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OGH 25.11.2021, 3Ob127/21d

OGH 25.11.2021, 3Ob127/21d

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Familienrechtssache der Minderjährigen M*, geboren * 2012, Mutter A*, vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, Vater R*, vertreten durch Dr. Dieter Gollonitsch, Rechtsanwalt in Scheibbs, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 209/21i-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht angeordnete gemeinsame Obsorge bei hauptsächlicher Betreuung der Tochter im Haushalt der Mutter.

[2] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter, in dem keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt wird.

[3] 1.1 Auch im Verfahren außer Streitsachen kann eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz – hier die unterlassene Einholung einer zunächst in Aussicht genommenen, weiteren Stellungnahme des KJHT – im Revisionsrekursverfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0030748; RS0050037). Dieser Grundsatz ist im Pflegschaftsverfahren (ausnahmsweise) dann nicht anzuwenden, wenn das Aufgreifen eines solchen Verfahrensfehlers zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (RS0030748 [T2, T5, T18]; RS0050037 [T1, T4, T8]). Ob das Aufgreifen eines vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangels aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist, bildet eine Frage des Einzelfalls (RS0050037 [T18]).

[4] 1.2 Im Revisionsrekurs der Mutter findet sich kein Argument dafür, dass die Entscheidung, mit der die hauptsächliche Betreuung im Haushalt der Mutter beibehalten wird, das Wohl der Minderjährigen beeinträchtigen könnte: Die Mutter hat nie wegen der Wohnverhältnisse des Vaters Bedenken erhoben, und führt solche Zweifel auch in ihrem Rechtsmittel nicht an. Darauf hat auch das Rekursgericht, das die Notwendigkeit von Erhebungen dazu verneinte, bei Behandlung der Mängelrüge bereits hingewiesen.

[5] 2.1 Entscheidungen über die Obsorge sind stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu treffen, es kommt ihnen daher typischerweise keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu, sofern nicht tragende Grundsätze oder das Kindeswohl verletzt wurden (vgl RS0007101; RS0115719; RS0097114). Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Elternteile setzt ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus; ob eine solche vorhanden ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0128812 [T15]).

[6] 2.2 Nach den – für den Obersten Gerichtshof bindenden (RS0007236) – Feststellungen ist eine (wenngleich „im Zuge des Gerichtsstreits etwas“ verschlechterte) Kommunikationsbasis zwischen den Eltern vorhanden und die Besuchskontakte zum Vater funktionieren im Wesentlichen nach wie vor gut; die Minderjährige hat gewisse Probleme mit der neuen Ehefrau des Vaters, die eine etwas strengere Einstellung zu Erziehungsfragen hat als der Vater und ihr weniger erlaubt (zB beim Einkaufen). Differenzen gab es immer wieder bezüglich der Abholsituation, weil der Vater erst kurzfristig erfuhr, ob er die Tochter bei der Mutter oder bei der mütterlichen Großmutter abholen sollte. Die für einen Obsorgestreit mehr oder weniger typischen Schwierigkeiten im gegenseitigen Umgang sind kein Grund, die seit dem KindNamRÄG 2019 als Regelfall vorgesehene gemeinsame Obsorge nicht anzuordnen (vgl 8 Ob 152/17m mwN). Soweit die Mutter eine für die gemeinsame Obsorge hinreichende Kommunikationsbasis der Eltern (pauschal) in Abrede stellt, entfernt sie sich vom Sachverhalt und führt damit ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus (vgl RS0043312 [T12, T14]; RS0043603 [T2, T8]). Entgegen der Ansicht der Mutter bedurfte es für die Entscheidung über die Obsorge auch keiner „konkreten Feststellungen“ zur – angeblich von der Tochter abgelehnten – „Einflussnahme der nunmehrigen Ehegattin des Vaters“ auf die Beziehung zwischen Vater und Tochter.

[7] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00127.21D.1125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-68487