsfolgen des Wegfalls der Ehe im Fall der beabsichtigten späteren Begründung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots gemäß § 364c letzter Satz ABGB hat sich der Oberste Gerichtshof im Verhältnis zwischen Stiefeltern und -kindern bereits befasst. Er hat in diesen Entscheidungen die Zulässigkeit eines grundbücherlichen Belastungs- und Veräußerungsverbots zwischen Stiefeltern und -kindern nach dem Tod des die Schwägerschaft vermittelnden leiblichen Elternteils jeweils verneint (2 Ob 34/15m; 5 Ob 253/08d). Da das Schwägerschaftsverhältnis mit der Auflösung der dieses begründenden Ehe erlischt, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet, endet auch das Angehörigenverhältnis zwischen Stiefeltern/-kindern für den Anwendungsbereich des § 364c zweiter Satz ABGB jedenfalls mit dem Ende der die Schwägerschaft vermittelten Ehe. Endet diese Ehe – etwa durch den Tod des leiblichen Elternteils – ist eine spätere Verdinglichung des Belastungs- und Veräußerungsverbots ausgeschlossen (2 Ob 34/15m, 5 Ob 253/08d; RIS-Justiz RS0124550 [T1]).
[16] 3.2. Keine ausdrückliche Stellungnahme findet sich hingegen zur Frage, ob die dingliche Wirkung eines vom Stief-(groß-)elternteil eingeräumten und nach obigen Rechtsprechungsgrundsätzen zu Recht verbücherten Veräußerungs- und Belastungsverbots nach der Auflösung der das Schwägerschaftsverhältnis begründenden Ehe wegfällt, das in § 364c ABGB genannte Angehörigenverhältnis daher nicht nur Begründungs-, sondern auch Bestandsvoraussetzung des Verbots ist. Nur wenn dies zu bejahen wäre, könnte der – der Sache nach auf § 136 Abs 1 GBG gestützte – Antrag auf Löschung des Veräußerungs- und Belastungsverbots hinsichtlich der Stiefgroßmutter der Antragstellerin Erfolg haben.
[17] 3.3. Nach § 136 Abs 1 GBG ist auf Ansuchen eine zur Berichtigung erforderliche Eintragung vorzunehmen, ohne dass die sonst für eine solche Eintragung von diesem Bundesgesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt und die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden (hier: Standesurkunden) nachgewiesen ist. Die Anwendung des § 136 Abs 1 GBG setzt daher voraus, dass nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten ist (RS0079847 [T1]; RS0060992 [T1]; RS0061010 [T23]) und mit der Grundbuchsberichtigung die Nachführung des Grundbuchstandes an die wahre außerbücherlich eingetretene Rechtslage vorgenommen wird (RS0060992 [T3]; RS0061010). Eine aus den Urkunden nachgewiesene Unrichtigkeit der Eintragung aufgrund nachträglicher Rechtsänderung liegt hier aber nicht vor.
[18] 3.4. Die Literatur nimmt zur Frage des nachträglichen Erlöschens eines rechtswirksam eingeräumten Belastungs- und Veräußerungsverbots nach Tod des die Schwägerschaft vermittelnden Verbotsberechtigten nur eingeschränkt Stellung.
[19] Leupold (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2011] § 364c ABGB Rz 42) will die dingliche Wirkung eines zwischen Stiefkind und Stiefelternteil bereits verbücherten Verbots auch bei Tod des leiblichen Elternteils bestehen lassen, meint aber unter Berufung auf die Kritik von Holzner (§ 364c ABGB: Ende der Stiefkindeigenschaft mit dem Tod des leiblichen Elternteils? Eine Besprechung der E – JBl 2010, 134) ganz grundsätzlich, selbst ein nach dem Tod des leiblichen Elternteils begründetes Verbot könne verbüchert werden, weil die Stiefkindeigenschaft durch den Tod nicht erlösche.
[20] Hoyer (NZ 2009/83, 277 [280]) tritt in seiner Anmerkung zur Entscheidung 5 Ob 253/08d dafür ein, dem Liegenschaftseigentümer einen Anspruch auf Löschung des noch zu Lebzeiten des Ehegatten der Begünstigten und leiblichen Vaters des Verpflichteten einverleibten Veräußerungs- und Belastungsverbots nach dem Tod desselben zu gewähren, spricht aber andererseits davon, die Antragstellerin habe sich mit der Verbücherung zu viel Zeit gelassen und damit den Zufall des vorzeitigen Todes ihres Ehegatten erst zur nachteiligen Rechtswirkung gebracht.
[21] Mayr (Das Veräußerungs- und Belastungsverbot [2018], 51) meint, im Fall der Scheidung der Ehe werde auch das zwischen Schwiegereltern und -kindern vermittelte verwandtschaftliche Verhältnis beendet. Sie schließt daraus, mit der Scheidung verliere das zwischen Schwiegereltern und -kindern vereinbarte Verbot seine absolute Wirkung.
[22] Angst (Rechtsfragen des rechtsgeschäftlichen Veräußerungs- und Belastungsverbots in Hofmeister – GedS [1996] 1 [7 f]) vertritt die Auffassung, die dingliche Wirkung des Verbots erlösche immer dann, wenn die Voraussetzungen für den Eintritt der dinglichen Wirkung, die neben der Eintragung im Grundbuch gegeben sein müssen, nachträglich wegfallen und die dingliche Wirkung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verbotsberechtigten nicht mehr notwendig sei; stünden solche Interessen nicht mehr auf dem Spiel, bestehe kein Grund mehr für die Aufrechterhaltung der dinglichen Wirkung. Diesfalls sei anzunehmen, dass die zunächst zulässige dingliche Wirkung des Verbots nach dem Willen des Gesetzgebers enden sollte.
[23] Aschauer (Das rechtsgeschäftliche Veräußerungs- und Belastungsverbot bei Liegenschaften, 51) spricht zwar davon, nach Auflösung der Ehe bestehe kein Verhältnis mehr, das die Begründung absolut wirksamer Veräußerungs- und Belastungsverbote rechtfertigen könnte, meint aber auch, das Verwandtschaftsverhältnis iSd § 364c ABGB müsse (nur) bei Einlangen des Grundbuchsgesuchs bestehen (aaO 58).
[24] 4.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der Frage der Auswirkungen einer Scheidung der Ehe auf das zwischen Ehegatten wirksam vereinbarte und bücherlich eingetragene Veräußerungs- und Belastungsverbot befasst (RS0010724). Nach dieser gesicherten Rechtsprechung verliert ein solches, wirksam vereinbartes und bücherlich eingetragenes Veräußerungs- und Belastungsverbot durch die Scheidung der Ehe allein seine (dingliche) Rechtswirkung nicht. In der ausführlich begründeten und sich mit den zustimmenden und ablehnenden Lehrmeinungen im Detail auseinandersetzenden Entscheidung 10 Ob 510/94 hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut ausgeführt, dass der Anspruch auf Löschung des Verbots im Scheidungsfall nur im Weg einer (ausdehnenden) Auslegung dahin erzielt werden könnte, dass die Ehegatteneigenschaft nicht nur Begründungs- sondern auch Bestandsvoraussetzung des Verbots sein sollte, womit der Gesetzeszweck des Verbots aber zu eng gesehen würde. Der Fachsenat hielt diese Auffassung für das Grundbuchsverfahren mit dem Hinweis aufrecht, dass von der jüngeren kritischen Lehre keine substantiellen neuen Argumente dagegen vorgetragen werden könnten (5 Ob 210/08f). Auch zu 5 Ob 109/11g hielt er daran fest, dass das zwischen den Ehegatten wirksam begründete und verbücherte Belastungs- und Veräußerungsverbot selbst nach Beendigung eines allfälligen nachehelichen Aufteilungsverfahrens – allein auf Basis der Gesetzesauslegung – nicht automatisch seine (dingliche) Rechtswirkung verliere. Erst jüngst sprach der Fachsenat zu 5 Ob 93/21w – wenngleich in etwas anderem Zusammenhang – davon, die Ehegatteneigenschaft sei nur Begründungs-, nicht aber auch Bestandsvoraussetzung des Verbots nach § 364c ABGB, was auch für das Verhältnis zwischen Stiefeltern/Stiefkindern und für die Schwägerschaft gelte. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch auf die hier zu beurteilende Konstellation anzuwenden, liegt nahe.
[25] 4.2. Zwischen geschiedenen Ehegatten besteht ebenso wenig ein Verhältnis im Sinn des § 364c ABGB wie zwischen einer Stiefgroßmutter und ihrem Stiefenkel nach Auflösung der diese Schwägerschaft vermittelten Ehe durch Tod. Der Wortlaut des § 364c ABGB stellt als Voraussetzung für die dingliche Wirkung des Belastungs- und Veräußerungsverbots nur auf ein dort genanntes Angehörigenverhältnis bei Begründung, grundbuchsrechtlich daher bei Einlangen des Grundbuchsansuchens (§ 93 GBG) ab (RS0010717). Vergleichbar zu den Argumenten des Obersten Gerichtshofs für den Fall der Fortwirkung des verbücherten Belastungs- und Veräußerungsverbots nach Ehescheidung würde der Gesetzeszweck des Veräußerungs- und Belastungsverbots auch bei Auflösung des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Stiefenkel und Stiefgroßelternteil durch Tod des leiblichen Großelternteils zu eng gesehen, würde man die Angehörigeneigenschaft in diesem Fall nicht nur als Begründungs-, sondern auch als Bestandsvoraussetzung des Verbots ansehen. Im Übrigen beruht in einem solchen Fall die Auflösung der das Schwägerschaftsverhältnis vermittelten Ehe nicht auf einer Entscheidung der Eheleute, sondern auf dem (im Allgemeinen) unbeeinflussbaren Tod des leiblichen – hier – Großelternteils (für eine Differenzierung in diesem Sinn vgl auch Holzer, § 364c ABGB: Ende der Stiefkindeigenschaften mit dem Tod des leiblichen Elternteils?, JBl 2010, 134 [135]). Da der Begriff der „Familie“ aufgrund geänderter gesellschaftlicher Anschauungen („Patchworkfamilien“) weiter zu sehen ist als das unmittelbare Verhältnis zwischen leiblichen Vorfahren und deren Nachkommen, steht auch der vom Gesetzgeber grundsätzlich in § 364c ABGB verfolgte Zweck der Sicherung des Familienbesitzes einer Aufrechterhaltung der dinglichen Wirkung des Verbots selbst nach dem Tod des leiblichen Elternteils oder Großelternteils nicht entgegen.
[26] 4.3. Dass der Gesetzgeber die Freiheit des Liegenschaftsverkehrs durch die Anordnung des § 364c ABGB sowohl zeitlich als auch personenbezogen bewusst nur in begrenztem Umfang einschränken wollte, ist richtig. Der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auslegung, dass auch Stiefkinder und Stiefeltern in den Kreis des § 364c ABGB einzubeziehen sind, steht das aber nicht entgegen. Es besteht daher auch kein Grund, das ursprünglich zu Recht eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot nur deshalb nachträglich zu löschen, weil das die Stiefelternteileigenschaft vermittelnde Eheband durch Tod aufgelöst wird. Auch der hinterbliebene Ehegatte ist – wenn auch nicht (mehr) verschwägert im Sinn des Gesetzes – ein grundsätzlich weiterhin schutzwürdiger Teil der ursprünglichen Familie. Dies zeigt hier auch der Umstand, dass die Antragstellerin eben nicht nur ihrem Großvater, sondern bewusst – so der Vertragstext – auch dessen Gattin das Belastungs- und Veräußerungsverbot zur Sicherung des Familienbesitzes eingeräumt hat. Dieser Sicherungszweck wurde durch die Einverleibung dieses Verbots erfüllt; dass das Interesse an der Sicherung des Familienbesitzes in diesem (weiteren) Sinn auf Seiten der Stiefgroßmutter durch den Tod des leiblichen Großvaters weggefallen wäre, lässt sich aus der Gesetzeslage des § 364c ABGB allein nicht ableiten. Für einen „ex lege-Wegfall“ der dinglichen Wirkung des Verbots allein durch den Tod des Ehegatten der Stiefgroßmutter bietet das Gesetz kein ausreichendes Argument.
[27] 4.4. Zusammenfassend ist festzuhalten:
[28] Ein zu Recht nach § 364c ABGB vereinbartes und verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen einem Stiefgroßelternteil und seinem Stiefenkel verliert nicht schon allein aufgrund des Todes des diese Schwägerschaft vermittelnden Großelternteils seine dingliche Wirkung. Es ist daher nicht bloß aufgrund einer Sterbekurkunde nach § 136 Abs 1 GBG, sondern nur aufgrund einer grundbuchsfähigen Löschungserklärung des Berechtigten zu löschen.
[29] 4.5. Ob ein davon abweichendes Ergebnis allenfalls durch Auslegung des die Eintragungsgrundlage bildenden Vertrags gewonnen werden könnte (was die Revisionsrekursausführungen unter Zitat des Vertragstextes anstreben), ist nach der zutreffenden Auffassung des Rekursgerichts nicht im Grundbuchsverfahren zu klären (5 Ob 210/08f; RS0060878; RS0060573). Dazu liegen daher keine sekundären Feststellungsmängel vor. Zur Klärung dieser Frage müsste die Antragstellerin den Prozessweg beschreiten.
[30] 5. Damit war dem Revisionsrekurs insgesamt nicht Folge zu geben.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00055.21F.0408.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-68848