OGH 21.10.2021, 3Ob160/21g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richterin der Pflegschaftssache des 1. mj *, geboren am * 2012, und des 2. mj *, geboren am * 2014, beide wohnhaft bei der Mutter *, diese vertreten durch Mag. Elisabeth Gerhards, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters *, vertreten durch Mag. Irene Binder, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Dr. Gregor Holzknecht, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 298/21y-1013, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen auch im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Kontakt angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen (§ 110 Abs 2 AußStrG). Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist nicht die Strafe als Geldwert des Strafbetrags, sondern die Bestrafung als solche (RS0038625). Damit handelt es sich bei einer Geldstrafe um einen Gegenstand, der iSd § 62 Abs 3 und 4 AußStrG nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Der Revisionsrekurs ist daher wertunabhängig grundsätzlich nach Maßgabe des § 62 Abs 1 AußStrG zu behandeln (RS0038625 [T2]; jüngst 3 Ob 66/17b [Pkt 2.1.]).
[2] Ob es zur Durchsetzung einer Kontaktrechtsregelung notwendig ist, eine Zwangsmaßnahme zu verhängen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0007330 [T6]). Dasselbe gilt für die Angemessenheit der Strafhöhe (RS0007330 [T4]). Eine zu korrigierende Fehlbeurteilung wird im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt.
[3] 1.1. Der Revisionsrekurswerber brachte im Zeitraum bis die beiden Kinder der Mutter (auch) vom Besuchswochenende an vier Sonntagen mit einer Verspätung zwischen 60 und 130 Minuten zurück, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund hierfür ersichtlich ist. Bereits aufgrund dieser Verspätungen ist die Verhängung der Beugestrafe über ihn nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob es dem Revisionsrekurswerber am Kontaktrechts-(nachmit-)tag, einem Dienstag, möglich war, im genannten Zeitraum sowohl die Besuche kindgerecht zu gestalten als auch die Kinder der Mutter pünktlich zurückzugeben – er führt ins Treffen, dass wegen der Corona-bedingten Schließung von Einrichtungen und Lokalen sowie der Witterung die Betreuung der Kinder in seiner Wohnung alternativlos war und es nicht kindgerecht gewesen wäre, nach dem Abholen von Schule bzw Kindergarten und Ankunft in seiner Wohnung wenige Minuten später sofort wieder aufzubrechen, um pünktlich bei der „am anderen Ende von Wien“ wohnenden Mutter zu sein – kommt es daher nicht an.
[4] 1.2. Beugestrafen haben nach ihrem Zweck empfindlich zu sein. Die Einkommenshöhe ist zumindest solange unbeachtlich, als nicht feststeht, dass die Strafe mit Sicherheit uneinbringlich ist (8 Ob 356/97 mwN; 8 Ob 71/16y [Pkt 2.]). Die verhängte Geldstrafe von 300 EUR ist jedenfalls gering bemessen und daher (auch) der Höhe nach unbedenklich (vgl 1 Ob 259/05b und 3 Ob 66/17b [Pkt 2.3.]). Dass die Geldstrafe uneinbringlich sein wird, ist nicht ersichtlich und wird auch im Rechtsmittel nicht behauptet.
[5] 1.3. Die Verhängung einer Geldstrafe iSd § 110 AußStrG setzt nicht deren Androhung voraus (6 Ob 68/09g [Pkt 3.1.], Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 I § 110 Rz 32 mwN ua). Dass der Vater gegen die mit Beschluss vom , ON 914, erfolgte Androhung der Verhängung einer Geldstrafe von 500 EUR „für den Fall, dass die Kinder in Hinkunft später zurückgebracht werden als in den rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen (bzw Entscheidungsteilen) angeordnet“, einen – nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unzulässigen (siehe RS0006293; 8 Ob 30/20z [Pkt 2. aE]) – Rekurs (ON 917) erhob und zur Zeit der erstinstanzlichen Verhängung der Geldstrafe über diesen noch nicht (zurückweisend) entschieden war (siehe nunmehr ON 1012), stand umso weniger der Verhängung der Geldstrafe entgegen.
[6] 1.4. Der Revisionsrekurswerber beanstandet zu Unrecht die Nichtanführung der ihm zur Last gelegten Verstöße gegen die Kontaktrechtsregelung im Spruch des erstgerichtlichen Beschlusses.
[7] Nach § 39 Abs 1 Z 4 AußStrG hat die schriftliche Ausfertigung eines Beschlusses den Spruch zu enthalten. Der Spruch ist die Benennung der Rechtsfolge, die das Gericht anordnet (Thunhart in Schneider/Verweijen, AußStrG § 39 Rz 3; iglS 4 Ob 599/88 = RS0049500 [zum Spruch eines Bescheides]; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, AußStrG3 § 39 Rz 2), somit im Fall des § 110 AußStrG, dass über eine Person eine Geldstrafe bestimmter Höhe verhängt wird. Aufgrund welchen Sachverhalts dies geschieht, ist nicht dem Spruch, sondern der Begründung zu entnehmen, nämlich Teil der in der Begründung enthaltenen „Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts“ (§ 39 Abs 1 Z 5 iVm Abs 3 AußStrG). Eine dem § 260 Abs 1 Z 2 (iVm § 271 Abs 1 Z 7) StPO entsprechende Bestimmung, wonach – im Übrigen anders als zufolge § 86 Abs 1 StPO bei einem strafgerichtlichen Beschluss, etwa einem solchen, mit dem eine Beugestrafe verhängt wird (vgl Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 93 Rz 6) – im Spruch des strafgerichtlichen Urteils (und nicht bloß in dessen Begründung) die strafbare Handlung, deren Begehung der Angeklagte für schuldig befunden wird, zu nennen ist (vgl Lendl in Fuchs/Ratz, WK-StPO [2020] § 260 Rz 27 mwN), sieht das AußStrG für Beugestrafen gerade nicht vor. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).
[8] 1.5. Die Notwendigkeit der Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen die Mutter wegen (vermeintlicher) Verletzungen der Kontaktrechtsregelung wurde von den Vorinstanzen mit der Begründung verneint, diese hätten auf einer nicht mutwillig unrichtigen Rechtsauslegung der Mutter beruht, sowie damit, dass (nunmehr) das Kontaktrecht der Kinder zu ihrem Vater unbestritten laufend und auch zu Ferienzeiten stattfinde. Dass die Mutter nach rechtskräftiger Klärung des Kontaktrechts (Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 3 Ob 128/20z) dieses nicht eingehalten hätte, ist nicht ersichtlich. Zumal eine Geldstrafe nach § 110 AußStrG beugenden und nicht pönalen Charakter hat (vgl RS0007330; RS0007310 [T6, T7, T10]), ist die Entscheidung der Vorinstanzen auch insofern nicht zu beanstanden.
[9] 2. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:E133185 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-68508