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OGH 26.01.2022, 3Ob227/21k

OGH 26.01.2022, 3Ob227/21k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde *, vertreten durch Beck + Partner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Mag. E* H*, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 117/21k-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gaben dem Räumungsbegehren der klagenden Gemeinde wegen titelloser Benützung des Bestandobjekts durch die Beklagte nach Ablauf des auf fünf Jahre befristeten, dem MRG unterliegenden Mietvertrags vom statt. Dieser Mietvertrag enthielt in Pkt 3.2 folgende Befristungsregelung:

„Der Mietvertrag beginnt am und wird auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen. Der Mietvertrag endet somit am , ohne dass es einer gesonderten Aufkündigung bedarf. Sollte nach Ablauf des Vertrags Interesse des Mieters an der weiteren Anmietung bestehen, muss längstens sechs Monate vor Ablauf der Befristung ein entsprechender schriftlicher Antrag an den Vermieter gestellt werden, worüber der Vermieter (nach Vorliegen eines Gemeinderatsbeschlusses) schriftlich entscheidet.“

[2] Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[3] 1.1 Die geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

[4] 1.2 Das Berufungsgericht hat den in der Berufung behaupteten erstinstanzlichen Verfahrensmangel betreffend die unterlassene Einvernahme der Gemeinderatsmitglieder zur Beschlussfassung über den Mietvertragsabschluss im Jahr 2015 nachvollziehbar verneint. Diesem Beweisantrag fehlte nämlich tatsächlich insoweit die rechtliche Relevanz, als der Beschluss eines Gemeinderats nicht nach dem subjektiven Verständnis seiner Mitglieder, sondern objektiv nach dem Aussagewert des Textes, dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und im Zusammenhalt mit dem zugrunde gelegenen Geschäftszweck auszulegen ist (7 Ob 108/17h). Insoweit zeigt die Beklagte kein diesen Grundsätzen widersprechendes Auslegungsverständnis des Berufungsgerichts auf, enthielt doch der Gemeinderatsbeschluss eindeutig und ausdrücklich die gewünschte Befristung des Mietvertrags auf fünf Jahre. Dass damit – worauf die Argumentation der Beklagten hinausliefe – von der vermietenden Gemeinde eine bloß unwirksame Befristungsregelung angestrebt werden sollte, widerspricht jeder Vernunft. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher schon aus diesem Grund nicht vor. Auf die vom Berufungsgericht weiter angestellten Erwägungen, unter welchen Voraussetzungen bei einer fehlenden Zustimmung des Gemeinderats nach Rechtsscheingrundsätzen und infolge Vorteilszuwendung dennoch eine „schlüssige“ nachträgliche Genehmigung angenommen werden könnte, ist daher nicht einzugehen.

[5] 1.3 Zur angeblichen Zusage des Bürgermeisters im Jahr 2018, den Vertrag aus 2015 über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verlängern, bekämpft die Beklagte in Wahrheit – in dritter Instanz unzulässig – die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Im Übrigen ist auch der Vorwurf der vom Berufungsgericht vermeintlich unterlassenen Erledigung der Beweisrüge betreffend die Einvernahme der Gemeinderatsmitglieder zu deren Befassung mit einer Vertragsverlängerung im Jahr 2018 im Ergebnis unberechtigt. Die Beklagte äußerte nämlich über eine solche Befassung des Gemeinderats in erster Instanz lediglich Vermutungen im Sinne eines Erkundungsbeweises und vermochte eine Beschlussfassung des Gemeinderats hinsichtlich einer Vertragsverlängerung nicht einmal konkret zu behaupten, sodass insoweit keine Beweisaufnahmen erforderlich waren.

[6] 2.1 Soweit die Beklagte in ihrer Rechtsrüge mit einer Vertragsverlängerung im Jahr 2015 aufgrund einer nahtlosen Fortsetzung des Vertrags aus 2012 argumentiert, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den gegenteiligen, den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen ausgeht. Demnach hatten beide Streitteile im Jahr 2015 den Willen, einen neuen Mietvertrag abzuschließen, nicht hingegen, den Mietvertrag aus dem Jahr 2012 zu modifizieren.

[7] 2.2.1 Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung der Befristungsregelung in Pkt 3.2 des Mietvertrags aus 2015 zutreffend von den zu § 29 MRG entwickelten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Demnach muss die Befristungsvereinbarung ausreichend bestimmt und unzweifelhaft erfolgen (vgl RS0090569 [T8]). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Mieter darauf einstellen kann, dass das Mietverhältnis ohne sein weiteres Zutun zu einem bestimmten, das heißt von vornherein objektiv feststellbaren Zeitpunkt endet (vgl RS0070201).

[8] 2.2.2 Nach der Rechtsprechung steht eine „Verlängerungsoption“ einer wirksamen Befristung des Mietvertrags dann nicht entgegen, wenn das Erlöschen des Mietverhältnisses als solches nicht von einer (noch dazu auslegungsbedürftigen) Bedingung, wie etwa einer vorherigen Auflösungserklärung oder dem Unterbleiben einer vorherigen Verlängerungserklärung des Vermieters abhängig gemacht wird. Dementsprechend wird eine Verlängerungsoption dann als zulässig erachtet, wenn die Verlängerung des Mietverhältnisses in unmissverständlicher Weise etwa von einer (Verlängerungs-)Erklärung vor allem des Mieters abhängig gemacht wird und bei Untätigkeit das Mietverhältnis zum vorgesehenen Termin endet, sodass der Zeitpunkt der Beendigung für den Mieter nicht ungewiss bleibt (vgl 4 Ob 133/18i; 9 Ob 11/21i). Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0090569 [T8]).

[9] 2.2.3 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Befristungsregelung im Mietvertrag aus 2015 – auch im Hinblick auf die Vertragsbeendigung – nicht zweideutig und der Endtermin an keine weiteren Bedingungen geknüpft sei, steht mit diesen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang. Die Möglichkeit der Verlängerung des Mietverhältnisses wird in unmissverständlicher Weise von einer Erklärung der Mieterin abhängig gemacht, ohne dass für sie Zweifel an der Vertragsdauer entstehen können. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Wendung „längstens sechs Monate vor Ablauf der Befristung“ im Hinblick auf die Antragstellung bei der Klägerin eindeutig. Ebenso klar ist, dass die Klägerin vor Ablauf der Befristung entscheiden muss und – bei positiver Entscheidung – der Vertrag entweder in dem anlässlich der Verlängerung vereinbarten Ausmaß oder sonst auf weitere fünf Jahre erneuert wird.

[10] 2.2.4 Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf die Entscheidung zu 9 Ob 11/21i (= immolex 2021/120 [krit H. Böhm]) stützen, zumal die dortige Klausel die Verlängerung des Mietverhältnisses vom Unterbleiben einer „Nichtverlängerungserklärung“ des Vermieters abhängig machte. Ein dieser Vertragslage vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor.

[11] 3. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00227.21K.0126.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-68539